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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 12.03.2008 :

Blüten aus der Teufelswerkstatt / Adolf Burger überlebte als Geldfälscher für die Nazis das Konzentrationslager

Von Jan Rößmann

Paderborn. Die Nazis verschleppten Adolf Burger nach Auschwitz und schlugen ihm die Zähne aus. Dann brauchten sie den Drucker für massive Geldfälschungen. Vor drei Wochen gewann seine Geschichte "Die Fälscher" den Oscar als bester ausländischer Film.

Die 200 Schüler in der Aula des Pelizaeus-Gymnasium hängen wie gebannt an den Lippen des 90-Jährigen. "So still war es hier noch nie", flüstert Schulleiter Antonius Steins zwischen zwei Sätzen. Adolf Burger erzählt gerade, wie Doktor Mengele auf der Rampe in Auschwitz-Birkenau selektierte: "Bitte nach links, sagte dieser gutaussehende junge Mann höflich zu den schwangeren Frauen." Nach links, das hieß hier: In den Tod. Auch Adolf Burgers damals 22-jährige Gattin wurde ermordet: "Meine Gisela musste ins Gas gehen."

Adolf Burger überlebte. Nachdem ihm ein Aufseher die Vorderzähne ausschlug, weil er als Jude dengleichen Vornamen wie der "Führer" hatte, wurde die SS darauf aufmerksam, dass sie den gelernten Buchdrucker auch kriegswichtig einsetzten konnte: Als Geldfälscher im KZ Sachsenhausen.

So musste der junge Adolf Burger im Rahmen der Geheimoperation "Bernhard" 130 Millionen Pfund drucken, mit denen die deutsche Regierung die britische Wirtschaft in die Knie zwingen wollte. Mit den Blüten aus Burgers Zwangsarbeit beschaffte die SS außerdem Gold auf den internationalen Märkten und bezahlte deutsche Agenten, für die die Häftlinge auch gefälschte Pässe herstellten. Zusammen mit über hundert anderen Spezialisten arbeitete der Drucker völlig isoliert von den anderen Gefangenen.

"Ich hab' einfach Glück gehabt", erzählt der Slowake mit fester Stimme, "während ich Privilegien genoss und mit SS-Männern Tischtennis spielte, wurden Millionen andere vergast". Doch Burger verspürt keine Verbitterung gegenüber dem Volk, das die Nationalsozialisten wählte. Immer wieder spricht er sich vor den Schülern gegen die These von der Kollektivschuld aus: "Die Deutschen sind nicht im Allgemeinen schuld. Hitlers erste Gefangene waren 1933 deutsche Politiker. Er ließ nicht nur eine halbe Million russischer Soldaten in Stalingrad erfrieren, sondern auch 150.000 Deutsche."

1945 befreiten die Amerikaner die Geldfälscher aus einem österreichischen KZ, in das die Werkstatt aufgrund der anrückenden Roten Armee verlegt worden war.


In den letzten 25 Jahren erzählte Adolf Burger, der Jude mit dem korrekt gekämmten weißen Haar, seine Geschichte vor insgesamt etwa 90.000 Jugendlichen: "Ich will nicht, dass aus Schülern Neonazis werden, so wie 1992 in Rostock. Deshalb mache ich weiter."

Adolf Burger ist bereits einer der letzten Zeitzeugen. Bald wird es keine Menschen mehr geben, die von den schwer fassbaren Verbrechen der Nationalsozialisten persönlich berichten können. Dass er einige Sätze seines Vortrages wiederholt, vergisst der heute in Prag lebende Slowake. Die Zeit im Konzentrationslager kann er aber ebenso wenig vergessen wie seine Häftlingsnummer - die haben ihm die Nazis in den blassen Unterarm tätowiert.

Ein Oscar für "Die Fälscher"

Nachdem Adolf Burger 1945 von den Amerikanern aus dem österreichischen KZ Ebense befreit worden war, schrieb er seine Geschichte von der größten geheimen Geldfälschungsaktion der Nazis auf. Sieben Jahre wühlte sich der Slowake durch die Archive und so entstand aus seinen Erinnerungen und hunderten von Fotos und Dokumenten das Buch "Des Teufels Werkstatt".

Nach Burgers Buchvorlage plante der deutsch-österreichische Regisseur und Drehbuchautor Stefan Ruzowitzky einen Film zu produzieren. Doch erst die vierte Drehbuchversion, die der Autor zu Burger nach Prag schickte, gewann die Zustimmung des Zeitzeugen: "Natürlich wollte ich, dass daraus ein Film gemacht wird. Aber nur so, wie es auch wirklich war. Es ist zwar immer noch ein Spielfilm und keine Dokumentation – aber das Wichtigste stimmt jetzt."

Letztes Jahr wurde der Film auf der Berlinale uraufgeführt. Bei der 80. Oscarverleihung am 24. Februar 2008 gewann "Die Fälscher" – als erster österreichischer Film überhaupt – die Auszeichnung in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film". Die DVD "Die Fälscher" ist bereits seit Herbst 2007 im Handel erhältlich.

Bildunterschrift: Erhobener Zeigefinger: Adolf Burger setzt diese Geste sparsam ein. Er sprach vor den Schülern des Pelizaeus-Gymnasiums.

Bildunterschrift: Unfassbar: Schülerinnen des Pelizaeus-Gymnasium schauen sich in einer Vortragspause Adolf Burgers Dokumente aus den Konzentrationslagern in ihrer Aula an.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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