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Schaumburger Zeitung , 11.08.2008 :

Absturz nach 65 Jahren aufgeklärt / Ein kanadischer Bomber ist im Zweiten Weltkrieg in Stemmen abgestürzt

Hülsede/Stemmen (han). In der Nacht zum 28. September 1943 flogen 678 Bomber der kanadischen und britischen Luftwaffe einen Großangriff auf Hannover. Von einem deutschen Nachtjäger getroffen, stürzte eine der Maschinen auf einen Acker in Stemmen. Alle sieben Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Lange Zeit blieb ungeklärt, wer die Toten waren und woher sie stammten. Nach umfangreichen Recherchen klärte Dirk Hartmann aus Hülsede den Absturz auf.

Vor zwei Jahren beschäftigte sich Hartmann mit einem Flugzeugabsturz bei Pohle (siehe Kasten). "Nachdem der Bericht über den abgestürzten Bomber in der Zeitung erschienen war, klingelte mein Telefon wie wild", erzählt der Hobby-Historiker. Viele Schaumburger berichteten Hartmann von weiteren Ereignissen aus den Kriegsjahren und baten ihn um Unterstützung bei ihren Recherchen.

Einer der Anrufer war Helmut Schröder, der sich an den Absturz eines viermotorigen Bombers erinnerte, der circa 30 Meter vor Schröders Elternhaus flach auf einen Acker aufgeschlagen war. "Viele Jahre lang habe ich mir Gedanken gemacht, wer die toten Bombersoldaten waren, woher sie stammten und wo sie begraben sind", sagt Schröder, "damals hieß es, sie hätten kanadische Armbinden getragen."

Informationen über den Absturztag und den Flugzeugtyp gab es nicht. Schröder forschte in Archiven und bei Kirchenämtern, Hartmann beim "Bomber Command" der britischen Royal Air Force (RAF). Beides blieb ohne Erfolg. Mit einer Metallsonde suchten sie zudem an Stellen, an denen zwei Motoren, eine Tragfläche und der Rumpf zu Boden gegangen waren. Doch auch die Suche nach Metallteilen im Erdboden blieb ergebnislos.

Der entscheidende Hinweis kam schließlich von Schröder, der sich daran erinnerte, dass die Toten auf einen Lastwagen der Wehrmacht verladen und abtransportiert wurden. "Das ließ darauf schließen, dass die Flugzeuginsassen von Soldaten des Fliegerhorstes Wunstorf geborgen wurden", erläutert Hartmann. Ein Bekannter aus Wunstorf, der über umfassende Informationen zum Luftkrieg im Raum Wunstorf verfügt, schickte Hartmann präzise Informationen.

Aus den Unterlagen ging hervor, dass es sich bei dem Flugzeug um eine "Handley Page Halifax Mk. V" handelte, die am 27. September 1943 um 23.35 Uhr getroffen wurde. Der Schütze, ein Oberleutnant und Nachtjäger aus Wunstorf, schoss den Bomber aus 5200 Metern Höhe ab. Zudem wurden Namen einzelner Crewmitglieder und Beisetzungsorte genannt.

In den folgenden Monaten gelangte Hartmann an weitere Informationen zur Zugehörigkeit der Besatzung und des Geschwaders. Der Bomber gehörte zur Royal Canadian Air Force (RCAF) und war in England stationiert. Die Besatzungsmitglieder waren zwischen 20 und 31 Jahre alt, vier stammten aus Kanada, drei aus England. Die Toten wurden zunächst in Wunstorf beigesetzt und später auf den Englischen Soldatenfriedhof in Ahlem bei Hannover umgebettet.

Hartmann machte sich auf die Suche nach weiteren Detailinformationen und wurde vor allem im Internet fündig. Eine Webseite war derartig umfassend und informativ, dass er sich direkt mit dem Betreiber der Seite in Verbindung setzte. Dieser machte die Angehörigen der Bomber-Besatzung ausfindig. E-Mails und telefonische Anfragen blieben jedoch unbeantwortet. Lediglich eine Familie suchte Kontakt. Der Neffe des Bombenschützen Michael N. Vitch sandte Hartmann Fotos seines Onkel. Abbildungen der übrigen Soldaten liegen nicht vor.

Hartmann will weiter recherchieren. Allerdings räumt er ein, dass solcherlei Untersuchungen Monate oder gar Jahre dauern können und mit dem Alltagsleben in Einklang gebracht werden müssen. "Trotzdem bin ich froh, zur Aufklärung eines fast vergessenen Ereignisses beigetragen zu haben."

Bildunterschrift: Helmut Schröder deutet auf die Stelle, an der vor 65 Jahren der kanadische Bomber abstürzte.


sz@schaumburger-zeitung.de

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