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Schaumburger Wochenblatt , 04.07.2015 :

"Eine Mahnung gegen das Vergessen" / Kinderfriedhof wird Kriegsgräberstätte / Das Schicksal der kleinen Verstorbenen bleibt weiterhin unbekannt

Es war bislang völlig überwuchert gewesen. Nur ein Findling und eine Informationstafel an einem nahen Waldweg wiesen auf das ungewöhnliche Gräberfeld hin. Hier ist eine unbekannte Anzahl von Kindern beigesetzt worden, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach als Patienten der hannoverschen Kinderheilanstalt verstarben. Das Krankenhaus war nach dem Bombenangriff in ein Landschulheim in Nienstedt verlegt worden. Der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom vermutet über tausend Todesfälle, auch - wie Thomas Beushausen vom Vorstand der heutigen Kinderklinik "Auf der Bult" erläuterte - wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten.

Zwar sind etliche Kinder von ihren Eltern auf heimische Friedhöfe überführt worden. Doch eine größere Anzahl fand ihre letzte Ruhe auf der Ende 1944 angelegten Fläche. Bislang hat Gelderblom etwa 90 Beisetzungen dokumentieren können. Doch nur in 18 Fällen haben sich auch die Namen erhalten, weil es sich um Kinder von Fremdarbeitern vorwiegend aus Osteuropa handelte. Diese werden auf drei Stelen genannt. Dass der Friedhof bereits 1966 eingeebnet wurde, bezeichnete der Historiker als "rechtlich unzulässig", da es sich um Gräber aus Kriegsfolgen handelte. Erst 2001 gab es ein erstes Bemühen mit Findling und Informationstafel, für das sich besonders das Ehepaar Knittel als Leiter des heute der hannoverschen Leibniz-Schule gehörenden Landschulheims einsetzte. An dieser Schule widmete sich ein Kunst-Leistungskurs mit der möglichen Neugestaltung der Ruhestätte. Aus diesem ist die von Ksenia Kovelina ent­worfene Skulptur ausgewählt worden. Sie zeigt die einander zugewandten Köpfe einer Mutter und ihres Kindes.

Hans-Dieter Brand, der stellvertretende Ratsvorsitzende der Samtgemeinde Rodenberg, bezeichnete die Neubesinnung auf den Kinderfriedhof als eine "Mahnung gegen das Vergessen". Er sei froh, dass viele Beteiligte dazu beigetragen hätten, der Stätte einen würdigen Rahmen zu geben. Der Bezirksvorsitzende des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Karl-Heinz Mönkemeyer, forderte, "sich auch 70 Jahre nach Kriegsende weiterhin mit dem damaligen Geschehen auseinander zu setzen".

Unter den Gästen befand sich auch die pensionierte Lehrerin Hilde Göhrs, die 1951 mit Schülern den kleinen Friedhof gepflegt und den damaligen Zustand mit Fotos dokumentiert hatte. Diese Bilder sind auch auf einer neu gestalteten Informationstafel zu sehen, die auf die historischen Zusammenhänge eingeht. Das eigentliche Friedhofsgelände ist eingezäunt. In dessen Mitte befindet sich das schlichte weiße Holzkreuz, das hier bereits seit Jahren als letztes verbliebenes Mahnmal zu sehen war. Die neue Skulptur ruht auf einem großen Findling, in deren Nähe sich die Stelen mit den 18 Kindernamen befinden. Für die Pflege der Anlage ist künftig das Friedhofsamt der Samtgemeinde Rodenberg zuständig. Finanzielle Hilfe leisten das Land Niedersachsen und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.


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