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Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt , 20.12.2021 :

Bielefeld: Oberbürgermeister distanziert sich von Demo-Eskalation

Bielefeld. Oberbürgermeister Pit Clausen kritisiert, was die Teilnehmer am Freitag nach dem offiziellen Abbruch der Corona-Demo, die als "Lichterspaziergang" deklariert war, in der Innenstadt veranstaltet haben. Dort herrschte teils Chaos, gab es Tumulte. Er hat kein Verständnis für "diese Art der Beleuchtung der Pandemie und der Krisenbewältigung".

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Recherche Kollektiv Ostwestfalen, 19.12.2021:

Polizei lässt tausende Verschwörungsgläubige durch Bielefeld ziehen und Neonazis proben den Aufstand

Zum Demonstrationsgeschehen am 17.12.2021 in Bielefeld

Gestern kam es zu einer Großdemonstration von circa 3.000 Verschwörungsgläubigen, die dem Aufruf der verschwörungsideologischen Gruppe "Bielefeld steht auf" um André Jesse und Angela Landwehr gefolgt waren. Der Aufruf der Gruppe wurde regional und bundesweit in einschlägigen Telegram-Gruppen, aber auch über neonazistische Kanäle sowie AfD-Kreisverbände verbreitet. Nachdem bereits am 03.12.2021 eine verschwörungsideologische Groß-Demo reibungslos ohne Masken- und Abstandsauflagen von der Polizei Bielefeld ermöglicht wurde und die Presse zunächst uneingeschränkt verharmlosend darüber berichtet hatte, schlossen sich der Telegram-Gruppe "Bielefeld steht auf" in den letzten zwei Wochen über 1.500 neue Mitglieder an. Wir haben konstant öffentlich auf das Mobilisierungspotenzial, das Personenspektrum und auch die Mobilisierung in Neonazi-Kreisen hingewiesen. Dennoch zeigte sich die Polizei gestern angesichts der Einschätzung der bei "Bielefeld steht auf" Demonstrierenden erneut vollkommen unfähig. Sowohl auf der Straße als auch in der anschließenden Einschätzung der Polizeisprecherin Sonja Rehmert. Rehmert ließ gegenüber der Presse verlautbaren, nur ein einzige Person aus der Neonazi-Szene sei der Polizei aufgefallen. Dabei bewegte sich eine größere Gruppe polizeibekannter Neonazis von Beginn an unter den Demonstrierenden - und nahm bei den Ausschreitungen am Rathaus gegen 19.25 Uhr eine entscheidende Rolle ein.

Videos belegen die Beteiligung der Neonazis Lennard Sanner und Christian Lange (beide aus Horn-Bad Meinberg), Meinhard Otto Elbing und Jan Tiemann (Bielefeld) an der Ausschreitungssituation. Sanner ist zu sehen, wie er die umstehenden Demonstranten wild gestikulierend zur weiteren Aktion anstachelt. Die bekannten Neonazis bewegten sich in einer Gruppe von circa zehn teilweise vermummten Neonazis. Außerdem unter ihnen und ebenfalls an dem Durchbruch am Rathaus beteiligt: Florian Rust, Vorsitzender der Jungen Alternative (JA) Bielefeld. Rust hatte sich schon auf dem Kesselbrink in dem Trupp militanter Neonazis bewegt, gut zu erkennen an seinem hellen Mantel und der großen Flagge mit dem Bielefelder Stadtwappen, die er mit sich führte. Rust nahm in der Vergangenheit wiederholt an Demos von "Bielefeld steht auf" teil, zum Beispiel am 24.09.2021. Er ist seit Juni 2021 Vorsitzender der JA Bielefeld und organisiert ihren monatlichen Stammtisch bei der ultranationalistischen Burschenschaft Normannia Nibelungen, an dem sich teilweise auch Neonazis beteiligten. Rusts Anwesenheit in der Neonazi-Gruppe gestern ist ein weiterer Beleg für die Bereitschaft der AfD, sich mit Unterstützung militanter Neonazis politisch in Szene zu setzen.

