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Pressespiegel vom 14. Februar 2020 bis 20. September 2021: 199 Artikel , 09.02.2024 :

Prozess gegen die "Gruppe S." vor dem OLG Stuttgart

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www.prozessbeobachtung.org

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Zusammenfassung:


Am 6. Mai 2021 durchsuchen Polizeikräfte in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen sowie Thüringen Wohnungen und andere Räumlichkeiten, mutmaßlicher weiterer Mitglieder der terroristischen "Gruppe S.".

Am 13. April 2021 wurde beim OLG Stuttgart der Prozess gegen die terroristische Vereinigung "Gruppe S.", auch gegen die Akteure Thomas Niemann (einer der Haupttäter) und Markus Krüper aus Minden eröffnet.

Am 4. November 2020 hat die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart Anklage, gegen "elf mutmaßliche Mitglieder" - so wie "einen mutmaßlichen Unterstützer" der "Gruppe S.", erhoben.

Am 13. Juli 2020 wurde der am 14. Februar 2020 in Porta Westfalica - wegen mutmaßlicher Unterstützung der terroristischen Vereinigung "Gruppe S." - verhaftete Ulf Rösener tot in der JVA Dortmund aufgefunden.

Am 14. Februar 2020 wurden zwölf Neonazis der in Alfdorf gegründeten "Gruppe S." beziehungsweise "Der harte Kern", dabei Thomas Niemann, Markus Krüper, Minden; Ulf Rösener aus Porta Westfalica, verhaftet.

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Veröffentlichungen:


Stuttgarter Nachrichten Online, 20.09.2021:
Rechtsterrorismus / Verteidiger: Polizei ermittelte schlampig gegen Gruppe S.

Westdeutscher Rundfunk Köln, 06.08.2021:
Terror-Prozess Gruppe S.: Weiterer Angeklagter frei

Spiegel Online, 15.07.2021:
Kronzeuge im Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Der "Geheimagent" mit problematischer Biografie

Stuttgarter Nachrichten Online, 13.07.2021:
Prozess in Stuttgart zu Rechtsterrorismus / Wer ist Paul-Ludwig U.?

Westdeutscher Rundfunk Köln, 09.06.2021:
Prozess um Terror-Gruppe S.: Drohungen gegen Polizei-Informanten

Radio Westfalica, 20.05.2021:
Rechte "Gruppe S." plante wohl Terroranschlag in Bielefeld

Radio Bielefeld, 20.05.2021:
Bielefelder Moschee soll Anschlagsziel rechter Gruppe S. gewesen sein

Mindener Tageblatt, 20.05.2021:
Terror-Prozess führt nach OWL

Neue Westfälische, 20.05.2021:
Terror-Prozess führt nach OWL

Westfalen-Blatt, 20.05.2021:
Moschee als Terror-Ziel?

Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt, 20.05.2021:
Planten Terroristen Anschlag in Bielefeld?

Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt, 20.05.2021:
Bielefeld: War eine Bielefelder Moschee ein Terror-Anschlagsziel?

Neue Westfälische Online, 19.05.2021:
Plante die "Gruppe S." einen Anschlag auf eine Moschee in Bielefeld?

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 18.05.2021:
Terror-Prozess: Anschlag auf Bielefelder Moschee geplant?

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 11.05.2021:
Terror-Prozess Gruppe S.: Vorwürfe gegen Justiz und Polizei

Spiegel Online, 11.05.2021:
Angeklagter in Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Angeblich nur "Kneipen-Nazis"

die tageszeitung Online, 06.05.2021:
Vorwurf rechtsextremer Terror-Pläne: Razzien beim "Harten Kern"

Spiegel Online, 06.05.2021:
Gruppierung "Der harte Kern" / Razzia wegen Terror-Verdachts

Stuttgarter Nachrichten Online, 06.05.2021:
Mutmaßliche Rechtsterror-Gruppe / Durchsuchungen bei der Gruppe S.

Süddeutsche Zeitung Online, 27.04.2021:
Nazi-Parolen, Germanenkult, Corona-Leugnung / Das rechtsextreme Netzwerk ist intakt

Spiegel Online, 27.04.2021:
Angeklagter in Terror-Prozess / "Hä? Geht`s hier nicht ums Mittelalter?"

Süddeutsche Zeitung Online, 27.04.2021:
Prozess gegen "Gruppe S." / "Ich bin davon ausgegangen, dass es was mit Mittelalter zu tun hat"

die tageszeitung Online, 27.04.2021:
Prozess gegen "Gruppe S." / Ein unwissender Mittelalter-Fan?

Neue Westfälische Online, 27.04.2021:
Rechtsterrorismus / Mann aus Hamm sagt im Prozess gegen "Gruppe S." aus

Stuttgarter Nachrichten Online, 27.04.2021:
Prozess um "Gruppe S." / Angeklagter weist Verstrickung in Pläne von sich

t-online.de, 27.04.2021:
Zwischen Mittelalter und Mordplänen: Prozess um "Gruppe S."

