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Zeitung für den Altkreis Lübbecke / Neue Westfälische , 14.04.2010 :

"Eine mahnende Erinnerung" / Hans-Joachim Marten veröffentlicht Aufzeichnungen seiner Großmutter

Von Hans Kracht

Espelkamp. Über 65 Jahre ist es her, da wurden Millionen Menschen aus ihrer deutschen Heimat vertrieben. Sie flohen aus Pommern, Nieder- und Oberschlesien, Ost- und Westpreußen, Siebenbürgen und dem Sudetenland. Martha Marten gehörte dazu. Sie lebte damals in Mellentin, einem Dorf in Pommern. Und sie kam nach Espelkamp, wo sie das Drama ihrer Flucht in bewegenden Worten aufschrieb.

Hans-Joachim Marten ist es ein Herzensanliegen, die Aufzeichnungen seiner Großmutter unter dem Titel "Vertreibung aus der Heimat" allen zeitgeschichtlich interessierten Menschen zugänglich zu machen. Er tut das auf seiner Homepage (www.hama22.de), auf der er auch über sein Hobby Kartenmodellbau informiert.

Für den Espelkamper sind die Aufzeichnungen seiner verstorbenen Oma über die Flucht 1945 "der Bericht einer Frau, die in dieser schwierigen Lage durch ihr beherztes Handeln entscheidend zum Überleben der Flüchtlinge beitrug".

Alles begann damit, als das etwa 80 Kilometer südlich von Stettin zwischen Stargard und Pyritz gelegene Dorf Mellentin am 30. Januar 1945 von der Front überrollt wurde. Eine Flucht vor den russischen Soldaten war für die Dorfbewohner nicht möglich; vertrieben wurden sie kurz darauf von Polen.

Neun Menschen machten sich auf den langen Weg gen Westen. Dabei war auch Hans-Joachims Mutter Magarete Marten mit drei Mädchen zwischen zwei und fünf Jahren, Gisela, Gerda und Brigitte, ferner ihr Mann Walter und die Schwiegertochter Gertrud mit ihrem sieben Tage alten Baby und Ehemann Herbert, der verwundet war.

"Krankheit und Tod bedrohten jeden, vor allem die Kinder", schreibt Hans-Joachim Marten in seinem Vorwort zum Bericht. "Die Not, die Ungewissheit, was der morgige Tag bringt, lässt sich nur erahnen. Der aufmerksame Leser jedoch spürt das Unausgesprochene, das Unsichtbare, das zwischen den Zeilen geschrieben steht: die Angst, der Hunger, die ständige Gefahr."

Die Flucht endete in Espelkamp, wo ein Neuanfang gemacht werden konnte.

Der einzige heute noch lebende Mensch, der wissentlich diesen Treck mit dem gerade sieben Tage alten Baby mitmachte, ist Gertrud Marten, Schwiegertochter von Martha Marten. Sie bat ihren Neffen Hans-Joachim, den Bericht über die Flucht zu veröffentlichen, "als mahnende Erinnerung".

Hans-Joachim Marten hat einige Bilder aus früheren Zeiten. Darunter befinden sich auch zwei Gruppenfotos, die wahrscheinlich 1957 gemacht wurden, und zwar auf dem Grünanger gegenüber der einstigen Gaststätte Pommerscher Hof (heute Merkur-Casino). Die Bilder zeigen Menschen, die beim ersten bundesweiten Mellentin-Treffen im damaligen Espelkamp-Mittwald dabei waren. Marten kennt einige der Personen, die in Espelkamp leben beziehungsweise lebten, beispielsweise den Lehrer Siebert.

Bildunterschrift: Bundestreffen der Mellentiner: Die Aufnahme ist wahrscheinlich 1957 entstanden. Der Mann hinten, der alle überragt, ist Walter Marten, der Opa von Hans-Joachim Marten, schräg vor ihm steht dessen Oma Martha und rechts seine Mutter Margarethe. Mit dabei ist auch der unvergessene Lehrer Siebert aus der Kolonie.

Bildunterschrift: Starke Frau: Martha Marten.

Bildunterschrift: Ein zweites Foto vom Bundestreffen: Auf dieser Aufnahme ist Hans-Joachims Tante Gertrud (Mitte 2. Reihe, mit dunklen Haaren) zu sehen und deren Sohn Eberhard (2. v. l.). Auch seine Geschwister Gisela, Gerda und Brigitte sind dabei.


lok-red.luebbecke@neue-westfaelische.de

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