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Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 12.05.2009 :

"Eine Schmierenkomödie in fünf Akten"

Unter der Überschrift "Wir wollen keinen Vergessen" berichtete die NW zuletzt am 29. April 2009 über die Kontroverse in Jöllenbeck über das Mahnmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges. Der folgende Leserbrief stammt von den Sprechern der Initiative für den Erhalt des Mahnmals. Für sie sind die Vorgänge in Jöllenbeck "eine Schmierenkomödie in fünf Akten" unter der Überschrift "Da raubten sie den Tempel aus ... ":

Erster Akt: 1954 schuf Edelgarde vom Berge und Herrendorf die Innenausstattung der Jöllenbecker Marienkirche als Gesamtkunstwerk. Darunter Gedenktafeln mit Namen und Schicksal der Opfer von Krieg, Gewalt und – in ganz Westfalen wohl singulär – auch von Flucht und Vertreibung. Bislang ist es niemandem eingefallen, die künstlerische Gestaltung und den moralischen Wert dieser Gedächtnistafeln in Zweifel zu ziehen.

Zweiter Akt: Für manche, insbesondere für friedensbewegte Pfarrer scheinen Gedenktafeln in der Kirche ein Dorn im Auge zu sein. Die Kirchenrenovierung von 1998 bis 2004 diente als Vorwand, die Tafeln mit autokratischer Selbstherrlichkeit in der Versenkung verschwinden zu lassen. Den Gemeindegliedern wurde mit treuherzigem Lügen ("Die Gedenktafeln kommen wieder an ihren Platz") Sand in die Augen gestreut. Denn was das Presbyterium heute nach Ablauf von fünf Jahren (!) als angebliche Falschmeldung der Presse dementiert, ist seinerzeit eben nicht klargestellt worden und sollte es wohl auch nicht.

Dritter Akt: Zur größten Überraschung der Kirchenfürsten und ihrer allzu willfährigen Presbyter regte sich Widerstand. Unterschriften wurden gesammelt. Statt ihr Versprechen nun endlich zu halten, beschloss das Presbyterium die Verbannung der Gedenktafeln in die schwer zugängliche Abstellkammer des Kirchturms. Dreist und wahrheitswidrig behauptete man in der Presse, diese Lösung berücksichtige alle Interessengruppen.

Vierter Akt: An ihr gegebenes Wort wollten sich Presbyterium und Pfarrer nicht erinnern lassen. Man ereiferte sich über die Ungehörigkeit der Gemeinde, die Dinge beim Namen zu nennen, und spielte die beleidigte Leberwurst, um konstruktive Gespräche verweigern zu können. Am 6. April brüskierte man eine Gemeinde-Initiative zum Erhalt der Gedenktafeln durch weitgehendes Nichterscheinen. Den Angehörigen bzw. Nachkommen von Kriegsopfern und Heimatvertriebenen gegenüber demonstrierte man Betroffenheit, ohne sie zu empfinden.

Fünfter Akt: Das Ausbooten der Gemeinde-Initiative wird pseudodemokratisch verbrämt. Scheinheilig bittet man die Gemeinde am 28. April um Lösungsmöglichkeiten. Die naheliegendste Alternative, die Gedenktafeln wieder an ihren angestammten Platz zu bringen, steht erst gar nicht zur Abstimmung. Ein solches Demokratieverständnis erinnert an SED-Verhältnisse. Dass die eigentliche Abstimmung mit den Füßen erfolgt, dass bereits jetzt Gemeindeglieder ausgetreten sind und sich zahlreiche Ehrenamtliche von ihrer Kirchengemeinde abgewandt haben, tangiert die Selbstherrlichkeit und Dickfelligkeit dieser Kirchenfürsten nicht. Die Pflege ideologischer Selbstgenügsamkeit ist allemal wichtiger als die Belange der ihnen anvertrauten Gemeindeglieder. Und genau dieses Kriechen vor dem Zeitgeist ist nach der Schrift nichts anderes als die Fortsetzung des obigen Titelzitates.

Für die Initiative:

Rolf Oberwittler
Günter Tiemann
Adolf Stückemann
Günter Stückemann

Bielefeld


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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