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Neue Westfälische - Tageblatt für Schloß Holte-Stukenbrock , 20.12.2017 :

Foto zeigt nicht Jüdin Hedwig Loewenthal

Reaktion: NW-Leserin erkennt ihre Mutter und ihre Tante auf einem historischem Foto

Schloß Holte-Stukenbrock. Unter dem Titel "Fotos aus der Nazi-Zeit wecken die Neugier" haben wir in der Samstagausgabe über den hiesigen Fotografen Josef Hörster berichtet und zwei seiner Fotos gezeigt. Hörster hat 1928 ein eigenes Atelier an der Straße Waldfrieden gegründet und auch oft Juden aus Oerlinghausen fotografiert. Das berichtet Hörsters Tochter Therese Laustroer. Sie hat Heimatforscher Günter Potthoff einige alte Fotos überlassen. Günter Potthoff hat daraufhin recherchiert und eine der Frauen auf dem in der NW abgebildeten Foto als die Jüdin Hedwig Loewenthal aus Lipperreihe identifiziert.

Dieser Schluss scheint allerdings falsch zu sein. Eine NW-Leserin hat die beiden jungen Frauen auf dem Foto erkannt. Es handelt sich um ihre Mutter und ihre Tante. Die Schwestern lebten damals in Schloß Holte-Stukenbrock / Hövelhof und waren nicht jüdischen Glaubens.

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Neue Westfälische - Tageblatt für Schloß Holte-Stukenbrock, 16./17.12.2017:

Fotos aus der Nazi-Zeit wecken die Neugierde

Heimatforschung: Günter Potthoff ist in den Besitz alter Fotos des hiesigen Fotografen Josef Hörster gelangt / Darauf sind Juden aus Oerlinghausen zu sehen / Potthoff begibt sich auf die Spurensuche

Von Sigurd Gringel

Schloß Holte-Stukenbrock. Bei seinen Recherchen zur Geschichte der Stadt Schloß Holte-Stukenbrock und deren Bürger ist Heimatforscher Günter Potthoff auf Fotos gestoßen, die ihn stutzig machten. Sie haben ihn auf die Spur des damals bekannten Fotografen Josef Hörster geführt.

Josef Hörster ist dem Heimatforscher nicht erst seit dem neuen Foto-Fund ein Begriff. Etliche Fotos, die Günter Potthoff in dem Erinnerungsbuch "Ein Blick zurück" 1988 veröffentlicht hat, stammen aus Hörsters Kamera. Und Potthoff hat Hörster schon als Kind kennengelernt. Denn Josef Hörster (1895 - 1974) lichtete unter anderem auch Theatergruppen, Hochzeitsgesellschaften und Schulklassen ab. Als Günter Potthoff ein Schul-Steppke war, kam der Fotograf mit seiner großen Plattenkamera. Daran erinnert sich Potthoff noch. "Das dauerte, bis die Schüler richtig standen", sagt er. Ständig schaute Hörster durch den Sucher und korrigierte die Position der Personen. Als Kind hat Günter Potthoff auch noch alte Fotoplatten aus Glas in den Händen gehabt. "Die sind längst im Müll gelandet", sagt er. Damals waren sie für ihn wertlos, heute sucht er nach solchen historisch wertvollen Schätzen. Hörsters erste Plattenkamera steht heute als Exponat im Heimathaus.

Josef Hörster hatte in der Holter Eisenhütte Schlosser gelernt. Die Fotografie hatte er sich selbst beigebracht. Und das offenbar mit Erfolg. Günter Potthoff: "Ruckzuck war er ein guter Fotograf." 1928 meldete er in Schloß Holte - damals noch Liemke - sein eigenes Atelier an der Straße Waldfrieden an. Direkt an der Bahnlinie. Heute kann dort bei Reinhard Laustroer Wild aus der Senne gekauft werden. Reinhard Laustroer ist Hörsters Enkel, Hörsters Tochter Therese Laustroer ist heute 94 Jahre alt und nimmt die Wildbestellungen per Telefon an.

Der Vater hat gut an den Juden verdient

Über sie ist Günter Potthoff an die Fotos gekommen. Denn der Heimatforscher macht Interviews mit älteren Menschen und zeichnet diese auf Tonband auf. So dokumentiert er wichtiges Zeitzeugen-Wissen. Bei einem Besuch bei Therese Laustroer kamen auch Fotos des Vaters auf den Tisch. Zahlreiche warten in Kartons aber noch auch ihre Wiederentdeckung.

Diese Fotos zeigen Juden aus Oerlinghausen, das weiß Therese Laustroer noch ganz genau. Es scheinen Familien gewesen zu sein. Auf den Fotos sind junge Menschen in Zweier- und Dreiergruppen, und als Einzelporträts zu sehen. Offensichtlich sind die Fotos in Hörsters Atelier entstanden, irgendwann vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Juden seien laufend zu Josef Hörster gekommen, um sich fotografieren zu lassen. Ihr Vater habe gut an den Kunden aus Oerlinghausen verdient.

Warum sie nach Schloß Holte kamen, ist unklar. "Fotografen hat es auch in und um Oerlinghausen gegeben", sagt Günter Potthoff. Möglicherweise wollten andere Fotografen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr ablichten, vielleicht waren die Kunden aber einfach von Josef Hörsters Fotokunst beeindruckt. Oder es gab einen ganz anderen Grund. Um Licht ins Dunkel zu bringen, tauscht sich Günter Potthoff mit dem Journalisten und Buchautor Horst Biere aus, der für die Neue Westfälische zur Geschichte der Stadt Oerlinghausen forscht. So gelang das Manuskript "Die Opfer des Nationalsozialismus aus Oerlinghausen" von Jürgen Hartmann in Potthoffs Hände. Ein Kapitel widmet Hartmann den Opfern antisemitischer Verfolgung. So konnten zwei jüdische Familien auf Josef Hörsters Fotos identifiziert werden, Familie Herz und Familie Loewenthal. Fast alle Familienmitglieder wurden am 31. Dezember 1945 für tot erklärt, der fünfjährige Uriel Herz gilt als verschollen.

Ausstellung

Der Förderverein des Industriemuseums denkt darüber nach, eine Fotoausstellung mit alten Fotografien zu organisieren. Der Förderverein erhofft sich dadurch, dass Menschen die abgebildeten Personen identifizieren können.

Bildunterschrift: Für tot erklärt: Bei der Frau auf der Bank handelt es sich um Hedwig Loewenthal (* 1883) aus Lipperreihe. Sie wurden 1900 Protestantin, galt in der Rassenvorstellung aber weiterhin als Jüdin. Am 31. Dezember 1945 wurde sie für tot erklärt. Das gleiche Schicksal erlitt Heinrich Herz (* 1900), auf dem Foto ganz rechts. Er war unter anderem Vorsteher der Synagogengemeinde Oerlinghausen. Sammlung Günter Potthoff.


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