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Herforder Kreisblatt / Westfalen-Blatt , 02.02.2013 :

Zemaitis in der SPD / Ratsfrau wechselt

Herford (pjs). Fünf Monate nach ihrem Parteiaustritt bei den Linken ist Ratsfrau Erika Zemaitis zum Stichtag 1. Februar in die SPD eingetreten. Die Kommunalpolitikerin informierte am Freitag über ihren Entschluss, "mit den Herforder Sozialdemokraten gemeinsam für eine soziale Stadt zu kämpfen". Die 58-jährige Schneiderin erklärte weiter: "Als fraktionsloses Einzelmitglied im Stadtrat wird man zwar umworben und ist gegebenenfalls das Zünglein an der Waage. Aber die politische Arbeit lässt sich im Team effektiver und angenehmer gestalten." Daher habe sie in den vergangenen Monaten die politischen Aussagen der Ratskolleginnen und -kollegen mit ihrer Gesinnung verglichen und sei zu dem Ergebnis gekommen, "dass die SPD-Politik mir sehr nah steht".

In vielen Themen, die ihr besonders wichtig seien, wie beispielsweise im Erziehungs- und Betreuungsbereich, in der Integrations- und Inklusionspolitik, aber auch in der Stadtentwicklung und in der Frauenpolitik habe sie in der SPD Mitstreiter für gemeinsame Ziele gefunden. In den vergangenen Wochen habe sie bereits einige Fraktionssitzungen als Gast begleitet und freue sich nun darauf, neue kommunalpolitische Wege zu gehen.

Auf die Mehrheitsverhältnisse im Herforder Rat hat der Wechsel keine Auswirkungen. Das bürgerliche Lager aus CDU (17 Sitze), FDP (4), Bürgern für Herford (1) und Liste 2004 (1) bleibt unverändert mehrheitsfähig. Die SPD hat künftig 16 statt bisher 15 Mandate.

Bildunterschrift: Erika Zemaitis.

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Vlothoer Anzeiger, 11.08.2012:

"Die Linke ist die Geschichte der Spaltung" / Warum die Ratsfrau Erika Zemaitis die Partei verlassen hat

Von Hartmut Brandtmann

Herford (nw). "Ich bekam zu wenig Unterstützung vorher, und musste mir harsche Kritik anhören nachher." Das ist einer der Gründe, warum Erika Zemaitis aus der Partei Die Linke ausgetreten ist. Die "schlechte Menschenführung" der Bundestagsabgeordneten Inge Höger habe sie ebenfalls in ihrem Beschluss bestärkt. "Die Geschichte der Linken ist die Geschichte der Spaltung", sagt die 57-Jährige, die eine radikal linke Vergangenheit hat.

Ihr älterer Bruder Wolfgang hat sie früh politisiert. Sie wurde zur Sympathisantin der KPD/ML, interessierte sich für den Aufbau des Sozialismus in Albanien, las den "Roten Morgen" und die Mao-Bibel, damit sie mit ihrem Vater besser diskutieren konnte. Sie lernte von Sartre und Simone de Beauvoir und betrieb Salonpolitik in kleinen Zirkeln.

Beruflich ging Erika Zemaitis den zweiten Bildungsweg bis zur Entwurfsdirectrice in der Bekleidungsindustrie. Dann wurde ihr Leben "wechselvoll mit einem Fall down, auch gesundheitlich". Die Schneiderin lebt, wie sie sagt, nun als Minijobberin im Prekariat mit allen Facetten.

Ende der 1980er Jahre, als sie sie in die Metallbranche wechselte und gut verdiente, gehörte sie zu den Mitbegründerinnen der Frauenradios "Cassandra". Der Name war ihre Idee.

Über Ella Kraft aus der Frauenbewegung lernte sie Inge Höger kennen, "damals eine spannende Frau". Und weil die Zeit reif war, eine (real-)politische Heimat zu finden, schloss sie sich Wahlalternative "Arbeit und Soziale Gerechtigkeit" (WASG) an. Vor allem wollte sie Frauen aus den Prekariat helfen und sie politisieren. Die Probleme der Zuwanderer war ebenso ihr Thema wie die Demokratisierung der Wirtschaft. "Schließlich hatte ich acht Jahre lang darin meine Erfahrungen gemacht."

2007 fusionierte die WASG mit der PDS zur Partei Die Linke. In der Gründungszeit des Kreis- und des Stadtverbandes Herford-Hiddenhausen habe es noch eine demokratische Streitkultur gegeben. Als Delegierte für den Landesparteitag erlebte sie, wie kontrovers aber respektvoll diskutiert wurde. Doch die Listenplätze seien in Zirkeln ausgeklüngelt worden - "von wegen demokratisch".

Und mit dem Einzug in die Parlamente habe sich die Partei vor allem mit sich selbst und vehement mit der Feststellung beschäftigt, wer die besseren Linken seien. Der Listenplatz 2 brachte Erika Zemaitis 2009 in den Stadtrat. Doch auch auf kommunaler Ebene sei es allmählich ungemütlicher geworden. Mit Bernd Reitmeier konnte sie eine Fraktion bilden, bis Reitmeier die Partei verließ und zum fraktionslosen Abgeordneten wurde. "Keine Fraktion mehr und kein Geld für sachkundige Bürger. Das hieß: Ich musste alles alleine machen."

Die größte Unterstützung habe sie vom damaligen Kreistagsabgeordneten Thomas Besler bekommen - der zur SPD wechselte. Im Juli 2010 geriet Erika Zemaitis ins Kreuzfeuer der Kritik. Als Einzige hatte sie dagegen gestimmt, dass die Stadt Mehrkosten für die neue Synagoge übernimmt. "Ich hatte die Forderung zu sparen ernst genommen", sagt sie heute.

Auch ihr Mandat nimmt sie weiterhin ernst: "Es ist kein Verrat, die Partei zu verlassen und das Mandat mitzunehmen, wenn anders die Ziele, für die man angetreten ist, nicht zu erreichen sind." Mit "meiner Radikalität" will sie konstruktiv weiterarbeiten, auch und vor allem mit Bernd Reitmeier. Überparteiliche Zusammenarbeit bietet sie ebenfalls an. Als Einzelkämpferin sieht sie sich nicht chancenlos: "Ich kann das Zünglein an der Waage sein."

02./03.02.2013
herford@westfalen-blatt.de

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