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Neue Westfälische , 04.12.2014 :

Urteil nach Moschee-Bränden / Täter muss wegen schweren Diebstahls und Sachbeschädigung 18 Monate in Haft

Von Hubertus Gärtner

Bielefeld. Als am 11. und 19. August in zwei Bielefelder Moscheen innerhalb von wenigen Tagen Feuer gelegt wurde und Koranschriften verbrannten, da befürchteten Muslime in ganz Deutschland eine neue Welle politisch motivierter Anschläge auf ihre Gebetshäuser. Der Mann, der ihnen Angst und Schrecken eingejagt hatte, stand gestern vor dem Bielefelder Amtsgericht.

Die Verhandlung war kurz. Es waren auch nur drei Zeugen, eine Bewährungshelferin, zwei Sicherheitsbeamte und ein Pressevertreter im Zuhörerraum, als die Amtsrichterin Ingrid Kohls ihr Urteil gegen Manuel L. (33) verkündete: Anderthalb Jahre Freiheitsstrafe wegen schweren Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung durch Feuer. So hatte es auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragt. Wie die Verteidigung verzichtete sie auf Rechtsmittel. Das Urteil, mit dem auch ein Haftbefehl verkündet wurde, ist damit bereits rechtskräftig.

Es sei "ein hoher immaterieller Schaden entstanden", weil die religiösen Gefühle vieler Menschen verletzt wurden, sagte die Richterin. Der Angeklagte sagte in seinem Schlusswort, es tue ihm leid, was er den Muslimen angetan habe, es sei ihm bei der Tatbegehung aber "nicht bewusst" gewesen. Ansonsten sagte Manuel L. nicht viel. Er ließ lieber seinen Anwalt, Lutz Klose, sprechen.

Manuel L. ist ein großer Mann mit breiten Schultern und schwarzen Haaren. Er ist drogenabhängig, arbeitslos, vorbestraft und lebt von Hartz IV. Seit dem 15. September saß Manuel L. in Untersuchungshaft. An diesem Tag war er erwischt worden, nachdem er in eine Bielefelder Tankstelle eingebrochen war und dort Zigaretten im Wert von 165 Euro gestohlen hatte. L. stand unter Bewährung. Zuletzt war er wegen Diebstahls mit Waffen und wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.

Weil in den beiden Moscheen DNA-Spuren sichergestellt worden waren, kam die Polizei Manuel L. auch in Bezug auf die dort begangenen Straftaten auf die Schliche. Er legte ein aus Sicht des Gerichtes glaubhaftes Geständnis ab. Danach ist Manuel L. in den frühen Morgenstunden des 11. August in die Räume des Türkischen Kulturvereins an der Detmolder Straße eingedrungen, um etwas zu stehlen. Er fand allerdings nur fünf Euro Bargeld in einer Kassette. Aus Verärgerung über die geringe Beute nahm er im Gebetsraum mehrere Korane aus einem Regal und zündete sie an. Das Feuer breitete sich im Raum aus und richtete etwa 10.000 Euro Schaden an. Ähnlich ging der Täter am 19. August in einer anderen Moschee an der Herforder Straße vor - hier erbeutete er nichts und steckte ebenfalls einen Bücherstapel an. Es entstand 5.000 Euro Sachschaden. Das Gericht schenkte der Einlassung des Angeklagten Glauben, wonach er "die Gebäude an sich nicht zerstören" und mit dem Feuer auch keine Menschen gefährden wollte. Die Straftaten wurden deshalb als Sachbeschädigung und nicht als schwere Brandstiftung gewertet.

"Liegt bei solchen Taten nicht ein radikaler Hintergrund nahe?" Das fragte die Richterin. L. schüttelte den Kopf. "Nee", sagte er. Sein Mandant habe an Tagen der offenen Tür Moscheen besucht und sich dort Beute versprochen, sagte Verteidiger Klose. Die Polizei hatte in der Wohnung des Täters bei einer Durchsuchung in einer alten Kiste auf verstaubten Zetteln "Kritzeleien von Hakenkreuzen" gefunden. Der Beschuldigte trug den Thorshammer als Amulett. Nach Angaben seiner Bewährungshelferin ist er auch einmal auf einer Veranstaltung der rechtspopulistischen Partei "pro NRW" gewesen. Trotzdem gingen alle Prozessbeteiligten am Ende fest davon aus, dass hier eine "Persönlichkeit der allgemeinen Kriminalität" am Werk war. Belege dafür, dass Manuel L. Freunde im rechtsradikalen Milieu besitzt, hätten sich "in seiner gesamten Biografie nicht gefunden", sagte ein Polizist im Zeugenstand.

