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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt , 05.03.2008 :

"Eine Verbindung mit dem Tod" / Stanislaw Hantz spricht in Ehrenberg-Schule über Zeit im KZ Auschwitz

Von Stefan Biestmann (Text und Foto)

Sennestadt (WB). An den 15. August 1940 denkt Stanislaw Hantz noch heute mit Schrecken zurück: An diesem Tag betrat der damals 17-Jährige als Häftling Nummer 2049 das Konzentrationslager Auschwitz. Gestern blickte Hantz an der Sennestädter Hans-Ehrenberg-Schule auf seine Haftzeit zurück.

250 Gymnasiasten der Klassen neun und zehn lauschten in der Schulaula gespannt dem Vortrag des 1923 in Wladiwostok geborenen Mannes. "Zunächst war Auschwitz ein unbekanntes Städtchen", sagte Hantz. "Aber bald war den Menschen klar, dass Auschwitz die Verbindung mit dem Tod bedeutete." Die Wehrmacht und die Schutzstaffel (SS) hatten Hantz und andere junge Männer in Warschau zusammengetrieben, um sie nach Auschwitz zu transportieren. "Dort wurde dann zur Begrüßung mit Knüppeln auf uns eingeschlagen."

Mit bewegter Stimme schilderte Hantz grausame Erlebnisse seiner Haftzeit. So zwang ein SS-Hauptscharführer ihn mit vorgehaltener Pistole, einen lebendigen Frosch zu essen. "Sie haben mir gesagt: Jetzt bekommst du die Fleischzulage." Der Häftling verspeiste das Tier - und musste danach einen Topf mit Terpentin austrinken. "Dann habe ich gemerkt, dass mit meinem Magen etwas nicht in Ordnung ist." Hantz musste sich übergeben.

Den Großteil seiner Haftzeit verbrachte Hantz als Mitglied des Zimmerei-Kommandos. Er musste beim Bau neuer Baracken im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mithelfen. Die entstandenen Unterkünfte glichen laut Hantz "Pferdestall-Baracken". "Die Blöcke hatten keine Fenster, keine Toilette und keinen Waschraum", berichtete Hantz. "Wo normalerweise Platz für 52 Pferde war, wurden nun bis zu 1.000 Häftlinge untergebracht."

Lehrer Rainer Froböse war beeindruckt vom Auftritt des Auschwitz-Überlebenden. "Man merkt, dass alles sehr authentisch ist, was er erzählt." Unter Froböses Federführung hatte das evangelische Gymnasium mit der Bielefelder "Initiative gegen Ausgrenzung" den Besuch von Hantz und Ehefrau Regina (80) initiiert. Mit dieser und weiteren Veranstaltungen will die Schule an den 50. Todestag ihres Namensgebers Hans Ehrenberg (1883 bis 1958) erinnern. Der Theologe gehörte zu den Mitbegründern der Bekennenden Kirche - einer Widerstandsgruppe während der NS-Zeit.

Bereits am Montagabend gastierte Hantz vor 150 Zuhörern im Murnau-Saal der Ravensberger Spinnerei. Zuvor hatte er sich die Ausstellung "Größte Härte" in der Volkshochschule angeschaut.

Zur Person

Stanislaw Hantz hat während seiner Haftzeit von 1940 an die Entwicklung des Konzentrationslagers (KZ) Auschwitz am eigenen Leib miterlebt. Der 1923 in der russischen Hafenmetropole Wladiwostok geborene Mann war als Zwangsarbeiter Mitglied eines Zimmerei-Kommandos. 1944 verlegte die SS das Kommando nach Westen, zunächst nach Groß Rosen, dann nach Hersbruck bei Nürnberg. Ein Jahr später trat Hantz dann mit anderen Häftlingen den "Todesmarsch" ins KZ Dachau an. Amerikanische Soldaten befreiten das Lager wenige Tage nach der Ankunft von Hantz. Nach dem früheren Zwangsarbeiter ist heute ein Bildungswerk mit Sitz in Kassel benannt. Seit 1997 begleitet Hantz regelmäßig Reisegruppen ins KZ Auschwitz.

Bildunterschrift: Einen bleibenden Eindruck hinterließ Stanislaw Hantz an der SennstädterHans-Ehrenberg-Schule. Zu den Zuhörern bei seinem Vortrag gehörten neben seiner Ehefrau Regina (von links) auch die Schülerinnen Elena Dula und Laura Wagener. Im 1998 erschienenen Buch "Zitronen aus Kanada" schilderte Karin Graf die Auschwitz-Zeit von Hantz. 250 Gymnasiasten lauschten dem Vortrag.


bielefeld@westfalen-blatt.de

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