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Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt , 23.03.2005 :

Bürens Bevölkerung wartet auf die amerikanischen Befreier / Aus dem Tagebuch von Josef Schmücker: Endes des Hitlerkrieges in Büren

Büren (WV). Vor 60 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Nachdem Büren 1944 einen Bombenangriff erlebte, gingen die letzten Kriegstage nahezu ohne Schäden an der alten Kreisstadt vorbei. Die Eindrücke der Kartage 1945 hat der damalige Gehörlosenlehrer Josef Schmücker detailliert festgehalten. Aus seinem Tagebuch zitiert das Westfälische Volksblatt in mehreren Folgen Auszüge.

"Der Dienstag der Karwoche 1945 war ein trüber, diesiger Tag. Kurz nach 16 Uhr gab es in Büren Vollalarm und schon bald brausten Flugzeuge in geringer Höhe über unsere Stadt auf Paderborn zu. Gegen 17 Uhr warfen feindliche Verbände in etwa 20 Minuten soviel Brand- und Sprengbomben auf Paderborn, dass die Stadt fast völlig zerstört wurde.

Am Mittwoch, einem klaren Sonnentag, fluteten die Bewohner Paderborns auf das umliegende Land, um Obdach und Unterkunft zu suchen. Auch Büren, das schon zu 50 Prozent mit Evakuierten aus dem Ruhrgebiet belegt war, nahm noch viele der Unglücklichen auf. Die Bevölkerung war in stiller Aufregung, besonders deshalb, weil der englische Sender die Meldung gebracht hatte, das alliierte Truppen vom Rheinland aus in schnellem Vormarsch seien. Die Besetzung der Stadt Siegen war genannt. In Büren hörten sehr viele Leute - vorsichtig und heimlich die Feindsender - trotz der hohen Strafen, die darauf standen.

Gegen Mittag des Gründonnerstag lief das fast unglaubliche und scheinbar falsche Gerücht durch die Stadt: "In Brilon stehen 30 Panzer auf dem Marktplatz, die von Korbach aus vorgestoßen sind." Fast unglaublich und unmöglich - aber wahr.

Zur Gewissheit wurde dies jedoch dem letzten Zweifler, als die Polizeiverwaltung bekannt gab, dass am Nachmittag die Muna in Ringelstein gesprengt werden sollte und dass darum alle Fenster zu öffnen seien. Aus der Sprengung wurde aber nichts. Die Militaristen und Nazis hatten wieder Hoffnung auf ein Wunder.

Drei Trecks mit Fremdarbeitern

Niemand ging mehr seiner Arbeit nach. Der Zugverkehr war eingestellt und damit auch der Postverkehr unterbunden. Am Vormittag des Gründonnerstag kamen noch drei Trecks russischer Fremdarbeiter mit etwa 1.000 Mann durch die Stadt, die aus dem Ruhrgebiet in die Senne geführt wurden. Alle waren zerlumpt und total ausgehungert. Die drei oder vier Wachleute sahen nicht viel besser aus.

Karfreitag war wieder ein schöner, sonniger Tag. Die Amerikaner wurden von Brilon aus durch das Almetal erwartet. Sie ließen aber lange auf sich warten. Ein Bürener - Josef Runte, der als Oberstleutnant bei der Wehrmacht stand - war gerade in Urlaub. An diesen hatte sich der Landrat Eickel mit dem Ansinnen gewandt, die Stadt zu verteidigen.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag waren irgendwo her SS-Truppen - etwa 70 Mann - mit Panzerfäusten eingetroffen. Die Bevölkerung wandte sich mit aller Gewalt gegen eine Verteidigung und bestürmte Herrn Runte dafür zu sorgen, dass die SS abziehe. Gegen Mittag schickte er die SS auf den Kapellenberg, wo diese sich in der Nähe der Kapelle in primitiven Stellungen verschanzte. Ein großer Teil der Panzerfäuste war zurückgeblieben. Sie standen am Rathaus oder lagen in der Judengasse. Die Bürener Jugend trug sie am späten Nachmittag in die Rektoratschule.

Gegen Mittag wurde erneut bekannt gegeben, dass die Muna gesprengt würde. Gegen 16 Uhr erfolgten etwa sieben Sprengungen, die zwar starke Erschütterungen hervorriefen, in Büren aber keine Schäden verursachten."


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