Die gestrigen von lokalen Neonazis teilweise angeleiteten Ausschreitungen waren zu erwarten! Wir und auch die Gruppe Antinationale Linke Bielefeld (ALIBI) sowie die Jugendantifa Bielefeld haben seit dem 03.12.2021 auf die fatalen Folgen der positiven Erstberichterstattung und polizeilichen Einschätzung der Demo am 03.12.2021 hingewiesen. Die Polizei Bielefeld leugnet auch für den 03.12.2021 die Teilnahme von Neonazis, wir haben die Teilnahme des Ex-Reservisten und Neonazi Heinz Kriegel durch Fotos belegt. Schon in der Vergangenheit haben immer wieder Unterstützerinnen, Unterstützer der Holocaust-Leugnerin und Nationalsozialistin Ursula Haverbeck an den Demos teilgenommen, auch diesen Umstand haben wie wiederholt öffentlich gemacht. Diese Personen sind bei den neonazistischen Haverbeck-Aufmärschen in Bielefeld 2018 und 2019 aufgefallen. Mindestens vier der Haverbeck-Unterstützerinnen, -Unterstützer nahmen auch gestern an der Demo teil. Außerdem sind auch die bekannten Neonazis Tim Sauer, Jan Tiemann (Bielefeld) und Rene Heitmann (Gütersloh) unter den Teilnehmenden gewesen. Aus Detmold-Berlebeck kamen die beiden bekannten Neonazis und Funktionäre der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) Gerd und Anna-Maria Ulrich. Gerd Ulrich leitete in den 1990er Jahren eine Wehrsportgruppe, ist wegen Sprengstoff-Delikten vorbestraft und führt bis heute paramilitärische Schulungen von Kindern aus der Neonazi-Szene auf seinem Grundstück durch. Das Ehepaar Ulrich nimmt seit Pandemie-Beginn an verschwörungsideologischen Demos regional und bundesweit teil und organisiert eine wöchentliche Schilder-Aktion in Detmold, an der auch schon Mitglieder von "Bielefeld steht auf" teilnahmen. Gerd Ulrich ist außerdem Teil eines verschwörungsideologischen Zusammenschlusses von Reservisten und Veteranen. Aus Bünde reiste der erst kürzlich wegen Holocaust-Leugnung verurteilte Neonazi Kai Berger an. Auch die Neonazis Heinz Kriegel und Dennis Seibert waren gestern vor Ort. Kriegel musste nach unseren Recherchen im Februar den Reservistenverband und die Bielefelder Reservistenkameradschaft RK 36 Alt-Bielefeld verlassen. Des weiteren zeigte sich eine größere Gruppe türkischer Nationalisten, die den "Grauen Wölfen" zugeordnet werden können. Der Großteil der genanten Neonazis ist übrigens einschlägig polizeibekannt.

Das sich die Gruppe um Sanner, Lange und Elbing sowie die Ulrichs bei "Bielefeld steht auf" eingefunden haben ist dabei nicht nur Ausdruck der ideologischen Schnittmengen, die die Neonazis mit der antisemitischen Verschwörungs-Szene haben. Die verschwörungsideologischen Groß-Demos bieten den militanten Neonazis eine perfekte Kulisse, um ihre Tag-X-Umsturzfantasien zu proben. Sie proben sich in Straßenkampf-Szenarien und werben um Unterstützerinnen, Unterstützer auf der Straße. Lennard Sanner, Christian Lange und auch Gerd Ulrich reisten 2018 zu den rassistischen Ausschreitungen nach Chemnitz und beteiligten sich dort an den Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch hier liefen AfD, JA und militante Neonazis Schulter an Schulter.

