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Zeitung für Werther / Westfalen-Blatt , 04.07.2008 :

Experten richten Grabsteine wieder auf / 3.000 Euro Schaden: Jüdischer Friedhof wird nach Schändung mit Hilfe von Portalkran saniert

Von Dunja Henkenjohann

Werther (WB). "Das waren mehrere Täter", sagt Olaf Evert kopfschüttelnd. "Eine Person allein kann das gar nicht schaffen." Der Steinmetz der Firma Jauer repariert mit seinem Kollegen Jürgen Bentrup seit gestern die umgestoßenen Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof.

Mit einem Portalkran sind die Experten der Bielefelder Natursteinfirma auf dem Friedhof an der Egge/Bergstraße im Einsatz. So ein Grabstein wiegt locker 450 Kilo, der lässt sich nicht "mal eben so" aufrichten. Um so erstaunlicher, dass unbekannte Täter fünf der 22 Steine im Dezember vergangenen Jahres geschändet haben. "Die müssen mit brachialer Gewalt vorgegangen sein", sagt Bentrup.

"In diesen Grabsteinen steckt viel Arbeit."
Steinmetz Jürgen Bentrup

Die Reparaturarbeiten seien durchaus aufwendig, betonen die Steinmetze. Zunächst muss geprüft werden, ob die Sockel durch das Umstoßen in Schieflage geraten sind. Dann werden die Fundamente freigelegt. Bevor sie erneut mit Beton angefüllt werden, müssen die Steine gut gesäubert werden. Sockel und Grabstein werden sauber abgeschleift, damit der Zement als "Klebstoff" optimal hält. Um dem Grabstein zusätzliche Stabilität zu verleihen, bohren Evert und Bentrup senkrecht in den Sockel eine Ankerstange aus Eisen. Darauf setzen die Handwerker den eigentlichen Grabstein. "Unglaublich, dass sogar diese Verbindungsstangen von den Tätern herausgerissen wurden", sagen Olaf Evert und Jürgen Bentrup. Bis Anfang kommender Woche, so schätzen die Steinmetze, werden sie auf dem jüdischen Friedhof arbeiten. Denn neben der Aufstellung der Grabsteine werden sie auch Schäden wie abgeplatzte Steinteile reparieren. "Die Arbeit mit Grabsteinen ist eine sensible Sache", sagt Olaf Evert. So ein Friedhof sei schon eine ganz besondere Arbeitsumgebung. Als Steinmetz zu sehen, wie die mühsam gefertigten Grabsteine nach der Schändung am Boden liegen, das tue schon weh. "In diesen jüdischen Grabsteinen in Werther steckt viel Arbeit", weiß sein Kollege Jürgen Bentrup. Gemeinsam haben die beiden Experten etwa einmal in der Woche mit Grabsteinen zu tun. Doch so etwas wie in der Böckstiegelstadt bekomme man nicht alle Tage zu sehen.

Etwa 3.000 Euro kostet die Instandsetzung des jüdischen Friedhofs. Das Land Nordrhein-Westfalen fördert die Reparaturarbeiten mit 80 Prozent. Wie berichtet, wurde das Verfahren gegen die Täter, die die Grabstätten geschändet haben, eingestellt. Hinweise auf einen antisemitischen Hintergrund gab es nicht.

Jüdischer Friedhof

Die meisten jüdischen Friedhöfe liegen außerhalb der Stadtmauern, weil die Lebenden sich nicht mit den Toten innerhalb der Stadtmauern aufhalten durften. Früher wurden die Toten in Richtung Jerusalem begraben. Das hat sich geändert. Ein jüdisches Grab ist für die Ewigkeit gedacht. Es wird nicht eingeebnet, der Stein bleibt bestehen. Bei Platzmangel legt man laut des Internetlexikons Wikipedia eine Schicht Erde über ein Grab und bestattet einen Toten über dem anderen.

Da die Toten nicht mit gärenden, säuernden oder sonstigen Nebenprodukten der Zersetzung verunreinigt werden sollen, verzichtet man auf Blumenschmuck. Stattdessen werden Steine auf die Grabplatten gelegt. Die Gräber lässt man mit Efeu und Gras überwachsen.

Der jüdische Friedhof in Werther wurde von 1895 bis 1942 belegt. Neben den 22 Grabsteinen erinnert ein Gedenkstein mit 18 Namen an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Werther und Halle in Westfalen, die ihr Leben in den Jahren zwischen 1933 und 1945 lassen mussten.

Bildunterschrift: Jürgen Bentrup (links) und sein Kollege Olaf Evert reparieren die beschädigten Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof.


guetersloh@westfalen-blatt.de

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