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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe , 19.03.2010 :

Kritik am Kommers der Burschenschaften

Das Jahrestreffen der Bielefelder Studentenkorporationen in der Stadthalle wird Freitagabend von einer Kundgebung begleitet. Die Organisatoren kritisieren das Gesellschaftsbild der Verbindungen und unterstellen die Mitwirkung aktiver Neonazis. Kritiker aus Antifa-Organisationen werfen der Bielefelder Verbindung Normannia-Nibelungen rechtsextreme Tendenzen vor. Nach Angaben des Staatsschutzes gibt es allerdings seit einigen Jahren darauf keine Hinweise mehr.

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redok, 16.12.2009: Burschenschaft hört Ideen zum Terror

Bielefeld. Eine "Ideenwerkstatt" zum Thema Terrorismus veranstaltete Ende November die Bielefelder Burschenschaft Normannia-Nibelungen. Als Experten hatten die Burschenschafter sich unter anderem einen Verschwörungstheoretiker und einen früheren Neonazi-Terroristen geladen.

Neben Michael Buback, dem Sohn des von der linksterroristischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, kam Klaus Rainer Röhl zu Wort, der frühere Ehemann der RAF-Führungsfigur Ulrike Meinhof. Zu den Referenten gehörte auch Elias Davidsson, der zu den "Konspirologen" zählt, die eine Urheberschaft von Muslimen an den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 abstreiten.

Im Reigen der insgesamt sechs Referenten trat laut einem Bericht in dem neurechten Internet-Portal Blaue Narzisse auch ein früherer Terrorismus-Praktiker auf. Der 51-jährige Odfried Hepp war in den 1980er Jahren mit der neonazistischen "Wehrsportgruppe Hoffmann" im Libanon gewesen, wo sie in einem Lager der El-Fatah militärisch gedrillt und nebenher auch noch von den eigenen "Ausbildern" schikaniert und sadistisch gequält wurden. Der damals 21-jährige Kay-Uwe Bergmann wurde dort so schwer gefoltert, dass er an den Folgen starb. Sein Folterer im libanesischen Terror-Camp war der Hoffmann-Kumpel Uwe Behrendt gewesen, der im Dezember 1980 in Erlangen den jüdischen Verleger Shlomo Levin und seine Lebensgefährtin Frieda Poeschke ermordet hatte. Am Ende war im Libanon auch Behrendt tot - angeblich durch Selbstmord.

Hepp hatte sich schließlich in die deutsche Botschaft in Beirut flüchten können, die ihm einen Heimflug spendierte. In Deutschland musste er ein halbes Jahr hinter Gittern verbringen. Später nahm er Kontakte zur DDR-Staatssicherheit ("Stasi") auf und gründete im Rhein-Main-Gebiet eine Terrorzelle ("Hepp-Kexel-Gruppe"). Die Nazi-Terroristen verübten Banküberfälle sowie Anschläge mit Autobomben auf amerikanische Soldaten und Einrichtungen. Vor den Fahndern flüchtete Hepp in die DDR, wo ihm die Stasi Unterschlupf gewährte. Im Auftrag einer palästinensischen Terrorgruppe sollte er in Mitteleuropa Waffenverstecke anlegen, flog jedoch in Frankreich auf und wurde dort zu zwei Jahren Haft verurteilt. An Deutschland ausgeliefert, wurde ihm auch hier ein Prozess gemacht, in dem er zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.

In Bielefeld zeigte sich Hepp den Burschenschaftern als geläutert und beschrieb seinen "Wandlungsprozeß zum Humanisten". Die DDR-Stasi habe ihm nicht nur bei der Flucht vor den westdeutschen Behörden geholfen, sondern auch "ein Umdenken bei ihm bewirkt". Die DDR-Geheimdienstler hätten "linken und rechten Terroristen aus Westdeutschland zumindest einen zivilen Neuanfang in der DDR ermöglicht", wird Hepp von der Blauen Narzisse zitiert.

Das Interesse der Zuhörer ging jedoch angesichts der freundlichen Bemerkungen über die verflossene DDR auch in eine andere Richtung. Eine Nachfrage aus dem Vortrags-Publikum wollte wissen, ob die Stasi "vielleicht neonazistische Organisationen im Westen gefördert habe, um das Feindbild des faschistischen Klassenfeindes aufzubauen". Möglicherweise zum Bedauern des Fragestellers konnte Hepp jedoch nur erwidern, dies sei ihm nicht bekannt.

Einig waren sich jedoch fast alle Referenten, dass es "einzig auf die Sichtweise ankommt, ob man Terrorist oder Freiheitskämpfer sei". Aus Odfried Hepps Sicht waren so auch die RAF-Terroristen "Freiheitskämpfer gegen ein ungerechtes System gewesen". Das sah Michael Buback naturgemäß deutlich anders.

Alles auf Video

Die Veranstaltung bei der Bielefelder Burschenschaft war für würdig befunden worden, auf Video aufgezeichnet zu werden. An der Kamera betätigte sich niemand anders als "Bundesbruder" Michael Vogt, der "Alter Herr" bei der früher vom bayerischen Verfassungsschutz als rechtsextrem bezeichneten Münchner Burschenschaft Danubia ist. Vogt war als Autor des geschichtsrevisionistischen Films "Geheimakte Heß" und wegen seiner rechtsextremen Verstrickungen von der Uni Leipzig vor die Tür gesetzt worden, wo er als Honorarprofessor tätig gewesen war. Danach hatte Vogt sich beim antisemitischen Verschwörungs-Publizisten Jan Udo Holey alias "Jan van Helsing" verdingt, für dessen Internet-Fernsehkanal "secret.tv" er seitdem tätig ist.

Daneben ist Vogt jedoch auch noch bei einem "Schild-Verlag" im rheinland-pfälzischen Elbingen eingespannt, der sich bei näherem Hinsehen als eine Art Vogt-Familienunternehmen entpuppt: Im Handelsregister firmiert die als "persönlich haftende Gesellschafterin" auftretende "Stonehenge GmbH" unter Michael Vogts Wohnadresse. Der Schild-Verlag pflegt beste Geschäftsverbindungen und betreibt gemeinsame Produktionen mit dem Berliner Kai-Homilius-Verlag, der unter anderem die Publizistik des linken Querfrontlers und Querschlägers Jürgen Elsässer betreut. Eines der nächsten Schild-Produkte wird das jetzt in Bielefeld enstandene Video sein: Im Februar 2010 sollen dort die Vorträge bei der Normannia-Nibelungen als umfänglicher "3er-DVD-Set" erscheinen.


studio.bielefeld@wdr.de

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