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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West , 02.07.2015 :

Georg Barthel und die Zwangsarbeiter / Vortrag des Bielefelder Historikers Falk Pingel im Bauernhausmuseum über die Widersprüche im Handeln des Wirtschaftsführers

Von Sabrina Wittke

Bielefeld. Georg Barthel war von 1941 bis 1962 Leiter der Firma Dürkopp. Unter seiner Leitung baute Dürkopp während des Nationalsozialismus die Waffenproduktion aus und setzte dafür Tausende von Zwangsarbeiterinnen ein. Er war NS-Wehrwirtschaftsführer. Er engagierte sich zwar für die Unterbringung und Ernährung der Zwangsarbeiterinnen, konnte ihre Lebensverhältnisse aber nicht nachhaltig verbessern. Ob Barthel nun ein Gegner oder Förderer des Nazi-Systems war, diskutierte der Bielefelder Historiker Falk Pingel im Bauernhausmuseum.

Georg Barthels Vater, Hermann Barthel, kaufte 1939 / 40 die Dürkopp-Werke, nachdem er selbst mit Hilfe der NSDAP aus der Firma Kugelfischer herausgedrängt worden war.

Hermann Barthel machte seinen gerade mal 32 Jahre alten Sohn zum Vorstandsmitglied und brachte ihn dazu, in die NSDAP einzutreten, um Konflikte zu vermeiden. 1941 starb Hermann Barthel und sein Sohn übernahm die Leitung der Firma. Zudem trat Georg Barthel in die Schutzstaffel der NSDAP, die SS, ein. "Die SS nahm ihn auf, da Barthel auf Kosten der Firma Dürkopp Kriegsverletzte versorgen ließ", sagte Pingel.

Er unterstützte die technische Modernisierung, verbesserte die Lohnstruktur und die Rüstungsindustrie seiner Firma. Beim Aufbau des Zwangsarbeiter-Systems war Barthel sehr aktiv. Er eröffnete ein neues Werk in Künsebeck (Kreis Gütersloh), um mehr Menschen beschäftigen zu können. Gleichzeitig setzte er sich jedoch auch für die Versorgung von Zwangsarbeiterinnen ein. Er kümmerte sich um die Lebensmittelbeschaffung und richtete ein Entbindungsheim in Künsebeck ein. Zwangsarbeiterinnen sprachen allerdings von einer völlig unzureichenden Versorgung. Die Kindersterblichkeit in Künsebeck sei hoch gewesen, erzählt Pingel.

Während einer Verhaftungswelle 1944 in Bielefelder Unternehmen kam es zu vielen Todesurteilen. Barthel setzte sich in Gesprächen mit der Gestapo für seine Mitarbeiter ein und konnte weitere Verhaftungen verhindern. Dennoch kooperierte er im September 1944 mit der NS-Bau-Organisation und plante, ein Konzentrationslager auf seinem Firmengelände zu errichten. Das Lager konnte wegen der Bombardierung jedoch nicht fertig gebaut werden.

1946 stuften die Nürnberger Prozesse die SS als eine verbrecherische Organisation ein. Die Alliierten verhafteten Barthel wegen seiner Mitgliedschaft. Er kam für zwei Jahre in das Internierungslager Staumühle bei Hövelhof, in das mutmaßliche Kriegsverbrecher gebracht wurden. Ihm wurde seine Funktion aberkannt und sein Besitz genommen. Dokumente zur Entnazifizierung Dürkopps entlasteten Barthel, der schließlich als "unbelastet" kategorisiert wurde und seine Funktion zurückerhielt.

Barthels Handlungen können als widersprüchlich angesehen werden. Er diente dem politischen System und setzte sich gleichzeitig für seine Mitarbeiter ein. Welche Absichten hinter seinem Verhalten steckten, bleibt ungeklärt. "Die Beschäftigung von Zwangsarbeitern blieb eine Episode in der wirtschaftlichen Tätigkeit von Georg Barthel. Sie hat für ihn - und die von ihm geführten Dürkopp-Werke - nach seiner Entlassung aus der Internierung vermutlich kaum noch eine Rolle gespielt und ist von ihm nie öffentlich reflektiert worden ist. Die Zwangsarbeiter, vor allem aus den osteuropäischen Ländern, haben dagegen unter dieser Erfahrung oft ein Leben lang gelitten", so das abschließende Fazit von Falk Pingel.

Bildunterschrift: Historiker: Falk Pingel stellte den ehemaligen Bielefelder Unternehmer Georg Barthel vor.


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