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6 Artikel , 09.08.2022 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Jüdische Allgemeine Online, 09.08.2022:
Beschädigung von Denkmal für deportierte Juden in Freiburg

Jüdische Allgemeine Online, 09.08.2022:
Jugendlicher wegen antisemitischen Angriffs auf Mahnwache verurteilt

Focus Online, 09.08.2022:
Protest gegen Corona-Maßnahmen / "Kopfgeld" auf Polizisten: Hohe Strafe für bekannten Querdenker

die tageszeitung, 09.08.2022:
Berliner Polizei ist nicht mehr 99,9 Prozent lupenrein

die tageszeitung Online, 09.08.2022:
Skandal um rechte Chats in Hessen / Polizist warnte vor Ermittlungen

Neue Westfälische, 09.08.2022:
NRW prüft Antisemitismus in Polizei

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Jüdische Allgemeine Online, 09.08.2022:

Beschädigung von Denkmal für deportierte Juden in Freiburg

09.08.2022 - 17.10 Uhr

Das Geburtsdatum von Adolf Hitler wurde an die Mauer des Gedenkortes geschrieben

In Freiburg haben Unbekannte das Denkmal für die deportierten Juden an der Wiwili-Brücke beschädigt. Das Geburtsdatum von Adolf Hitler wurde an die Mauer des Gedenkortes geschrieben, wie die Polizei Freiburg am Dienstag bestätigte. Die Schmiererei sei am Wochenende bekannt geworden. Sie solle zeitnah entfernt werden.

Die Polizei ermittelt nun wegen Sachbeschädigung. Darüber hinaus werde gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft geprüft, ob weitere Strafvorschriften wie beispielsweise verhetzende Beleidigung betroffen seien. Im Februar sei das Denkmal bereits mit einem Hakenkreuz beschmiert worden, so die Polizei.

Nach Einschätzung des baden-württembergischen Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume handelt es sich bei den Schmierereien um Schändungen und eine antisemitische Straftat im Kontext von Hass-Kriminalität. Dem "Südwestrundfunk" sagte er, die in Stuttgart gegründeten Querdenker und auch der Sänger Xavier Naidoo hätten "diese Fixierung auf antisemitische Daten leider weit verbreitet".

Das Denkmal "Vergessener Mantel" an der Wiwili-Brücke zeigt einen Mantel aus Bronze und erinnert an die Deportation von Jüdinnen und Juden in das Lager Gurs in Südfrankreich im Oktober 1940. Rund 5.600 Juden aus Baden wurden in das Lager verschleppt. Die meisten von ihnen starben dort oder später im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. (kna)

Bildunterschrift: Blaue Brücke (Wiwili-Brücke).

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Jüdische Allgemeine Online, 09.08.2022:

Jugendlicher wegen antisemitischen Angriffs auf Mahnwache verurteilt

09.08.2022 - 18.54 Uhr

Die Strafe von einem Jahr und vier Monaten wird auf Bewährung ausgesetzt

Wegen eines brutalen Angriffs auf einen Teilnehmer einer Mahnwache gegen Antisemitismus und für den jüdischen Staat hat das Amtsgericht Hamburg einen 17-Jährigen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Er wurde der schweren Körperverletzung für schuldig befunden und der Beleidigung.

Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt, wie die Pressestelle am Oberlandesgericht am Dienstag mitteilte. Zu den Bewährungsauflagen gehören gemeinnützige Arbeit und ein Anti-Gewalt-Training.

Der 15 Jahre alte mitangeklagte Bruder des 17-Jährigen wurde wegen Beleidigung schuldig gesprochen. Er muss in Gesprächen mit der Jugendgerichtshilfe die Tat aufarbeiten und gemeinnützige Arbeit leisten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Angriff hatte sich am 18. September 2021 ereignet. Der ältere Bruder soll einem Versammlungsteilnehmer mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihn erheblich verletzt haben. Wegen des Alters der Angeklagten fand die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Vor dem Beginn der Verhandlung hatte das Opfer, ein 61-Jähriger, angegeben, er sei nach der Attacke drei Mal operiert worden. Sein Nasenbein, sein Jochbein und der Knochen unter einem Auge seien gebrochen gewesen. (dpa)

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Focus Online, 09.08.2022:

Protest gegen Corona-Maßnahmen / "Kopfgeld" auf Polizisten: Hohe Strafe für bekannten Querdenker

09.08.2022 - 14.00 Uhr

Das Amtsgericht Karlsruhe hat einen der aktivsten Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen zu 10.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Grund: Klaus Peter Schimmelpfennig (62) hatte eine hohe Belohnung für Hinweise auf mögliche Straftaten von Polizisten ausgesetzt.

