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Zeitung für den Altkreis Lübbecke / Neue Westfälische , 19.02.2010 :

Bescheidene Anfänge in Baracken / Arbeitsgruppe "Gedenkstätte Tannenbergplatz" zum Themenkomplex Muna / Zwangsarbeit (Teil 7)

Espelkamp (hak). Der Krieg war erst wenige Monate vorbei, für die Menschen in der Kolonie und in Hedrichsdorf war das Leben nicht einfach. Die Arbeitsgruppe "Gedenkstätte Tannenbergplatz" erinnert in ihrem Bericht über den Themenkomplex Muna / Zwangsarbeit auch an die ersten schweren Anfänge der "Kolonisten".

Im Oktober 1946 wurde in der Baracke 12 eine einklassige Volksschule errichtet, der Raum wurde auch als Kirchenraum genutzt. Von den Kolonisten waren damals 71 Prozent evangelisch, 26 Prozent katholisch und drei Prozent gehörten keiner christlichen Glaubensgemeinschaft an. An dieser Stelle muss dankbar an den ersten Lehrer dieser Schule, Gottfried Smolenski, dem späteren Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Schule, gedacht werden. Er bettelte sich sein Lehrmaterial von Nachbarschulen zusammen.

Auch die Lehrerin Lindberg, die Frau des Kolonisten und späteren Rechtsanwalts und Notars Lindberg, hat sich Verdienste erworben, da sie bereits 1945 in ihrer Barackenwohnung den ABC-Schützen Unterricht erteilt hat. Die ersten Gottesdienste in der Schulbaracke wurden von Pastor Gerhard Wilde gehalten.

Im Sommer 1946 ordnete die Kreisverwaltung auf Anregung der Kolonisten die Wahl eines Flüchtlingsausschusses an. Von den Gewählten wurde Herbert Wenzel zum Vorsitzenden bestimmt. Der Ausschuss vertrat die Interessen der Kolonisten gegenüber dem Kreis Lübbecke und dem Amt Rahden. Er sorgte für die gerechte Verteilung der zugewiesenen Bekleidung, Haushaltsgegenstände und eingegangener Spenden.

Als im Herbst 1946 die Wohnungsbewirtschaftung auf das Amt übergegangen war, wurde aus Mitgliedern des Flüchtlingsausschusses ein Wohnungsausschuss gebildet, der mit dem Amt den Zuzug in der Kolonie regelte.

Trotz erfreulich vieler Spenden blieben die Lebensverhältnisse in der Kolonie weiter schwer. Dennoch regte sich das Verlangen nach kultureller und sportlicher Betätigung. So wurde im Sommer 1947 eine Bücherei mit 88 Büchern eingerichtet, später umfasste sie 400 Bände. Auch Sportgeräte wurden angeschafft und unter fachlicher Leitung Sport betrieben.

Durch einen Zuschuss der Landesregierung von 30.000 Mark - für damalige Verhältnisse viel Geld - wurden unter anderen die Lichtleitungen erneuert und die Baracken wohnlicher gemacht. Dieser Zuschuss trug sehr dazu bei, das Leben erträglicher zu machen.

Schon recht früh begannen Kolonisten, sich eine eigene Existenz aufzubauen. So errichtete Willi Schönfeld in der Baracke 3 eine Posthilfsstelle. Das Ehepaar Heidrich eröffnete in einer Waschbaracke eine Verkaufsstelle der Molkerei Rahden.

Karl Hartwig betrieb in der Baracke 14 eine Schneiderwerkstatt und Paul Manneck in der Baracke 10 eine Fahrradwerkstatt. Die erste Eisdiele wurde von Karl Röbelt in einem Bunker an der späteren Koloniestraße betrieben.

Weitere Existenzen wurden im Barackenlager gegründet und später am Tannenbergplatz oder im Muna-Bereich ausgebaut, so zum Beispiel die Tischlerei Galla, die Kohlenhandlungen Klockenbrink und Hess, die Gärtnerei Kunstmann, die Bäckerei Röbelt, die Fleischerei Quade, die Schuhmacherei Neumann, die Spedition Schorlepp und die Erdbaufirma Siebert sowie die bereits erwähnte Lebensmittelhandlung Jedamski.

Für treue Kunden da

Die Schlachterei Jungemeier aus Börninghausen verkaufte damals in der Kolonie ihre Waren und hatte sich einen treuen Kundenstamm aufgebaut.

Karl Quase erreichte beim Amt Rahden, dass die Firma Jungemeier in der Kolonie nicht mehr verkaufen durfte. Die wollte aber ihre treuen Kunden nicht verlieren. Sie bewarb sich mit Erfolg bei der Gemeinde Fabbenstedt beziehungsweise der Amtsverwaltung Alswede in Fiestel um eine Verkaufserlaubnis.

Noch bis in die 90er Jahre verkaufte die Firma Jungemeier ihre Waren dann auf Fabbenstedter Gebiet, und zwar im Wäldchen am Ende der Straße "In der Schnat".

Bildunterschrift: Notdürftige Unterkünfte: Drei Kinder spielen in der Kolonie, eines hat ein Fahrrad. Die Wege sind nicht befestigt, auf den Baracken ist die Dachabdeckung mit Steinen beschwert.

Bildunterschrift: Einklassig: Blick in die erste Volksschule, die in der Baracke 12 eingerichtet wurde und zugleich als Kirchenraum diente.


lok-red.luebbecke@neue-westfaelische.de

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