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Westfalen-Blatt , 22.02.2014 :

Der Verbrecher von Buchenwald / Autor Ernst Würzburger arbeitet an einer Biographie über den SS-Mann Hans Schmidt aus Höxter

Von Michael Robrecht

Höxter (WB). Hans Schmidt ist der letzte in der Bundesrepublik hingerichtete Kriegsverbrecher. Autor Ernst Würzburger verfasst jetzt die erste Biographie über den aus Höxter stammenden "Mörder von Buchenwald". Für sein Projekt sucht er ostwestfalenweit weiteres Foto- und Archivmaterial über den berüchtigten SS-Mann.

Würzburger, der aus Höxter stammt und bereits das Buch "Höxter: Verdrängte Geschichte" schrieb, arbeitet seit Monaten an einer Publikation über die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse und recherchiert Fakten über den 1951 zum Tode verurteilten KZ-Offizier Hans Schmidt. Der SS-Scherge war als Adjutant des berüchtigten Buchenwald-Kommandanten Hermann Pister an zahlreichen Verbrechen im Konzentrationslager beteiligt. Er hatte zeitweise sogar die Lagerleitung inne. Ernst Würzburger greift im Gedenkjahr "75 Jahre Ausbruch des Zweiten Weltkrieges" mit dem Schmidt-Projekt eine bisher über sieben Jahrzehnte nicht nur in Höxter völlig unbeachtete Lebensgeschichte auf. Hans Schmidt wurde nach Vollstreckung des Todesurteils am 7. Juni 1951 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg in Bayern zwei Tage später in Höxter auf dem Friedhof am Wall beerdigt.

Ernst Würzburger schildert Details der riesigen Trauerfeier: "Nach Pressemeldungen kamen mehr als 5.000 Personen, darunter viele ehemalige SS-Leute, zu dieser Beerdigung, wobei viele aus Holzminden und anderen niedersächsischen Städten mit Bussen nach Höxter gekarrt worden waren. 800 Polizisten sollten dafür sorgen, dass diese Trauerveranstaltung zu keiner Demonstration der erst 1952 verbotenen rechten Sozialistischen Reichspartei missbraucht würde."

Ernst Würzburger ist nun auf der Suche nach Fotos von dieser Beerdigung, die möglicherweise in so manchen Familienalben in Ostwestfalen zu finden sein könnten. "Es ist in Höxter bisher kein Bild von der Beerdigung bekannt", sagt der Höxteraner Autor, der sein Buch 2015 veröffentlichen will.

Vom braven Bürgersöhnchen aus einer ostwestfälischen Kleinstadt zum grausamen Kriegsverbrecher: Den Autor interessiert diese sehr typische Nazi-Karriere der 1930er Jahre. Buchenwald-Verbrecher Hans-Theodor Schmidt war am 25. Dezember 1899 in Höxter geboren worden. Er legte in der Kreisstadt am König-Wilhelm-Gymnasium sein Abitur ab; mit den Eltern als vermögende Zementfabrikanten und Baustoffgroßhändler residierte er in der Corveyer Kanzlei an der Marktstraße. Hans Schmidt war Soldat im Ersten Weltkrieg und schloss sich 1918 einem Freikorps, später der Reichswehr an. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und war als Geschäftsmann in Holland und Belgien tätig.

1932 trat er in die NSDAP und die SS ein. In der SS erlangte er 1944 den Rang eines Hauptsturmführers. Nach dem Wechsel zur Waffen-SS leistete Schmidt von 1940 bis 1941 Dienst im SS-Sonderlager Hinzert, im November 1941 erfolgte seine Versetzung in das KZ Buchenwald. Hier fungierte Schmidt von April bis September 1942 als Adjutant im Wachbataillon. Mit dem Antritt seines ehemaligen Vorgesetzten im Lager Hinzert, Hermann Pister, als Nachfolger von Karl Otto Koch wurde Schmidt im September 1942 Adjutant des Lagerkommandanten und verblieb in dieser Stellung bis zur Befreiung Buchenwalds im April 1945. Noch im Mai 1945 wurde Schmidt, verheirateter Vater von zwei Kindern, von Angehörigen der US-Armee verhaftet. Er galt im Lager als grausam und korrupt, verschob Waren und feierte gerne ausschweifend, wie David A. Hackett in dem Buch "Buchenwald-Report" schreibt.

Autor Ernst Würzburger widmet sich besonders der Nachkriegszeit: "Nach Kriegsende war Schmidt ab April 1947 im Zuge der Dachauer Prozesse Angeklagter im Buchenwald-Hauptprozess. Wegen seiner Verantwortung für die Überwachung und Leitung sämtlicher Hinrichtungen zwischen 1942 und 1945 wurde er am 14. August 1947 zum Tode durch den Strang verurteilt." Das Todesurteil weist auf die hohe Stellung Schmidts in der Lagerverwaltung und auf besonders schlimme Verbrechen in Buchenwald hin.

Von politischer Seite aus Höxter und Holzminden sowie vom Hauptausschuss Höxter wurden Ehrenerklärungen und Gnadengesuche an die USA und den US-Kongress geschickt, um das Todesurteil in eine Haft umzuwandeln - ohne Erfolg. Im Juni 1951 wurde Schmidt im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg gehängt. Mit Schmidts Hinrichtung zog die US-Besatzungsmacht einen Schlussstrich unter die Kriegsverbrecherprozesse.

Kontakt zu Ernst Würzburger: E-Mail wuerzburger@unitybox.de und Telefon 05271 / 6923986.

Bildunterschrift: 48.000 Häftlinge haben die Befreiung von Buchenwald im April 1945 im Lager gelebt: Das Foto zeigt US-GIs und Gefangene auf dem KZ-Gelände auf dem Ettersberg bei Weimar.

Bildunterschrift: SS-Offizier Hans Schmidt aus Höxter ist 1951 hingerichtet worden.

Bildunterschrift: Ernst Würzburger schreibt die Schmidt-Biographie.

22./23.02.2014
wb@westfalen-blatt.de

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