Hohe Strafe für einen der aktivsten Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen in Deutschland, der ein "Kopfgeld" auf Polizisten ausgesetzt hatte: Das Amtsgericht Karlsruhe verurteilte Klaus Peter Schimmelpfennig (62) wegen Beleidigung in zwei Fällen und übler Nachrede in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 10.000 Euro (200 Tagessätze zu je 50 Euro).

Schimmelpfennig gilt als ein enger Verbündeter des mittlerweile verhafteten Gründers der Querdenken-Bewegung, Michael Ballweg. Er soll ihn mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt haben. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Schimmelpfennig bei drei öffentlichen Protestveranstaltungen gegen die staatliche Corona-Politik ein "Kopfgeld" auf Polizisten ausgelobt hatte.

50.000 Euro Belohnung für Hinweise auf Polizisten-Straftaten

Mit der Prämie in Höhe von jeweils 50.000 Euro wollte der Querdenker Hinweisgeber belohnen, die ihm Dienstvergehen oder Straftaten der Beamten melden. Die Informationen sollten dem 62-Jährigen dazu dienen, die Polizisten juristisch verfolgen und aus dem Amt entfernen lassen.

"Die Auslobungen konnten im Gesamtkontext jeweils nicht anders verstanden werden, als dass entweder der jeweilige Polizist bereits in der Vergangenheit erhebliche Straftaten begangen hat oder in Zukunft weitere erhebliche Straftaten begehen wird, die sogar zu seiner Entlassung führen könnten", sagte Julia Kürz, Vizedirektorin des Amtsgerichts Karlsruhe auf Anfrage von Focus Online zur Begründung des Urteils.

Gericht: "Persönliche Diffamierung der Polizeibeamten"

"Der Beweis, dass die jeweiligen Polizisten erhebliche Straftaten begangen haben, wurde nicht erbracht. Es bestanden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall war beziehungsweise sein könnte."

Kürz stellte klar: "Bei der Auslobung der jeweiligen Belohnung handelte es sich auch nicht um jeweils durch die Meinungsfreiheit gedeckte, berechtigte - auch harsche - Kritik - etwa an polizeilichen Maßnahmen oder den Corona- Maßnahmen der Regierung. Im Vordergrund stand vielmehr die persönliche Diffamierung der jeweiligen Polizeibeamten."

Verteidiger: Geld-Auslobung war keine üble Nachrede

Die Verteidigung sieht das völlig anders und hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. "Bei dieser Denkweise des Gerichts würden sich Generationen von Juristen, begonnen bei den Verfassern des Strafgesetzbuches, im Grabe herumdrehen", sagte der Rechtsanwalt des Angeklagten, Frank Hannig, zu Focus Online.

Laut Gesetz mache sich jemand der üblen Nachrede strafbar, der "eine Tatsache behauptet", mit der ein anderer verächtlich gemacht wird. "Die Auslobung ist aber gerade keine Tatsachenbehauptung, sondern der Aufruf, gegen Belohnung Tatsachen zu ermitteln, falls es solche gibt", so Hannig. "Das Gericht hätte Rechtsgeschichte schreiben können. Es hat es vorgezogen, auf dem Altar des politischen Mainstreams und des moralischen Zeitgeists die Prinzipien des Strafrechts zu opfern." Den nächsten Instanzen bleibe es überlassen, "das Strafrecht vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen".

Polizeibeamte beleidigt: "Vollpfosten" und "Heil Führer"

Als Beleidigungen wertete das Gericht zwei Verbal-Angriffe auf Polizisten. So hatte Schimmelpfennig einen Polizeibeamten als "Vollpfosten" bezeichnet. In einem anderen Fall - bei einer Anti-Corona-Maßnahmen-Versammlung in Rheinstetten - hatte er einen Polizisten über Mikrofon mit "Heil Führer" angesprochen.

