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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 21.10.2009 :

"Sippenhaft gibt es nicht" / Unterstützerkreis macht sich dafür stark, dass Familie Asatrjan bleiben darf

Von Uwe Pollmeier und Marion Pokorra-Brockschmidt

Rheda-Wiedenbrück. Für die Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh ist der Fall klar: Anna (13) und ihre Mutter Susanna Asatrjan (44), die seit 1996 in Wiedenbrück leben, sollen nach Armenien, Herkunftsland von Susanna Asatrjan, ausreisen. Tun sie das nicht freiwillig, werden sie abgeschoben. Unterstützer der Familie machen sich dafür stark, dass sie bleiben können.

Obwohl die Anwältin der bislang geduldeten Familie eine Widerspruchsklage beim Mindener Verwaltungsgericht eingereicht hat, wo auch geprüft wird, ob diese eine aufschiebende Wirkung hat, kann die Ausweisung jederzeit erfolgen (die NW berichtete am 7. Oktober).

"Es sind keine Möglichkeiten für ein dauerhaftes Bleiberecht gegeben", sagte Jan Focken, Kreis-Pressesprecher. Nicht nur der ursprünglich gefälschte Nachname, mit dem die Familie 1996 kam, sei Grund für den Ausweisungsbeschluss. Es gebe auch andere Ursachen. Ob und in welchem Maße die Öffentlichkeit diese erfahren soll, wird geprüft.

Der frühere Anwalt der Familie, Gerhard Bauer, hatte vor zwei Wochen gegenüber der NW von kleineren Straftaten gesprochen, die Susanna Asatrjan in Deutschland verübt habe. "Sie waren jedoch geringfügig und beeinflussen nicht die Entscheidung über den Asylantrag." Focken sieht das anders, äußerte sich aber nicht zum konkreten Fall. "Losgelöst davon haben wir eine Grenze von bis zu 50 Tagessätzen, bis zu der wir nicht genauer hinschauen."

Dass bei den Asatrjans die Tochter, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, unter Fehlern der Mutter zu leiden hat, bezeichnete Focken als bedauerlich, aber gesetzeskonform. "Das Kind hängt da nun einmal mit dran und muss sich das Verhalten der Mutter ankreiden lassen." Es liege in der Verantwortung der Mutter, für alle Eventualitäten vorzusorgen. "Dass die Tochter nicht die armenische Sprache spricht, darf man nicht dem Kreis Gütersloh vorwerfen", so Focken.

Dass die Situation akut geworden sei, liege einzig und allein an der Volljährigkeit von Sohn Artur. Der arbeitet und hat eine eigene Wohnung. Die Behandlung einer Erbkrankheit des heute 22-Jährigen, die in Armenien nicht gewährleistet werden konnte, hatte bislang zu befristeten Duldungen geführt. Da Susanna nicht mehr für die Erziehung ihres Sohnes verantwortlich sei, stelle sich der Fall neu dar. Selbst wenn Artur arbeitslos wäre und bei der Mutter leben würde, wäre das bezüglich der Zwangsausweisung irrelevant.

Susanna Asatrjan rechnet damit, dass eines Tages die Polizei vor der Tür steht, um sie und ihre Tochter abzuholen. "Man hat mir geschrieben, dass ich bis Ende des Monats eine Erklärung unterschreiben und ausreisen soll. Andernfalls könne man mich dazu zwingen."

Michael Schlepphorst, ein Freund der Familie, sieht aber eine Möglichkeit, die Gesetze anders auszulegen. "Ich habe von Urteilen gelesen, die dagegen sprechen, dass ein Kind unter den Fehlern der Mutter leiden muss", sagte er. "Sippenhaft gibt es nicht", sagte Elisabeth Stratmann-Paulun, Leiterin der Ketteler-Schule, die Anna besucht.

Die Rektorin gehört ebenso wie Schlepphorst einem Unterstützerkreis an, der gegen die Abschiebung von Anna und Susanna Asatrjans angeht. In Geschäften liegen Unterschriften-Listen aus; die erste Resonanz sei überwältigend. Auch in der Ketteler-Schule soll es Aktionen für das Bleiberecht geben.

Ein Kind, das hier aufgewachsen sei, könne man nicht verpflanzen, meint Stratmann-Paulun. "Mann kann ihr nicht sagen: Verschwinde hier." Sie kennt die 13-Jährige als fröhliches, aufgewecktes Kind, das anerkannt ist. Ihre Familie, zu der auch eine 19-jährige Schwester gehört, die Erzieherin lernt, sei in die Gesellschaft eingegliedert. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Anna eines Tages nicht mehr zu uns in die Schule kommt."

Kompromiss der Innenminister

Anna und Susanna Asatrjan leben von Sozialhilfe. Im Status der Duldung darf die 44-Jährige nicht arbeiten. Dabei hat sie die schriftliche Bestätigung eines Unternehmers, dass er sie sofort einstellen würde. Doch ohne Aufenthaltsgenehmigung gibt es keine Arbeitserlaubnis. Dabei hatten sich die Innenminister der Länder im November 2006 auf einen Kompromiss für die rund 200.000 illegal nach Deutschland eingewanderte Ausländer oder bereits abgelehnte Asylbewerber geeinigt. Der räumt geduldeten Ausländern, die länger als sechs Jahre in Deutschland leben, ein dauerhaftes Bleiberecht ein - so sie bis Ende 2009 eine Arbeitsstelle nachweisen konnten und Ausweispapiere besitzen.

Bildunterschrift: Wollen in Rheda-Wiedenbrück bleiben: Anna und Susanna Asatrjan (v. l.) fürchten, dass die Polizei eines Tages an die Tür ihrer Wohnung klopfen könnte, um sie nach Armenien abzuschieben.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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