Bildunterschrift: Vor verbrannten Koranbüchern: Der Vorsitzender des Islamrates, Ali Kizilkaya, erläutert Medien die Folgen des Anschlags.

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Radio Bielefeld, 03.12.2014:

Brandstifter verurteilt

Schnell und ohne großes Aufsehen wurde heute ein 32-jähriger Bielefelder verurteilt, der in zwei Moscheen Feuer gelegt hatte. Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen schweren Diebstahls und Sachbeschädigung zu einem Jahr und 6 Monaten Haft. Das Urteil ist rechtskräftig, der Mann sitzt bereits in Haft. Er hatte im August in zwei Gebetsräumen Feuer gelegt. Einen politischen Hintergrund hatte die Staatsanwaltschaft ausgeschlossen.

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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 01./02.11.2014:

Auch zweites Moschee-Attentat unpolitisch / Kripo beendet Vernehmung: Täter (32) will Koranbücher aus Frust über fehlende Beute angesteckt haben

Bielefeld (jr). Eine Woche nach der Präsentation der Ermittlungsergebnisse zu den Brandanschlägen auf die beiden Bielefelder Moscheen, hat die Kripo die Vernehmungen des 32-jährigen Täters endgültig abgeschlossen. Das gab die Polizei am Freitag bekannt. Wie schon vor Wochenfrist gehen die Mitglieder der "Ermittlungskommission 89" weiterhin davon aus, dass der 32-Jährige in beide Moscheen eingebrochen ist und dort nur deshalb Koranschriften angezündet hat, weil er über die geringe Beute wütend gewesen sei.

Zu der Tat an der Herforder Straße hatte der Beschuldigte bis zuletzt geschwiegen. Doch nun hat er auf Anraten seines Rechtsanwalts eingeräumt, auch in die Moschee an der Herforder Straße in der Hoffnung auf Beute eingebrochen zu sein. Als er dort nichts Wertvolles fand, will er erneut zum Feuerzeug gegriffen haben.

Dadurch ergaben sich laut Kripo "weiterhin keine konkreten Hinweise auf eine politische oder religiöse Motivation". Wie berichtet hatten Bielefelder Moslems und auch politische Gruppen ernste Zweifel an dieser Version angemeldet. Gerade weil der Einbrecher an der Herforder Straße kein Geld und Wertsachen liegen ließ.

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islam.de, 27.10.2014:

Bielefelder Moschee-Anschläge aufgeklärt oder wieder nichts gelernt aus dem NSU-Terror?

"Ein Krimineller kann doch nicht auch noch ein Rassist sein?" Zentralrat kritisiert die Bielefelder Polizei, die ein rassistisches Tatmotiv des gefassten, vorbestraften und stadtbekannten Kriminellen auf Grund seiner eigenen Aussage weiter ausschließt - Viele Fragen offen.

Die Polizei Bielefeld gab bekannt, dass der Verantwortliche für zwei im August verübte Anschläge auf Moscheen identifiziert worden sei. Zur Erinnerung: alleine in Bielefeld und Umgebung ereigneten sich in den letzten Wochen bis jetzt insgesamt 5 Anschläge auf Moscheen - 11.08. und 19.08.09.2014 in Bielefeld, 26.09.2014 in Minden, 02.10.2014 in Delmenhorst und 11.10.2014 in Bad Salzuflen. d. h., 3 von 5 Anschlägen bleiben bis jetzt ungeklärt.

Und nun der Satz der Bielefelder Polizei: "Der Täter stehe nicht im Verdacht, politisch-motiviert gehandelt zu haben." Als angeblicher Grund wird angegeben, dass es sich um einen polizeibekannten Kriminellen und Drogensüchtigen handelt. Als Beweis ihrer These wird eine mögliche Schutzbehauptung des Vorbestraften zu Rate gezogen: Nach eigenen Angaben soll der Täter in den Moscheen nach Geld gesucht haben. Als er nicht fündig geworden sei, habe er aus "Frust" eine beträchtliche Anzahl von Koran-Exemplaren in der Mitte des Gebetsraumes aufgestapelt und einmal mittels einer Kerze und beim anderen Mal mittels einer Imam-Kutte diese in Brand gesteckt.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) kritisiert den vorschnellen Ausschluss eines rassistischer Tatmotivs durch die Polizei. Der "Neuen Westfälischen" sagte ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek heute: "Die Darstellung der Polizei, wonach hier ein Einzeltäter ohne politische oder religiöse Motive die Brände in den beiden Moscheen gelegt habe, müsse zumindest hinterfragt werden. Es sei "fahrlässig", dieser Version vorschnell Glauben zu schenken. Eine Moschee ist klassischerweise kein Ort, an dem man Diebesgut vermutet." Es spreche doch sehr viel dafür, dass hier jemand aus einem "antimuslimischen Ressentiment" heraus gehandelt habe. Im übrigen sei es Allgemeingut, dass politische Extremisten auch "gewöhnliche" Straftaten, wie zum Beispiel Einbruchsdiebstahl-Delikte begehen. Die NSU-Terroristen beispielsweise hätten Banküberfälle begangen, um ihre rechte Terrororganisation zu finanzieren."