Mit Blick auf die Verurteilung wegen übler Nachrede und Beleidigung hat das Gericht die Verfolgung von vier weiteren angeklagten Straftaten eingestellt. Dabei ging es um Verstöße nach dem Versammlungsgesetz.

Der in einer Gemeinde zwischen Karlsruhe und Pforzheim lebende Schimmelpfennig hat seit Ende 2020 mehrere Kundgebungen gegen den Regierungskurs zur Eindämmung des Virus sowie "Abendspaziergänge" organisiert.

Dabei wetterte er immer wieder gegen die Grundrechts-Einschränkungen durch Anti-Corona-Maßnahmen und beklagte einen zunehmenden Demokratie-Verlust. Er behauptete, in Deutschland herrschten "präfaschistische Zustände". Aufforderungen von Polizisten, während genehmigter Veranstaltungen einen Mund-Nase-Schutz zu tragen und Mindestabstände einzuhalten, geißelte er als "Schikane-Maßnahmen".

Razzia in Wohnung: Querdenker spricht von "Terror-Aktion"

Für Aufsehen in der Szene sorgte eine Razzia in Schimmelpfennigs Wohnhaus, die er als "Terror-Aktion" einstufte. Am 25. Mai 2022, frühmorgens um sechs, drang eine Sondereinheit der Polizei mit einem Rammbock durch die Terrassentür ein, brach Schränke auf, durchwühlte Betten und Schreibtische. Laut richterlichem Beschluss suchten die Beamten nach Beweisen für einen vermuteten "Verstoß gegen das Kunsturheberrechtsgesetz".

Schimmelpfennig soll in seinem Telegram-Blog das Foto eines Polizisten veröffentlicht haben, der im Juli 2021 in Göttingen brutal gegen einen Mann vorgegangen war. Kurz nach der Hausdurchsuchung, bei der auch Schimmelpfennigs Computer und Mobiltelefone beschlagnahmt wurden, schimpfte der Beschuldigte in einem Internet-Video, die rund 15 Beamten hätten "gewütet", die Vorwürfe seien "an den Haaren herbeigezogen".

Sein Telegram-Kanal, für den man ihm die Rechte als Administrator entzog, sei "vom Staatsschutz gekapert" worden. Er fragte: "In welchem Land lebt man jetzt hier?" Schimmelpfennig betreibt den Telegram-Blog "Grundrechte_jetzt" und eine gleichnamige Internetseite.

Bildunterschrift: Brüder im Geiste: Klaus Peter Schimmelpfennig bei einem "Corona-Protest", Michael Ballweg, Initiator der Initiative "Querdenken".

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die tageszeitung, 09.08.2022:

Berliner Polizei ist nicht mehr 99,9 Prozent lupenrein

106 aktive Polizisten in Berlin stehen unter Rechtsextremismus-Verdacht / Die Zahl ist auf dem höchsten Stand seit Beginn der Erfassung / Senat sieht dennoch kein "flächendeckendes Problem im Berliner Landesdienst"

Von Erik Peter

Gegen 106 aktive Berliner Polizistinnen, Polizisten besteht der Verdacht einer rechtsextremen Einstellung. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Abgeordneten Tommy Tabor hervor. Laut Finanzstaatssekretärin Jana Borkamp (Grüne), die die Anfrage im Auftrag des Senats beantwortete, seien zu allen Fällen Strafermittlungsverfahren beziehungsweise Prüffälle eingeleitet worden.

Bekannt sind den Behörden demnach 94 Beamtinnen, Beamte und 12 Tarifbeschäftigte, die unter Rechtsextremismus-Verdacht stehen; hinzu kommen fünf ehemalige Polizistinnen, Polizisten. Die Zahlen haben sich damit innerhalb von anderthalb Jahren etwa verdoppelt. Ende 2020 liefen noch 47 Disziplinarverfahren gegen Polizistinnen, Polizisten wegen des Verdachts auf rechtsextreme oder rassistische Äußerungen sowie 24 Strafverfahren wegen rechtsextremistischer Vorfälle.

