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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 30.06.2008 :

Archäologen in Erklärungsnot / Podiumsdiskussion zum "Fall Paderborn" endet mit vielen offenen Fragen und wenigen Antworten

Von Ralf Mischer

Paderborn-Schloß Neuhaus. Durch die Eröffnung der Ausstellung "Eine Welt in Bewegung" kam einiges in Bewegung. Archäologen und Museumsleiter sehen ihre Arbeit seit dem "Fall Paderborn" mit anderen Augen. Über die Konsequenzen des Ereignisses diskutierten am Sonntag Experten. Passende Antworten fanden sie aber nicht.

Als zur Eröffnung der großen Mittelalterschau "Eine Welt in Bewegung" Mitglieder der Gruppe "Ulfhednar" im Marstall-Innenhof das frühe Mittelalter lebendig werden ließen, hatte die Stadt längst Erkundigungen über die Akteure eingeholt. Unter anderem beim Verfassungsschutz und bei anderen Museen.

In Paderborn fiel die Gruppe aber dennoch negativ auf. Ein Akteur hatte sich, wie berichtet, den Leitspruch der SS Adolf Hitlers "Meine Ehre heißt Treue" auf den Bauch tätowieren lassen und trug dies offen zur Schau. "Ich habe veranlasst, dass sich die Person sofort wieder etwas anzieht", erklärte der Kurator der Ausstellung, Georg Eggenstein.

Dieser Vorfall sorgte in der Fachwelt für großes Aufsehen. Auf der Archäologen-Tagung in Mannheim wurde zu dem Thema sogar eigens eine Erklärung formuliert.

So genannte Reenactment-Gruppen verfolgen das Ziel, die Vergangenheit so realistisch wie möglich darzustellen. Dazu tragen die Mitglieder nachempfundene Kostüme, Waffen und Werkzeuge. Museen, Ausstellungen und TV-Sender engagieren diese Gruppen, um das einstige Leben so lebendig und publikumswirksam wie möglich darzustellen.

"Ulfhednar" setzt dabei in den Augen von Karl Banghard, Leiter des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen, allzu sehr auf die Darstellung der Swastika – des Hakenkreuzes. Der Museumsleiter zeigte Bilder, auf denen die Mittelalter-Darsteller Schilde, Schwertknäufe und andere Gegenstände mit diesem Symbol versehen hatten. "Ich habe nichts gegen die Verwendung von Hakenkreuzen – wenn sie historisch belegt sind", betonte der 40-Jährige. Für ihn ist die Häufigkeit, mit der die Gruppe ihre Utensilien mit Swastiken versieht, ein Indiz dafür, dass sie sich nicht nur von historischer Authentizität leiten lässt, sondern von rechtem Gedankengut. Auch die Nähe einiger Gruppenmitglieder zur einer rechten Metal-Band lassen den Wissenschaftler an der Gesinnung der Darsteller zweifeln.

Für "Ulfhednar"-Chef Arian Ziliox ist die Swastika kein Zeichen für rechte Gesinnung: "Früher waren wir auch mit dem Schuldkomplex belastet wie jeder Deutsche. Die Swastika ist aber nicht nur ein Symbol des Rassismus."

Der ehemalige Direktor des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte, Prof. Wilfried Menghin, betonte, dass Wissenschaftler darauf angewiesen seien, "dass Enthusiasten wirklichkeitsnahe Geschichte darstellen". Harald Baer von der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle Hamm mag lieber keine Hakenkreuze in Museen sehen: "Die sind unumkehrbar durch die Ideologie der Nazis geprägt."

Menghin forderte anschließend, dass die "üble Nachrede" gegen die Gruppe Ulfhednar eingestellt werden müsse, um zu einem sachlichen Dialog zurück kehren zu können. Das sah die Bremer Landesarchäologin Uta Halle anders. Sie hätte die Gruppe per se nicht eingeladen.

Karl Banghard zeigte sich schließlich verwundert über das Verhalten der Stadt Paderborn: "Wenn uns so etwas in Oerlinghausen passiert wäre, hätte das für mich Konsequenzen gehabt. Aber in Paderborn sieht man das offenbar lockerer."

Wirklich ernst gestaltet sich die Lage für den Vorsitzenden von "Ulfhednar": "Wir bekommen keine Aufträge mehr."

Bildunterschrift: Mit Hakenkreuz: Dieser Pferdehalfter wurde nach Angaben von Arian Ziliox nach einer historischen Vorlage gefertigt.

Bildunterschrift: Sprachen über den "Fall Paderborn": Moderatorin Christiane Poertgen hatte die Diskussion stets im Griff. Harald Baer, Karl Banghard, Uta Halle, Wilfried Menghin (v.l.) diskutierten kontrovers.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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