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Bielefelder Tageblatt (OH) , 31.08.2005 :

(Oerlinghausen) Der Toten erinnern / Ehrenmal auf dem Tönsberg wird 75 Jahre alt / Wandelnde Erinnerungskultur

Von Corina Lass

Oerlinghausen. Das Ehrenmal ist ein Ort des Gedenkens, des Erinnerns und des Innehaltens, und das seit 75 Jahren. Errichtet wurde es von ehemaligen Angehörigen des Königs-Infanterie-Regiments 145 zwölf Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Und es gibt Auskunft darüber, wie auch Erinnerungskultur sich verändert hat.

Für die Gedenkstätte bot sich Oerlinghausen an, da sich dort von 1915 bis 1918 ein Ersatzbataillon dieses 6. Lothringischen Regiments befand, dessen ursprünglicher Garnisonsstandort Metz-Montigny war. In der Bergstadt wurden die Verwundeten des Bataillons gepflegt und neue Rekruten ausgebildet, hat Heimatkenner Werner Höltke aus alten Unterlagen erfahren.

Das Ehrenmal wurde zunächst ausgeschrieben, eine Jury entschied sich dann für den Entwurf des aus der Bergstadt stammenden Künstlers Berthold Müller-Oerlinghausen. Er sah eine in Säulenform errichtete Gedenkstätte vor, in deren Mitte auf einem steinernen Sarkophag ein bronzener Soldat ruht.

Als Vorarbeit sollte ein Plateau auf dem Tönsberg errichtet und der Kammweg um einige Meter in Richtung Süden verlegt werden. Doch es gab Probleme mit der Finanzierung. Das zuständige Ministerium in Berlin forderte die beteiligten Vereine auf, nach einem anderen Standort zu suchen. Erst als die Stadtverordneten im Oktober 1927 beschlossen, 5.000 Reichsmark zur Verfügung zu stellen, habe es seine Genehmigung erteilt, so Höltke.

Der Baubeginn zog sich noch zwei Jahre hin. Aber am 20. Mai 1930 teilte Bürgermeister August Reuter dem damals in Berlin lebenden Künstler Müller-Oerlinghausen mit, dass die Fundamente für die Pfeiler fertig seien und die Arbeiten "rüstig voran" kämen. Der Grundstein wurde am 9. Juni 1930 gelegt.

5.000 bis 6.000 Menschen strömten schließlich am 31. August 1930 zur Einweihung auf den Tönsberg. Eingeladen worden waren sie vom Fest- und Denkmalausschuss mit den Worten: "Dort oben auf dem Tönsberg, mitten im Teutoburger Walde, ist nun ein Ehrenmal entstanden, das in schlichter, aber erhabener Weise die Erinnerung an unsere teuren Toten und an unser stolzes Regiment verkündet." Zu dieser Zeit war auf den Traversen über den Pfeilern bereits die Inschrift angebracht: "Wanderer hemme den Schritt / Schirmend der Heimat heiligen Boden / Starben die Tapferen unbesiegt / Beuge Dich vor des Opfers Größe".

Diese Worte, insbesondere die dritte Zeile spiegele die damals weit verbreitete Dolchstoßlegende und einen deutschnationaler Militarismus wider, meint Alfons Kleinemenke, der Lehrer des Niklas-Luhmann-Gymnasiums ist. Durch die Dolchstoßlegende hatte Feldmarschall Paul von Hindenburg die Verantwortung für die militärische Niederlage im Ersten Weltkrieg von der Obersten Heeresleitung auf die politische Ebene verlagert.

In den Reden, die zur Einweihung des Ehrenmals gehalten wurden, sei diese Haltung noch deutlicher gewesen, so Kleinemenke. Die politische Orientierung zumindest eines Großteils der Königs-Infanteristen zeige sich aber auch in der Regimentszeitung vom 20. Februar 1933, in der es über den Tag der Machtergreifung durch die NSDAP heißt: "Der 30. Januar 1933 ist ein historischer Tag in der Geschichte des Nachkriegsdeutschland, er ist ein heiliger Tag! 14 Jahre nach der verbrecherischen Revolte des 9. November 1918 hat der Wille unseres greisen Reichspräsidenten, des General Feldmarschalls v. Hindenburg uns eine autoritäre, nationale Führung beschert."

Dieser Geisteshaltung setzt auf Initiative von Kleinemenke und Dieter Kochsiek seit einigen Jahren eine Tafel, auf der das Wort "Ehrenmal" in Anführungsstrichen steht, die folgenden Worte entgegen: "Dieser Ort soll heute für uns eine Mahnung zum Frieden und zur Versöhnung sein, so wie es Dr. Curt Roß, einer der letzten überlebenden Offiziere des Regiments, an dieser Stelle 1978 in einer Ansprache gesagt hat: ' ... Wir sind dankbar dafür, dass auch nach unseren Tagen dieses Mahnmal in der Obhut der Stadt ... seine Aufgabe erfüllen wird, zur Versöhnung über den Gräbern aufzurufen, und wir hoffen, dass diese Botschaft doch einmal ihre Verwirklichung findet.'"


cla@neue-westfaelische.de

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