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Weser Kurier , 12.05.2006 :

Unfreundlicher Empfang für den Minister / Beschwerden und Konfrontation: Schünemann besucht "Ausreise-Einrichtung" in Bramsche

Bramsche. Mit ihren großen dunklen Augen blickt Atra zum prominenten Besucher hoch. "Wir wollen in Deutschland bleiben", fleht die zwölfjährige Syrerin Niedersachsens Innenminister an. Uwe Schünemann (CDU) reagiert nüchtern: "Wenn eure Asylanträge abgelehnt sind, müsst ihr ausreisen." Atra und ihr gleichaltriger Kumpel Schahin aus Aserbeidschan drehen sich enttäuscht weg: "Wir sind doch gern bei euch."

Nicht immer geht es an diesem Tag so friedlich aus, als der Minister die Außenstelle Bramsche der Ausländerbehörde Oldenburg besucht. Gleich am Eingang bestürmt eine Gruppe junger Männer den Gast aus Hannover, brüllen ihn an, werfen ihm lauthals eine menschenrechtswidrige Politik vor. "Das ist hier wie Guantanamo", ruft der 31-jährige Palästinenser Michael Jakubana aggressiv. Seine Mitstreiter lassen einen Schwall Kritik folgen: schlechtes Essen, enge Räume, mangelhafte ärztliche Versorgung, Schikanen der Lagerleitung. Schünemanns Personenschützer zucken nervös zusammen, der Minister selbst versucht, eine sachliche Diskussion anzufangen. Vergeblich.

500 Personen wohnen derzeit in der Gemeinschaftsunterkunft, einer ehemaligen Kaserne, davon 100 Kinder unter 14 Jahren. Afghanen, Russen, Chinesen, Schwarzafrikaner, Türken. Sie alle eint der Status "ausreisepflichtig", sie müssen demnächst Deutschland verlassen. "Abschiebeknast" nennen Flüchtlingsgruppen das lediglich durch einen Maschendrahtzaun geschützte Lager, von einer erfolgreichen "Ausreise-Einrichtung" sprechen der Innenminister und seine untergeordneten Behörden. Mit Qualifizierungskursen, intensiver Beratung und finanziellen Starthilfen erleichtere man den Flüchtlingen die - möglichst freiwillige - Rückkehr in ihre Heimat.

Mit einem Solarkocher etwa. Ein zwei Meter großer Rundspiegel bündelt die Sonnenstrahlen und erhitzt eine Pfanne, in der ein paar Bratwürste brutzeln. Drei Afrikaner aus Nigeria und Kamerun haben unter Anleitung von Sanitärmeister Alfred Wichmann das Gerät zusammengefügt. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat bekommen sie einen Bausatz im Wert von etwa 50 Euro kostenlos mit. "Damit können sie sich da unten eine Existenz aufbauen", meint Wichmanns Kollege Friedhelm Lüken. Auch Tischler, Maurer, Maler und sogar ein Gärtner unterrichten die Flüchtlinge in Sechs-Monats-Lehrgängen, damit sie in ihren Herkunftsländern eine Perspektive haben. "Afghanistan ist doch voll von kaputten Autos", sagt Außenstellen-Leiter Conrad Bramm.

Der Schulleiter der Grundschule Bramsche-Hesepe, Henry Alborsky, sieht das zumindest für seine Klientel anders. "Wir unterrichten die Kinder hier so, dass sie dauerhaft in Deutschland bleiben können", sagt der Pädagoge und vermeldet stolz ordentliche Leistungen seiner Lager-Schüler. Damit aber erntet er umgehend heftigen Widerspruch des Innenministers. Ausreise sei das klare Ziel, betont Schünemann unwirsch. Für ihn geht das Konzept auf. 117 Personen verließen 2005 Bramsche freiwillig gen Heimat. Nur 37 Bewohner des Lagers schob Niedersachsen zwangsweise ab. "Unsere Fördermaßnahmen werden angenommen", lobt sich der Minister.

Von Druck und Sanktionen sprechen dagegen die Lagerinsassen, die Schünemann den unfreundlichen Empfang bereitet haben. Wer sich beschwere, dem werde das Taschengeld von 40 Euro monatlich gestrichen. Falsch, kontert die Lagerleitung. Nur wer seine Mitwirkungspflichten etwa bei der Identitätsfeststellung verweigere, bekomme "Leistungsentzug". Auch die übrigen Vorwürfe weist Bramm zurück. Höchstens fünf Personen seien in den 27 Quadratmeter großen Standardräumen untergebracht. Eine Krankenschwester stehe jeden Tag zur Verfügung, ein Arzt schaue mindestens zwei Mal pro Woche vorbei. Wer wolle, könne selbst kochen, die Kantine sei für jedermann offen. An diesem Tag auch für Schünemann. Frikadellen aus Rindfleisch gibt es, dazu Gemüse und diverse Beilagen. "Ich esse gerne Nudeln" kommentiert der Minister die Qualität nüchtern, "insofern bin ich zufrieden".

Peter Mlodoch



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