An dem Geständnis und den Darstellungen der Polizei zweifelt auch Cemil Şahinöz, Vorsitzender des Bündnisses Islamischer Gemeinden in Bielefeld (BIG), massiv. "Es gab in den letzten Wochen mehrere unaufgeklärte Moschee-Anschläge in dieser Region. Die Taten ähneln sich. Hakenkreuz-Schmierereien, Beschimpfungen nach den Gebeten zählen wir nicht einmal mehr in der Statistik. Es geht nur noch um Brandanschläge. Daher möchten wir, dass die Ermittler die Anschläge als Gesamtbild betrachten und nicht als Einzelfälle", sagte Şahinöz in einer verbreiteten Mitteilung.

Die Ergebnisse der Polizei werfen laut Şahinöz zudem viele Fragen auf. "Wer garantiert, dass die Aussage Diebstahl keine Schutzbehauptung ist? Verdeckt Diebstahl wohlmöglich andere Motive? Das kennen wir aus den NSU-Skandalen. Wer würde versuchen, Brandstiftung mit Diebstahl zu vertuschen? Das ist uns nicht schlüssig."

Der mittelose, angeblich sich Geld verschaffene "Einbrecher" wird von Rechtsanwalt Dr. Lutz K. vertreten, heißt es im Westfalen-Blatt. Der Tatverdächtige hat angegeben, die Idee zum Einbruch sei ihm spontan gekommen, als er an der Moschee vorbeigegangen sei, erklärte Ermittlungsleiter Maringer. Warum er acht Tage später in einer Moschee an der Herforder Straße einbrach und erneut "spontan" Feuer legte, wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht kommentieren.

Auch der Aufwand, den der Täter betrieben hat, um erneut in einer Moschee nach Geld zu suchen, scheint immens: "In der zweiten Moschee musste er Kameras verdrehen, Fenster aufbrechen etc. Diesen Aufwand würde ein Dieb nicht machen, der schon einmal in eine Moschee eingebrochen ist und nur 10 Euro gefunden hat. Eins der unklarsten Tatsachen ist zudem, dass sich in der zweiten Moschee im Raum des Brandes ebenfalls eine Bücherkasse befand. Diese Kasse wurde nicht einmal berührt", sagt Şahinöz. Zudem sei der Täter mit einer Kerze in die zweite Moschee gegangen. Dies deute auf die Absicht einen Brand zu legen, weniger auf die Absicht eines Diebstahls.

In dieses Bild der Zweifel fügt sich auch, dass der Täter die fahrlässig verbreiteten Spekulationen der Polizei zu den Hintergründen des ersten Brands eins zu eins übernommen hat. Die Ermittler hatten bereits nach dem ersten Anschlag spekuliert, es handle sich bei dem gelegten Brand um eine Ablenkung für einen einfachen Einbruch. Dies führte dazu, dass man eine politische Motivation noch vor der Ermittlung quasi für die Tat ausschloss. Nur das beherzte Eintreffen der muslimischen Zivilgesellschaft und Medien und damit verbundene Aufmerksamkeit, lies die Ermittler zurück rudern.

Was zudem sehr nachdenklich macht ist dies: Nach der Aufdeckung des NSU-Terrors in Deutschland, haben Sicherheitsbehörden und Politik geschworen, von nun an, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit äußerst gering sei, stets ein fremden- oder islamfeindliches Tatmotiv genauestens zu prüfen und es auf jeden Fall nicht von vorneherein, wie man das bei der katastrophalen Aufdeckung der NSU-Morde gemacht hat, auszuschließen. In Bielefeld haben die Behörden das so nicht gemacht.

