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Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier , 03.08.2022 :

Corona-Protestler vor Gericht

Ein 40-jähriger Bad Oeynhausener steckt nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hinter dem Kurstadt-Protest gegen die Corona-Politik / Doch der widerspricht

Ulf Hanke

Bad Oeynhausen. Die Lichterspaziergänge quer durch die Kurstadt während der Hochphase der Corona-Krise haben ein erstes Nachspiel vor Gericht. Polizei und Ordnungsamt haben einen Rädelsführer des Corona-Protests ausgemacht, der sich seit Dienstag vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat den Mann wegen "Organisation unangemeldeter Corona-Protestmärsche" angeklagt und ist überzeugt davon, dass der 40-Jährige auf die Lichter-Spaziergänger eingewirkt und die Route vorgegeben hat. Der Angeklagte widerspricht dieser Darstellung.

Die Vorwürfe der Strafverfolger beschränken sich auf fünf unangemeldete Corona-Proteste in Bad Oeynhausen zwischen dem 31. Januar und dem 21. Februar, bei denen der Angeklagte jeweils mit einer Petroleumlampe vorweg gelaufen sein soll.

Während der Hochphase der Corona-Krise waren Demonstrationen und Versammlungen im öffentlichen Raum nur unter Hygiene-Auflagen und mit Schutzmasken und Abstandsregeln erlaubt, fanden aber trotzdem bundesweit statt.

Das Versammlungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen schreibt eine Anmeldung von Versammlungen zur Meinungsäußerung im öffentlichen Raum durch einen Versammlungsleiter vor. Die Corona-Proteste erlebten am Montag, 3. Januar 2022, einen Höhepunkt, als eine Gruppe von Lichter-Spaziergängern vor das Haus von Landrätin Anna Bölling (CDU) ziehen wollte. Der Bad Oeynhausener Bürgermeister Lars Bökenkröger sah sich bereits im Dezember wegen seines Aufrufs zur Schutzimpfung mit Mordfantasien aus dem Umfeld der Quer- und Freidenker-Szene konfrontiert.

Auch in Bad Oeynhausen versammelten sich im Winter am mehreren Wochentagen Menschen zum Protest gegen die Corona-Politik. Die Lichter-Spaziergänge waren allesamt nicht angemeldet, die Gegendemonstrationen schon, sie fanden unter Auflagen statt. Die Lichter-Spaziergänger zeigten sich dagegen absichtlich ohne Masken und machten sich mit Scharade und Mimikry einen Spaß daraus, gegenüber den Behörden auf Tauchstation zu gehen.

Bis heute verabreden sich aber immer noch Menschen, um mit gemeinsamen Spaziergängen zu protestieren. Diese Sommer-Spaziergänge geschehen teilweise unterm Radar der Polizei Minden-Lübbecke. Nach Auskunft von Polizei-Pressesprecher Thomas Bensch ist die Polizei zwar in Minden und Espelkamp weiterhin präsent, in Bad Oeynhausen verzeichnete die Kreispolizei aber den letzten Corona-Spaziergang am Montag, 30. Mai, mit 15 Teilnehmern.

Corona-Protest – unterm Radar der Behörden

Nach Informationen der NW trifft sich jedoch auch in Bad Oeynhausen weiter regelmäßig ein harter Kern von Impfgegnern und Corona-Politik-Gegnern, der regelmäßig durch und um den Kurpark herum spazieren geht.

Ob der Angeklagte bei diesem fortgesetzten Kurstadt-Corona-Protest dabei ist, ist unklar. Das erste Schreiben in seiner Strafsache hat er dem Gericht ungeöffnet zurückgeschickt und den Umschlag mit Anmerkungen versehen. Der Richter hält den Brief hoch, sodass ihn die etwa zehn interessierten Zuschauer aus dem Umfeld des Angeklagten sehen können. Den zweiten Brief des Gerichts hat der Angeklagte aber geöffnet und verteidigt sich nun selbst. Er habe, erklärt er, sich von einem Anwalt zuvor beraten lassen. Dem Richter überreicht er einige schriftliche Urteile zur weiteren Lektüre. Die Dienste eines Anwalts will der Angeklagte jedoch erst in zweiter Instanz in Anspruch nehmen.