Die verschwörungsideologische Szene mit ihrem ideologischen Überbau reicht dieser militanten Szene bereitwillig die Hand. Die Geschehnisse gestern am Rathaus zeigen, dass die Neonazis in Bielefeld am 17.12.2021 mit Unterstützung rechnen konnten. Und die Fehleinschätzung der Polizeipräsidentin Rehmert zeigt, dass diese bekannten Neonazis nicht mit einer konsequenten polizeilichen Intervention zu rechnen haben.

Vor unseren Augen entsteht gerade eine rechte verschwörungsideologische Groß-Bewegung, die nicht von Neonazis unterwandert wird, sondern ihnen bereitwillig die Hand reicht. Wie gefährlich die Verschwörungsmythen der Pandemie-Leugnerinnen, -Leugner sind, zeigen uns die Morde von Idar-Oberstein und Senzig allzu deutlich auf. Diesen Leuten die Straße zu überlassen, arbeitet ihrem Gefühl von Überlegenheit und Legitimität zu. Und ebnet Neonazis den Weg zur Tag-X-Probe. Dieses Wissen ist nicht neu, diese Szenarien zeigen sich seit Pandemie-Beginn bei den verschwörungsideologischen Groß-Demos bundesweit, zum Beispiel in Berlin, Leipzig oder Kassel. Und das Verschwörungsmythen und rechter Terror Hand in Hand gehen, muss allen spätestens seit den Anschlägen von München, Halle und Hanau mit 20 Todesopfern schmerzlich bewusst sein.

Heute ist der 18.12.2021. Heute vor genau 3 Monaten wurde Alex W. In Idar-Oberstein von einem verschwörungsgläubigen Masken-Verweigerer ermordet. Er wurde 20 Jahre alt.

Link zu den Videos mit der Rathaus-Szene:

www.twitter.com/RechercheKolle1/status/1471952812959490048

www.twitter.com/mor_schl/status/1471912285706805257

Bildunterschrift: 17.12.2021, Kesselbrink Bielefeld: zweiter von links Neonazi Lennard Sanner in Neonazi-Gruppe, dahinter im hellen Mantel mit Bielefeld-Fahne der Vorsitzende der JA Bielefeld Florian Rust.

Bildunterschrift: 17.12.2021, Kesselbrink Bielefeld: zweiter von links Lennard Sanner, zweiter von rechts Christian Lange (beide aus Horn-Bad Meinberg).

Bildunterschrift: Links im Bild: Meinhard Otto Elbing (mit grauem Pferdeschwanz), daneben Florian Rust.

Bildunterschrift: Christian Lange und Lennard Sanner bei den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz, 01.09.2018.

Bildunterschrift: Gerd Ulrich bei den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz, 01.09.2018.

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Antinationale Linke Bielefeld, 18.12.2021:

Pressemitteilung / Rechtsoffener Aufmarsch am 17.12.2021: Polizei ist verantwortlich für Eskalation

Bielefeld. Am Freitagabend sammelten sich mehrere tausend Menschen zu einer rechtsoffenen, verschwörungsideologischen Demonstration am Kesselbrink in Bielefeld. Gleichzeitig demonstrierten etwa 250 Menschen gegen Polizeiwillkür, nachdem die Polizei eine geplante Gegenkundgebung der Antinationalen Linken mit rechtswidrigen Auflagen überzogen hatte. Alle Rednerinnen, Redner sollten vorab ihre Personalien abgeben. Die Auflage wurde aber erst am Donnerstag Nachmittag mitgeteilt, wodurch dem Anmelder die Möglichkeit des Rechtswegs effektiv genommen wurde.

Die Antinationale Linke Bielefeld kritisiert die Polizei scharf. "Hier sollte gezielt die Versammlung eines der Polizei unliebsamen Anmelders verhindert werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Polizei schon vorab Personalien von Rednerinnen, Rednern abfragt, somit eine Drohkulisse schafft und die Versammlungsfreiheit stark einschränkt", stellt Pressesprecher Anton Hoch klar.

