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Tageblatt für Enger und Spenge , 10.09.2005 :

Denkmäler zu Waffen / Rundgang zu Engeraner Denkmälern am Sonntag

Enger (fx). Unerschrockenheit und Kampfbereitschaft wollte Heinrich Wefing in dem von ihm geschaffenen Sachsenherzog verkörpert sehen - ein Mythos als Tugend-Idol. Er hatte die Statue für das Stadtzentrum geschaffen. Als Symbolgestalt hatten die Engeraner vor mehr als 100 Jahren ihren Widukind mit Pomp vor der Stiftskirche auf einen Sockel gehoben. 40 Jahre später stürzten sie ihn wieder herunter: Die Rüstungsindustrie im Zweiten Weltkrieg brauchte Nachschub an Werkstoffen.

"Krieg und Frieden" ist das Thema beim diesjährigen "Tag des offenen Denkmals" am Sonntag, 11. September, zu dem auch die Stadt Enger und der Förderverein des Widukind-Museums ein Programm mit Rundgang und Vortrag erarbeitet haben.

Zu reden ist dann auch von den verschwundenen Denkmälern von Enger. Dazu gehört das von Herzog Widukind. Nur der Sockel auf dem Kirchplatz ist davon übriggeblieben.

Für die Produktion von Waffen wurden während des Zweiten Weltkrieges vielerorts neben Glocken auch Denkmäler entbehrlich. Zur Demontage ihres Widukind waren die Engeraner, anders als Bürger in anderen Städten es mit ihren Standbildern hielten, 1942 ohne großen Widerstand bereit.

Zum zweifachen Gedenken sollte das erst 1903 enthüllte Denkmal die Menschen anregen: An den schon seit mehr als 1.000 Jahren verblichenen Sachsenherzog selbst und an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges und derjenigen des deutsch-österreichischen Krieges 1866: ein Widukind- und Kriegerdenkmal in einem. Zum Initiatorenkreis gehörten Vertreter des Kriegervereins, Landwehr- und Reserveverreins, kommunale Behörden und die evangelische Kirche. Auf der Rückseite des Sockels waren die Namen gefallener Soldaten aus Enger eingemeißelt. Vorne die Inschrift: "Den tapferen Stammesgenossen des ruhmvollen Sachsenherzoges Wittekind, welche im Kampf für König und Vaterland den Heldentod starben."

Genau differenziert, wie der erforderliche Betrag für die Anfertigung des Denkmals zusammenkam, sei nicht überliefert, schreiben Regine Krull, Andrea Plüss und Eric Zibert in ihrem Aufsatz "Für Gott, Kaiser und Vaterland - das Wittekind- und Kriegerdenkmal in Enger". Ein Beitrag für die Schrift "Erinnern und Vergessen, Die Geschichte der Widukind-Denkmäler von Heinrich Wefing, 1882 bis heute" anlässlich der zweiten Werksausstellung zur Rezeptionsgeschichte Widukinds 1996.

Zumindest hatte das dafür zuständige Denkmalkomitee in Enger, bestehend aus Pastor, Gemeindevorsteher, den Sattelmeiern und einigen anderen, die Idee, dieses Selbstverständnis der Engeraner für diesen Zweck zu nutzen und wandten sich in ihrem Spendenaufruf 1896 an alle Westfalen, besonders an die Engeraner als "Stammesgenossen" und Nachfahren Widukinds.

"Dadurch wurde die Verpflichtung, das Denkmalprojekt zu unterstützen, noch verstärkt, weil hier eine Blutsverwandtschaft und eine auf gemeinsamen Traditionen beruhende Idee beschworen wurde, die auf Widukind zurückging", heißt es in dem Aufsatz weiter.

Häuser und Straßen hatten die Einwohner von Enger zur Einweihung am 6. August 1903 geschmückt, ein Menschenzug aus Mitgliedern von mehr als 20 Vereinen zog durch die Straßen bis zum Kirchplatz.

Sieben Jahre nach dem Spendenaufruf 1896 stand der Sachsenherzog jetzt starr mit einem übermenschlichen Gewicht von 500 Kilogramm erhöht über jenen, die sich als seine unmittelbaren Nachfahren und Stammesgenossen verstanden.

Unter Glockengeläut und Böllerschüssen fiel die Verhüllung zu Boden. Auf einem steinernen Thron sitzend wäre er zu teuer geworden - das war die erste Konzeption des Künstlers gewesen, der üblichen Darstellung König Barbarossas nachempfunden. Kosten zwangen schließlich zu einer anderen Statur der Statue: Aufrecht blickte der metallene Widukind in Rüstung mit Lanze, Schild und Flügelhelm auf dem Kirchplatz vor der Stiftskirche über die Köpfe der versammelten Menge hinweg Richtung Südwesten. Dort, wo der besiegte deutsche Erbfeind Frankreich noch leidend unter seiner Niederlage im deutsch-französischen Krieg 1871/72 zu vermuten war.

Auch nach dem Ersten Weltkrieg blieb das bronzene Denkmal Kulisse für deutsch-nationale Versammlungen. Allerdings, so schreiben die Verfasser des Aufsatzes weiter, verblasste die Anziehungskraft dieses Historienbildes von einem mittelalterlichen Mann mit Flügelhelm und Schwertern zugunsten einer neuen Phase von Nostalgie: das kollabierte Kaiserreich.

Das durch sauber-heroisierende Geschichtsschreibung kolportierte Gesicht des Krieges, das Widukind in dieser Gestalt verkörperte, hatten die realen Erlebnisse der Gräuel in den Schützengräben widerlegt. Die Schlussfolgerung: "Die Vorstellung von Krieg war vom modernen Krieg des Industriezeitalters geprägt. Wefings Widukind war damit überholt."

Der Rundgang am "Tag des offenen Denkmals" in Enger beginnt um 14 Uhr am Kirchplatz an der Stiftskirche, der anschließende Vortrag bei "Brünger in der Wörde" gegen 16 Uhr.

10./11.09.2005
lok-red.enger@neue-westfaelische.de

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