Mindener Tageblatt, 15.04.2021:
Anwälte zweifeln an Aussagen / Prozess gegen "Gruppe S." fortgesetzt

Spiegel Online, 14.04.2021:
Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Wie sich Anwälte aus der rechten Szene in Stellung bringen

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 14.04.2021:
Geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker: Prozess gegen die Terror-Gruppe S.

Süddeutsche Zeitung Online, 14.04.2021:
"Gruppe S.": Anwälte bezweifeln Kronzeugen-Glaubwürdigkeit

Mindener Tageblatt, 14.04.2021:
Durchgeblättert / Terror-Pläne aus Minden

Mindener Tageblatt, 14.04.2021:
Parallelwelt aus Wut und Hass

Neue Westfälische, 14.04.2021:
Parallelwelt aus Waffen, Wut und Hass - Prozess gegen die "Gruppe S."

die tageszeitung Online, 13.04.2021:
Mutmaßliche Terror-Pläne Rechtsradikaler / "Gruppe S." vor Gericht

Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 13.04.2021:
Prozess gegen "Gruppe S." / Wollten sie einen Bürgerkrieg anzetteln?

Süddeutsche Zeitung Online, 13.04.2021:
Prozess gegen "Gruppe S." / Abgründe hinter biederer Fassade

Focus Online, 13.04.2021:
Rechte Terror-Zelle vor Gericht: Sie wollten Muslime, Juden, Habeck und Hofreiter töten

tagesschau.de, 13.04.2021:
"Gruppe S." vor Gericht / Prozess mit besonderer Dimension

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 13.04.2021:
Geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker: Prozessauftakt gegen die Terror-Gruppe S.

Spiegel Online, 13.04.2021:
Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Hass im Dutzend

Südwestrundfunk, 13.04.2021:
Stuttgart-Stammheim: Prozess gegen rechte Terror-Gruppe "Gruppe S." beginnt

Radio Westfalica, 13.04.2021:
Prozess gegen Terror-Zelle Gruppe S. beginnt - zwei Mindener auf Anklagebank

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 13.04.2021:
Geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker: Prozessauftakt gegen die Terror-Gruppe S.

Berliner Zeitung Online, 13.04.2021:
Stammheim-Prozess: Nur Sprücheklopfer oder gefährliche Rechtsterroristen?

Westfalen-Blatt, 13.04.2021:
Nur der Kronzeuge ist auf freiem Fuß

WDR-Fernsehen, Lokalzeit OWL, 12.04.2021:
Anschlagsplanungen von Minden aus - Prozessbeginn gegen rechte Terror-Gruppe

RedaktionsNetzwerk Deutschland, 12.04.2021:
"Gruppe S.": Terrorverdächtige stehen vor Gericht

Der Tagesspiegel Online, 12.04.2021:
Rassisten wollten Grünen-Politiker Habeck und Hofreiter töten

Spiegel Online, 12.04.2021:
"Teutonico" und der undurchsichtige Kronzeuge

Berliner Zeitung Online, 11.04.2021:
Stuttgart: Prozess gegen rechtsextreme Gruppe S. beginnt

Volksstimme Online, 09.04.2021:
Anschläge geplant: Prozessbeginn gegen rechtsextreme Gruppe S. in Stuttgart

Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier, 09.04.2021:
Terrorverdächtige auf der Anklagebank

tagesschau.de, 08.04.2021:
Netzwerk der "Gruppe S" / Keimzellen für Rechtsterrorismus?

Mindener Tageblatt, 08.04.2021:
Terrorverdächtige auf der Anklagebank

Mindener Tageblatt, 08.04.2021:
Mindener Terrorverdächtige in Stammheim angeklagt

Mindener Tageblatt Online, 07.04.2021:
Terrorverdächtige der Gruppe S. in Stammheim auf der Anklagebank

Exif - Recherche und Analyse, 07.04.2021:
"Gruppe S." und die drei verschonten Neonazis

Radio Westfalica, 07.04.2021:
Mindener Mitglieder der rechten Terror-Zelle "Gruppe S." demnächst vor Gericht

Neue Westfälische, 07.04.2021:
Umsturzpläne: Rechte Gruppe vor Gericht

ZDF, 06.04.2021:
Rechter Terror-Verdacht - Mit der Kalaschnikow ins Parlament

ZDF, 06.04.2021:
Rechter Verdacht: ZDF-Magazin "Frontal 21" zur Terror-Zelle "Gruppe S."

Stuttgarter Nachrichten Online, 06.04.2021:
Wie mutmaßliche Rechtsterroristen den Reichstag stürmen wollten

Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW, 06.04.2021:
Pressemitteilung / Prozess gegen rechtsterroristische "Gruppe S."

Westdeutscher Rundfunk Köln, 04.03.2021:
Gerichtsverfahren gegen mutmaßlich rechtsextreme "Gruppe S."

tagesschau.de, 25.02.2021:
Anklage gegen "Gruppe S." / Ein Killer für den besten Zeugen?