Auf der Spontan-Kundgebung gegen Polizeiwillkür wurde dann nicht nur das Vorgehen der Polizei kritisiert, sondern auch die staatliche Corona-Politik und die verschwörungsideologische Bewegung thematisiert.

Während die Polizei die linke Kundgebung mit rechtswidrigen Auflagen überzog, fuhr sie Richtung des Anmelders des rechtsoffenen Aufmarschs einen Kuschelkurs. Obwohl bereits am 03.12.2021 zwischen 1.000 bis 1.500 Menschen an einer Demonstration von "Bielefeld steht auf" teilnahmen und alle Beobachterinnen, Beobachter für den 17.12.2021 von einer noch größeren Beteiligung ausgingen, rechnete die Polizei nach eigenen Angaben mit nur 1.000 Teilnehmerinnen, Teilnehmern.

In Folge dessen wurden keine Corona-Schutz-Maßnahmen, wie beispielsweise eine Masken-Pflicht erlassen. Erst die Stadt Bielefeld erließ angesichts der großen Teilnehmerinnenzahl, Teilnehmerzahl kurzfristig am Abend eine 3G-Pflicht. Erwartungsgemäß widersetzte sich der verschwörungstheoretische, rechtsoffene Aufmarsch und zog anschließend unkontrolliert durch die Stadt. Es kam zu Übergriffen und Hitlergrüßen durch Teilnehmerinnen, Teilnehmer des Aufmarsches. "Die Polizei und die Stadt Bielefeld sind dafür verantwortlich, dass die Lage am Freitagabend so eskalierte. Tausende Pandemie-Leugnerinnen, -Leugner schufen eine Drohkulisse, für alle die sich solidarisch in der Pandemie verhalten. Angeführt wurden Sie dabei teilweise von bekannten organisierten Faschisten, Faschistinnen. So waren vor Ort diverse Kreisverbände der AfD, ein Großteil der rechtsextremen Szene aus OWL und auch türkische Faschisten Faschistinnen der Grauen Wölfe.

Nicht erst seit dem Mord von Idar-Oberstein sollte klar sein, was für ein enormes Gewaltpotential von der Corona-Leugnerinnen-Leugner-Szene ausgeht. Angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre ist es bezeichnend, dass die Polizei linken Gegenprotest kriminalisiert, sich allerdings bewusst dafür entscheidet bei tausenden Pandemie-Leugnerinnen, -Leugnern keine Schutzmaßnahmen durchzusetzen und ihnen für ihre strukturell antisemitischen Verschwörungserzählungen den roten Teppich auszurollen", fasst der Pressesprecher der Antinationalen Linken Bielefeld zusammen.

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Recherche Kollektiv Ostwestfalen, 10.12.2021:

Stellungnahme zur polizeilichen Einschätzung von "Bielefeld steht auf"

Am 08.12.2021 veröffentlichte die Neue Westfälische eine Stellungnahme der Bielefelder Polizei zu der Demo der verschwörungsideologischen Gruppierung "Bielefeld steht auf", in der die Polizei folgendes äußerte:

Aus Sicht der Polizei sei der "überwiegende Teil der Teilnehmer dem regierungs- und coronakritischen, bürgerlichen Klientel" zuzuordnen. Zum Teil wurden Plakate der Querdenker-Bewegung gezeigt. Nach der wiederholten Kritik des linksextremen Recherche-Kollektivs, das einigen Teilnehmern dieser Demonstrationen sehr wohl strukturell bis offen antisemitische Verschwörungstheorien und unwidersprochene Relativierungen zur NS-Zeit zuordnet, sagt die Behörde zur jüngsten Demo: "Polizeiliche Erkenntnisse über die Teilnahme von verfassungsfeindlichen oder rechtsextremen Teilnehmern an der Versammlung am Freitag liegen nicht vor."

