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Blick nach Rechts , 11.07.2012 :

Umtriebiger brauner "Widerstandskämpfer"

Von Andrea Röpke

Die Polizei ermittelt gegen den ehemaligen NF-Gründer Schönborn wegen bewaffneter Gruppe - er und ein weiterer verdächtiger Neonazi könnten zudem Unterstützer aus dem NSU-Netzwerk kennen.

Meinolf Schönborn wird seit Jahrzehnten dem militanten braunen Spektrum zugerechnet, doch er versteht es, im Hintergrund zu wirken. Nach langer Zeit wurde die Öffentlichkeit durch den plötzlichen Tod eines seiner Kameraden wieder auf den umtriebigen Drahtzieher aus Ostwestfalen aufmerksam gemacht.

Bereits im März war der Berliner Neonazi Jörg Lange an einem Herzinfarkt in der von Schönborns Lebensgefährtin Brigitte H. gepachteten Pension "Weißes Haus" im brandenburgischen Herzberg verstorben. Überraschenderweise wurden in Langes Gepäck scharfe Waffen sichergestellt. Weil ein Großteil der aufgefundenen Munition nicht zu Pistole und umgebautem Karabiner mit Zielfernrohr passte, vermutete die zuständige Staatsanwaltschaft irgendwo ein Waffenlager und ordnete in der vergangenen Woche eine Razzia wegen der möglichen Bildung einer bewaffneten Gruppe an.

"Nationalistische Front" galt als gefährliches militantes Zentrum

Betroffen waren vier Männer und eine Frau in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Hausbesuch bekamen unter anderem Meinolf Schönborn als Hauptbeschuldigter, dessen Lebensgefährtin sowie seine Ex-Ehefrau und der bekannte Neonazi Jan Gallasch aus Berlin. Der hatte den 45-Jährigen in der als Schulungszentrum geplanten Immobilie in der Prignitz tot aufgefunden und gilt seit Jahren als Kumpel von Schönborn. Weitere scharfe Waffen konnten nicht gefunden werden, zahlreiche Computer wurden beschlagnahmt. Gegenüber der "taz" bezeichnete Schönborn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "völligen Blödsinn". Mit Wehrsportgruppen habe der Hardliner angeblich "nie etwas anfangen können".

Verwunderlich, galten doch gerade Schönborn und seine "Nationalistische Front" (NF) mit dem Schulungszentrum in Detmold-Pivitsheide Anfang der 90er Jahre als gefährliches militantes Zentrum.

Gemeinsam wirkten die Neonazis zuletzt im Umfeld der Gruppe "Neue Ordnung" ("Ordo Mundi"). Der verstorbene Lange zeichnete für deren Flugblätter mit Parolen wie "Heimat Arbeit Zukunft - Statt BRD-System" verantwortlich, sei aber nach diversen Medienberichten ohnehin polizeibekannt. Demzufolge genoss der aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Neonazi in der Szene auf Grund seiner Kampferfahrungen als Söldner im Jugoslawien-Krieg auf kroatischer Seite sowie als Computerfachmann Anerkennung. Wenige Wochen vor seinem Tod hatte Lange in der ehemaligen Pension eingecheckt.

Gründung von "Nationalen Einsatzkommandos"

Meinolf Schönborn, ehemaliger Mitbegründer der äußerst militanten "Nationalistischen Front" (NF), gilt seit deren Verbot 1992 und einer verbüßten Haftstrafe szene-intern als "Deutscher Widerstandskämpfer". Im September 2011 referierte er bei der NPD in Rheinland-Pfalz über die "Möglichkeiten des politischen Widerstandes trotz staatlicher Repression". Schönborn, der sich in seinem Facebook-Account stolz als "Deutscher Reichsbürger" präsentierte, macht keinen Hehl aus seiner Radikalität und kündigte die Gründung von "Ordo Mundi" öffentlich an. In einem Interview hieß es auch, er wolle keine "verbesserte Bundesrepublik, sondern das Deutsche Reich!".

Der 57-Jährige aus Herzebrock-Clarholz betreibt den einschlägigen "Z-Versand", veranstaltet in Thüringen oder Hessen Brauchtumsfeiern und Schulungsveranstaltungen und gehörte lange zum Kreis des verbotenen Collegium Humanum in Vlotho. Bereits im Alter von 16 Jahren wird er nach eigenen Angaben "aktenkundig", als er der JN in Bielefeld beitritt und das rechte Schülermagazin "Klartext" gründet. Schönborn bringt sich in der NPD ein, zerstreitet sich mit der damaligen Führung und verlässt die Partei. Mit der Gründung der "Nationalistischen Front" strebt er dann "ein neues politisches Konzept" an: Die Heranbildung von Kadern steht im Mittelpunkt der Arbeit. Auf dem Bundesparteitag der Kleinstpartei am 9. November 1991 wird demnach die Gründung von internen "Nationalen Einsatzkommandos" (NEK) beschlossen. Diese bundesweit aktiven Ordnergruppen sollen Veranstaltungen schützen. Wegen der NEK leitet der Generalbundesanwalt ein - allerdings erfolgloses - Verfahren wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung ein.

Ehemalige Kameraden mutmaßen heute, dass auch der thüringische Neonazi und spätere NSU-Terrorist Uwe Mundlos in jungen Jahren Kontakt zur NF aufgebaut hatte. 1992 erfolgte das Verbot der NF. Auch nach der Haftzeit machte Schönborn weiter. Sein Ziel scheint nach wie vor: das verhasste "BRD-System ein Ende" finden zu lassen.

"Artgemeinschaft" bot Militanten Unterschlupf

Zu Schönborns Kameradenkreis zählt seit langem Jan Gallasch aus Berlin. Gemeinsam besuchten sie auch Treffen der "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft", einer äußerst konspirativen heidnisch-rassistischen Gruppierung unter langjähriger Führung von Jürgen Rieger, die immer wieder auch als Auffangbecken für führende Mitglieder verbotenen Organisationen fungiert haben soll. Der in Weißwasser geborene Gallasch engagierte sich in den letzten Jahren nicht nur in der Altnazi-Organisation "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen", sondern soll auch beim 2006 verbotenen "Schutzbund Deutschland" und dessen Nachfolgerin, der "Bewegung Neues Deutschland" (BND) die Finger im Spiel gehabt haben. Laut interner Behördenangaben fungierte der 38-Jährige als Inhaber von deren E-Mail-Adresse.

Pikanterweise wurde damals der Zwillingsbruder eines inzwischen zum NSU-Unterstützernetzwerk zählenden Neonazis als presserechtlich Verantwortlicher für die "Bewegung Neues Deutschland" von den Behörden ausgemacht, einem mutmaßlichen Pseudonym für die Gruppierungen "Schutzbund Deutschland" und "Bewegung Neue Ordnung".

Auch Maik E. war wie Gallasch bei den Jungen Nationaldemokraten in Berlin-Brandenburg aktiv. Noch weniger verwunderlich auch, dass Schönborn und Gallasch dieselbe Sonnenwendfeier wie die Zwillingsbrüder E., ursprünglich aus dem sächsischen Erzgebirge stammend, besuchten. Denn die "Artgemeinschaft" bot vielen Militanten Unterschlupf.


nandlinger@bnr.de

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