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Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische , 02.12.2010 :

Widerstand gegen "Jahrmarkt-Architektur" / Aktionsbündnis Schloßhof schreibt Brief an Besitzer, Gastronom und Ratsfraktionen / Ort mit "hohem emotionalen Wert"

Von Ansgar Mönter

Mitte. Es regt sich Widerstand. Nachdem schon der Beirat für Stadtgestaltung die so genannten Finca-Pläne der Celona-Gastro-GmbH am Schloßhof als unpassend abgelehnt hat, setzt sich nun auch ein neu gegründetes "Aktionsbündnis Schloßhof" für den Erhalt der Immobilie ein. In einem offenen Brief wird das deutlich ausgedrückt. Der ging an die Fraktionen im Stadtrat, an den Besitzer des Schloßhofs sowie den potenziellen Betreiber.

Das "Aktionsbündnis Schloßhof" unter dem Dach des "Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg" setzt sich unter anderem zusammen aus der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Pro Grün, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und dem Verein für Zeitgeschichte und regionale Erinnerungskultur.

Der Brief des Aktionsbündnisses richtet sich in erster Linie an die Krombacher-Brauerei als Besitzer und die Celona-Gastro- GmbH als baldigen Gastronomen des Schloßhofs. "Wir appellieren an Sie, diesen Ort der Erinnerung zu bewahren und ihn in seiner aktualisierten Nutzung zu integrieren." Hintergrund dieser Aufforderung ist die Sorge, dass das Gastro-Konzept ein Stück originäres Bielefeld zerstören könnte. Die Celona-Gastro will am Schloßhof eine "Finca" betreiben, wie in Essen und Nürnberg, mit südländischer Anmutung. Dafür wird ein Neubau bevorzugt. In Essen steht ein Finca-Gebäude. Das wurde dem Beirat für Stadtgestaltung präsentiert (die NW berichtete). "Jahrmarkt-Architektur" nennt Sigurd Prinz vom Beirat das Bauwerk aus Holz, Putzfassade und Naturstein. Als "völlig deplatziert für Bielefeld" fiel es in dem Gremium durch.

Das Aktionsbündnis bewertet die Lage ähnlich, argumentiert aber historisch statt architektonisch. Es nennt den Schloßhof "einen lebendigen Geschichtsort, der gleichermaßen über Strukturen im vormodernen Bielefeld, über adeliges Wohnen und Wirtschaften, über bürgerliche Freizeitkultur und vor allem über nationalsozialistische Gewaltherrschaft Zeugnis ablegt".

Man wisse, so die Verfasser des Briefes, dass eine wirtschaftliche Lösung für die Nutzung gefunden werden müsse. Das würde am schnellsten im Bestand möglich sein. Wegen des "hohen emotionalen Wertes" des Hauses sei bei Abriss und Neubebauung "mit zahlreichen Einwendungen zu rechnen".

Der Brief endet mit der Bitte, den Bestand zu erhalten. "Wir glauben, dass eine bauliche Lösung, etwa durch moderne Anbauten, den Charakter des Schloßhofs nicht beeinträchtigen und bei den Bürgern auf Akzeptanz stoßen wird."

Erste Reaktionen auch aus der Politik weisen darauf hin, dass es tatsächlich Widerstand gegen den Abriss geben würde. "Der muss vermieden werden", fordert Klaus Rees, Ratsherr der Grünen. "Nur weil das Gebäude formal nicht unter Denkmalschutz gestellt werden kann, heißt das nicht, dass es aus lokaler Sicht nicht diese Bedeutung hat", erklärt er. Zu einem Konflikt muss es aber nicht kommen. Die Celona-Gastro versprach gegenüber der NW "eine politisch korrekte Lösung zu finden", so Lars Klauke vom Unternehmen aus Oldenburg: "Wir wollen keinen Unmut erzeugen." Und: "Das Gebäude finden wir eigentlich gut."

Bildunterschrift: Fassade aus Putz, mit Naturstein-Schornstein und Holzveranda: So sieht die "Finca" in Essen aus, so soll sie nach dem Wunsch des Gastro-Unternehmens auch in Bielefeld an der Schloßhofstraße 73a aussehen. Für den Spielplatz soll ein Teil des Teiches zugeschüttet werden.

Bildunterschrift: Der Schloßhof heute: Das Gebäude steht seit beinahe zwei Jahren leer und ist renovierungsbedürftig.

Bildunterschrift: In Essen: Die Finca-Optik soll südliches Ambiente ausstrahlen. Für Bielefeld "unpassend", urteilen Stadtgestalter.

Kommentar / Kampf um den Erhalt des Schlosshofs / Schubladen-Neubau wäre unverzeihlich

Von Ansgar Mönter

Erst jetzt wird wirklich deutlich, wie gut es war, dass ein Bielefelder Gastronom den Schloßhof lange Zeit führte. Seitdem die Krombacher Brauerei die Immobilie nach dessen Insolvenz erwarb, droht dem Standort eines dieser gesichtslosen gastronomischen Betriebe, die es schon zuhauf im Land gibt.

Nicht erst seit der Starbucks-Eröffnung ist bekannt: Nationale oder internationale Ketten setzen einheimische Betreiber schwer unter Druck. Es ist okay, Geschäfte zu machen. Aber es ist fast immer ein Verlust für die Besonderheit der Stadt, wenn normierte Konzepte - ob inhaltlich oder architektonisch - umgesetzt werden. Vor allem beim Schloßhof wären Abriss und Schubladenentwurf-Neubau ärgerlich, wenn nicht sogar unverzeihlich. Das Anwesen ist auch ohne offizielle Denkmal-Plakette ein denkwürdiger Ort für viele Bielefelder.

Wenn die Neubesitzer Verantwortung beweisen wollen, betreiben sie ihre Gastronomie im Bestand, den sie nicht durch noch längeren Leerstand abrissreif vergammeln lassen.


ansgar.moenter@ihr-kommentar.de

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