Lippische Landes-Zeitung ,
05.08.2022 :
Alte Synagoge: Rückenwind vom Präsidenten
Frank-Walter Steinmeier bedauert den Zustand des Gebäudes / Er appelliert an alle Beteiligten, mit jüdischem Erbe in Deutschland respektvoll umzugehen
Sven Koch
Detmold. Die Omas gegen Rechts setzen sich in Detmold auch für den Erhalt der Alten Synagoge in der Bruchmauerstraße ein. Nun bekommen sie sogar Rückenwind vom Bundespräsidenten. Die Omas gegen Rechts hatten in Bezug auf den Erhalt des Gebäudes an das Bundespräsidialamt geschrieben. Wie berichtet, ist die alte Synagoge in der Detmolder Innenstadt seit Wochen auch überregional in Diskussion, denn es droht ihr Abriss. Nun schreibt dazu das Bundespräsidialamt nach Detmold: "Der Bundespräsident bedauert den Zustand, in dem sich eine der ältesten nachgewiesenen Synagogen Norddeutschlands befindet. Im Grundgesetz heißt es auch: Eigentum verpflichtet. Gerade mit dem jüdischen Erbe sollte in Deutschland besonders respektvoll umgegangen werden." Der Bundespräsident hoffe sehr, dass es doch noch gelinge, eine gute Lösung zu finden, die der historischen Bedeutung des Gebäudes gerecht werde. Frank-Walter Steinmeier dankt in dem Schreiben außerdem den Omas gegen Rechts für ihr gesellschaftliches Engagement "für unsere Demokratie". Diesem Dank schließt sich in dem Brief außerdem Dr. Heiko Holste an - er ist Leiter des Referats Historische Grundsatzfragen; Erinnern und Gedenken. "Ich war ganz überrascht", sagt Brigitte van Ahee von den Omas gegen Rechts, "als plötzlich ein Anruf vom Bundespräsidialamt kam. Damit hatte ich nicht gerechnet auf unser Schreiben hin, vor allem nicht so schnell." Was der Bundespräsident denn tun könne, wurde sie gefragt. Die Antwort: "Stellung beziehen." Das geschah dann prompt in Berlin. Und mehr: Auch die Bezirksregierung habe sich bei den Omas gemeldet.
Die Stadt werde das sicherlich bald tun. Dort hatte sich nach van Anhees Informationen das Bundespräsidialamt ebenfalls gemeldet, um mal zu hören, was da so los sei in Detmold. Erfahren habe Berlin dabei auch, dass es eine Ortsbegehung gegeben, und was es mit der Problematik mit dem Gebäude und seinem Eigentümer insgesamt auf sich habe.
Am frühen Donnerstagabend gab es außerdem eine Mahnwache an dem Gebäude in der Bruchmauerstraße. Dazu hatte die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit aufgerufen.
Kontakt zum Autoren unter skoch@lz.de.
Bildunterschrift: Die alte Synagoge in der Bruchmauerstraße ist weiterhin überregional in der Diskussion.
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Bundespräsidialamt, 01.08.2022
Bundespräsident Steinmeier lässt Ihnen für Ihr Schreiben vom 25. Juli 2022 danken. Wegen der Vielzahl der Zuschriften, die ihn täglich erreichen, kann er leider nicht alle Zuschriften persönlich beantworten so wie er dies gerne täte. Er hat mich daher beauftragt, Ihnen zu schreiben.
Sie haben in Ihrem Schreiben auf den schlechten baulichen Zustand sowie den Streit um die Zukunft der einstigen Detmolder Synagoge hingewiesen, die vom Abriss bedroht ist. Die denkmalschutzrechtlichen Anordnungen bezüglich des Gebäudes sind Gegenstand von Gerichtsverfahren. Nach der Rechtsordnung des Grundgesetzes ist es dem Bundespräsidenten verwehrt, auf die Entscheidungen der Justiz Einfluss zu nehmen, wofür ich um Ihr Verständnis bitte.
Der Bundespräsident bedauert jedoch den Zustand, in dem sich eine der ältesten nachgewiesenen Synagogen Norddeutschlands befindet. Im Grundgesetz heißt es auch: Eigentum verpflichtet. Gerade mit dem jüdischen Erbe sollte in Deutschland besonders respektvoll umgegangen werden. Der Bundespräsident hofft daher sehr, dass es doch noch gelingt, eine gute Lösung zu finden, die der historischen Bedeutung des Gebäudes gerecht wird.
