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Neue Westfälische , 25.03.2005 :

Arbeitslager in Lahde ist ein Bodendenkmal / Steinerne Überreste des Hitlerregimes wurden zum Gegenstand eines Verwaltungsgerichtsprozesses

Von Hubertus Gärtner

Minden. In diesen Tagen wird in zahlreichen Medien und anlässlich von Gedenkfeiern an das Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert. Dabei werden die Überlebenden und die Nachgeborenen mit den schrecklichen Bildern von Gewalt, Flucht und Vertreibung konfrontiert.

Die fürchterlichen Gräueltaten liegen jetzt 60 Jahre zurück. Der Zufall wollte es, dass die Schrecken des Hitlerregimes nun auch am Verwaltungsgericht in Minden zum Gegenstand eines außergewöhnlichen Verfahrens geworden sind.

Dem äußeren Anschein nach ist alles verschwunden. Das bloße Auge sieht auf dem zweieinhalb Hektar großen Grundstück Flur 22, Flurstück 109 in der Gemarkung Lahde (Kreis Minden-Lübbecke) nichts mehr. Es entdeckt nur noch Wiesen und Äcker weit und breit.

Dass genau hier, an dieser heute so harmlos anmutenden Stelle, in der Zeit von 1943 bis 1945 ein "Arbeitserziehungslager" der Nazis gestanden hat, wissen heute wohl nur noch wenige Menschen. Das Lager unterstand einer Gestapo-Dienststelle in Hannover. Zwischen 600 und 800 Gefangene, zumeist Russen und Polen, aber auch Niederländer und Franzosen sowie Staatenlose waren in vier Holzbaracken mit je zehn Räumen von 25 Quadratmeter Größe untergebracht. Die Gefangenen mussten Zwangsarbeit verrichten.

Im östlichen Teil des Lagers stand der berüchtigte Arrestbunker mit steinernen Einzelzellen. Hier hatten Häftlinge Sonderstrafen zu verbüßen. An dieser Stelle befand sich auch der Appellplatz mit einem Galgen für die Hinrichtungen.

Am 1. April 1945 lösten alliierte Truppen das "Arbeitserziehungslager" auf. Fünf Jahre später wurde auf dem Areal schon wieder Getreide angebaut. In der Nähe grasten friedlich die Kühe. Etwa 58 Jahre später, am 11. März 2003, hat die Stadt Petershagen das Grundstück in die Denkmalliste eingetragen. Zur Begründung hieß es, das Areal sei ein "Bodendenkmal", an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse bestehe, weil "Spuren der Unmenschlichkeit und Terrorherrschaft des Nationalsozialismus" noch unter der Erde vorhanden seien.

Wie diese Zeitung aus Kreisen der Denkmalpflege erfuhr, waren die Eigentümer des Grundstückes mit dieser Eintragung, die zwar keiner Enteignung gleichkommt, aber bestimmte Nutzungseinschränkungen zur Folge hat, nicht einverstanden. Die Eigentümer zogen vor das Mindener Verwaltungsgericht. Dort wurde ihre Klage allerdings abgewiesen.

Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass sich Überreste des Arbeitslagers, wie beispielsweise Fundamente, Abfallgruben und Latrinen in tieferen Bodenschichten des Grundstücks befinden.

Endgültige Gewissheit könne zwar nur eine Ausgrabung erbringen, doch eine solche würde das "verborgene Denkmal zerstören", heißt es im Urteil. Eine wissenschaftliche Beweisführung sei indes auch durch Luftbilder und Analogieschlüsse möglich. Die unterirdischen Reste des Lagers hätten Denkmalcharakter, weil sie "bedeutend für die Geschichte des Menschen" seien.

"Die Errichtung von Konzentrationslagern durch das nationalsozialistische Unrechtsregime ist ein - wenn auch dunkler - Teil der deutschen Geschichte, mit dem sich auch spätere Generationen auseinander setzen müssen und der durch die Beseitigung von Zeugnissen aus dieser Zeit nicht verdrängt werden darf", heißt es im Urteil.

Im Zuständigkeitsbereich des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege (Münster) gebe es "mindestens fünf weitere Orte", an denen die Überreste nationalsozialistischer Lager lediglich noch im Erdboden vorhanden seien, sagt Markus Fischer, Sprecher des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.

Die Orte seien Wewelsburg, Stukenbrock, Balve, Witten und Porta-Westfalica-Hausberge. Nur die beiden Letztgenannten seien bislang als Bodendenkmal eingetragen, sagte Fischer.


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