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BIG - Bündnis Islamischer Gemeinden in Bielefeld e.V., 24.10.2014:

Polizei erklärt Anschläge auf zwei Moscheen für aufgeklärt

Ist ein drogensüchtiger krimineller 32-Jähriger ohne Migrationshintergrund für zwei Anschläge auf Moscheen in Bielefeld verantwortlich? Die Polizei sagt ja und sieht die Fälle als abgeschlossen an. Die muslimische Community äußert aber Zweifel an den Darstellungen zu den Tathergängen.

Die Polizei Bielefeld hat heute auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass der mutmaßliche Verantwortliche für zwei im August verübte Anschläge auf Moscheen identifiziert worden sei. Auf die Spur des 32-jährigen Tatverdächtigen sei man an Hand von DNA-Spuren und Fußabdrücken bei den Tatorten gekommen. Der Täter hat nach Angaben der Polizei keinen Migrationshintergrund und stehe nicht im Verdacht, politisch motiviert gehandelt zu haben. Es handle sich um einen polizeibekannten Kriminellen und Drogensüchtigen.

Der Verdächtige sitzt zudem wegen eines Einbruchs in eine Tankstelle bereits in U-Haft. Er soll die Taten, die ihm zur Last gelegt werden, bereits gestanden haben. Nach eigenen Angaben soll der Täter in den Moscheen nach Geld gesucht haben. Als er nicht fündig geworden sei, habe er aus "Frust" Exemplare des Korans in Brand gesteckt. Die Vernehmung ist laut Polizei jedoch noch nicht gänzlich abgeschlossen.

Muslime in Bielefeld äußern Zweifel an den Darstellungen

An dem Geständnis und den Darstellungen der Polizei zweifelt Cemil Şahinöz, Vorsitzender des Bündnisses Islamischer Gemeinden in Bielefeld (BIG), massiv. "Es gab in den letzten Wochen mehrere unaufgeklärte Moschee-Anschläge in dieser Region. Die Taten ähneln sich. Hakenkreuz-Schmierereien, Beschimpfungen nach den Gebeten zählen wir nicht einmal mehr in der Statistik. Es geht nur noch um Brandanschläge. Daher möchten wir, dass die Ermittler die Anschläge als Gesamtbild betrachten und nicht als Einzelfälle", sagte Şahinöz in einer verbreiteten Mitteilung.

Die Ergebnisse der Polizei werfen laut Şahinöz zudem viele Fragen auf. "Wer garantiert, dass die Aussage Diebstahl keine Schutzbehauptung ist? Verdeckt Diebstahl wohlmöglich andere Motive? Das kennen wir aus den NSU-Skandalen. Wer würde versuchen, Diebstahl mit Brandstiftung zu vertuschen? Das ist uns nicht schlüssig." Zudem sei es fraglich, wie man äußerlich davon ausgehe, dass sich Geld in einer Moschee befinde?

Geständnis fügt sich eins zu eins in Spekulationen der Polizei

Auch der Aufwand, den der Täter betrieben hat, um erneut in einer Moschee nach Geld zu suchen, scheint immens: "In der zweiten Moschee musste er Kameras verdrehen, Fenster aufbrechen etc. Diesen Aufwand würde ein Dieb nicht machen, der schon einmal in eine Moschee eingebrochen ist und nur 10 Euro gefunden hat. Eins der unklarsten Tatsachen ist zudem, dass in der zweiten Moschee im Raum des Brandes ebenfalls eine Bücherkasse befand. Diese Kasse wurde nicht einmal berührt", sagt Şahinöz. Zudem sei der Täter mit einer Kerze in die zweite Moschee gegangen. Dies deute auf die Absicht einen Brand zu legen, weniger auf die Absicht eines Diebstahls.

In dieses Bild der Zweifel fügt sich auch, dass der Täter die Spekulationen der Polizei zu den Hintergründen des ersten Brands eins zu eins übernommen hat. Die Ermittler hatten bereits nach dem ersten Anschlag spekuliert, es handle sich bei dem gelegten Brand um eine Ablenkung für einen einfachen Einbruch. Dies führte dazu, dass man eine politische Motivation für die Tat ausschloss.

Hintergrund

Im August wurden hintereinander zwei Brandanschläge auf Moscheen in Bielefeld verübt. Dabei versuchte der Täter die Moscheen mit angezündeten Koranen in Brand zu stecken. Nach dem ersten Brandanschlag hatte die Polizei eine politisch motivierte Tat ausgeschlossen, ebenso wie ein fremdenfeindliches oder rassistisches Motiv. Nach dem zweiten Brandanschlag änderte die Polizei ihre Einschätzung und der Staatsschutz nahm die Ermittlungen auf.