Diese Äußerung offenbart den eklatanten Mangel an Wissen zu der Art und ideologischen Verfasstheit dieser Gruppierung im Speziellen und der verschwörungsideologischen Bewegung der Pandemie-Leugnerinnen, -Leugner und Impf-Verweigerinnen, -Verweigern im Allgemeinen. Durch die Reduktion der politischen Brisanz auf die personelle Teilnahme von polizeibekannten Personen aus der neonazistischen Szene an den Demos von "Bielefeld steht auf" oder auch anderen Gruppierungen dieser Art werden die ideologisch dominanten Themen als unpolitisch und unbedeutsam verschleiert. Wie gefährlich und bedeutsam aber die in den Telegram-Gruppen dominierenden Themen sind, zeigen die Morde von Idar-Oberstein und Senzig allzu deutlich auf. Der Mord an Alexander W. passierte nicht ohne ideologischen Überbau. Es ist kein "Familiendrama", wenn ein Familienvater seine Frau und drei Kinder ermordet und danach Suizid begeht. Es ist die Tat eines Menschen, der sich in einer verschwörungsideologischen Echokammer verloren hat und seine paranoiden Ideen nicht mehr von der Realität unterscheiden konnte. Auch für rechtsterroristische Gewalt sind Verschwörungsmythen von hoher Bedeutung. Die Anschläge von Halle, Hanau, München und Christchurch waren in bedeutsamer Weise von Verschwörungsmythen beeinflusst. Sie haben viele Menschen das Leben gekostet. Nach nunmehr 1,5 Jahren der Beobachtung und Analyse der Pandemie-leugnerischen Bewegung ist es bestürzend, dass die Polizei Bielefeld nach wie vor zu keiner inhaltlichen Einschätzung der lokalen Ableger fähig ist. Und es zeigt einmal mehr die Kontinuität der sicherheitsbehördlichen Unfähigkeit, rechtsnationalistische und antisemitische Bewegungen als solche zu erkennen und die entsprechenden Gefahren korrekt einzuschätzen. Wir können diese Fehldarstellungen so nicht akzeptieren! Es ist enorm wichtig, die beherrschenden Themen und deren politisch-ideologische Bedeutungen klar zu benennen.

Welche Inhalte dominieren bei "Bielefeld steht auf"?

Wie wir schon in unserer ersten Stellungnahme zu "Bielefeld steht auf" Anfang April 2021 klar dargelegt haben, dominieren in den Telegram-Chats strukturell bis offen antisemitische Verschwörungsmythen. So wird von der jüdischen Familie Rothschild schwadroniert, diese Familie sei verantwortlich für die Pandemie und verfolge damit den Zweck der Entvölkerung Deutschlands und der Welt (siehe Screenshots unten). Dies ist eine aktualisierte Variante offen antisemitischer Verschwörungsmythen über Vernichtungspläne einer fiktiven jüdischen geheimen Elite an dem deutschen Volk, wie sie auch im Nationalsozialismus vertreten wurden. Die hier aufgeführten Screenshots sind nur exemplarisch. Für jeden hier dargestellten Sachverhalt finden sich im Telegram-Chat von "Bielefeld steht auf" vielfältige Beispiele. Immer wieder wird von "geheimen Eliten" geschrieben, die die Dezimierung der Weltbevölkerung vorantreibe.