Augsburger Allgemeine Online, 25.02.2021:
Rechte Terror-Zelle: Hat Werner S. aus der U-Haft einen Auftragskiller engagiert?

Südwestrundfunk, 25.02.2021:
Terror-Zelle soll Anschläge auf Moscheen geplant haben / Prozess gegen rechtsextreme "Gruppe S." im April

Der Ge­ne­ral­bun­des­an­walt beim Bundesgerichtshof, 13.11.2020:
Anklage gegen elf mutmaßliche Mitglieder sowie einen mutmaßlichen Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung ("Gruppe S.") erhoben

Mindener Tageblatt, 13.11.2020:
Anklage gegen rechte Terror-Zelle

tagesschau.de, 12.11.2020:
Anklage gegen "Gruppe S."

Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land, 26./27.09.2020:
Reichsbürger-Flugblatt in Lübbecker Briefkästen aufgetaucht

Schaumburger Nachrichten Online, 16.09.2020:
Urteil gegen mutmaßliches "Gruppe S."-Mitglied: Mindener darf keine Waffen besitzen

Lippische Landes-Zeitung Online, 16.09.2020:
Mutmaßliches Mitglied der "Gruppe S." aus OWL darf keine Waffen besitzen

tagesschau.de, 06.09.2020:
Gruppe S. und die Polizei / Auf dem rechten Auge blind?

Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land, 18./19.07.2020:
Tod in der Zelle

Mindener Tageblatt, 17.07.2020:
Tod in der Zelle

Mindener Tageblatt, 17.07.2020:
Rechter Terror: Ermittlungen dauern an

Deister- und Weserzeitung, 17.07.2020:
Mutmaßlicher Terrorist tot in Zelle aufgefunden

Neue Westfälische Online, 16.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist soll sich selbst getötet haben

Mindener Tageblatt Online, 16.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist soll sich selbst getötet haben

Radio Westfalica, 16.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Porta Westfalica stirbt im Gefängnis

Westdeutscher Rundfunk Köln, 16.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterror-Unterstützer im Gefängnis gestorben

Radio Westfalica, 16.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Porta Westfalica stirbt im Gefängnis

Neues Deutschland Online, 16.07.2020:
Terrorverdächtiger Nazi tot in Zelle gefunden

Mindener Tageblatt, 16.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist stirbt in Haft

Neue Westfälische, 16.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist stirbt in Haft

Westfalen-Blatt, 16.07.2020:
Verdächtiger tot in der Zelle

Neue Westfälische Online, 15.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Porta Westfalica im Gefängnis gestorben

Mindener Tageblatt Online, 15.07.2020:
Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Kleinenbremen im Gefängnis gestorben

Süddeutsche Zeitung Online, 15.07.2020:
Mutmaßlicher Terrorunterstützer in JVA Dortmund gestorben

Westdeutscher Rundfunk Köln, 15.07.2020:
Dortmund: Mutmaßlicher Rechtsextremist im Gefängnis gestorben

tagesschau.de, 15.07.2020:
"Gruppe S." / Terrorverdächtiger tot in JVA aufgefunden

Mindener Tageblatt, 15.06.2020:
Zeichen gegen Rechts

Blick nach Rechts, 02.04.2020:
Schlag gegen rechte "Bruderschaft"

Westdeutscher Rundfunk Köln, 01.04.2020:
Durchsuchungen bei der rechtsextremen Bruderschaft Deutschland

Neues Deutschland Online, 29.03.2020:
Rechter Terror / Staatsversagen ohne Ende?

Neue Westfälische Online, 23.03.2020:
Weiterer Polizist aus Hamm wegen möglicher Volksverhetzung im Fokus

Nordbayern.de, 12.03.2020:
Mutmaßlich rechte "Gruppe S." hatte Kontakt nach Mittelfranken

tagesschau.de, 11.03.2020:
Gründungstreffen "Gruppe S." / Hauptziel Bürgerkrieg

Südwestrundfunk, 11.03.2020:
Gründung der "Gruppe S." - mehr Baden-Württemberger dabei als bisher bekannt

General-Anzeiger Online, 10.03.2020:
"Gruppe S." / Behörden ermitteln über Reichweite von Terror-Zelle

Westfalen-Blatt, 09.03.2020:
"Brandgefährlich"

junge Welt, 07./08.03.2020:
Vorbild Freikorps / Rechte Terror-Zelle

Süddeutsche Zeitung Online, 06.03.2020
Rechtsextremismus / Der Traum vom Krieg

Neue Westfälische, 06.03.2020:
NRW korrigiert Einschätzung zu rechtem Terrorismus

Radio Westfalica, 05.03.2020:
Innenausschuss beschäftigt sich mit mutmaßlicher Mindener Terror-Zelle

Radio Westfalica, 05.03.2020:
Innenausschuss beschäftigt sich mit mutmaßlicher Terror-Zelle

tagesschau.de, 28.02.2020:
"Gruppe S." / Polizei-Mitarbeiter rief offenbar zu Terror auf

tagesschau.de, 27.02.2020:
Rechter Terror / Die Radikalität der "Gruppe S."