Nichtsdestotrotz zeigte sich der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), dem eine der in Brand gesetzten Moscheen angehört, erleichtert. "Wir alle und insbesondere die Bielefelder Gemeindemitglieder danken der dortigen Polizei für ihre erfolgreiche Ermittlungsarbeit", sagte Mehmet Duran, Präsident des VIKZ.

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BIG - Bündnis Islamischer Gemeinden in Bielefeld e.V., 24.10.2014:

Ergebnisse der Ermittlungen der Moschee-Brandanschläge in Bielefeld

Die Bielefelder Ermittler stellten am heutigen Vormittag die Ergebnisse der Ermittlungen der Moschee-Brandanschläge in Bielefeld vor. Demnach soll ein 32-Jähriger ohne Migrationshintergrund die Brände gelegt haben. Er sei ein bekannter Krimineller und Drogensüchtiger in Bielefeld. Wegen einem Einbruch in eine Tankstelle hätte man ihn schon am 15.09. festgenommen. An Hand der DNA-Spuren und Fußabdrücke hätte man erkannt, dass er auch die Brände in den Moscheen gelegt hatte. Diese gab er dann auch zu. Er hätte in den Moscheen nach Geld gesucht und nichts gefunden. Aus Frust hätte er in den Moscheen Feuer gelegt. Er sei jetzt in U-Haft. Die Vernehmung ist noch nicht abgeschlossen. Einen politischen oder religiösen Hintergrund schließt die Polizei aus.

Zum Hintergrund. Es gab mehrere Moscheenaschläge in den letzten 2 Monaten:

11.08.: Bielefeld
11.08.: Berlin
16.08.: Mölln
19.08.: Bielefeld
30.08.: Oldenburg
26.09.: Minden
02.10.: Delmenhorst
04.10.: Bremen
11.10.: Bad Salzuflen

Der Vorsitzende des Bündnisses Islamischer Gemeinden (Dachverein der muslimischen Einrichtungen in Bielefeld), Cemil Şahinöz, gab ein erstes Statement zu den Ergebnisse:

"Es gab in den letzten Wochen mehrere unaufgeklärte Moschee-Anschläge in dieser Region. Die Taten ähneln sich. Hakenkreuz-Schmierereien, Beschimpfungen nach den Gebeten zählen wir nicht einmal mehr in der Statistik. Es geht nur noch um Brandanschläge. Daher möchten wir, dass die Ermittler die Anschläge als Gesamtbild betrachten und nicht als Einzelfälle.

Die Ergebnisse der Polizei zu den Ermittlungen in Bielefeld werden viele Fragen auf. Wer garantiert, dass die Aussage Diebstahl keine Schutzbehauptung ist? Verdeckt Diebstahl wohlmöglich andere Motive? Das kennen wir aus den NSU-Skandalen. Wer würde versuchen, Diebstahl mit Brandstiftung zu vertuschen? Das ist uns nicht schlüssig.

Zudem ist es uns fraglich, wie man äußerlich davon ausgeht, dass sich Geld in einer Moschee befindet? Wenn jemand Geld braucht, Diebstahl begehen will, bricht er doch nicht in eine Moschee ein. Nehmen wir an, der Täter wusste das beim ersten Brand nicht. Doch spätestens danach wusste er ja, dass in Moscheen kein Geld da ist, höchstens Bücherkassen mit 10 - 15 Euro. Warum soll er sich also noch einmal den Aufwand machen und in eine zweite Moschee einbrechen? In der zweiten Moschee musste er Kameras verdrehen, Fenster aufbrechen etc. Diesen Aufwand würde ein Dieb nicht machen, der schon einmal in eine Moschee eingebrochen ist und nur 10 Euro gefunden hat. Eins der unklarsten Tatsachen ist zudem, dass in der zweiten Moschee im Raum des Brandes ebenfalls eine Bücherkasse befand. Diese Kasse wurde nicht einmal berührt.

Laut der Polizei ist der Täter ein bekannter Krimineller. Mehrere Einbrüche hat er schon hinter sich. Hat der Täter auch in anderen Fällen, seine Zielobjekte in Brand gesetzt?

Die Brandtaten selbst sind ebenfalls für uns nicht schlüssig. Der Täter zündet in beiden Moscheen Korane Mitten im Gebetsraum an. Bei der zweiten Moschee zündet er sie mit Kerzen an. Wieso sollte ein Dieb auf die Idee kommen, Kerzen in die Moschee mitzunehmen, wenn er die Moschee "nur" ausrauben wollte? Nahm der Täter auch Kerzen bei anderen Einbrüchen in andere Orte mit?