Mit der Anklage des Staatsanwalts ist der Angeklagte überhaupt nicht einverstanden. "Ich habe nichts angeführt", sagt er. Weder sei er Rädelsführer, noch Versammlungsleiter, im Gegenteil: "Die Polizei wollte gegen mich vorgehen." In einem Fall habe er nur einer Asthmatikerin helfen wollen, die vom Ordnungsamt dazu verdonnert worden sei, eine Corona-Schutzmaske zu tragen. "Meiner Meinung nach ist das Nötigung und versuchte Körperverletzung durch das Ordnungsamt." Als er das den Polizisten klar machen wollte, habe er die Strafanzeige bekommen. Der Angeklagte findet auch nicht, dass er als Versammlungsleiter erkennbar gewesen wäre. "Ich bin einfach spazieren gegangen." Zwei Einsatzleiter der Polizei sehen das ganz anders. Der erste erklärt, dass er den Angeklagten wiederholt an der Spitze des Bad Oeynhausener Protestzuges durch die Innenstadt erkannt hat. Und zwar an dessen gut sichtbarer Petroleum-Leuchte, hinter der zahlreiche Menschen herliefen. "Die anderen hatten Lichterketten und Kerzen, das war nicht so auffällig." Die Spaziergänger hätten keine Parolen gerufen und keinen Kontakt zu Außenstehenden gesucht, sie seien "einfach ihren Weg gegangen", so der Polizist.

Der Richter will deshalb wissen, ob der Einsatzleiter nur mit dem Angeklagten gesprochen habe, was der verneint. "Der Angeklagte ist aber von sich aus auf mich zugekommen und hat erklärt, er habe keine Verantwortung."

Ist die Lampe ein Kennzeichen des Rädelsführers?

Als der Angeklagte von dem Polizisten wissen will, ob die Lichterketten der anderen Spaziergänger nicht auffälliger als seine Petroleumlampe seien, erwidert der Richter: "Bringen sie die Lampe doch einfach nächstes Mal mit, dann sehen wir’s ja." Die Zuschauer finden das witzig, eine Frau aus der zweiten Reihe im Publikum offenbar so sehr, dass der Richter sie des Saales verweist.

Ein zweiter Einsatzleiter der Polizei hat keine Petroleumlampen gesehen, aber er schildert das Verhalten des Angeklagten bei einer Masken-Kontrolle des Ordnungsamts. "Der Angeklagte hat das Wort geführt", sagt der Polizist und anderen Lichter-Spaziergängern Ratschläge gegeben, Bußgeldbescheide "am besten zu ignorieren". Das habe er so gewertet, dass der Angeklagte sich für die Versammlung verantwortlich empfinde, so der Polizist. Eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes bestätigt, dass der Angeklagte meist mit Petroleumlampe, aber ohne Atemschutz vorweg gelaufen sei. Nachdem die Polizei festgestellt habe, dass es sich um eine unangemeldete politische Versammlung handelt, habe das Ordnungsamt damit begonnen, Ordnungswidrigkeitsanzeigen zu schreiben. Auch gegen den Angeklagten. Der habe dann meist angefangen zu diskutieren. Was er dabei sagte, wisse sie aber nicht.

Der Prozess wird vermutlich an zwei weiteren Terminen, zunächst am Donnerstag, 18. August, fortgesetzt.

Bildunterschrift: Der Corona-Protest in Bad Oeynhausen spazierte im Januar noch mit Lichtern durch Innenstadt und Kurpark.

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Am 18. August 2022 wird am Amtsgericht Bad Oeynhausen der Prozess gegen einen Corona-Leugner, als "faktischer Versammlungsleiter" - vom 31. Januar bis 21. Februar 2022 in Bad Oeynhausen - fortgesetzt.

Am 2. August 2022 begann beim Amtsgericht Bad Oeynhausen der Prozess gegen einen Corona-Leugner, als "faktischer Versammlungsleiter", zwischen dem 31. Januar und 21. Februar 2022, in Bad Oeynhausen.

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