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Westfalen-Blatt Online , 15.11.2011 :

Rechtsextremer Terror: Auch Mordfall in OWL wird überprüft / Fevzi Ufuk starb 2006 durch Kopfschuss

15.11.2011 - 07.51 Uhr

Rheda-Wiedenbrück (WB). Im Zusammenhang mit der rechtsextremistischen Terrorserie überprüft die Polizei auch einen bislang ungeklärten Mordfall in Ostwestfalen-Lippe. Das hat gestern der Bielefelder Staatsanwalt Christoph Mackel bestätigt.

Am 1. März 2006 war der 68-jährige Fevzi Ufuk vor einer Moschee des türkischen Kulturvereins in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) mit einem gezielten Schuss in den Kopf getötet worden. Es gab keine Zeugen. Die Bundesanwaltschaft und das Innenministerium überprüfen derzeit, ob ungeklärte Gewaltverbrechen mit der Mordserie der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (Zwickau) in Verbindung stehen.

In einem Video hatte sich die Terrorzelle der Morde an acht türkischstämmigen Männern und einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006 bezichtigt. Die Gruppe soll zudem für den Mord an einer Heilbronner Polizistin (2007), einen Nagelbombenanschlag in Köln (22 Verletzte im Jahr 2004) und einen Anschlag im Jahr 2001 auf eine Deutsch-Iranerin in Köln verantwortlich sein. Gegen einen 37-jährigen mutmaßlichen Helfer der Gruppe aus Lauenau (Niedersachsen) wurde gestern Abend Haftbefehl erlassen.

Hintergrund: Wer ermordete Fevzi Ufuk? – Bundesanwalt prüft Fall aus Rheda-Wiedenbrück

Rheda-Wiedenbrück (WB). Mehr als 100 Spuren hat die Kripo akribisch verfolgt. Doch der Mord an dem Türken Fevzi Ufuk (68) vor fünf Jahren in Rheda-Wiedenbrück ist ungeklärt. Nach Bekanntwerden der jüngsten Mordserie durch Rechtsextreme müssen Fälle in Deutschland neu aufgerollt werden. Darunter ist auch der Mordfall Ufuk.

Hinweise auf mögliche Zusammenhänge mit der rechtsterroristischen Zwickauer Zelle ergeben sich auf den ersten Blick zwar nicht, sagte Staatsanwalt Christoph Mackel aus Bielefeld, da der Mord an dem türkischen siebenfachen Familienvater nicht so ganz in das Profil der mutmaßlichen Täter passe. "Wir werden trotzdem auch diesen Fall der Bundesanwaltschaft zur erneuten Überprüfung übergeben."

Ufuk war am Mittwoch, 1. März 2006, gegen 18.30 Uhr vor der Moschee des türkischen Kulturvereins an der Holzstraße in Rheda blutüberströmt aufgefunden worden. Die Rettungskräfte gingen zuerst von einem Unfall aus. Nur wenig später waren sich die behandelnden Ärzte in einer Bielefelder Spezialklinik aber sicher: "Hier handelt es sich um eine Schussverletzung." Mehr als 30 Stunden lang kämpften die Mediziner verzweifelt um das Leben der Opfer, dann starb der Mann.

Ermittlungen der Polizei ergaben: Sein Mörder muss ihm vor dem Bethaus aufgelauert und in den Kopf geschossen haben. "Das war ein ganz gezielter Schuss", erklärte damals Kriminalhauptkommissar Ralf Gelhot. Der Kripobeamte schloss zwei Jahre später einen Bezug zu der bundesweiten Mordserie aus, bei der acht Türken und ein Grieche erschossen wurden. Denn: die Patronenhülse, die man am Tatort in Rheda sicher stellen konnte, soll nicht aus der Tatwaffe des Typs Ceska 83 stammen, die bei der Mordserie benutzt wurde. Seltsam ist jedoch, dass das Projektil nie gefunden worden ist.

Am Tattag gab es auch keine Zeugen. Niemand hat einen Schuss, Lärm oder einen lauten Knall gehört. Die Ermittler waren verwundert, denn in der Moschee herrschte zu dem Zeitpunkt Hochbetrieb und nur wenige Meter davon entfernt sind Wohnsiedlungen. War der Parkplatz vor der Moschee menschenleer als der Täter abdrückte? Wurde eventuell ein Schalldämpfer benutzt, so wie bei den anderen Morden der Neonazis? Christoph Mackel: "Die anderen neun Opfer wurden alle in ihren eigenen Räumen hingerichtet. Bei Ufuk war das anders. Doch nach den heutigen Erkenntnissen können wir nichts ausschließen."

Fevzi Ufuk arbeitete mehrere Jahre in der Nähe von Lippstadt. Dann zog es ihn wieder in seine türkische Heimat nach Konya bei Izmir. Zur Tatzeit war er für drei Wochen bei seinen Familienangehörigen in Rheda zu Besuch, um sich dort einem medizinischen Check zu unterziehen.

Am Abend des 1. März 2006 fuhr der 68-jährige Rentner dann mit seinem weißen Mercedes Benz (mit Soester Kennzeichen) zur Moschee, um zu beten. Zuvor hatte er sein Auto ordnungsgemäß auf dem Parkplatz davor abgestellt. Später fanden ihn dann seine Landsleute schwer verletzt auf dem Boden liegend, direkt neben seinem Fahrzeug.


wb@westfalen-blatt.de

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