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Lippische Landes-Zeitung , 16.01.2004 :

Eine Villa und ihre besondere Geschichte / Der Konzernchef Carl Krecke und sein "Gästehaus" / Abriss ab Ende Januar

Bad Salzuflen (Rei). Das aufstrebende Bad Salzuflen 1936: Ein gewisser Carl Krecke lässt oberhalb des Kurparks auf freier Wiese eine kleine Villa bauen. Nicht für sich, sondern für internationale Geschäftskunden, die der Wahl-Berliner mit einer Visite in seiner schönen Geburtsstadt für Vertragsabschlüsse "in Stimmung bringen" will. Doch Krecke wird seine Absicht kaum noch in die Tat umgesetzt haben. Er stirbt 1938. Sein Haus überlebt ihn 65 Jahre, ab Ende Januar wird es abgerissen.

Zeitblende. Januar 2004: Vor der leeren Villa steht eine ältere Frau. "Schade, dass das Haus nicht erhalten bleiben kann", sagt sie. Viele Erinnerungen verknüpfen sich für Charlotte Klages mit dem Gebäude, das heute an der Adresse "Auf der Breden 18" von schmucken Eigenheimen umringt ist. Charlotte Klages ist die Tochter von Carl Krecke, der 1936 Vorstandsvorsitzender des Berliner Strom-Multis Bewag AG (heute 2,8 Milliarden Euro Umsatz bei 4550 Mitarbeitern) war und im selben Jahr die deutsche Delegation auf der "Weltkraftkonferenz" in Washington leitete.

Möglicherweise wäre das Anwesen längst nicht mehr im Besitz der in Bad Salzuflen ureingesessenen Familie Krecke, wenn nicht der Krieg dazwischen gekommen wäre. "Meine Mutter, meine beiden Geschwister und ich sind 1943 aus Hannover evakuiert worden - wegen der Luftangriffe. Dann zogen wir in Vaters Haus nach Bad Salzuflen", so Charlotte Klages. Dort blieb die Familie in relativer Sicherheit - bis zu einem Tag im Mai 1945. "Wir waren Holz sammeln im Wald. Als wir zurück kamen, stand die ganze Straße vor unserem Haus voll mit Militärwagen", erinnert sich die Salzuflerin. Den Kreckes wurden wenige Stunden gegeben, um ihre Halbseligkeiten zu packen, dann zog ein russischer General in die Villa ein. "Die ließen es sich gut gehen, man sah des öfteren, wie Kaviar an den Wachen vorbei ins Haus getragen wurde." Die Kreckes kamen bei Bekannten in der Bismarckstraße unter.

Erst 1948 - die meisten der von den Alliierten besetzten Häuser in Bad Salzuflen waren längst wieder frei gegeben - durfte die Familie zurück, um sofort Flüchtlinge in dem großen Haus mit aufzunehmen. "Das war damals halt so", sagt Charlotte Klages.

Zum Glück hatte der Stab des Generals das Haus in einem guten Zustand hinterlassen, und Charlotte Klages blieb bis 1970 in der Villa. "Dann wurde uns das Haus allerdings zu groß, und wir zogen in den kleinen Bungalow nebenan." Verschiedene Firmen mieteten die Villa anschließend als Verwaltungsgebäude an. Außer einem neuen Eingangsbereich blieb das Haus jedoch im Originalzustand von 1936.

Die vergangenen zwei Jahre stand es jedoch leer, und Charlotte Klages entschied sich jetzt nach langem Ringen zum Verkauf. Die BHW Immobilien GmbH fand mit der "W & G Wohn & Grund" aus Herford einen Käufer, der bei einer Gesamtinvestition von zwei Millionen Euro auf dem 1300 Quadratmeter großen Grundstück am Kurpark sechs exklusive Eigentumswohnungen errichten will. Allerdings nicht in den alten Mauern: "Der Zahn der Zeit hat zu stark an dem Objekt genagt. Ein Umbau ist leider nicht mehr möglich", so Stephan Hellmann (BHW).

So wird vielleicht auch Charlotte Klages am Sonntag, 25. Januar, noch mal die Villa mit der besonderen Geschichte besuchen. Dann öffnet das "Haus Krecke" von 11 bis 14 Uhr zum letzten Mal, um Interessierten das Neubauprojekt in den alten Mauern zu präsentieren. Tags darauf rückt der Abrissbagger an ...


Salzuflen@lz-online.de

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