www.hiergeblieben.de

Westfalen-Blatt , 19.02.2009 :

Afghanische Höhle mitten in der Senne / Kampfdörfer: Briten stellen Details vor

Von Dietmar Kemper

Detmold (WB). Jetzt liegen die Karten auf dem Tisch: Die Briten wollen auf dem Truppenübungsplatz Senne sechs neue Kampfdörfer, zwei Schießhäuser und einen Höhlenkomplex errichten. Hinzu kommen sechs so genannte vorgeschobene Stützpunkte, die Stellungen in Feindesland simulieren.

Major Richard Gregory stellte gestern in Detmold erstmals die Pläne der Briten den Bürgermeistern und Landräten der Kreise Lippe, Gütersloh und Paderborn vor.

Stabsoffizier Gregory ist zuständig für die Vorbereitung der in Deutschland stationierten Soldaten auf Einsätze in Afghanistan und dem Irak. "Der Truppenübungsplatz Senne ist für die konventionelle Kriegführung, für große Militäroperationen im offenen Gelände ausgelegt, aber nicht für Einsätze gegen Aufständische", sagte Gregory im Sitzungssaal der Bezirksregierung Detmold. Weil die Briten auf der Anlage der US-Armee im süddeutschen Hohenfels nur zeitweise den modernen Krieg üben könnten, müsste die vorhandene Infrastruktur in der Senne modernisiert und ergänzt werden. Ein Trainingszentrum sei bitter nötig, weil die Zahl der Opfer im Ausland steige. Allein in Afghanistan seien seit November 22 britische Soldaten gefallen.

Gregory kündigte an, die sechs neuen Kampfdörfer bestünden aus drei gemauerten Gebäuden und 20 Containern und würden nach afghanischen und irakischen Vorbildern gebaut. Sie seien jeweils einen Hektar groß. In ihnen werde das Durchsuchen und die Festnahme von Feinden geprobt. Die beiden Schießübungshäuser werden laut Gregory zweigeschossig errichtet und mit einer speziellen Kugelfangverkleidung ausgerüstet. Im nördlichen Teil der Senne werde ein afghanischer Höhlenkomplex angelegt, um das Aufspüren von Verstecken zu üben.

In der Senne würden 900 Meter Straße neu gebaut und betoniert, sagte der Major. Zudem würden einige Trassen allwettertauglich gemacht oder zweispurig gestaltet. Ein Abschnitt werde so hergerichtet, dass an ihm das Entschärfen unkonventioneller Sprengsätze geübt werden kann. Im Herbst möchten die Briten mit dem Bau der Schießhäuser beginnen, bis Dezember 2012 soll alles fertig sein.

Dadurch entstünden "keine nachhaltigen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft", sagte Dietmar Narr vom Büro Narr-Rist-Türk in Marzlingen. Die neuen Pläne der Briten bedeuteten keine zusätzliche Lärmbelästigung, ergänzte Manfred Weigand vom Büro Accon in Köln. Das Bundesverteidigungsministerium hat das britische Vorhaben bereits als Beitrag zur Landesverteidigung anerkannt, zumal Bundeswehrsoldaten die Kampfdörfer mitnutzen können. Die Bürgermeister von Bad Lippspringe, Schlangen und Augustdorf kritisierten gestern, an den Planungen nicht beteiligt gewesen zu sein. Man behalte sich rechtliche Schritte gegen das Verfahren vor, sagte Schlangens Bürgermeister Ulrich Knorr. Bis zum 20. April sollen die Kommunen zu den Kampfdörfern Stellung nehmen.

Bildunterschrift: Major Richard Gregory.

Kommentar / Kampfdörfer in der Senne / Schwarzmalerei fehl am Platz

4.000 Bürger haben sich mit ihren Unterschriften gegen die Kampfdörfer der Briten in der Senne ausgesprochen. Es ist ihr gutes Recht, sich Sorgen über die Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt in dem hochwertigen Naturbiotop zu machen.

Die Bürgermeister der Anrainerkommunen wiederum fühlen sich bei den Planungen von Bund und Engländern übergangen. Zudem bezweifeln sie die Aussage des Lärmgutachtens, wonach von den zusätzlichen Bauten und dem laufenden Betrieb keine relevante Belästigung ausgehe. Künftiger Flugverkehr werde nicht berücksichtigt, der bereits bestehende Lärmpegel schön geredet, kritisieren sie.

Bei aller Aufregung tut Sachlichkeit not. Die Kampfdörfer sind mit zusammen sechs Hektar klein, Straßen in einem größeren Umfang werden nicht gebaut, die wertvollen Heideflächen bleiben verschont. Auch Tiere wie Fledermäuse, Heidelerchen und Schwarzkehlchen sind im Bestand nicht bedroht. Schwarzmalerei rechtfertigen die vorliegenden Gutachten also keineswegs.

Vielmehr sorgen die Kampfdörfer dafür, dass britische und deutsche Soldaten, die dort geübt haben, mit mehr Sicherheit nach Afghanistan und in den Irak gehen. Ist das etwa nichts wert?

Dietmar Kemper


bielefeld@westfalen-blatt.de

zurück