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Lippische Landes-Zeitung , 21.02.2015 :

Jüdischer Betsaal bleibt umstritten / Detmolder Hauseigentümerin darf eigenes Gutachten in Auftrag geben

Von Hartmut Nolte

Der Streit um ein denkmalgeschütztes, baufälliges Haus an der Bruchmauerstraße, in dem sich möglicherweise eins ein jüdischer Betsaal befunden hat, geht weiter. Am Rande der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Minden testeten die Parteien die Chancen, sich ohne Urteil zu einigen.

Detmold / Minden. Bei dem Verfahren geht es um ein Gartenhaus, das seit den 1980ern unter Denkmalschutz steht. Die Eigentümerin hat vor vier Jahren einen Abrissantrag gestellt. Denn: Ein Erhalt des seit 20 Jahren unbewohnten Hauses sei nicht zumutbar. Bei einer Überprüfung fand das Amt für Denkmalpflege beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe Hinweise auf die Nutzung des Hauses als eines der in Westfalen seltenen jüdischen Betsäle aus dem 17. Jahrhundert. Die Stadt als Untere Denkmalbehörde erweiterte die Unterschutzstellung, die Eigentümerin reichte Klage ein. Sie bezweifelt, dass das Haus damals schon existierte, und sieht im erweiterten Schutz eine substanzielle Veränderung.

Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichtes Minden schloss sich bei einem ersten Verhandlungstermin im April 2014 dem zwar an, wollte ein dendrologisches Gutachten zur Altersfeststellung aber nicht selbst in Auftrag geben, sondern vom LWL erstellen lassen. Rechtsanwalt Hendrik Schnelle, Sohn der Klägerin, erhob einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht - und wiederholte dies auch bei dem zweiten Termin am Donnerstag.

Am Ende der insgesamt achtstündigen Verhandlung ließ das Gericht zu, dass die Klägerin ein eigenes dendrologisches Gutachten erstellen lassen kann, um das Alter der Hausbalken und damit das strittige Alter des Hauses festzustellen zu lassen. Die Denkmalpfleger übergaben bereits einen Teil der für ihr Gutachten entnommenen Bohrkerne, weitere werden folgen. Ob und wie das Verfahren weitergeführt wird, hängt vom Ergebnis des neuen Gutachtens ab.

In einer der zahlreichen Verhandlungspausen kam es spontan zu einem intensiven Gespräch zwischen den beteiligten Parteien. Man nahm den Faden wieder auf, den man bei einem Ortstermin geknüpft hatte. Stadtvertreter Dirk Dräbing warf Schnelle vor, die nötige Wirtschaftlichkeitsberechnung noch nicht vorlegt zu haben. Offenbar waren damals aber schon Summen genannt worden, zu denen das Grundstück in Stadtbesitz übergehen könnte, die dann die Denkmalverpflichtung übernehmen müsste. Die Stadt hatte 225.000 Euro genannt, die Klägerin 325.000. Andererseits will aber die Eigentümerin nicht an die Stadt verkaufen, sagte Schnelle. Im Prozess wurde angedeutet, dass sie einen Kaufinteressenten habe und kurz vor dem Abschluss stehe.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 19.02.2015:

Gerichtsverfahren um jüdisches Bethaus

19.02.2015 - 15.11 Uhr

Das Verwaltungsgericht Minden befasst sich am Donnerstag mit einem Detmolder Fachwerkhaus. Dabei geht es um die Frage, ob es aus dem 17. Jahrhundert stammt und besonders geschützt werden muss, weil es ein jüdisches Bethaus war. Juden auf dem Land trafen sich im 17. Jahrhundert zum Beten in Privathäusern, meistens nach außen nicht erkennbar. Deshalb sind nur wenige solcher Bethäuser erhalten geblieben. Eines dieser Häuser soll aber in Detmold stehen. Deshalb will das Denkmalamt es unter besonderen Schutz stellen. Doch die Eigentümerin wehrt sich, führt Akten und Untersuchungen an, die belegen sollen: Das Haus hat im 17. Jahrhundert noch gar nicht gestanden und kann daher kein Bethaus gewesen sein. Für das Gericht ein schwieriges Verfahren.

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Lippische Landes-Zeitung, 11.04.2014:

Denkmal-Streit liegt vorerst auf Eis / Befangenheitsantrag gegen Richter

Detmold / Minden. Gartenhaus oder doch Betsaal? Das sollte gestern das Verwaltungsgericht Minden entscheiden, aber dazu kam es nicht. Hendrik Schnelle, Anwalt der Hauseigentümerin, lehnte Richter und Beisitzer wegen Befangenheit ab.

Wie berichtet, hat die Stadt Detmold als Untere Denkmalbehörde die Denkmalwertbegründung eines Fachwerkhauses an der Bruchmauerstraße erweitert. Denn nach einem Gutachten der Oberen Denkmalbehörde beim Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) gibt es Hinweise darauf, dass es 1633 als Synagoge errichtet und 110 Jahre lang als Betsaal genutzt wurde.

