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Lotta - Antifaschistische Zeitung aus NRW - Nummer 31 , 02.06.2008 :

Collegium Humanum-Verbot nur ein Teilerfolg / Größer, schöner, reicher ... Neuauflage in Sachsen?

Von Gerd Alt

Noch am 6. Mai lud Meinolf Schönborn, der ehemalige Vorsitzende der verbotenen Nationalistischen Front (NF), für den 21./22. Juni zur Sonnenwendfeier ins Vlothoer Collegium Humanum (CH) ein. Einen Tag später durfte sich Schönborn einen neuen Ort für seine Feierlichkeiten suchen. Am frühen Morgen des 7. Mai durchsuchte die Polizei das CH sowie weitere 29 Objekte in NRW, Hessen und Niedersachsen. Das CH, eine ehemalige Heimvolkshochschule, wird nun Staatseigentum, denn ihr Trägerverein Collegium Humanum e.V. wurde an diesem Tag durch das Bundesinnenministerium verboten.

Gleichzeitig mit dem CH wurde auch der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreiten des Holocaust Verfolgten" (VRBHV), der im CH seinen Sitz hatte, verboten. Ebenso traf es die beim Kasseler Amtsgericht eingetragene "Bauernhilfe e.V.", der das Vermögen des Collegium Humanum e.V. bereits übertragen worden war. Diese Vermögensübertragung sollte einen finanziellen Schaden durch das seit längerem diskutierte Verbot des CH e.V. verhindern. Pech für die Nazis: AntifaschistInnen hatten im Vorfeld die Transaktionen aufgedeckt und öffentlich gemacht. Da half auch eine Meldung des "Focus" im Februar nicht, durch die die Vlothoer Nazis über das bevorstehende Verbot des CH informiert wurden.

Drohungen gegen Knobloch

Seit Jahren beharrlicher und in den letzten Monaten weiter wachsender Druck auf die Entscheidungsträger im Innenministerium auch aus der Vlothoer Bürgerschaft und von ihren politischen Vertretern, die sich zwar spät, aber letztlich eben doch den Protesten von AntifaschistInnen anschlossen, führten zum Erfolg. Obwohl der Bielefelder Staatsschutz in der Vergangenheit hauptsächlich Interesse an den AntifaschistInnen zeigte, welche die Proteste lange Zeit fast allein trugen. So lud er beispielsweise eine große Zahl von TeilnehmerInnen einer friedlichen Protestaktion gegen das CH zur erkennungsdienstlichen Behandlung vor. Dass Wolfgang Schäuble nun das Verbot verfügte, dürfte auch mit den unverhohlenen Drohungen zusammenhängen, welche die langjährige CH-Leiterin Ursula Haverbeck in einem offenen Brief vom 13. Februar gegen Charlotte Knobloch ausstieß. Haverbeck schrieb an Knobloch, die sich für ein Verbot des CH ausgesprochen hatte: "Machen Sie so weiter wie bisher, dann könnte sich ein neues Pogrom ereignen. ( ... ) Bereiten Sie sich auf den Tag der Wahrheit vor. Er ist nahe und nicht mehr aufzuhalten."

Mit dem Verbot verlieren der internationale Zusammenschluss der Top-Holocaustleugner um Ursula Haverbeck, Bernhard Schaub und Horst Mahler vom VRBHV, ebenso einen Veranstaltungsort wie die regionalen Kameradschaften und die europäische so genannte "Neue Rechte". Sie alle trafen sich in der Vergangenheit im CH. Völlig unverständlich war, dass der Trägerverein des CH bis Mitte April 2008 vom Finanzamt Herford als gemeinnützig anerkannt war.

Gedächtnisstätte statt Collegium?

Damit das CH nicht wie ein Phoenix aus der Asche neu entstehen kann, lenkten AntifaschistInnen schon im Vorfeld des Verbotes das öffentliche Interesse auf den Verein "Gedächtnisstätte e.V.", der eine Gedenkstätte für die vorgeblich vergessenen "deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung" oder der Bombenangriffe errichtet. Mitglied dieses ebenfalls vom Herforder Finanzamt als gemeinnützig anerkannten Vereins, der ehemals seinen Sitz im CH hatte, kann laut Satzung nur eine "Person alleiniger deutscher Staatsangehörigkeit auf schriftlichen Antrag werden". Der Verein betreibt seit 2005 eine Tagungsstätte im sächsischen Borna. Das gut renovierte Gebäude mit 3.000 Quadratmetern Nutzfläche und 10.500 Quadratmetern Grundstück wurde 2005 vom inzwischen verstorbenen Meerbuscher Architekten Ludwig (Lutz) Limmer für 93.000 Euro ersteigert und dem Verein zur Verfügung gestellt. Miteigentümer der Bornaer Immobilie war zunächst auch sein Sohn Hans-Christian Limmer. Schon in den 90er Jahren gehörte der Limmer-Sohn zu den Unterzeichnern von Aufrufen die sowohl von rechtskonservativen als auch rechtsextremen Personen getragen wurden. Das Borna-Projekt wurde ihm aber offensichtlich zu heiß. Hans Christian Limmer ist schließlich einer der beiden Besitzer des Essener Franchise-Unternehmens "BackWerk", und man plant als großer SB-Bäcker für 2008 einen Umsatz von 88 Millionen Euro. Eine Negativpresse wegen der Zusammenarbeit mit Auschwitzleugnern und militanten Neonazis dürfte da nicht im Interesse von Limmer gelegen haben. Dessen Mutter Gisela Limmer fungiert nun für den Gedächtnisstättenverein als Besitzerin der Großimmobilie.