Auch in der Neonazi-Szene beliebte Mythen um den jüdischen Unternehmer George Soros werden in dem Chat geteilt. Soros stecke wahlweise mit den Rothschilds hinter der Pandemie oder aber finanziere "die Antifa" (siehe Screenshot links). Die immer wiederkehrende systematische Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen und insbesondere der Shoa bei "Bielefeld steht auf" haben wir schon wiederholt, sowohl in unserer ersten Stellungnahme als auch auf Twitter, kritisiert und diese inhaltlich eingeordnet. Durch die systematische NS-Relativierung wird die historische Erfahrung derjenigen, die in NS-Deutschland verfolgt und ermordet wurden, unsichtbar gemacht. Diese Form von Geschichtsrevisionismus ist in der Szene der Holocaust-Leugnerinnen, -Leugner schon seit den 1950er Jahren verbreitet und arbeitet dem Narrativ zu, die Shoa sei eine jüdische Erfindung, um die Deutschen zu unterdrücken. Ein Video der wohl bekanntesten Holocaust-Leugnerin Deutschlands Ursula Haverbeck wurde Mitte November bei "Bielefeld steht auf" geteilt, kein einziger der Chat-Teilnehmerinnen, -Teilnehmer störte sich daran, bis wir auf Twitter öffentlich darauf hinwiesen. Im Anschluss gab es eine kurze Diskussion zwischen einer Chat-Teilnehmerin, die Haverbeck kritisierte und dem Chat-Teilnehmer Ingo, der Haverbeck vehement verteidigte. Ingo nahm im November 2019 an der neonazistischen Haverbeck-Demo in Bielefeld teil. Er ist nicht der einzige Haverbeck-Unterstützer, der an den Demos von "Bielefeld steht auf" teilnimmt. Auch auf die Teilnahme der Neonazistin Juliane Sprunk haben wir bereits in unserer ersten Stellungnahme hingewiesen. Eine weitere, namentlich nicht bekannte Teilnehmerin und Unterstützerin Haverbecks nahm wiederholt an den "Bielefeld steht auf" Demos teil, zum Beispiel am 24.09.2021 (siehe Fotos unten).

An diesem Datum nahmen auch der Vorsitzende der Jungen Alternative (JA) Bielefeld, Florian Rust sowie das JA-Mitglied Tim Marvin Braungart teil. Auch Florian Schürfeld, aktiv bei der Identitären Bewegung und der rechtsnationalistischen Burschenschaft Normannia Nibelungen, nahm an der Demo teil (siehe Foto).

Überhaupt gibt es keinerlei Berührungsängste mit der AfD oder ihrer Jugendorganisation JA.

Es werden regelmäßig Aufrufe, Videos und Beiträge der AfD geteilt, es wird Wahlwerbung der nationalistischen Partei bei den Demos erlaubt und nicht wenige Mitglieder geben an, die AfD als einzige realpolitische Option wahrzunehmen. Im Zuge des Wahlkampfs wurde eine AfD-Veranstaltung am 28.08.2021 in Bielefeld beworben, an der auch mehrere Mitglieder von "Bielefeld steht auf" teilnahmen.

Es wird Werbung für zum Teil verbotene Reichsbürger-Organisationen gemacht wie zum Beispiel die seit März 2020 verbotene Vereinigung "Geeinte deutsche Völker und Stämme" (siehe Screenshot links) und reichsbürgerliche Positionen werden vertreten. Immer wieder werden neben klimaleugnerischen auch homo- und transphobe Inhalte geteilt (siehe Screenshot rechts).

Wer ist dazu gekommen?

Die erste Berichterstattung zu der verschwörungsideologischen Demo am 03.12.2021 war überwiegend positiv für die Organisatorinnen, Organisatoren und Teilnehmerinnen, Teilnehmer von "Bielefeld steht auf". Obwohl die Presse normalerweise in dieser Szene als Lügen- oder Mainstream-Presse verschrien ist, ließen sich die Artikel der Neuen Westfälischen und des WDR wunderbar für verschwörungsideologische Propaganda nutzen. Die Chat-Gruppe ist in nur einer Woche auf über 2.000 Mitglieder angewachsen, für die nächste Demo am 17.12.2021 auf dem Kesselbrink in Bielefeld wird in allen einschlägigen Kanälen und auch nordrhein-westfälischen Neonazi-Kanälen (zum Beispiel Die Rechte Dortmund) via Telegram mobilisiert.

