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Mindener Tageblatt , 08.09.2017 :

Mit Humor gegen Hetze

Was kann besser werden? / Was soll so bleiben? / Mindens dritte Demokratie-Konferenz brachte wieder viele Akteure zu Diskussionen zusammen / Ergebnis: viele Ideen für neue Ansätze

Von Kerstin Rickert

Minden (kr). "Demokratie leben!" solle in Minden nicht nur Hülle sein, sondern mit Leben gefüllt werden, so Bürgermeister Michael Jäcke in seiner Eröffnungsrede zur dritten Demokratie-Konferenz, die auf Einladung des Vereins "Minden - für Demokratie und Vielfalt" und der Stadt Minden im Ratsgymnasium stattfand.

"Demokratie ist eine historische Errungenschaft, sie ist kein Naturgesetz oder Zufall, sondern Ergebnis menschlichen Handelns und menschlicher Erziehung", so Jäcke weiter. "Ein respektvoller Umgang mit unseren Mitmenschen sollte für uns selbstverständlich sein. Dieser respektvolle Umgang ist eine wesentliche Grundlage für die Bildung demokratischer Einstellungen und Verhaltensgewohnheiten." Die Demokratie-Konferenz habe das Ziel, Demokratie konkret, transparent und erlebbar zu machen. Rund 70 Teilnehmer - und damit noch deutlich mehr als bei der letzten Konferenz im vergangenen Jahr - waren der Einladung, sich aktiv einzubringen, gefolgt. Insbesondere das Engagement der Jugend entpuppte sich aber auch diesmal wieder als Sorgenkind.

Es waren vor allem Interessierte jenseits der Altersgruppe der 14 bis 27-Jährigen, die die Beteiligungsplattform nutzten, um ihre Ideen von gelebter Demokratie in drei Workshops zu entwickeln. Ein vierter Workshop des Jugendforums konnte mangels jugendlicher Teilnehmer nicht wie geplant stattfinden.

Der Jugendworkshop fiel aus, denn es fehlten jugendliche Teilnehmer

Der "Abbau von Demokratieverdrossenheit" und die Motivation insbesondere der Jugend zur aktiven Beteiligung gehörte denn auch zu den wichtigen Signalen, die von den Teilnehmern der dritten Konferenz gesetzt wurden.

"Demokratie lebt von Engagement. Minden setzt sich seit Jahren für Menschenrechte und gegen Rassismus ein", hatte Alt-Bürgermeister Michael Buhre dem Plenum mit auf den Weg in die Workshops gegeben. In moderierten Diskussionsrunden zu den Themenbereichen "Demokratie erlebbar machen in Minden", "Begegnung schaffen statt nebeneinander leben" und "Auseinandersetzung konkret: Rassismus und Demokratie-Feinden begegnen" sollten neue Impulse für die Demokratie-Arbeit in Minden gesetzt werden.

Einen Rückblick auf die Entwicklung des Engagements für Demokratie in Minden gab Karl-Heinz Ochs, Koordinator des Lokalen Aktionsplans Minden (LAP).

Seit den Siebzigerjahren habe es in Minden breite Unterstützung für ein demokratisches und friedliches Zusammenleben gegeben. Vor zehn Jahren wehrten sich die Mindener gegen Aufmärsche von Nazis aus Schaumburg und sagten rechtem Gedankengut mit einer Menschenkette den Kampf an. Aus dieser demokratischen Aktion an Heiligabend 2007 gingen zunächst das Bündnis und 2011 der Verein "Minden - für Demokratie und Vielfalt" hervor.

Mit zahlreichen Aktionen und Projekten sei in der Vergangenheit schon viel erreicht worden, mit dem Ziel, für Vielfalt, demokratisches Miteinander und Chancengleichheit einzustehen. "Die Mindener leisten einen aktiven Beitrag für Integration und gegen Ausgrenzung", so Ochs, der aber auch sagte: "Rechtspopulismus hat seine Basis auch in Minden. Rechtsextremismus ist nach außen zwar kaum spürbar, aber in Minden dennoch da. Wir wissen inzwischen von zwei Dutzend Reichsbürgern in Minden. Und: Alltagsrassismus ist ständig vorhanden. Es gibt also unendlich zu tun."

Wo angesetzt werden könnte, dazu war die Meinung der Teilnehmer gefragt. In einem ersten Schritt sollten sie Antworten notieren zu den beiden Fragen, was bisher gut gelaufen ist und so bleiben sollte sowie dazu, was sich künftig ändern sollte. Ihr Fazit: Gut eingeschätzt wurden die Bandbreite der angebotenen Projekte und die Resonanz darauf, insbesondere die Aktion "Das neue Wir" wurde genannt und dass Zugewanderte gut aufgenommen worden seien. Für die Zukunft wünscht man sich mehr kulturellen Austausch, mehr Engagement der Jugend, mehr Öffentlichkeitsarbeit und eine bessere Vernetzung der unterschiedlichen Akteure.

Bevor es für die Teilnehmer in die Gruppenarbeit ging, beteiligten sie sich unter der Federführung von Wiebke Buth, Lehrerin am Ratsgymnasium und Sprecherin der amnesty international-Gruppe Minden, an der weltweiten Lesung der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" - 30 Artikel, die zum Nachdenken anregten.

Insbesondere die konkrete Auseinandersetzung mit Rassismus und Demokratie-Gegnern stand bei den anschließenden Workshops besonders hoch im Kurs. Wie geht man um mit rassistischen und menschenverachtenden Sprüchen? Dazu spielten die Teilnehmer verschiedene Szenarien durch und gaben unter anderem die Empfehlungen, Schlagfertigkeits-, Gelassenheits- und Kommunikationstraining anzubieten sowie öffentliche Bedienstete in interkultureller Kompetenz zu schulen.

Auch die Alternative, Meinungsblasen im Rahmen von "Runden Tischen" zu sprengen, statt Diskussionen in den Sozialen Netzwerken zu führen, war eines der Ergebnisse.

Der Abbau von Demokratieverdrossenheit lag den Besuchern des zweiten Workshops am Herzen. Die Einrichtung einer öffentlichen Rede-Ecke in der Innenstadt nach dem Vorbild der "Speakers’ Corner" in London gehörte ebenso zu den Ideen wie die Möglichkeit zu schaffen, Jugendliche regelmäßig an den Stadtverordnetenversammlungen teilnehmen zu lassen.

Mehr offene Angebote in Form von Nachbarschaftsfesten mit dem langfristigen Ziel, einen "Tag der Nachbarschaftsfeste" zu installieren sowie Gelegenheiten des kulturellen Austauschs etwa durch einen interkulturellen Markt zu schaffen, waren Anregungen für erlebbare Demokratie in Minden.

Zukunftsgespräche

"Demokratie leben! - Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" lautet die Überschrift eines Bundesprogramms des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, an dem sich die Stadt Minden seit 2015 beteiligt.

Im Rahmen von regelmäßigen Demokratie-Konferenzen hat jeder Bürger die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und Ideen zu entwickeln für eine offene, tolerante Stadtgesellschaft.

Die Ergebnisse fließen in das Handlungskonzept der Stadt Minden ein.

Bildunterschrift: Die Teilnehmer der Demokratie-Konferenz hielten ihre Ideen auf Zetteln fest. So ergaben sich große Wände mit einer Fülle von Anregungen.


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