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Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier , 06.08.2022 :

Ein Soziologe mit Nazi-Parolen

Der 41-jährige Bad Oeynhausener soll aus dem Fenster seiner Wohnung laut rassistische und antisemitische Beleidigungen gerufen haben / Eine Passantin rief die Polizei

Ulf Hanke

Bad Oeynhausen. Der Angeklagte hinterlässt mit seinem Auftritt vor Gericht den Eindruck, als wäre er aus der Zeit gefallen. Auf dem Kopf trägt er eine frühneuzeitliche Gelehrten-Mütze und sein Gewand erinnert eher an ausgesuchte Mittelalter-Märkte als an postmoderne Stangenware. "Meine Intention war, Fröhlichkeit in die Welt zu tragen", sagt der 41-jährige Bad Oeynhausener, als der Richter ihn auffordert, Stellung zur Anklageschrift zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Volksverhetzung und die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole vor.

Er soll Mitte Mai das Fenster seiner Wohnung geöffnet und Nazi-Parolen nach draußen gerufen haben. Die Patientin einer Klinik von nebenan wurde hellhörig. Sie rief die Polizei, weil sie sofort an eine psychische Erkrankung dacht, erzählt sie vor Gericht. Der Angeklagte lacht auf, als sie das sagt. Die Zeugin hat den Mann zwar nicht gesehen, aber gehört. Er soll in einem Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch "sehr laut, aber sehr deutlich" üble Beleidigungen und Kraftausdrücke gerufen haben. Die Zeugin erinnert sich an Nazi-Parolen und Beleidigungen wie "fuck Farbige" und "Scheiß Juden".

Der Angeklagte verteidigt sich selbst, kann sich aber nicht mehr an die Einzelheiten dieses Tages erinnern. "Das war ein Tag unter Drogen", erzählt er dem Richter. Er vermute, dass der Staatsanwalt den Samstag, 14. Mai, meine. Zwei Polizisten hätten da plötzlich vor seiner Tür gestanden. Er habe viel Alkohol getrunken und angefangen zu singen. Später habe er an einem Supermarkt weiteren Alkohol gekauft und weiter gesungen. "Ich wollte mich mental aufbauen", sagt er.

"Ich fühle mich der wissenschaftlichen Methode verpflichtet"

Er habe damals viel Frust durch die Maßnahmen der Pandemie und den Tod seines Vaters erlebt. "Er war der einzige Bezugspunkt in meinem Leben." Durch die Kriegsgefahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, "das Säbelrasseln" und "die Hyperinflation" habe er "die Contenance verloren".

Der Richter hakt nach und verweist auf den Polizei-Bericht. Demnach hat der Angeklagte zwar Alkohol getrunken, aber sich auf Nachfrage klar ausdrücken können. "Wieso sind diese Äußerungen gefallen?", fragt der Richter und der Angeklagte sagt: "Das kann ich nicht 100-prozentig sagen. Unabhängig davon denke ich konträr." Er sei an diesem Tag stark alkoholisiert gewesen. Außerdem nehme er gelegentlich Cannabis, abhängig sei er aber nicht. "Die Vorstellung von Drogenabhängigkeit existiert erst seit 100 Jahren", belehrt er den Richter. Er habe sich in seinem Studium der Soziologie damit beschäftigt. "Im Bereich Soziologie wollten Sie nicht arbeiten?", fragt der Richter und der Angeklagte verneint: "Nicht an der Uni. Ich fühle mich aber der wissenschaftlichen Methode verpflichtet inklusive sämtlichen Tatbeständen wie dem Faschismus."

Weil die beiden Polizisten als Zeugen nicht zum Gerichtstermin erscheinen, setzt der Richter einen Fortsetzungstermin an. Der Angeklagte will wissen, worauf er sich einstellen muss, und erfährt: 90 bis 150 Tagessätze sind der Strafrahmen für Volksverhetzung und das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole. "Kann ich mich nicht auf die Kunstfreiheit berufen?", fragt der Angeklagte und der Richter schüttelt den Kopf. Der Staatsanwalt hat das Rededuell verfolgt und erwägt, ob er von einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgehen soll. Der Prozess soll am 23. August fortgesetzt werden.

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Am 23. August 2022 wird vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen der Prozess gegen einen 41-jährigen Bad Oeynhausener wegen Volksverhetzung sowie wegen Verwendens verfassungswidriger Symbole fortgesetzt.

Am 5. August 2022 begann vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen der Prozess - gegen einen 41-jährigen Bad Oeynhausener - wegen Volksverhetzung, sowie wegen des Verwendens verfassungswidriger Symbole.

Am 14. Mai 2022 soll ein 41-jähriger Mann in Bad Oeynhausen das Fenster seiner Wohnung geöffnet und antisemitische und rassistische Parolen ("Scheiß Juden" und "fuck Farbige") nach draußen gerufen haben.

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06./07.08.2022

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