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Der Patriot – Lippstädter Zeitung , 19.09.2006 :

Der Leser hat das Wort: "Ein Verlust für unser Land" / Bezug: Artikel "Mein Zuhause ist doch hier in Lippstadt" vom 14. September

Mit Unverständnis und Fassungslosigkeit haben wir den Zeitungsbericht über die Ausweisung und deren Modalitäten der Familie Zeneli verfolgt. Als langjährige Lehrerinnen von vier Kindern der Familie möchten wir unsere Sichtweise des Falles schildern bzw. zu einigen Fragen hinsichtlich der Ausländerpolitik anregen.

Die Familie Zeneli flüchtete 1999 kriegsbedingt aus dem Kosovo. Albulena, die heute 14-jährige Tochter, war bereits nach einem Jahr schulischen Sprachunterrichts in der Lage, ihre traumatischen Erlebnisse (Ermordung der Großeltern, Abbrennen des Hauses, Flucht und tagelanges Leben mit Geschwistern und der hochschwangeren Mutter im Wald, danach in einem Zwischenlager in Italien bis zum Asylwohnheim in Lippstadt) zu schildern. Alle uns bekannten und vertrauten vier Töchter der Familie (Gentiana, Albulena, Dorentina und Donica) sind hochmotiviert und mit guten bis sehr guten Leistungen zur Schule gegangen. Uns bekannt ist der Wunsch Albulenas, zu studieren und Ärztin zu werden, welches bei ihrem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland durchaus realistisch gewesen wäre. Da sie Albanisch weder lesen noch schreiben kann, wird sie voraussichtlich mit ihren 14 Jahren nun in die 5. Klasse eingeschult.

Alle Kinder der Familie mussten ihren Freundes- und Bekanntenkreis in einer buchstäblichen "Nacht- und Nebelaktion" verlassen. Wir Lehrerinnen (und ebenso die Klassenkameraden) wussten nichts von der Abschiebung und konnten somit keinen Abschied nehmen. Die Kinder der Familie fühlten sich als Deutsche, sprachen sehr gut Deutsch und hatten den sehnlichen Wunsch, in Lippstadt bleiben zu dürfen.

Es steht uns nicht zu, hiermit an der Abschiebung beteiligte Einzelpersonen zu verurteilen, die ja auch nur Rädchen im Getriebe einer sinnlosen und menschenfeindlichen Rechtsordnung, die ohne Rücksicht auf Lebensläufe und Lebenssituationen handelt, sind. Zu fragen ist, inwieweit dieses Recht mit der "Erklärung der Rechte des Kindes", angenommen durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1959, vereinbar ist. Der Artikel 2 lautet: "Das Kind soll besonderen Schutz genießen und soll durch das Gesetz oder auf andere Weise Chancen und Mittel erhalten, sich physisch, geistig, moralisch, seelisch und gesellschaftlich auf eine gesunde und normale Weise und unter den Bedingungen von Freiheit und Würde entwickeln zu können. Beim Erlass von Gesetzen zu diesem Zweck sollen Überlegungen im Interesse des Kindes an erster Stelle stehen."

Was wird aus einem Staat, der vielversprechende junge Menschen ausweist und sich, wie in diesem Fall, angesichts der immer wieder beklagten Rückläufigkeit von Geburtenraten und mangelndem Nachwuchs an guten Fachkräften Eigentore schießt?

Nachtrag: Herr Zeneli ging seit Jahren einer legalen Arbeit nach, die Familie war somit kein Sozialfall!

Susanne Häussler, Anne Kämper, Marietta Motter, Susanne Rieber
Lippstadt
(ehemalige Lehrerinnen der Zeneli-Kinder)


Redaktion@DerPatriot.de

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