Schon im Sommer 2005 waren bei einer Hausdurchsuchung bei Ludwig und Gisela Limmer holocaustleugnende Schriften gefunden worden. Entsprechend dürfte Gisela Limmer keine Probleme in der Zusammenarbeit wie jemanden wie Dr. Paul Latussek sehen: Der verurteilte Auschwitzleugner und ehemalige Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen nimmt den Posten des Schriftführers im Vorstand der Gedächtnisstätte e.V. ein. Ebenso wenig dürfte die Zusammenarbeit mit einem gerichtsnotorischen Auschwitzleugner wie dem Solinger Bauunternehmer Günther Kissel Gisela Limmer schrecken. Kissel, der als Schatzmeister des Vereins eingetragen ist, kann als guter Bekannter Limmers gelten. Außerdem finanziert Kissel wesentlich den Betrieb des Bornaer Hauses.

Dr. Albrecht Jebens, dem ehemaligen Geschäftsführer des "Studienzentrums Weikersheim", findet man ebenfalls im Vorstand dieses sauberen Vereins. Er fungiert hinter dem 1. Vorsitzenden, dem Gartenbauunternehmer Wolfram Schiedewitz aus Seevetal, als 2. Vorsitzender des Vereins. Der mit einer Vollzeitstelle als "wissenschaftlicher Leiter" der Gedächtnisstätte angestellte Peter Hild fügt sich als ehemaliger Mitarbeiter des über seine antisemitischen Positionen gestolperten Ex-CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann wunderbar ins Bild.

Ein Herz für Neonazinachwuchs

Auch gegenüber der jüngeren Neonazi-Generation dürfte Limmer keine Berührungsängste haben, traf sich doch die ehemalige "Junge Landsmannschaft Ostpreußen", die heute als "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland" für den Schlageter-Aufmarsch am 25. Mai in Düsseldorf verantwortlich zeichnet, im Limmer-Wohnhaus. Ein "Sommerfest" von 80 Neonazis der "Freien Kräfte Leipzig" auf dem Gelände der Bornaer Gedächtnisstätte im letzten Jahr zeigt, dass den "Honoratioren" des Vereins der Neonazinachwuchs am Herzen liegt. Olaf Rose, ehemals "Stadthistoriker" in Herne und jetzt Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen, sprach über Rudolf Heß zu den jungen KameradInnen. Dass ich Gisela Limer in der Gesellschaft von Nazis wohlfühlt, dokumentierte sie auch beim Kongress der "Gesellschaft für freie Publizistik", der vom 11. bis 13. April in der Nähe von Suhl stattfand. Dort trat sie gemeinsam mit dem Düsseldorfer Altnazi und Syndicus des Gedächtnisstätte e.V. Hajo Hermann auf und war für das Projekt einer Gedenkstätte in Borna.

AntifaschistInnen sehen daher das Verbot des Collegium Humanum nur als Teilerfolg. Mit dem vorgeblich honorigen Gedächtnisstätte e.V. und der von ihm genutzten Immobilie haben die Verbote in Vlotho nur den kleineren Teil des dortigen Vereinsnetzwerkes getroffen.

Flatrate für Holocaustleugnung

Einmal mehr wurde die Aktivistin des Vereinsgeflechts rund um das nun verbotene Collegium Humanum Ursula Haverbeck am 15. April vom Amtsgericht in Bad Oeynhausen zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung (Leugnung des Holocaust) verurteilt. Zusammengezogen mit anderen Geldstrafen wegen gleicher Vergehen wurde ihr eine Art "Mengenrabatt" vom Gericht gewährt, so dass sie nun eine Gesamtstrafe von 6.000 Euro zu bezahlen hat.

Die eigentlich gutsituierte Witwe des Altnazis Prof. Dr. Werner Haverbeck konnte ihr Einkommen so weit herunterrechnen, dass sie diese 6.000 Euro in 200 Monatsraten zu je 30 Euro zahlen darf. Damit verteilt sich die Strafe auf die nächsten 16 Jahre und 8 Monate. Eine ziemlich lange Zeit, wenn man bedenkt, dass Ursula Haverbeck im November dieses Jahres ihren 80. Geburtstag feiern wird. Mann darf auf künftige Prozesse gespannt sein. Ob sie bei weiteren Verurteilungen vielleicht ein Abo für 25 Jahre Holocaustleugnung zum Preis von 30 Euro pro Monat erhält?

Bildunterschrift: Gestern Vlotho (rechts), morgen Borna (links).

Bildunterschrift: Zu einer Geldstrafe wegen Holocaustleugnung verurteilt: Ursula Haverbeck.


lotta@koma.free.de

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