Unter den neuen Gruppenmitgliedern tummeln sich bekannte Funktionäre der AfD und militante Neonazis. So sind seit dem 04.12.2021 auch die Neonazis Lennard Sanner aus Horn-Bad Meinberg und Jan Tiemann (Bielefeld) im Chat von "Bielefeld steht auf" dabei. Sanner mahnte im Chat zu einem höheren Maß an Disziplin und weniger Spam-Inhalten (Screenshot). Aus den Reihen der AfD finden sich Maxim Dyck (JA OWL), Reimund Ruhe (AfD Paderborn), Matthias Groh (AfD Bad Oeynhausen) und Florian Rust (JA Bielefeld) in der Gruppe wieder.

Der Telegram-Nutzer Marcus Rupprecht zeigt sich in Mütze und Schal der neonazistischen Kleinstpartei "Der Dritte Weg". Andere Nutzer posieren vor Reichsflaggen oder in Thor Steinar-Kleidung. Wiederum andere sind auch Teil der verschwörungsideologischen Telegram-Gruppe "Soldaten und Reservisten", die gleichgesinnte Militaristen vernetzen soll.

Seit dem Zuwachs an Mitgliedern hat der Grad an Reichsbürger-Propaganda für die Gruppe um Rüdiger Hoffmann (staatenlos.info) massiv zugenommen. Mittendrin fürchtet sich der Zahnarzt Dr. Oliver Samson (Minden) vor einem Einsatz des SEK am 17.12.2021 und fordert zur Strategie-Entwicklung auf. Samson nahm wiederholt an regionalen und überregionalen verschwörungsideologischen Demos teil und gab dem rassistischen Video-Blogger Matthäus Westfal (Aktivist Mann) ein zweistündiges Interview.

Und sind die jetzt rechts?

Immer wieder wird versucht, sich an der Verfassungsschutz-Kategorie "Rechtsextremismus" abzuarbeiten. Wir lehnen diese Kategorie und den darin enthaltenen Extremismus-Begriff mit den zugehörigen Rechts-Links-Gleichsetzungen ab. Aber weil die Frage immer wieder aufkommt, möchten wir die Chat-Gruppe und die Demos von "Bielefeld steht auf" diesbezüglich zu bewerten. Natürlich sind die Veranstaltungen von "Bielefeld steht auf" keine Neonazi-Aufmärsche. Aber sie sind Aufmärsche von Menschen, die sich tagtäglich in digitalen Echokammern voller menschenfeindlicher und antisemitischer Mythen befinden und sich diesen Mythen verbunden fühlen. Und in dieser Menschenfeindlichkeit eben auch Anschluss für Neonazis, AfDler und Reichsbürger bieten, und zwar ganz problemlos. Und das kann durchaus als rechts bezeichnet werden.

Sich allein an der Anwesenheit bekannter Neonazis abzuarbeiten verkennt die Gefahr und Brisanz der verschwörungsideologischen Radikalisierung, die wir gerade alle live beobachten können. Dennoch an dieser Stelle ein kleiner Hinweis für die offenbar mit der korrekten Einschätzung überforderte Bielefelder Polizei: am 03.12.2021 haben in Bielefeld sehr wohl bekannte Neonazis teilgenommen. Der ehemalige Reservist Heinz "Charlie" Kriegel nahm mit seinem Kumpel Dennis Seibert an der Groß-Demo teil.

Kriegel musste Anfang diesen Jahres die Reservistenkameradschaft RK 36 Alt-Bielefeld verlassen, nachdem wir in einer Recherche auf Kriegel (früher Vorsitzender der RK 36) und Michael Reinert (bis zu unserer Recherche Vorsitzender der RK 36) und ihre neonazistischen Aktivitäten aufmerksam gemacht haben.