Blick nach Rechts, 27.02.2020:
Planung von terroristischen Gewalttaten

Zeit Online, 26.02.2020:
Rechter Terror: Gruppe S. erwog offenbar Anschläge auf Habeck und Hofreiter

Radio Westfalica, 26.02.2020:
NRW-Landtag befasst sich mit rechter Terror-Zelle aus Minden und Porta

Westfalen-Blatt, 26.02.2020:
Sondersitzung zu Terror-Zelle

WDR-Nachrichten aus Westfalen-Lippe, 24.02.2020:
Rechtes Terror-Netzwerk größer als vermutet

tagesschau.de, 24.02.2020:
Ein Sanitäter unter Attentätern?

WDR-Nachrichten aus Westfalen-Lippe, 24.02.2020:
Informant verrät Details zu Treffen mutmaßlicher Rechtsterroristen in Minden

Zeit Online, 23.02.2020:
Gruppe S.: Der neue Wutbürger-Terrorismus

Mindener Tageblatt, 22./23.02.2020:
Terror-Verdächtige entwaffnet

Mindener Tageblatt, 22./23.02.2020:
Panne bei Ermittlung

Zeit Online, 21.02.2020:
Gruppe S: Die heikle Rolle des V-Manns in der rechten Zelle

Spiegel Online, 21.02.2020:
Terrorverdächtiger Polizei-Mitarbeiter war für Waffenscheine zuständig

Radio Westfalica, 21.02.2020:
Rechte Terror-Zelle: Ulf R. und Thomas N. waren polizeibekannt

Neue Westfälische, 21.02.2020:
Verbindung zur mutmaßlichen Terror-Zelle "Gruppe S." wird geprüft

Westfalen-Blatt, 21.02.2020:
Terror-Verdacht: Schwere Pannen bei der Polizei in Hamm

Westfalen-Blatt, 21.02.2020:
Mindener hatte ein Waffenverbot

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 20.02.2020:
Das sind die drei Terrorverdächtigen aus OWL

Neue Westfälische, 20.02.2020:
Der dreizehnte Mann der Terrorzelle

Neue Westfälische, 20.02.2020:
Kommissar Zufall kämpft gegen Terror

Mindener Tageblatt Online, 19.02.2020:
Minden gegen Rechts: Organisatoren erwarten mindestens 300 Teilnehmer zur Mahnwache

Deister- und Weserzeitung, 19.02.2020:
Spur der rechten Terrorzelle führt auch nach Hameln

Mindener Tageblatt, 19.02.2020:
Bündnis plant Mahnwache

Westfalen-Blatt, 19.02.2020:
Mahnwache nach Terror-Razzia

Westfalen-Blatt, 19.02.2020:
Einsatzpläne an Terrorzelle verraten?

Neue Westfälische, 19.02.2020:
Mindener in Neonazi-Szene aktiv

Neue Westfälische, 19.02.2020:
So vernetzt sich die rechte Szene in OWL

Neue Westfälische, 19.02.2020:
Kritik nach Razzia gegen Rechte

Deister- und Weserzeitung Online, 18.02.2020:
Spur der rechten Terrorzelle führt auch nach Hameln

die tageszeitung Online, 18.02.2020:
Rechtsextreme Terrorzelle / Der Informant und die Germanen

Mindener Tageblatt Online, 18.02.2020:
Minden will am Samstag Zeichen gegen Rechts setzen

Radio Westfalica, 18.02.2020:
Mutmaßliche Rechtsterroristen in der Reichsbürger- und Neonazi-Szene aktiv

RedaktionsNetzwerk Deutschland, 18.02.2020:
Mutmaßliche rechte Terrorzelle: Linke fordert Bericht über Verhaftete

Mindener Tageblatt, 18.02.2020:
Gefahr gleich nebenan

Mindener Tageblatt, 18.02.2020:
Minden / Der zweite Mann hat eine Vorgeschichte

Westfalen-Blatt, 18.02.2020:
Polizei kennt Verdächtige als Reichsbürger und Neonazi

Westfalen-Blatt, 18.02.2020:
Informant in Terrorzelle?

Neue Westfälische, 18.02.2020:
Kommentar / Schlag gegen verdächtige Gruppe

Neue Westfälische, 18.02.2020:
Spur des Terrors führt zur AfD

Neue Westfälische, 18.02.2020:
Zahl der rechten Gefährder steigt

Neue Westfälische Online, 17.02.2020:
Rechte Terrorzelle: 34-jähriger Mindener war in lokaler Neonazi-Szene aktiv

Neue Westfälische Online, 17.02.2020:
Rechter Terror / "Gruppe S.": Mutmaßliche Rechtsterroristen pflegten Kontakte zur AfD

Autonome Antifa Freiburg, 17.02.2020:
Razzien gegen Nazi-Terroristen

Norddeutscher Rundfunk, 17.02.2020:
Rechte Terrorzelle: Sprengstoffe bei Tony E.?