Damals hatten Polizeipräsidentin Barbara Slowik und zuvor auch der ehemalige Innensenator Andreas Geisel (SPD) unisono betont, dass 99,9 Prozent der Beschäftigten bei der Polizei fest auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. Mit den neusten Zahlen lässt sich dies nicht mehr halten. Bei 26.000 Beschäftigten der Polizei sind 106 Verdachtsfälle bereits 0,4 Prozent. Bleiben maximal 99,6 Prozent, die bislang nicht wegen verfassungsfeindlicher Tendenzen aufgefallen sind. Der Senat stellt dennoch fest: "Ein flächendeckendes Problem mit rechtsextremistischen Bestrebungen im Berliner Landesdienst konnte nicht festgestellt werden."

Bei 26.000 Beschäftigten der Polizei sind 106 Verdachtsfälle bereits 0,4 Prozent

Fälle von politischem Extremismus innerhalb der Polizei werden erst seit wenigen Jahren überhaupt statistisch erfasst. Für die Bearbeitung bekannt gewordener Fälle und die Bekämpfung rechtsextremistischer Tendenzen ist seit vergangenem Frühjahr die fünfköpfige Ermittlungsgruppe Zentral zuständig. Slowik hatte anlässlich deren Einsetzung gesagt: Wenn der Polizei vorgeworfen werde, in den eigenen Reihen auf dem rechten Auge blind zu sein, sei das "auch eine Gefahr für unsere Integrität und das Vertrauen in uns".

Zu den Grundlagen der Arbeit der EG Zentral gehört unter anderem ein 11-Punkte-Plan zur Vorbeugung und Bekämpfung von möglichen extremistischen Tendenzen, den Geisel und Slowik angesichts diverser Skandale im Sommer 2020 vorgestellt hatten und der nun "zum Tragen" komme. Ziel sei es, so geht aus der Antwort auf die Anfrage hervor, "Dienstkräfte, die nicht mehr vollumfänglich auf dem Boden der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung stehen, aus dem Beamten- bzw. Arbeitsverhältnis zu entfernen bzw. zu entlassen".

In einer zweiten Anfrage wollte der AfD-Abgeordnete Tabor auch Auskunft über die Gefahr durch linksextremistische Personen im öffentlichen Dienst erlangen. Demnach ist ein Tarifbeschäftigter bekannt, gegen den ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Der Senat schreibt: "Ein Problem mit Linksextremismus im Berliner Landesdienst konnte nicht festgestellt werden."

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die tageszeitung Online, 09.08.2022:

Skandal um rechte Chats in Hessen / Polizist warnte vor Ermittlungen

Die Sondersitzung im hessischen Landtag deckt auf, dass Vorgesetzte der Polizei zum Löschen problematischer Chats rieten. Die Opposition ist entsetzt.

Christoph Schmidt-Lunau

Wiesbaden (taz). Bei der Sondersitzung des Innenausschusses im Hessischen Landtag am Dienstag ließ sich Innenminister Peter Beuth (CDU) am Dienstag durch seinen Staatssekretär vertreten. Nach Meinung der Oppositionsabgeordneten ist das ein Zeichen dafür, dass er den Ernst der Lage nicht erkannt habe.

Immerhin zieht der Skandal um neue rechte Chats bei der Frankfurter Polizei weite Kreise. Drei Vorgesetzte sind suspendiert, weil sie zur Vertuschung und Strafvereitelung im Amt beigetragen haben sollen. Insgesamt sind mittlerweile fünf Polizeibeamte suspendiert worden. Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt ermitteln. Er vertrete den Minister, weil der "mit einem privaten Thema beschäftigt" sei, sagte Innenstaatssekretär Stefan Sauer, ebenfalls CDU, und arbeitete vor dem Ausschuss die zahlreichen Fragen der Abgeordneten ab. Danach stellen sich die Fakten wie folgt dar.

In diesem neuerlichen Verfahren wegen rechter Chat-Inhalte bei der hessischen Polizei wurden bereits am 22. Mai dieses Jahres erste verdeckte Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten des Frankfurter Polizeipräsidiums aufgenommen. Anlass war eine Anzeige beim Ansprechpartner der Polizei im Ministerium: Ein Vollzugsbeamter hatte den Hinweis gegeben, dass ein Kollege in einer Chat-Gruppe in den Jahren 2007 und 2008 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen geteilt habe, also Hakenkreuze und andere NS-Symbole.