Wir möchten von den Ermittlern, dass diese Fragen geklärt werden, damit die muslimische Community in Bielefeld und Umgebung keine weitere Taten zu befürchten hat. Denn die Ängste der Muslime sind durch diese Ergebnisse nicht gemindert, sondern erhöht worden."

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Zeit Online, 21.08.2014:

Islam-Feindlichkeit / Und im Stillen brennen die Moscheen

21.08.2014 - 07.30 Uhr

Bielefeld, Berlin: Die Anschläge auf Moscheen in Deutschland sind kein großes Thema. Trotz der NSU-Morde werden Muslime, wenn es ernst wird, noch immer allein gelassen.

Von Lenz Jacobsen

Drei Vorfälle aus acht Tagen, gefischt aus Regionalzeitungen und Randspalten: In Bielefeld brannten am Montag vergangener Woche in einer Moschee zwei Korane und ein Gebetsteppich. In der folgenden Nacht schlugen Flammen aus einem neuen Moschee-Anbau in Berlin Kreuzberg. 60 Feuerwehrleute brauchten eine Stunde, um die Flammen zu löschen. Es gibt keine Hinweise auf einen technischen Defekt. Am Dienstag dieser Woche nun, wieder in Bielefeld, stiegen die Täter am frühen Morgen durchs Fenster ein. Sie stapelten Bücher aufeinander, darunter mehrere Korane, und zündeten sie an.

In keinem dieser Fälle ist bewiesen, dass es sich um eine so genannte politische Straftat handelt. Dass die Brandanschläge also gegen die Religion als Ganzes gerichtet waren. Aber, seien wir ehrlich - ginge es nicht um Moscheen, sondern um Kirchen oder gar Synagogen, wäre der Aufschrei groß. Und zwar zu Recht: Gewalt aus Hass gegen Religionen ist deshalb besonders geächtet, weil sie nicht nur das unmittelbare Opfer verletzt, sondern alle, die dazu gehören. Wer einen Koran anzündet, trifft jeden, dem der Koran wichtig ist. "Gruppenbezogener Menschenhass" nennt die Soziologie das, es geht dabei nicht nur um Religionen, sondern auch um Gewalt gegen Obdachlose, Arme, Reiche, Linke, Ausländer, Deutsche.

Doch bei keiner Gruppe nimmt die Öffentlichkeit in ihrer Mehrheit Angriffe so schulterzuckend hin, wie bei Muslimen. Das ist Ausdruck einer gefährlichen Kälte im Umgang und einer Distanz vieler Deutscher zu den Muslimen in diesem Land.

Der Schock der NSU-Morde

Als 2011 die NSU-Mordserie aufgedeckt wurde, löste das unter Muslimen in Deutschland einen Schock aus, der kaum zu überschätzen ist. Damals ist etwas zu Bruch gegangen, was noch lange nicht wieder geheilt ist. Für viele Muslime waren die Morde und das fragwürdige Versagen der deutschen Behörden der grausame Beweis für eine Gleichgültigkeit, die ihnen hierzulande entgegengebracht wird. Eine Ignoranz, die selten in Freundschaft, aber häufig in Argwohn und Verdächtigungen kippt. Das Verhältnis der meisten Deutschen zu Muslimen ist unterkühlt.

Es ist kalt geblieben trotz NSU. Das Magazin "Cicero" fragt auf seinem aktuellen Titel: "Ist der Islam böse?" Das angehängte Fragezeichen biegt den Satz gerade noch aus eben jener gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in eine vermeintliche journalistische Neugier. Im Heftinneren muss dann die liberale Muslimin Lamya Kaddor Anwürfe abwehren, Islamismus und Islam seien ja doch irgendwie dasselbe. Eine Grenzverwischung, die mal eben jeden gläubigen Muslim zur potenziellen Bedrohung erklärt.

Und von wem man sich bedroht fühlt, für dessen brennende Gotteshäuser bringt man offenbar nur schwer Mitgefühl auf. Daran ändern auch bedrückende Zahlen wenig: Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke ist die Zahl der Übergriffe auf Moscheen zuletzt deutlich gestiegen. Von im Schnitt 22 jährlich zwischen 2001 und 2011 auf 35, beziehungsweise 36 in den Jahren 2012 und 2013. Diese Meldung wurde zwar auch von den großen Zeitungen gebracht, löste aber wenig aus.

Wo ist das große "wir"?