Neue Westfälische Online, 17.02.2020:
Schlag gegen verdächtige Gruppe / Kommentar: Entschieden gegen Rechtsterror

Mindener Tageblatt Online, 17.02.2020:
Rechte Terrorzelle: 34-jähriger Mindener war in lokaler Neonazi-Szene aktiv

Der Tagesspiegel Online, 17.02.2020:
Rechte Terrorgruppe um Werner S. / Eine Spur der Rechtsextremen führt zu Waffenhändlern nach Tschechien

Süddeutsche Zeitung Online, 17.02.2020:
Mutmaßliche Terrorzelle: Auf den Spuren von "Gruppe S."

Radio Westfalica, 17.02.2020:
Mutmaßliche rechte Terrorzelle soll sechs Anschläge auf Moscheen geplant haben

ntv.de, 17.02.2020:
Die Pläne der "Gruppe S." / Sie wollten den Massenmord

Süddeutsche Zeitung Online, 17.02.2020:
Mutmaßliche rechte Terrorzelle: Mit gekreuzten Äxten und radikaler Gesinnung

die tageszeitung Online, 17.02.2020:
Geplante Angriffe auf Moscheen / "Worauf warten die Behörden?"

tagesschau.de, 17.02.2020:
Razzia gegen Rechtsextreme / Informant in mutmaßlicher Terrorzelle

Westfalen-Blatt Online, 17.02.2020:
Waffen bei Terrorverdächtigem gefunden

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 17.02.2020:
Rechte Terrorzelle: Verdächtige auch aus NRW

Radio Westfalica, 17.02.2020:
Polizei im Kreis Minden-Lübbecke stellt große Mengen Waffen sicher

MiGAZIN, 17.02.2020:
Bundesweite Festnahmen / Rechtsextremisten wollten Blutbad in Moscheen

Mindener Tageblatt, 17.02.2020:
Teil des "harten Kerns"?

Mindener Tageblatt, 17.02.2020:
Waffenlager in Minden entdeckt

Neue Westfälische, 17.02.2020:
Terrorverdacht gegen Thomas N.

Neue Westfälische, 17.02.2020:
Riesiger Waffenfund bei Mindener Terrorverdächtigem

Westfalen-Blatt, 17.02.2020:
Razzia in rechter Szene: Verdächtige in Haft

die tageszeitung Online, 16.02.2020:
Rechtsextreme Terrorgefahr / Kein Ende der Eskalation in Sicht

die tageszeitung Online, 16.02.2020:
Rechtsextremistische Terrorzelle / Großgermanen in U-Haft

Spiegel Online, 16.02.2020:
Ermittlungen gegen Rechtsextreme / "Teutonico" und seine Terrorzelle

WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 16.02.2020:
Vier mutmaßliche Rechtsextremisten aus NRW in U-Haft

Westfalen-Blatt Online, 16.02.2020:
Festgenommene in U-Haft / Mutmaßliche rechte Terrorzelle nannte sich "Der harte Kern"

Südwestrundfunk, 16.02.2020:
Zwölf Verdächtige in U-Haft / Mutmaßliche rechte Terrorzelle machte Pläne am Grillfeuer

tagesschau.de, 16.02.2020:
Mutmaßliche rechte Terrorzelle / Terrorpläne am Grillfeuer

Mindener Tageblatt Online, 16.02.2020:
Rechte Terrorzelle: Mindener Verdächtiger im Internet sehr aktiv

Mindener Tageblatt Online, 16.02.2020:
Festgenommene in U-Haft / Mutmaßliche rechte Terrorzelle nannte sich "Der harte Kern"

Der Tagesspiegel Online, 16.02.2020:
Anschläge auf Politiker und Muslime erwogen / Alle zwölf Terrorverdächtigen in Untersuchungshaft

tagesschau.de, 16.02.2020:
Mutmaßliche rechte Terrorzelle / Verdächtiger galt als Gefährder

Neue Westfälische am Sonntag, 16.02.2020:
Zwölf Terrorverdächtige in U-Haft

Westdeutscher Rundfunk Köln, 15.02.2020:
Razzia: Zwölf rechte Terrorverdächtige in Untersuchungshaft

Radio Westfalica, 15.02.2020:
Weitere mutmaßliche Rechtsterroristen am BGH

Mindener Tageblatt, 15./16.02.2020:
Razzia bei Reichsbürgern

Mindener Tageblatt, 15./16.02.2020:
Terrorspur führt in den Kreis

Neue Westfälische, 15./16.02.2020:
Razzia bei Reichsbürgern

Neue Westfälische, 15./16.02.2020:
Kommentar / Ermittlungserfolg gegen Rechtsterrorismus / Nicht wehrlos

Neue Westfälische, 15./16.02.2020:
Spuren rechter Terroristen führen nach OWL

Westfalen-Blatt, 15./16.02.2020:
Hinweis auf Depot im Wald

Westfalen-Blatt, 15./16.02.2020:
Terror-Razzia: Festnahmen in Ostwestfalen

Spiegel Online, 14.02.2020:
Razzia gegen Rechtsextreme / Die unauffälligen Herren der "Gruppe S."