Dafür sprächen die Konstruktion, bei der man Hinweise für einen hohen Saal gefunden habe und die für eine Hofsynagoge typische Lage. "Daher muss das Gebäude als ein nahezu einzigartiges Beispiel von zentraler wissenschaftlicher Bedeutung für die Geschichte dieses Bautyps vor dem späteren 18. Jahrhundert bezeichnet werden", so der LWL.

Gegen die entsprechende Denkmalwerterweiterung aus dem Jahr 2011 wendet sich die Klage der Hauseigentümerin, die im Jahr zuvor bereits den Abriss des Gebäudes beantragt hatte. Wenn die Denkmalwerterweiterung rechtens ist, "hätten wir erhebliche Probleme, das Haus abzureißen", argumentierte Schnelle.

Dr. Dimitrij Davydov von der LWL-Rechtsabteilung sah dies anders. Für einen Abriss müsse der Denkmalschutz so oder so aufgehoben werden. Richter Roland Schomann erkannte dagegen einen Unterschied ob Gartenhaus oder Synagoge und damit ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin.

In deren Namen zweifelte Schnelle das Gutachten an und legte Karten auf Basis von Akten aus dem 17. / 18. Jahrhundert vor, in denen das Haus nicht verzeichnet ist. Er argumentierte, dass es erst später an der Stelle aufgebaut worden sei und beantragte die Hinzuziehung der historischen Akten durch das Gericht.

Dieses lehnte ab, um das Material stattdessen vom Gutachter des LWL prüfen zu lassen. Daraufhin erging ein Befangenheitsantrag gegen Richter und Beisitzer. Nun liegt der Fall erst einmal auf Eis.

Bildunterschrift: Fachwerkbau: Um dieses Haus an der Bruchmauerstraße geht es.

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Lippische Landes-Zeitung, 10.04.2014:

Amt findet Hinweise auf jüdischen Betsaal / Hauseigentümerin klagt gegen neue Denkmalwertbegründung - Verhandlung heute in Minden

Von Jana Beckmann

Um ein denkmalgeschütztes Haus an der Bruchmauerstraße ist ein Streit entfacht. Die Eigentümerin wollte es abreißen lassen, doch dann tauchten Hinweise auf einen jüdischen Betsaal auf. Nun ist die Sache vor Gericht.

Detmold. Bei dem zweistöckigen Fachwerkbau handelt es sich laut der bisherigen Denkmalwertbegründung um eines der "ganz seltenen Beispiele eines innerstädtischen größeren Gartenhauses". Es sei vermutlich um 1800 als Gartenhaus zur Krummen Straße 28 erbaut worden. Die Fassadenverbretterung und der Innenausbau stammten dagegen aus dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, was sich unter anderem an den Rahmentüren mit Füllungen und profilierten Bekleidungen sowie am Treppengeländer ablesen lasse.

Was genau nun dafür spricht, dass sich in dem Gebäude einmal ein jüdischer Betsaal aus dem 17. Jahrhundert befunden haben könnte, war im Vorfeld zur heutigen Verhandlung ab 11.15 Uhr am Verwaltungsgericht Minden nicht zu erfahren. Die Obere Denkmalbehörde beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster, die bei einer Untersuchung im Zusammenhang mit dem Abrissantrag entsprechende Hinweise entdeckt hatte, verwies auf eine detaillierte Stellungnahme, die vor Gericht gemacht werden soll.

Und auch von der Stadt Detmold, die in diesem Fall als Untere Denkmalbehörde von der Hauseigentümerin beklagt wird, waren keine konkreteren Angaben zu bekommen. "Es handelt sich um einen laufenden Rechtsstreit, daher wird sich die Stadt dazu nicht äußern", erklärte Bernd Zimmermann, Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung. Dass Denkmalamt und Hauseigentümer einmal unterschiedlicher Meinung seien, sei nicht ungewöhnlich. In dem entsprechenden Abstimmungsverfahren habe der Eigentümer die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, und dies sei hier erfolgt.

Konkret wendet sich die Klägerin gegen die Erweiterung der Denkmalwertbegründung. "Die Begründung ist schwach beziehungsweise nicht vorhanden. Ein jüdischer Betsaal lässt sich nicht nachweisen", sagt Rechtsanwalt Hendrik Schnelle, der die Detmolderin vertritt. Das wolle er bei dem Prozess nachweisen. Das Haus sei in einem extrem schlechten Zustand und seit Ende der 1980er Jahre unbewohnt, nachdem ein Versuch seiner Mandantin zur Sanierung des Denkmals an hohen Auflagen gescheitert sei. Es sei wirtschaftlich unvernünftig, es wieder herzurichten.

Bildunterschrift: Thema vor Gericht: In diesem Haus an der Bruchmauerstraße könnte sich einmal ein jüdischer Betsaal befunden haben - sagt die Obere Denkmalbehörde. Der Anwalt der Eigentümerin will dies widerlegen.

21./22.02.2015
detmold@lz-online.de

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