Nach der Aufdeckung des NSU-Terrors erklärten Leitartikler und Politiker, nun müssten Christen und Muslime erst recht zusammenstehen, sie beschworen das große "wir" und verpflichteten damit auch die Muslime, sich trotz allem weiter mit diesem Land und genau den Institutionen zu identifizieren, die die Morde an Muslimen nicht verhindert hatten. Das war viel verlangt und ging mit dem manchmal ausgesprochenen, manchmal durch Gesten ausgedrückten Versprechen einher, Muslime in Deutschland endlich wirklich aufzunehmen, sie ganz zu umarmen. "Birlikte" hatten die Veranstalter ein großes deutsch-türkisches Fest vor kurzem in der Kölner Keupstraße genannt, wo die NSU-Mörder 2004 eine Nagelbombe gezündet hatten, "Zusammenstehen".

Wenn es ernst wird, stehen Muslime in Deutschland aber tatsächlich noch immer ziemlich allein da. Das gilt nicht unbedingt für die Anwohner und Lokalpolitiker, die sich wie in Berlin dazu setzten, als sich die Gemeinde vor ihrer ausgebrannten Moschee traf. Das war ein gutes Zeichen. Ein schlechtes Zeichen ist, dass diese Übergriffe weiter als Einzelfälle wahrgenommen werden und nicht als Ausdruck eines strukturellen Hasses auf Muslime. Auch im Jahr 2014 brennen die Moscheen im Stillen.

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BIG - Bündnis Islamischer Gemeinden in Bielefeld e.V., 18.08.2014:

Brandanschlag auf Bielefelder Moschee - Wir fordern das Brechen des Schweigens und eine lückenlose Aufklärung

Vor genau einer Woche gab es einen Brandanschlag auf die Moschee an der Detmolder Straße in Bielefeld. Dabei wurden mehrere Korane angezündet und im Gebetsraum verteilt. Hierbei handelt es sich ohne jeden Zweifel um einen Brandanschlag. Der Brand wurde vorsätzlich gelegt. Technische Defekte etc. sind völlig ausgeschlossen. Es ist also eindeutig ein Anschlag. Nur der / die Täter sind unbekannt. Dass Korane verbrannt und im Gebetsraum verteilt wurden, zeigt zudem eine bestimmte Handschrift. Ziel war es größtmöglichen Schaden anzurichten und Angst zu schüren.

Trotz dessen spekulieren die Ermittler, dass der Brand nur eine Ablenkung eines einfachen Einbrechers sei. Der Einbrecher hätte vor Wut, da er nur wenig Geld in der Moschee fand, versucht, die Moschee anzustecken. Die Ermittler stufen demnach diese Wahrscheinlichkeit höher als das eigentliche Ziel, einen Brand an der Moschee zu legen und beim Rausgehen noch Geld mitgenommen wurden. Zumal wohl auch jedem Einbrecher klar sein sollte, dass in einem Gebetsraum keine Kasse vorhanden ist.

Weiterhin gehen die Ermittler davon aus, dass es sich um keine fremdenfeindliche Tat handelt. Mit anderen Worten, dass Verbrennen der Korane und Verteilung dieser im Gebetsraum, um die ganze Moschee in Brand zu setzen, sei keine fremdenfeindliche Tat. Im Angesicht der NSU-Skandale ist diese Vorgehensweise für uns unverständlich.

Was die Moscheegemeinde vor Ort ebenfalls zu tiefst enttäuscht, ist die Tatsache, dass nun schon 7 Tage vergangen sind, und bisher nicht einmal eine Handvoll Solidaritätsbekunden mit der Gemeinde vorliegen. Die Muslime vor Ort sind daher besorgt, dass dieses Schweigen die Täter für weitere Taten motiviert. Jeder Rassismus, jede Fremdenfeindlichkeit kommt nur zu Stande, wenn die Mehrheit schweigt. Genau das macht der Gemeinde Angst. Sie fühlen sich allein gelassen.

Die Muslime in Bielefeld haben sich stets von allen möglichen Radikalen, für die das Adjektiv muslimisch (miss)gebraucht wurde, distanziert. Und das überall auf der Welt. Daher ist es umso tragischer, dass vor der eigenen Haustür, nur Wenige Seite an Seite mit den Muslimen stehen. Der Dachverein der Moscheegemeinden in Bielefeld BIG fordert nun einerseits, dass dieses Schweigen gebrochen wird und für das Thema sensibilisiert wird. Andererseits fordern wir eine lückenlose, schnelle und gesicherte Aufklärung, so dass keine Fragenzeichen übrig bleiben und die Muslime vor Ort nicht besorgt sein müssen.

Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman A. Mazyek, wird gemeinsam mit dem Vorsitzenden des BIG, Cemil Sahinöz, die Moschee am Dienstag, den 19.08.2014 um 14.30 Uhr besuchen.

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MiGAZIN, 13.08.2014:

Nach Brandanschlag / Polizei findet keine fremdenfeindlichen Hintergründe in der Moschee

Unbekannte zünden ein Koran-Exemplar an, legen damit Brand in einer Moschee und die Spurensicherung sucht vergeblich nach Hinweisen für einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Geistiger Slapstick, kommentiert Ekrem Şenol.

Am Montag kam es aus bisher ungeklärter Ursache zu einem Brand in einem Gebetsraum einer Bielefelder Moscheegemeinde. Der Vorsitzende entdeckte das Feuer zufällig und alarmierte die Feuerwehr. Ersten Ermittlungen zufolge wurde in das Gebäude eingebrochen und eine an der Wand angebrachte Geldkassette aufgehebelt. Daraus wurde ein geringer Bargeldbetrag, vermutlich nur Münzgeld, entwendet. Den Brand legten die Täter, indem sie - brisantes Detail - ein Exemplar des Korans anzündeten. Die Flammen verbreiteten sich großflächig; es entstand Sachschaden.

"Die Auswertung der Brandspuren und die Suche nach weiteren relevanten Spuren hat durch die Brandermittler und die Spurensicherung des Kriminalkommissariats 11 begonnen. Der Staatsschutz ist in die Ermittlungen eingebunden. Es wurde eine sechsköpfige Ermittlungskommission gegründet", teilt die Polizei mit.

Und welch Überraschung: Wie die Polizei weiter mitteilt, liegen "keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen, politischen oder religiösen Hintergrund vor". Offizielle Begründung: "Möglicherweise auf Grund der enttäuschend geringen Beute und / oder zur Verdeckung des Einbruchsdiebstahls könnte dann der Brand in dem Gebetsraum gelegt worden sein."

Wahrlich, eine intellektuelle Glanzleistung des Kriminalkommissariats und des Staatsschutzes. Es kann allenfalls erahnt werden, wie lange die Ermittlungskommission wohl gebraucht hat, um mit dieser Begründung den Beweis zu erbringen, dass aus den NSU-"Pannen" keinerlei Lehren gezogen wurden.

Wie wir inzwischen wissen müssen, hinterlassen Rechtsextremisten ungern Spuren, die auf ihre politischen Hintergründe - Fremdenfeindlichkeit, Rassismus etc. - schließen lassen. Ganz im Gegenteil: Es darf sogar angenommen werden, dass sie äußerst sorgfältig vorgehen, um genau den gegenteiligen Anschein zu erwecken. Schließlich werden sie sowohl ein Interesse daran haben, strafverschärfende Umstände zu kaschieren als auch nicht ins Visier der Ermittler zu geraten.

Könnte es also nicht genau andersherum gewesen sein? Die Täter wollten die Moschee in Brand setzen, vertuschen dies aber durch das Aufbrechen der Spendenkasse, um so einen falschen Anschein zu erwecken. So schließen sie strafverschärfende Umstände aus und nehmen auch noch Taschengeld mit. Dieser Gedanke liegt auch deshalb so nahe, weil die Spendenkassen von Moscheevereinen nicht gerade dafür bekannt sind, prall gefüllt zu sein.

Außerdem: Wer vertuscht Diebstahl von geringwertigen Sachen - Geldstrafe - mit einer schweren Brandstiftung - Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr!? Ist das Gegenteil nicht naheliegender? Soweit die ersten Gedanken, die sich einem Laien aufdrängen. Dass eine sechsköpfige Ermittlungskommission aber einen großen Bogen um diese Logik macht, ist geistiger Slapstick.

Ob der Gebetsraum tatsächlich aus fremdenfeindlichen Motiven heraus in Brand gesetzt wurde oder es sich tatsächlich um Diebstahl handelt, wird dieses Sextett mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht herausfinden. Mit der hier abgelieferten Begründung tappen sie nicht nur zeitlich irgendwann vor dem Bekanntwerden des NSU, sondern liefern sich mit der SoKo Bosporus auch ein intellektuelles Wettrennen um die Pole-Position.

Noch einmal zum … : Unbekannte zünden ein Koran-Exemplar an, legen damit Brand in einer Moschee und die Spurensicherung sucht vergeblich nach Hinweisen für einen fremdenfeindlichen Hintergrund - weil auch Diebstahl begangen wurde! Wie einfach, nicht wahr?


hubertus.gaertner@neue-westfaelische.de

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