Radio Westfalica, 14.02.2020:
Razzia gegen mutmaßliche Rechtsterroristen in Minden und Porta Westfalica

Neue Westfälische Online, 14.02.2020:
Razzien in sechs Bundesländern / Rechte Terrorgruppe: Spur führt nach Minden-Lübbecke

Spiegel Online, 14.02.2020:
Ermittlungen gegen Rechtsextremisten / Polizeimitarbeiter unter den Festgenommenen bei Großrazzia

tagesschau.de, 14.02.2020:
Zwölf Festnahmen / Schlag gegen mutmaßliche rechte Terrorzelle

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 14.02.2020:
Festnahme mutmaßlicher Mitglieder sowie Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 14.02.2020:
Durchsuchungen in mehreren deutschen Städten wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung u.a.

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Stuttgarter Nachrichten Online, 20.09.2021:

Rechtsterrorismus / Verteidiger: Polizei ermittelte schlampig gegen Gruppe S.

20.09.2021 - 16.30 Uhr

Franz Feyder

Fehler- und lückenhafte Verschriftung mitgeschnittener Telefonate, mangelhafte Vorbereitung von Durchsuchungen und Festnahmen - im Verfahren gegen mutmaßliche Rechtsterroristen treten gerade nach der Zeugenaussage eines Hauptkommissars Mängel in den Ermittlungen zu Tage.

Stuttgart. Im Prozess gegen die Mitglieder der mutmaßlichen rechtsterroristischen Gruppe S. brodelt es - besonders bei den Verteidigern. Seit Sommer bemängeln sie fehlerhaft verschriftete Abhörprotokolle, mangelhaft auf Durchsuchungen und Vernehmungen vorbereitete Ermittler. Vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht benannten sie jetzt offen die Schwächen in der Ermittlungsarbeit: Oft seien die Ermittlungen von Beamten geführt worden, die nicht im Staatsschutz ausgebildet worden seien. "Dass die Polizisten vor den entscheidenden Durchsuchungen und Festnahmen am 14. Februar 2020 nach eigener Aussage "zusammengetrommelt" wurden, scheint mir ein Grundproblem dieses Verfahrens zu sein", sagte Rechtsanwalt Jörg Becker in einer Erklärung.

Der Generalbundesanwalt wirft den zwölf Angeklagten vor, sie hätten Moscheen angreifen, dort ein Blutbad anrichten und so einen Bürgerkrieg auslösen wollen, der zum Systemwandel in Deutschland führen sollte. Weil es vor diesem Hintergrund darauf ankommt, was wer wann genau gesagt hat, bemängelte Verteidiger Philipp Grassl schon am 11. Verhandlungstag im Juli "die fehlerhaften Abschriften der Telefonüberwachung". Wenig später wunderte es seine Kollegin Kerstin Rueber-Unkelbach, dass "die Angeklagten entlastende Gesprächspassagen nicht in den verschrifteten Protokollen auftauchen".

Entlastende Passagen in den Telefonaten nicht verschriftet?

So wies Verteidigerin Sylvia Schwaben jetzt auf ein Gespräch hin, in dem ihr Mandant Markus K. sagt: "Ich habe keine Lust mehr auf Aggressionspotenzial. Im privaten Umfeld ja, sonst nicht." Damit drücke er aus, so die Juristin, dass K. das von der Anklage unterstellte Ziel eines Umsturzes nicht mittrug - ein K. entlastendes Indiz.

In einem anderen verschrifteten Protokoll ist aus einem Gespräch des Angeklagten Thomas N. mit seinem Bruder wiedergegeben: "Merkel und Hitler seien beide Juden." Im Mitschnitt heißt wörtlich: "Rothschild leitet Europa, der Drecksjude. Und die ist auch jüdischer Abstammung, die Frau Merkel. Auch der Adolf Hitler ist ein Jude."

Solche Fehler sind wohl auch ein Grund dafür, dass der Vorsitzende Richter des 5. Strafsenats, Herbert Anderer, an 13 der bislang 29 Verhandlungstage die Mitschnitte aufgezeichneter Telefonate im Gerichtssaal abspielen ließ. "Entscheidend ist", gab er vergangene Woche vor, "was wir hier im Gerichtssaal hören". Zumal die Juristen jetzt auch Kopien der Audios bekamen. So sollen sie die Gespräche selbst abhören und beantragen können, ihnen wichtige Telefonate auch offiziell in den Gerichtsverhandlungen zu hören.

