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Lippische Landes-Zeitung , 22.10.2005 :

(Bad Salzuflen) Als Hitler im Kurhaus sprach / Archivar Franz Meyer berichtete in der Reihe der stadtgeschichtlichen Vorträge über ein düsteres Kapitel

Bad Salzuflen. Die Stadt unter dem Hakenkreuz: "Auffällig war die Anpassungsfähigkeit der Spitzenfunktionäre. Der Bürgermeister, der Chef des Staatsbades, der Sparkassendirektor, der Leiter der Stadtwerke - alle blieben unter den Nazis in Amt und Würden", sagt Stadtarchivar Franz Meyer.

In der Reihe der Vorträge zur Bad Salzufler Stadtgeschichte schilderte er jetzt in der Gelben Schule vor 60 interessierten Zuhörern die Geschehnisse im so genannten "Dritten Reich". Bei der Landtagswahl vom 15. Januar 1933 rückte Lippe laut Meyer reichsweit für einige Wochen in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses.

Bad Salzuflen war Schauplatz von zwei der 37 Großkundgebungen: Am 4. Januar sprach der spätere Propaganda-Minister Dr. Joseph Goebbels vor über 4.000 Zuhörern in der Wandelhalle des Staatsbades. Er betonte in seiner Rede den hohen Stellenwert der Wahl und beendete seinen Vortrag "unter jubelndem Beifall" mit den wie eine drohende Prophezeiung wirkenden Worten: "Wenn wir die Macht bekommen, dann kommt mit uns das Volk. Solange man uns die Macht nicht gibt, werden wir das herrschende System unaufhörlich angreifen, bis wir dann am Ende siegen und triumphieren werden. Es kommt die Stunde, da wird ganz Deutschland unter unseren Fahnen stehen. Ihr wollt es nicht glauben, wir werden es Euch beweisen!"

Begleitet von einem "Störmanöver" der Bad Salzufler KPD - die Kommunisten waren am 10. Januar in der Stadtverordnetenversammlung mit dem Antrag gescheitert, Hitler ein Redeverbot zu erteilen - fand am 14. Januar in der Badestadt die Abschlusskundgebung der NSDAP statt. Es war laut Meyer die weitaus größte Veranstaltung des gesamten Wahlkampfes. Rund 15.000 Männer und Frauen kamen zusammen, um vor allem Adolf Hitler zu hören und zu sehen. Die Räume des Salzufler Kurhauses, der Terrassen, der Wandelhalle reichten nicht aus, um die aus allen Himmelsrichtungen herbeiströmenden Besucher aufzunehmen. Hitler zeigte sich in seiner mit "tosenden Heilrufen" bedachten Rede siegessicher und verkündete lautstark, er werde alsbald die nationalsozialistische Bewegung zum Erfolg führen. Am späten Abend des 15. Januar stand schließlich fest, dass die Nationalsozialisten die Wahl eindeutig für sich entschieden hatten. 39.064 Wähler bescherten der Hitler-Partei einen Stimmenanteil von 39,5 Prozent.

In den Mittagsstunden des 30. Januar 1933 übergab der Reichspräsident Hindenburg dem Weltkriegsgefreiten Adolf Hitler "die Amtsgewalt des deutschen Reichskanzlers". Auch in Bad Salzuflen versetzte die "Machtergreifung" die Anhänger der NSDAP in eine euphorische Stimmung. In der Badestadt fand ein Fackelzug der NS-Anhänger am Abend des 2. Februar statt. SA- und SS-Formationen sammelten sich vor dem Rathaus der Badestadt und zogen von dort aus bis nach Schötmar, wo sich der Zug vor der Gaststätte "Tivoli", dem Stammlokal der dortigen NSDAP-Ortsgruppe, auflöste.

Wenige Tage zuvor, am 21. März, fand in der Potsdamer Garnisonskirche in Anwesenheit von Hitler und von Hindenburg ein feierlicher Staatsakt zur Eröffnung des neuen Reichstages statt. Im ganzen Reich wurde der "Tag von Potsdam" von Massenkundgebungen und Feiern begleitet, die von der jetzt angebrochenen "Zeitenwende" künden sollten.

Auf dem Salzhof formierte sich am Abend dieses Tages ein Fackelzug, "an dem diesmal alles teilnimmt, was Beine hat. Alle vaterländischen Vereine und Verbände sind vertreten, die freiwillige Sanitätskolonne, der Männergesangverein, die christlichen Jugendgruppen, und auch die Lehrer und Schüler der Städtischen Realschule sieht man um ihr Banner geschart", zitiert Franz Meyer aus historischen Quellen.

Die Menge zog zum Rathaus, von dessen Treppe herab der damalige Bürgermeister Hans Breimann "inmitten der um ihn sich gruppierenden Fahnen eine zündende, patriotische Ansprache" hielt. Das seit 1928 amtierende Stadtoberhaupt handelte laut Meyer fraglos ganz im Sinne der neuen Machthaber, als es seine Zuhörer dazu aufforderte, "jetzt einig zusammenzustehen und mitzuhelfen an dem Wiederaufstieg des neuen Reiches". Jeder müsse sich, so Breimann, von nun an treu hinter den Führer stellen. Vertreter der Stadtverordnetenversammlung legten ein symbolisches Bekenntnis zum Führer ab, indem sie einstimmig den Beschluss fassten, Reichskanzler Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg zu Ehrenbürgern zu ernennen. Ihre Porträts wurden später im Ratssaal aufgehängt. Von Hindenburg erklärte am 7. Juni 1933, Hitler am 30. August 1933 die Annahme der Ehrenbürgerschaft.

Was den nationalsozialistischen Terror angeht, waren die Bad Salzufler laut Meyer sehr früh mit von der Partie. In der Kurstadt, wo es bereits seit 1930 wiederholt zu antisemitischen Hetzkampagnen gekommen sei, fand am 20. März durch ein 30 Mann starkes SA-Kommando in den Geschäfts- und Lagerräumen der Firma "S. Obermeyer" in der Lange Straße 39 und 41 eine "Aufsehen erregende Hausdurchsuchung" statt. Man beschlagnahmte unter anderem 13 Gewehre. Hierbei handelte es sich, wie sich bald herausstellte, allerdings um die stadtbekannten Waffenattrappen, die die Firma Obermeyer jeweils zu den Schützenfesten an die Schützen verlieh ...

Der nächste Vortrag in der Reihe "Stadtgeschichte Bad Salzuflen" findet Dienstag, 8. November, um 19.30 Uhr, in der Gelben Schule, Martin-Luther-Straße 2, im Großen Saal statt: Historiker Roland Linde spricht über "Reformation und Renaissance".

22./23.10.2005
Salzuflen@lz-online.de

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