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Neue Westfälische Online , 24.09.2008 :

Bielefeld: Die Spuren der RAF-Terroristen / Kontakte zum Linksaußen-Terror

Von Ansgar Mönter

Bielefeld. "Wildwest am Kesselbrink" titelte die NW am 1. März 1972. Till Meyer aus Berlin, später einer der Entführer des Politikers Peter Lorenz, hatte versucht, Maschinenpistolen in der Diskothek "Badewanne" zu ordern. Hinweise aus "Hascherkreisen" führten die Kripo zum selbsternannten Revolutionär. Bielefeld hatte den ersten Kontakt mit dem Linksaußen-Terror, der derzeit in Deutschland diskutiert wird wegen des Films "Der Baader-Meinhof-Komplex".

Meyer zog auf dem Kesselbrink eine Pistole, ballerte herum - und wurde nach einer Verfolgungsjagd dennoch gefasst. Er war Mitglied der "Bewegung 2. Juni". Im Dezember 1972 wurde ihm der Prozess vor dem Bielefelder Schwurgericht gemacht. Dabei trat zum ersten Mal eine Sympathisanten-Szene in Bielefeld in Erscheinung, die "Initiative Solidarität Till Meyer". Sie hatte unter Studenten Flugblätter verteilt zum "Kampf der politischen Unterdrückung".

Sympathie für den Terror

Gut 20 Jahre lang - bis Anfang der 90er Jahre - bekundete ein kleiner Kreis von Bielefeldern Sympathie für den Terror der Linksextremisten von RAF und anderen Gruppen. Es wurden Plakate geklebt, Wände besprüht, Demos organisiert. Die Parolen lauteten: Freilassung der RAF-Häftlinge, Kampf gegen den "Schweinestaat".

Wie groß das Umfeld in Bielefeld war, kann der Bielefelder Staatsschutz heute nicht mehr sagen. "Bielefeld spielte bei den RAF-Aktivitäten insgesamt eine untergeordnete Rolle", heißt es bei der Behörde. An den Demonstrationen in der Stadt für die RAF-Inhaftierten - unter anderem saß Birgit Hogefeld wegen mehrfachen Mordes in Ummeln ein - nahmen laut Verfassungsschutzbericht bis in die 90er Jahre meist bis zu 100 Personen teil.

Bielefelder auf dem Weg der Gewalt

Bei Kundgebungen für die Terroristen blieb es jedoch nicht. Einige Bielefelder schlossen sich dem Weg der Gewalt an. Irmgard Möller zum Beispiel. Die Tochter eines Oberstudienrates gehörte der ersten Generation an. Sie war seit 1971 RAF-Mitglied. Wegen dreifachen Mordes wurde sie 1979 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ebenfalls zu ersten Generation gehörte Ulrich Wessel. Der Bielefelder beteiligte sich 1975 an der Geiselnahme in der deutschen Botschaft in Stockholm. Er starb dabei. Zur zweiten RAF-Generation gehörte Gabriele Kröcher-Tiedemann.

Sie machte am Bavink-Gymnasium (heute Waldhof) Abitur. 1973 wurde sie wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, 1975 durch die Lorenz-Entführung freigepresst, 1977 wieder festgenommen. Sie starb 1995 an Krebs mit 44 Jahren.

Unterschlupf im Kamphofviertel

Weitere Bielefelder agierten aus der zweiten Reihe heraus. Der Soziologe Enno B. wurde 1977 wegen versuchter Brandstiftung in einem Kino in Aachen festgenommen; 1981 verübten Unbekannte einen Anschlag auf eine Metall-Firma in Oldentrup; 1986 wurde der Student Jens K. von BKA-Beamten überrumpelt. Der 24-Jährige mit Kontakten zur RAF hatte einen Anschlag auf das Siemens-Haus in Bielefeld geplant. Jens K. wohnte in der Nordstraße, Kamphofviertel. "Dort lebten einige aus dem Umfeld", so der Bielefelder Staatsschutz. Die Beamten vermuteten damals, dass dort Terroristen auf Durchreise Unterschlupf fanden.

Die RAF hat sich 1998 aufgelöst. Mit gewaltbereiten Linksextremisten haben die Bielefelder Behörden kaum noch zu tun.

Bildunterschrift: Selbst hergestellte Plakate, 1972 von RAF-Sympathisanten in der Stadt geklebt.

Bildunterschrift: Mauerwand-Parolen: Wie hier an der Johanneswerkstraße wurden an etwa zehn Stellen der Stadt am 19. Oktober 1977 Mordanklagen gegen den Staat gesprüht, einen Tag nach den Selbstmorden von Baader, Ensslin und Raspe in Stammheim.

Bildunterschrift: Machte Abitur in Bielefeld: Gabriele Kröcher-Tiedemann (†).

Bildunterschrift: Wurde in Bielefeld geboren: Irmgard Möller.

Bildunterschrift: Wurde in Bielefeld beerdigt: Ulrich Wessel (†).

Bildunterschrift: Ganzseitenanzeige in der NW, Oktober 1977: Das Bundeskriminalamt bittet die Bevölkerung um Hilfe bei der Suche nach Terroristen.


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