Richter: "Eines Polizisten unwürdig"

Auch die Durchsuchungen und Festnahmen von zwölf der 13 mutmaßlichen Gruppenmitglieder am 14. Februar 2020 muten nach der Schilderung eines Kriminalhauptkommissars des Landeskriminalamtes alles andere als professionell vorbereitet an. Einen Tag vor den Razzien sei nachmittags "alles bei uns zusammengetrommelt worden, was irgendwie frei war für die Aktion. Da ist alles rekrutiert worden." Der Fall sei kurz in einer Einsatzbesprechung vorgestellt worden. Den Beamten seien die Objekte im gesamten Bundesgebiet für die Durchsuchungen zugewiesen worden.

Der Kriminalist, seit 2017 im LKA mit Ermittlungen im Bereich des Islamismus betraut, hatte bis dahin "dienstlich noch nie etwas mit Rechts zu tun". Von dem für ein Objekt in München zuständigen Ermittler-Trios sei einzig ein Kollege schon vorher mit der Gruppe S. befasst gewesen. "Er hat mich auf der Fahrt nach München kurz ins Bild gesetzt." Der andere Kollege sei aus Karlsruhe gekommen und mit eigenem Auto nach Bayern gefahren. Der Beschluss für die um 6 Uhr geplante Durchsuchung sei den Beamten erst um 5.30 Uhr übergeben worden.

Trotzdem vernahm der Kriminale um 13.30 Uhr einen der Hauptbeschuldigten des Verfahrens. Heute hat er kaum noch Erinnerungen an das Verhör: Einmal habe der Angeklagte das Vernehmungsprotokoll handschriftlich verändert, war er überzeugt. Richter Anderer lässt die 14 Seiten der Mitschrift auf die übergroßen Bildschirme des Gerichtssaales projizieren: 17-mal hat Frank H. das Protokoll abgeändert. Es zudem mit "sinngemäß" unterschrieben. Was er damit habe aussagen wollen, will der Richter wissen. Das wisse er nicht genau, sagt der Ermittler. Ob H. damit vielleicht zum Ausdruck habe bringen wollen, dass die beiden Befrager seine Antworten zusammengefasst und der Sekretärin diktiert hätten, hakt Anderer nach. Das könne sein, weicht der Hauptkommissar aus. "Wie Sie sich hier präsentieren, ist eines Zeugen der Polizei unwürdig", sagt Anderer, der Angeklagten und Zeugen bislang immer wertschätzend und auf Augenhöhe begegnete.

Nicht genug Staatsschützer bei den Ermittlungen?

"Hier ermittelten Beamte ohne Kenntnis des Verfahrens und des Ermittlungsstandes, ohne Kenntnis zu den Personen, ohne Kenntnis des Sachverhaltes oder der Beschuldigten. Beamte, denen der fachliche Hintergrund des Staatsschutzes im größten rechtsterroristischen Ermittlungsverfahren nach dem NSU schlicht fehlte", kritisiert Verteidiger Jörg Becker in einer Erklärung vor dem Gericht.

Sein Kollege Philipp Grassl sekundiert: Die Vernehmung des Hauptkommissars habe offenbart, "dass der Polizeieinsatz insgesamt nicht gut vorbereitet war. Schlechte Koordination der in letzter Minute eingesetzten Beamten und ihre mangelnden Kenntnisse über den Gegenstand des Verfahrens führten zu lückenhaften Ermittlungsergebnissen."

Richter Anderer vergab inzwischen weitere Termine für den Prozess - bis zum Sommer 2023.

Bildunterschrift: Gruppenfoto von Angehörigen und Sympathisanten der mutmaßlichen Rechtsterror-Gruppe S. im baden-württembergischen Alfdorf: Hat die Polizei in dem Fall mangelhaft ermittelt?

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 06.08.2021:

Terror-Prozess Gruppe S.: Weiterer Angeklagter frei

06.08.2021 - 14.47 Uhr

Von Thomas Wöstmann

Beim letzten Prozesstag gegen die rechte so genannte Terror-Gruppe S. vor der Sommerpause gab es eine Überraschung. Das Gericht hatte den Haftbefehl gegen einen Angeklagten außer Vollzug gesetzt.

Michael B. aus Kirchheim / Teck in Baden-Württemberg war der einzige Angeklagte, der nicht beim Treffen der mutmaßlichen Terror-Gruppe im Februar 2020 in Minden dabei war. Das ist vermutlich der Grund, warum er jetzt auf freien Fuß kam. Angeklagt ist er, weil er engen Kontakt zum mutmaßlichen Kopf der rechtsextremen Gruppe, Werner S., hatte und mehrfach zugesagt hatte, die Gruppe zu unterstützen. Das belegen abgehörte Telefongespräche.

Mindener gilt nicht mehr als Mitglied der Gruppe

Für die Angeklagten scheint sich die Lage insgesamt verbessert zu haben. Das Gericht geht inzwischen davon aus, dass eine Gruppe erst im Februar 2020 bei besagtem Mindener Treffen gegründet wurde - und nicht, wie in der Anklage formuliert - im September 2019.