Alle Brandmauern haben nicht gehalten

Zwei Monate später, im Juli dieses Jahres, erfuhren der Leiter einer Fahndungsgruppe und ein Dienststellenleiter im Frankfurter Polizeipräsidium von dem Vorgang. Statt die verdeckten Ermittlungen geheim zu halten und gegebenenfalls zu unterstützen, warnten die beiden Vorgesetzten ihre Untergebenen vor den Ermittlungen mit der Aufforderung, ihre Handys zu säubern und problematische alte Chats umgehend zu löschen. Wie viele Kolleginnen, Kollegen sie gewarnt haben, ist nicht bekannt.

Tippgeber der beiden Vorgesetzten war ausgerechnet der für Amtsdelikte zuständige Amtsleiter, der eigentlich Verantwortung für korrekte interne Ermittlungen trägt. Wie der von dem Vorgang erfahren hatte, ist bislang nicht bekannt. Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller sprach vor dem Innenausschuss denn auch von einem "sehr ernsten Vorgang", der ihn betroffen mache. Bei den beschuldigten Vorgesetzten habe es offensichtlich eine Schieflage gegeben, zwischen der professionellen Distanz und der persönlichen Nähe und Verbundenheit zwischen Kolleginnen, Kollegen. Müller versicherte, dass die erneuten Vorgänge ernst genommen würden und bereits zu Konsequenzen in dem von ihm geleiteten Präsidium geführt hätten.

Der Abgeordnete der Linkspartei im Landtag, Torsten Felste­hausen, stellte fest, quer durch das Frankfurter Polizeipräsidium hätten offenbar alle Brandmauern, die gezielt gesetzt worden seien, nicht gehalten. Er erneuerte seine Forderung nach einem unabhängigen Ansprechpartner für Polizeibedienstete und ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern. Der FDP-Abgeordnete Stefan Müller sprach von einer neuen Dimension der Probleme in der hessischen Polizei. Er regte eine komplette Überprüfung der Strukturen für interne Ermittlungen in der Polizei an; möglicherweise müsse externe Unterstützung hinzugezogen werden, so der Liberale.

Die Landtagsopposition beklagt, dass die Forderung nach einer vom Apparat unabhängigen Anlaufstelle für Polizeibeamte seit Jahren nicht realisiert werde. Die schwarz-grüne Regierungskoalition hatte beschlossen, für diese Aufgabe ein neues Amt zu schaffen. Ein Bürger- und Polizei-Beauftragter soll künftig in Hessen kritischen Hinweisen aus Amtsstuben und aus der Bevölkerung nachgehen, doch die Regierungsparteien tun sich schwer mit der Besetzung der Stelle.

Im Sommer nominierten sie den Hamburger Polizei-Wissenschaftler Rafael Behr für die neue Position. Im Oktober sagte er wegen gesundheitlicher Probleme ab. Das Amt ist nach wie vor unbesetzt.

Bildunterschrift: Hessens Innenminister Peter Beuth.

Schickte am Dienstag lieber seinen Staatssekretär vor: Hessens Innenminister Peter Beuth.

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Neue Westfälische, 09.08.2022:

NRW prüft Antisemitismus in Polizei

Sicherheitsbehörden würden Taten häufiger verharmlosen, sagt die zuständige Landesbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger /
Nun fordert sie eine unabhängige Studie

Florian Pfitzner

Düsseldorf. Die nordrhein-westfälische Antisemitismus-Beauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat eine Überprüfung judenfeindlicher Klischees bei der Polizei gefordert. In einem Gespräch mit dieser Zeitung sagte Leutheusser-Schnarrenberger, sie halte es für "angemessen, dass die Länder mit Blick auf antisemitische Stereotypen bei den Sicherheitsbehörden eine unabhängige Studie in Auftrag geben". In diesem Punkt sieht die FDP-Politikerin "gesellschaftlich noch Nachholbedarf".

