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Schlänger Zeitung / Westfalen-Blatt , 19.02.2011 :

"Eingesperrt wie die Ratten" / Ehemalige Inhaftierte des Kinderverwahrlagers Litzmannstadt berichtet über Nazi-Gräuel

Detmold (SZ). "Ich habe die Universität des Lebens kennen gelernt", sagt Genowefa Kowalczuk. Damit meint sie die dreijährige Hölle des Kinderverwahrlagers Litzmannstadt. Mit 13 Jahren und der Nummer 28 gehörte sie zu den ersten Kindern, die 1942 im neuen Kinderverwahrlager interniert wurden.

In einem Zeitzeugen-Gespräch mit Martin Doerry, dem stellvertretenden Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", erzählte die in Krakau lebende Polin von ihrem drei Jahre währenden Martyrium. Überwiegend Jugendliche fanden sich im Publikum der Veranstaltung unter dem Titel "Überall unf nirgendwo zu Haus" in der Geschwister-Scholl-Gesamtschule. Das Überleben im Nationalsozialismus stand dabei im Mittelpunkt.

Genowefa Kowalczuks kam nicht in das Lager, weil sie der falschen Religion angehörte. Jüdin ist sie nicht. Ihre Großeltern aber, bei denen sie lebte, waren verhaftet worden. Vermutlich weil sie jüdischen Mitbürgern geholfen hatten, sich zu verstecken. In dem für 4.000 Kinder ausgelegten Lager waren zeitweise bis zu 7.000 Kinder eingesperrt. "Eingesperrt wie die Ratten, mit mangelhafter Ernährung, ohne medizinische Versorgung und der Auflage, nicht mit den anderen Kindern zu sprechen", erzählte Genowefa Kowalczuk, die Ende Februar 83 Jahre alt wird. Schwere körperliche Arbeit gehörte zum Alltag. Die Kinder und Jugendlichen wussten nicht, warum und wie lange sie im Lager sind. Es gab kein Vertrauen untereinander, sondern ein perfides Netzwerk von Verrat und Bespitzelung.

Martin Doerry hat in den vergangenen Jahren weltweit Gespräche mit jüdischen Opfern des nationalsozialistischen Terror-Regimes geführt und in dem gleichnamigen Buch und einer Ausstellung dokumentiert. Zu Beginn der Veranstaltung berichtete der promovierte Historiker Martin Doerry von der Entstehung des Buches. Die Ausstellung mit Fotos von Monika Zucht hängt bereits seit Mitte Dezember in der Aula der Geschwister-Scholl-Gesamtschule und ist dort noch bis Ende Februar zu sehen.

Bildunterschrift: Überwiegend Jugendliche verfolgten das Gespräch zwischen Martin Doerry und Genowefa Kowalczuk (Mitte). Marianne Drechsel-Gillner begleitete die polnische Zeitzeugin als Dolmetscherin.

19./20.02.2011
schlangen@westfalen-blatt.de

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