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Neue Westfälische - Bünder Tageblatt , 15.03.2018 :

"Eine ruhige, vornehme Wohnstraße"

NS-Straßenbenennungen (3): Sein anfänglicher Erfolg als Feldherr machte Paul von Hindenburg während des Ersten Weltkriegs berühmt / Später berief er Adolf Hitler zum Reichskanzler, der wiederum zu Hindenburgs Popularität beitrug

Von Jörg Militzer

Bünde. Wie wir bereits in unserer vergangenen Folge dieser Serie zu den "NS-Straßennamen" erläuterten, sind zum Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April 1933 gleich mehrere Verkehrswege in Bünde umbenannt worden. "Während eine Straße des lebhaften Verkehrs und des starken geschäftlichen Lebens ... " von den Stadtverordneten als "Bekenntnis unserer Bürgerschaft zu der deutschen Erneuerung ... " Reichskanzler Hitler gewidmet wurde, bedachte man " ... zur Ehrung der ehrwürdigen Persönlichkeit des Reichspräsidenten ... " die charakterisierte Gartenstraße mit den Namen Paul von Hindenburg. Eine Benennung, die bis heute besteht.

Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg, so sein vollständiger Name, wurde am 2. Oktober 1847 als Sohn eines Offiziers auf dem elterlichen Gut in Ostpreußen geboren. Er trat in die väterlichen Fußstapfen und machte beim preußischen Militär Karriere, was ihm schließlich auch Zugang zum Umfeld des 1871 gekrönten Kaiser Wilhelm I. verschaffte. Im Range eines Generals geht er bereits 1911 (erstmals) in den Ruhestand und lässt sich in Hannover nieder, um drei Jahre später wieder im Dienst am Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Bereits vier Wochen nach Kriegsbeginn besiegten die - von Hindenburg und Ernst Ludendorff befehligten - deutschen Soldaten bei der so genannten "Schlacht von Tannenberg" die russischen Gegner, was ihnen hohes Ansehen einbrachte und schließlich den Weg bis hin zur "Obersten Heeresleitung" ebnete.

Hindenburg berief sich auf die so genannte Dolchstoßlegende

Damit war Hindenburg einer der einflussreichsten Männer im Deutschen Reich jener Tage. Obwohl nicht zuletzt auch seine militärische Rolle zum Verlust des Krieges beitrug, wies er jede Verantwortung dafür weit von sich. Erneut zog er sich nach dem Versailler Vertrag, dem völkerrechtlichen Ende des Ersten Weltkrieges, 1919 aufs Hannoveraner Altenteil zurück.

Vor einem durch die "Weimarer Nationalversammlung", dem ersten demokratischen Parlament Deutschlands, eingesetzten Untersuchungsausschuss berief auch er sich auf die so genannte "Dolchstoßlegende", einer mutmaßlichen Verschwörung demokratischer Politiker und des "Weltjudentums", die schließlich zum Scheitern des "im Felde unbesiegten" Militärs und zwangsläufig zur Niederlage Deutschlands habe führen müssen.

Diese gewissermaßen selbst erteilte Absolution in Kombination mit der ungebrochenen Popularität des "Helden von Tannenberg" machte den ehemaligen Generalfeldmarschall zur Galionsfigur konservativer, national und monarchistisch orientierter Kreise, die ihn schon 1920 als Idealbesetzung für das Amt des Reichspräsidenten handelten. Aber erst 1925 ließ sich der Pensionär für diese Aufgabe "begeistern", die er dann bis zu seinem Lebensende innehaben sollte.

In dieser Funktion berief Hindenburg auch Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. Ein Akt der lange als "Machtergreifung" in den Geschichtsbüchern beschrieben wurde. Und eben jener Reichskanzler Hitler ließ, durch das von ihm vertretene Kabinett, noch vor Hindenburgs Tod die mit seinem Ableben eintretende Zusammenlegung der Ämter des Reichspräsidenten- und -kanzlers "absegnen".

Das Hitler-Regime trug zur Popularität Hindenburgs bei

Doch auch über den Tod hinaus genoss Paul von Hindenburg eine enorme Popularität, wozu das Hitler-Regime einiges beitrug. So wurde der ehemalige Generalfeldmarschall entgegen seinem eigenen Wunsch nicht auf seinem (wieder erworbenen) Gut Neudeck, sondern im "Tannenberg-Nationaldenkmal" beigesetzt, wodurch dieses gewissermaßen zur "Wallfahrtsstätte" im NS-Staat avancierte. Es folgte eine unüberschaubare Flut von Ehrungen in Form von annähernd 4.000 Ehrenbürgerschaften. Straßen, Plätze, nicht zuletzt der "Hindenburgdamm" als "Landbrücke" zur Insel Sylt und viele andere öffentliche Einrichtungen erhielten seinen Namen. Ein Name, der wie eingangs erwähnt, auch in Bünde zu Ehren kam.

Dazu auserkoren hatte die Stadtverordnetenversammlung eine der "ersten Adressen" der Zigarrenstadt. Und eben die Zigarre war es auch, mit der zahlreiche der früheren Anwohner dieses Straßenzuges ihr Geld verdienten. Die Familien André, Lehnartz, Levison, Meier, Steinmeister und Wellensiek seien hier nur stellvertretend genannt, die zwischen Marktplatz und Sedanstraße die Gartenstraße säumten.

Obwohl zunächst - wie auch heute wieder - bis zur Südlenger Straße durchgehend, befanden die örtlichen Entscheidungsträger zum 100. Geburtstag des Bethel-Stifters Friedrich von Bodelschwingh ab dem 1. Januar 1932 den östlichen Teil des Straßenzuges in Bodelschwinghstraße umzubenennen. Unter diesem Namen blieb der Abschnitt des Straßenzuges bis in die frühen 1970er Jahre im Straßenverzeichnis der Stadt Bünde erhalten.

Da nach der Kommunalreform jedoch sowohl im Stadtteil Dünne als auch dem Innenstadtbereich eine Straße nach von Bodelschwingh benannt war, wurde die Hindenburgstraße kurzerhand über die Sedanstraße hinaus "verlängert".

Bereits Mitte der 1960er Jahre wurde auch in Bünde diskutiert, ob eine ganze Reihe von Straßen insbesondere mit Bezug zum Kaiserreich nicht umbenannt werden sollte - darunter auch die Hindenburgstraße. Doch wie in vielen anderen Städten ist der einst hochverehrte Generalfeldmarschall noch heute in Bünde als Namenspate eines Verkehrsweges präsent. Ein Umstand, der aktuell - landauf, landab - insbesondere im Hinblick auf Hindenburgs rechtsnationale Gesinnung und seine Rolle bei der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler oft kritisiert wird.

Bildunterschrift: Wo angesehene Familien lebten: Diese Ansicht verrät, warum der Straßenzug einst Gartenstraße getauft wurde. Die wohlhabenden Anlieger sorgten mit ihren parkähnlichen Grundstücken für das Renommee. Kleines Bild: Paul von Hindenburg.


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