Antisemitismus bei der NRW-Polizei ist zuletzt im Kontext der rechtsextremen Chat-Gruppen offengelegt worden. "Das Innenministerium hat mich und mein Büro während der Untersuchung dieser Vorfälle stetig informiert", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Innerhalb wie außerhalb der Sicherheitsbehörden würden antisemitische Aussagen und Taten aber "häufiger nicht erkannt oder entsprechend gewichtet, wenn Anzeigen aufgenommen oder Ermittlungen durchgeführt werden", sagte sie. Die ehemalige Bundesjustizministerin hat in den vergangenen Jahren eine zunehmende Aufmerksamkeit bei der Polizei festgestellt. Allerdings sei es aus ihrer Sicht "notwendig, dass in stetigen Weiterbildungen auch neue und aktuelle Erscheinungsformen des Antisemitismus bekanntgemacht werden".

Als jüngstes Beispiel nannte Leutheusser-Schnarrenberger "die bundesweit seit 2021 stärker wahrzunehmenden gelben Sterne mit der Aufschrift "Ungeimpft" bei Demonstrationen". Es sei entscheidend, dass "Beamtinnen und Beamte vor Ort in der Lage sind, solche Motive einordnen zu können".

Der Politikwissenschaftler Markus End von der TU Berlin hatte in einem Pressegespräch zu "Rassismus und Antisemitismus bei der Polizei" gesagt, dass rassistische und antisemitische Vorfälle in den seltensten Fällen durch Fortbildungen verhindert werden könnten. "Rechtsextreme Polizistinnen und Polizisten werden sich von entsprechenden Akademiker-Referaten nicht überzeugen lassen", sagte End. Das Kernproblem sei institutioneller Rassismus, auch in Ausländerbehörden und Arbeitsagenturen.

Laut einer Recherche des "Mediendienst Integration" leisten die Polizeibehörden von Bund und Ländern zu wenig, um Rassismus und Antisemitismus in den eigenen Reihen entgegenzuwirken. Demzufolge zählen nur in fünf Bundesländern sensibilisierende Schulungseinheiten zu Rassismus und Antisemitismus zum festen Bestandteil der Polizeiausbildung.

"Wer nicht klar dagegen hält, läuft am Ende mit"

Dazu gehören Module etwa zum Thema "Racial Profiling", also wenn Menschen allein wegen ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale polizeilich kontrolliert werden. Nur Berlin, Thüringen und das Saarland habe diese Module verankert, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg zumindest ansatzweise. In den übrigen Ländern sowie bei der Bundespolizei stehen solche Schwerpunkte laut der Recherche hingegen nicht auf dem Lehrplan.

Unabhängige wissenschaftliche Studien zu Rassismus bei der Polizei gebe es bislang in drei Bundesländern: in Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Referentinnen und Referenten für Antidiskriminierung fehlen dem "Mediendienst Integration“"zufolge in den meisten Landespolizeien und bei der Bundespolizei. Die Ausnahmen seien die Hansestadt Bremen, Schleswig-Holstein sowie das Polizeipräsidium in Frankfurt am Main.

Der SPD-Politiker Christian Dahm sieht kein strukturelles Antisemitismus- oder Rassismus-Problem bei der nordrhein-westfälischen Polizei. "Im Übrigen auch nicht unter Feuerwehrleuten oder Rettungskräften", sagte der Landtagsabgeordnete aus Herford. "Wir nehmen aber die Einzelfälle unter den Polizisten wahr, dagegen muss man konsequent vorgehen."

Werden Fälle aus dem Kollegenkreis angezeigt, gelte man häufig als "Nestbeschmutzer", kritisierte der Politikwissenschaftler End. SPD-Vizefraktionschef Dahm, gelernter Polizeihauptkommissar, hält diese Haltung für grundfalsch: "Kollegen müssen dagegenhalten, wenn sie Zeugen rassistischer oder antisemitischer Ausfälle werden", sagte er. "Wer nicht klar dagegen hält, läuft am Ende mit."

Obwohl Dahm in den vergangenen Jahren einen Wandel festgestellt hat, spricht er sich ebenfalls für eine unabhängige Studie zu Rassismus und Antisemitismus bei der Polizei aus. "Die Frage ist, wie ehrlich in dieser Studie geantwortet wird und wie tragfähig die Ergebnisse sind."

Was Antisemitismus bedeutet

2017 hat die Bundesregierung diese Definition übernommen: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und / oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein."

Bildunterschrift: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, seit November 2018 die Antisemitismus-Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen.

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