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Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische , 11.10.2007 :

Eine eigene Welt hinter Stacheldraht / Die JVA: Stadtführer erkunden den Bereich Herfords, der nie in ihren Führungen vorkommt

Text und Fotos von Stefan Boscher

Kreis Herford. Es ist ein Ort, den Besucher bei Führungen durch Herford nie zu Gesicht bekommen. Auch Stadtführer machen einen Bogen um die Justizvollzugsanstalt (JVA) – jetzt erhielten sie aber einen Einblick in die Welt hinter den Mauern.

Schwere Stahltüren, Überwachungskameras, Zäune – allgegenwärtig sind diese Bilder. Derzeit sitzen rund 400 Jugendliche in der Anstalt ein, "knapp 13 Prozent wegen so genannter Tötungsdelikte", erklärt der stellvertretende Leiter der JVA, Friedhelm Sanker. Durchschnittlich bleiben die Häftlinge eineinhalb Jahre an der Eimterstraße, bis sie ihre Strafe verbüßt haben. Damit sie möglichst nie wieder kommen, setzt das Gefängnis vor allem auf Ausbildung. 16 Berufe können hinter Gittern erlernt werden, vom Schlosser bis zum Gärtner. Durchschnittlich werden 45 Prozent der Entlassenen später wieder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Sanker: "Wenn die Jugendlichen jedoch eine abgeschlossene Ausbildung und nach der Haft einen festen Arbeitsplatz haben, sinkt die Rückfallquote auf unter 20 Prozent." Darum nehmen Ausbildungsstätten einen Großteil des Geländes ein. Produkte werden sogar per Internet verkauft.

An einem Ende der weitläufigen Anstalt befindet sich die Kapelle. "Zwei Stockwerke waren das früher", erinnert sich einer der Stadtführer. Bis zu den 50er Jahren hatten gläubige Gefangene hier eine eigene Zelle zum Beten oder für den Gottesdienst. Das wurde geändert. Im Erdgeschoss befindet sich die Krankenabteilung mit einem Arzt und fünf Pflegern, im Obergeschoss ist der Kirchraum.

Die nächste Stahltür führt ins Freie. Moderne Sportplätze auf der einen Seite, vergitterte Fenster auf der anderen und zwischen Zäunen und Außenmauer ein breiter Weg für die Angestellten. 76,35 Euro kostet jeder der zwischen 14 und 24 Jahre alten Insassen den Staat pro Tag, erklärt Sanker auf dem Weg Richtung Ausgang.

Die Besucher stoppen auf einem freien Platz zwischen den Blöcken A2 und B2. Wo sonst Ruhe auf den Gängen herrscht, ist es hier lauter. Einige Insassen brüllen die Stadtführer und Sanker an, der geht jedoch mit einem Lächeln darüber hinweg: "Hier sind die Untersuchungshäftlinge untergebracht, es ist immer etwas lauter." Die jungen Leute seien aufgeregter und aggressiver, erst seit Kurzem hinter den um 1880 errichteten und seitdem immer wieder modernisierten Gittern.

Die letzten Türen vor der Freiheit lassen sich aus Sicherheitsgründen nicht per Schlüssel, sondern nur von Angestellten hinter schusssicherem Glas öffnen. Die Stadtführer verlassen diese eigene Welt nach zwei Stunden – und nehmen Eindrücke mit, die sie bei ihren Führungen weitergeben wollen. Denn zur Geschichte Herfords gehört auch die des Jugend-Gefängnisses.

Bildunterschrift: Der Verwaltungs- und Eingangsbereich des Herforder Gefängnisses: In der Mitte, mit Runddach und Edelstahl verkleidet, das Tor, durch das Fahrzeuge ins Innere der JVA fahren können. Rechts sind Garagen zu erkennen, im Gebäude links ist unter anderem die Anstaltsleitung untergebracht. Davor ist ein Stück der historischen Mauern aufgestellt.

Bildunterschrift: In der Metall-Werkstatt. Die Herforder Stadtführer Bernhard Woitek, Richter Helmut Knöner, Jana Budek, Christina Ruberg, Paul-Otto Walter und Mathias Polster (v. l.) lassen sich vom stellvertretenden Leiter Friedhelm Sanker (2.v.r.) das Ausbildungskonzept erklären.

Bildunterschrift: Trist: Einer der typischen Gefängnis-Flure. Rechts sind Zellen, links hinter den Glasscheiben ist ein Gemeinschaftsraum für die Insassen.

Bildunterschrift: Ist historisch erhalten geblieben: Die Kirche hinter Gittern. Im Hintergrund ist der Altar zu erkennen.


lok-red.herford@neue-westfaelische.de

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