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Lippische Landes-Zeitung , 21.02.2014 :

Die Bilder der Zerstörung sind noch präsent / Zeitzeugen erinnern sich an die Bombenangriffe auf Lage vor 69 Jahren

Von Wolfgang Becker

Berlin am 3. März 1945, Dresden am 13. und 14. Februar, aber auch das kleine Lage blieb nicht verschont. Heute und morgen vor 69 Jahren fielen Bomben auf die Stadt, mehr als 60 Menschen starben.

Lage. Bis heute sind diese Kriegsereignisse unauslöschlich ins Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt, so furchtbar waren die Bilder, die sich ihnen damals boten. Christa Linnemann war zehn und sie erinnert sich noch genau an viele Einzelheiten. Der Tag war wunderschön, ein blauer Himmel spannte sich über der Zuckerstadt. Doch er verhieß keine Vorahnung auf den nahen Frühling, sondern Tod und Verderben. "Auf dem Balkon des Hauses gegenüber standen drei Mädchen. Am Himmel sahen wir die Flieger, die Bomben klein wie Bonbons abwarfen. Und dann - Volltreffer. Wir sahen, wie die Mädchen über das ganze Viertel geflogen sind", so die Zeitzeugin.

Sie und ihre Mutter blieben bei dem ersten Luftangriff alliierter Bomber unverletzt. Nachbarn und Freunde kamen in den Trümmern ihrer Häuser um. Am nächsten Tag begann das Sterben um 9 Uhr morgens. Obwohl Alarm gegeben wurde, glaubten viele nicht an eine erneute Bombardierung des Areals rund um den strategisch wichtigen Bahnhof. Ein fataler Irrtum, den vielen Menschen mit dem Leben bezahlten. Große Teile des Stadtzentrums Lages lagen in Schutt und Asche. Noch heute, 69 Jahre später, kommen Christa Linnemann die Tränen, wenn sie zurück denkt. "Die Schreie der Verwundeten, die in Bollerwagen in Richtung Krankenhaus gekarrt wurden, die Toten, die mitten auf der Straße lagen - all diese Bilder haben mich bis heute nicht verlassen", sagt die Lagenserin.

Auch Gustav-Adolf Bauerfrohn lebte damals als achtjähriges Kind in der Zieglerstadt. Als Münster das Ziel schwerster Bombenangriff wurde, schickte ihn die Eltern nach Lage zur Großmutter. "Sie glaubten mich hier, auf dem Lande, in Sicherheit", so der heute 78-Jährige. Mit 60 anderen Kindern besuchte er die dritte Klasse der Bürgerschule am Sedanplatz. "Wenn Alarm gegeben wurde, konnten diejenigen, die in der Nachbarschaft wohnten, nach Hause", so der Diplom-Ingenieur. Am 21. Februar 1945 sah er Bomber, "amerikanische Marauder". Dass es sich um Flugzeuge dieses Typs handelte, entnahm er einem Faltblatt. Bis zur Hermannstraße schaffte es der Junge noch. Gerade im Keller angekommen, erlebte er eine Detonation nach der anderen. "Das Bombardement dauerte über eine Viertelstunde. Die Wände wackelten, Putz bröckelte herab", sagt er. Die Hagensche Straße war getroffen, die Hindenburgstraße, und auch der Friedhof an der Pottenhauser Straße war nicht verschont geblieben. "Dann war Stille. Aber nur kurz. Überall hörte man die Schreie von den Verwundeten. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Tote."

Vier Wochen nach Kriegsende holte der Vater Gustav-Adolf Bauerfrohn ab - mit dem Auto. Nach Lage kehrte er 1953 zurück. Später legte er am Technikum sein Examen als Elektro-Ingenieur ab. "Ich habe überlebt in Lage. Ein riesengroßes Glück", sagt er.

Lage im Fadenkreuz

Alliierte Bomberverbände begannen ab Februar 1945 mit verstärkten Luftangriffen zur Eroberung des Ruhrgebiets und nutzten ihre seit März 1944 bestehende Luftüberlegenheit, um hauptsächlich deutsche Militär-, Verkehrs- und Produktionsstätten sowie deutsche Städte zu bombardieren. Im Januar 1945 errechnete der britische Geheimdienst, dass die Wehrmacht bis zu 42 Divisionen an die Ostfront verlegen könnte. Nun wurden die Angriffspläne für die Royal Air Force und die United States Army Air Forces modifiziert. Auf der Konferenz von Jalta vom 4. bis 11. Februar 1945 drängte die Sowjetunion die westlichen Alliierten dazu, wichtige Verkehrsknotenpunkte zu bombardieren, um weitere deutsche Truppentransporte an die Ostfront zu verhindern. Auch Lage geriet ins Fadenkreuz der Angriffe.

Bildunterschrift: Trümmerwüste: Die zweite Welle der Bomber richtete rund um den Bahnhof große Schäden an. Hier ist die Von-Cölln-Straße / Ecke Schulstraße mit Blick in Richtung Sedanplatz zu sehen.

Bildunterschrift: Gedenktafel am Bahnhof: Christa Linnemann findet die Namen etlicher Bekannter, die damals starben.

Bildunterschrift: Als Achtjähriger in Lage: Gustav-Adolf Bauerfrohn aus Münster.


lage@lz-online.de

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