Es braucht dringend eine kritische und inhaltlich korrekte mediale Berichterstattung zu diesen Veranstaltungen! Die unkritische Erstberichterstattung konnte zur Bewerbung der Gruppe "Bielefeld steht auf" in den verschwörungsideologischen Telegram-Kanälen bundesweit genutzt werden. Die Gruppierung und ihre Anhängerinnenschaft, Anhängerschaft müssen konsequent als das benannt werden, was sie inhaltlich ausmacht: verschwörungsideologisch, antisemitisch und menschenfeindlich!

Bildunterschrift: Logo der verschwörungsideologischen Gruppe "Bielefeld steht auf!".

Bildunterschrift: Verschwörungsmythos zu "globaler Elite" und Dezimierung der Weltbevölkerung.

Bildunterschrift: Screenshots aus "Bielefeld steht auf" belegen antisemitische Verschwörungsmythen.

Bildunterschrift: "Bielefeld steht auf"-Chat zu Soros-finanzierter Antifa.

Bildunterschrift: Das Video war Grundlage für Haverbecks Inhaftierung wegen Holocaust-Leugnung.

Bildunterschrift: Florian Rust, Vorsitzender der JA Bielefeld, bei "Bielefeld steht auf" am 24.09.2021 neben der Haverbeck-Unterstützerin.

Bildunterschrift: 10.05.2018: erster Haverbeck-Aufmarsch in Bielefeld.

Bildunterschrift: 24.09.2021: Florian Rust und die Haverbeck-Unterstützerin bei "Bielefeld steht auf".

Bildunterschrift: Tim Marvin Braungart (JA Bielefeld) bei "Bielefeld steht auf" am 24.09.2021.

Bildunterschrift: Florian Schürfeld, Normannia Nibelungen und Identitäre Bewegung bei "Bielefeld steht auf" am 24.09.2021.

Bildunterschrift: Rechts: Homophobe Propaganda bei "Bielefeld steht auf".

Bildunterschrift: Links: die Organisatorin der wöchentlichen Mahnwachen Claudia Elbracht teilt Werbung für die verbotene Reichsbürger-Gruppe "Geeinte deutsche Völker und Stämme" bei "Bielefeld steht auf".

Bildunterschrift: Neonazi Lennard Sanner schreibt bei "Bielefeld steht auf".

Bildunterschrift: "Bielefeld steht auf"-Mitglied Marcus Rupprecht.

Bildunterschrift: Sanner bei den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz, September 2018.

Bildunterschrift: "Bielefeld steht auf"-Mitglied posiert mit Waffe.

Bildunterschrift: Kriegel (Mitte rechts) am 03.12.2021 bei "Bielefeld steht auf".

Bildunterschrift: Kriegel beim Neonazi-Aufmarsch vom III. Weg am 03.10.2020 in Berlin.

Bildunterschrift: Über den Telegram-Kanal "Team Heimat" mit über 35.000 Abonnentinnen, Abonennten wurde der NW-Artikel bundesweit zur Werbung genutzt.

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Für den 7. Januar 2022 mobilisieren die rechtsoffenen, verschwörungsideologischen Corona-Leugnenden - von "Bielefeld steht auf!" - zu einer abermaligen Demonstration - "Für ein Ende der Corona-Maßnahmen".

Am 17. Dezember 2021 durchbrachen in Bielefeld nach der beendeten Demonstration von "Bielefeld steht auf!" ("3G") - aus einer Menge von über 3.000 Corona-Leugnenden - zahlreiche Gruppen Polizei-Sperren.

Für den 17. Dezember 2021, um 18.00 Uhr, Kesselbrink, Bielefeld, hatten die Pandemie-Leugnenden von "Bielefeld steht auf!" eine neuerliche Demonstration "Für ein Ende der Corona-Maßnahmen" angekündigt.

Am 3. Dezember 2021 fand in Bielefeld eine Versammlung der Corona-Leugnenden von - "Bielefeld steht auf!" unter dem Motto: "Für ein Ende der Corona-Maßnahmen" - mit mehr als 1.500 Teilnehmenden statt.

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