Der Bundespräsident dankt Ihnen und Ihren Mitstreiterinnen für Ihr gesellschaftliches Engagement für unsere Demokratie. Er wünscht Ihnen für die Zukunft alles Gute. Diesem Wunsch schließe ich mich gerne an.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Heiko Holste
Leiter des Referats Historische Grundsatzfragen;
Erinnern und Gedenken
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Omas gegen Rechts Detmold, 25.07.2022:
Wir wenden uns heute an Sie persönlich, Herr Bundespräsident
An das
Bundespräsidialamt
Herrn Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier
Spreeweg 1
10557 Berlin
Detmold, 25. Juli 2022
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
seit mehr als drei Jahren sind die Omas gegen Rechts bundesweit und auch in Detmold aktiv; wir stehen für den Schutz der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt der Kulturen, Toleranz und respektvolles Miteinander.
Wir widersetzen uns allen Formen von rechtspopulistischen und rechtsextremen Strömungen in unserem freien Land.
Dass wir kürzlich vom Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem Paul-Spiegel-Preis ausgezeichnet wurden, ehrt uns und erfüllt uns mit Dankbarkeit. Wir nehmen diese Anerkennung aber auch als Ansporn, unsere Stimme unermüdlich gegen Hass, Hetze und Gewalt zu erheben.
Wir wenden uns heute an Sie persönlich, Herr Bundespräsident, weil uns eine Situation in Detmold große Sorge bereitet.
Wie Sie eventuell bereits erfahren haben, gibt es im Herzen unserer schönen Altstadt ein ehemaliges jüdisches Bethaus (1633 errichtet, eine der ältesten nachgewiesenen Synagogen in Norddeutschland), das leider in einem sehr baufälligen Zustand ist und dringend restauriert werden müsste. Der Eigentümer weigert sich jedoch und möchte dieses besondere Wahrzeichen früheren jüdischen Lebens in Detmold niederreißen, um an seiner Stelle Parkplätze anzulegen. Die Stadt Detmold hat bereits versucht, das Gebäude zu kaufen, um daraus eine Stätte der Begegnung oder ein Museum zu gestalten. Das wäre auch ganz im Sinne der Jüdischen Gemeinde Detmold-Herford, wie dessen Vorsitzender Professor Matitjahu Kellig bestätigt. Der Eigentümer (ein Rechtsanwalt, der bekanntermaßen der rechten Szene zuzuordnen ist) weigert sich jedoch.
Nun sehen wir die Gefahr, dass dieser Mann einfach wartet, bis das Gebäude in sich zusammenfällt. Damit wäre die Gelegenheit verloren, aus diesem unscheinbaren Haus eine angemessene, würdige Gedenkstätte jüdischen Lebens in Detmold zu gestalten.
Wir, die Detmolder Omas gegen Rechts, werden durch Mahnwachen und unterschiedliche Aktionen an die Bedrohung dieses wichtigen historischen Zeugnisses erinnern, immer wieder.
Und wir möchten Sie, Herr Bundespräsident, herzlich bitten, sich für den Erhalt des jüdischen Bethauses einzusetzen.
Wir sind uns bewusst, dass unser Anliegen eines von Vielen ist, die Sie in Ihren zahlreichen Amtsgeschäften erreichen. Gerade deshalb werden wir es sehr schätzen, wenn Sie uns, der Jüdischen Gemeinde Detmold-Herford und der Stadt Detmold ein deutliches Signal geben.
Wir erlauben uns, dieses Schreiben als offenen Brief ebenfalls an den NRW-Ministerpräsidenten Herrn Hendrik Wüst, die Bezirksregierung Detmold, den Bürgermeister der Stadt Detmold, Herrn Frank Hilker und an die örtliche Presse zu schicken.
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Am 15. Juli 2022 wurde die (polizeibekannte) Detmolder Aktivistin, Pandemie-Leugnerin, "Reichsbürgerin" Anuschka Meyer vor dem Amtsgericht Detmold von Szene-Anwalt Hendrik Schnelle aus Detmold verteidigt.
Am 9. Juli 2022 berichtete "die tageszeitung", dass Hendrik Schnelle - "Anwalt der rechten Szene" - in der "Bruchmauerstraße" in Detmold ein historisches jüdisches Bethaus "durch Parkplätze ersetzen lassen" will.
Am 8. Juli 2022 forderte Volker Beck, Geschäftsführer des "Tikvah Institut", die Bezirksregierung Detmold auf, den "Erhalt einer historischen Synagoge in Detmold" mit "Enteignung des Herrn Schnelle" einzuleiten.
Am 19. Mai 2022 bezeichnete Szene-Anwalt Hendrik Schnelle in einer "Pressemitteilung", die freistehende Hofsynagoge (aus dem Jahr 1633) in der Bruchmauerstraße 37 in Detmold als "Schandfleck im Stadtbild".
Am 18. Mai 2022 wies das Verwaltungsgericht Minden eine Klage des Szene-Anwalts Hendrik Schnelle, auf Erteilung der Abbruchgenehmigung für die Hofsynagoge (1633) in der Bruchmauerstraße 37, Detmold, ab.
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www.jg-hf-dt.de
www.gfcjz-lippe.de
www.stadtarchiv.detmold.de
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