www.hiergeblieben.de

Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 15.10.2008 :

Rechtsradikale Parolen skandiert / Verfahren gegen Fußballfan eingestellt

Von Peter Johnsen

Bielefeld. Stellt der Gebrauch von Abkürzungen aus der Nazi-Zeit in der Öffentlichkeit ein strafbares "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" gemäß Paragraph 86 a Strafgesetzbuch dar? Ja, vorausgesetzt der Zusammenhang mit derartigem Gedankengut ist für jedermann klar erkennbar, meinte das Oberlandesgericht Hamm (OLG) in einem Beschluss aus dem Jahr 2003.

Bedeutung erlangte diese Entscheidung jetzt erneut in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht. Angeklagt wegen Verwendens solcher Kennzeichen war der 28-jährige Braunschweiger Gerald W. (Name geändert). Am 24. November 2007 fuhren W., sein Kumpel Frank und etwa 100 weitere Fans des Drittligisten Eintracht Braunschweig mit dem Regionalexpress vom Auswärtsspiel in Dortmund zurück in ihre Heimatstadt. Begleitet wurden sie von Bielefelder Polizisten, die Ausschreitungen verhindern sollten.

"Ich habe mich hinreißen lassen"

Vom Alkohol stimuliert, fühlte sich Frank kurz vor Erreichen des Bielefelder Hauptbahnhofs bemüßigt, "N-N-NSDAP" zu skandieren. Nach kurzem Zögern stimmte der kaum weniger angetrunkene Angeklagte in das Gegröle ein. Beim Stopp im Bahnhof holten Beamte der Bundespolizei das Duo aus dem Zug.

Vor Gericht gab Gerald W. den Vorwurf zu: "Ich habe mich hinreißen lassen, mitzusingen. Aber ich wusste nicht, dass man sich strafbar macht, wenn man NSDAP sagt". Mit Rechtsradikalismus habe er nichts zu tun, antwortete der Angeklagte auf die Frage von Amtsrichterin Tina Rüdiger nach seiner politischen Einstellung.

Wenn sein Mandant eine halbe Stunde gewartet und erst in Niedersachsen gegrölt hätte, wäre ihm nichts passiert, spielte Verteidiger Udo Öpping auf die bislang nur vom OLG Hamm vertretene eingangs zitierte Rechtsauffassung an. Das Verfahren gegen den Initiator Frank sei gegen Zahlung von 400 Euro Geldbuße eingestellt worden, ob diese Lösung nicht auch im Fall Gerald W. denkbar sei, regte der Anwalt an. Staatsanwältin und Richterin waren damit einverstanden. Der Angeklagte muss ebenfalls 400 Euro, und zwar an Unicef zahlen.


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

zurück