Auch Markus K. aus Minden darf inzwischen auf ein eher mildes Urteil hoffen: Er wird nicht mehr als Mitglied der Gruppe, sondern als Unterstützer eingestuft. Anders sieht es für Thomas N. aus Minden aus: er fiel in der ersten Prozessphase vor allem dadurch auf, dass er dem mitangeklagten Polizei-Informanten Paul U. lautstark Gewalt angedrohte. U. gilt in der Gruppe als der Verräter - er hatte ein halbes Jahr lang der Polizei Interna über das Geschehen und die Kommunikation in der Gruppe weiter geleitet.

Hauptbelastungszeuge Paul U. als Schlüsselfigur

U. ist ohne Zweifel die Schlüsselfigur im Prozess. Die Anwälte der anderen Angeklagten bezeichnen ihn als unglaubwürdig, als jemand "der die Rolle seines Lebens" spiele. Ein Großteil der Anklage basiert auf seinen Informationen. Und die, so Tenor der Verteidigung, seien in vielen Punkten übertrieben oder ausgedacht.

Welche Rolle spielen die Ermittlungsbehörden?

Immer wieder geht es vor Gericht um die Rolle der ermittelnden Behörden. Abgehörte Telefongespräche deuten darauf hin, dass U. einen sehr engen Kontakt zum Generalbundesanwalt und zum Landeskriminalamt Baden-Württemberg hatte.

Hier stellt sich die Frage: Wurde er angeleitet oder handelte er auf eigene Initiative? Um das zu klären sollen demnächst eine Vertreterin des Generalbundesanwalts und ein Ermittler des Landeskriminalamts als Zeugen aussagen. Ein Verteidiger geht inzwischen von einem "Justizskandal" aus.

Gruppe S. soll Anschläge in Deutschland geplant haben

Der Gruppe S. wird vorgeworfen, Terroranschläge in Deutschland geplant zu haben. Nach einem Treffen in Minden im Februar 2020 wurden die mutmaßlichen Gruppenmitglieder festgenommen. Einer der Beschuldigten aus Porta Westfalica nahm sich in der Zwischenzeit das Leben.

Neben Thomas N. und Markus K. ist auch der Polizei-Angestellte Thorsten W. aus Hamm angeklagt. Der Prozess läuft seit April und soll im September fortgesetzt werden. Die Anwälte des Angeklagten Tony E. kündigten eine umfasse Erklärung ihres Mandanten nach der Sommerpause an.

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Spiegel Online, 15.07.2021:

Kronzeuge im Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Der "Geheimagent" mit problematischer Biografie

15.07.2021 - 15.28 Uhr

Die Bundesanwaltschaft wirft zwölf Männern vor, Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant zu haben. Ihr Kronzeuge wirkt allerdings wenig glaubwürdig.

Von Julia Jüttner

Es klingt ein wenig absurd, dass sich Paul U. als "CDU-nah" ohne "rechte Gesinnung" bezeichnet. Ausgerechnet er, der seiner Bewährungshelferin gegenüber von "guten und schlechten Türken" sprach und von "guten und schlechten Flüchtlingen".

Der Generalbundesanwalt bescheinigt dem 49-Jährigen eine ausländerfeindliche Grundhaltung: U. soll mit elf weiteren Männern seine rechtsextremistische und bisweilen offen nationalsozialistische Gesinnung in der terroristischen Vereinigung "Gruppe S." ausgelebt haben. Laut Ermittlern das Ziel der Männer: die gewaltsame Etablierung eines Staats- und Gesellschaftssystems nach ihren menschenverachtenden Vorstellungen. Sie alle sind derzeit vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim angeklagt.

Seit April verhandelt der 5. Strafsenat das Terror-Verfahren unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Viele Verhandlungstage drehte es sich um den Kronzeugen Paul U., der die Ermittler vor der Radikalisierung der Truppe warnte: Wie aus der Chat-Gruppe "Heimat" schließlich Ende September 2019 die "Gruppe S." wurde, gegründet auf dem Grillplatz "Hummelgautsche" im baden-württembergischen Alfdorf. Ein Zusammenschluss von aggressiven, hasserfüllten Männern, die sich dort im Schutz des Waldes über schusssichere Westen und scharfe Waffen austauschten und deren Treffen nach Ansicht der Ermittler von Mal zu Mal konkreter wurden.

Wie glaubwürdig ist U.?

Tagelang wurden im Gericht die Videos der Vernehmung U.s gezeigt, weil er im Prozess keine Angaben mehr machen will. Man sah einen Mann mit problematischer Biografie: U. verbrachte die Hälfte seines Lebens im Gefängnis und im psychiatrischen Maßregelvollzug, auch weil er einen Polizisten als Geisel genommen hatte. Zuletzt lebte er in einer Einrichtung für Ex-Häftlinge in Süddeutschland. Die Glaubwürdigkeit eines solchen Mannes ist nicht sehr hoch.

Bei den aufgezeichneten Vernehmungen wirkt U. an manchen Stellen fast von einem so genannten Belastungseifer getrieben. Gutachter attestierten ihm in der Vergangenheit, er verhalte sich mitunter manipulativ, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Auch im Gerichtssaal sitzt ein psychiatrischer Sachverständiger, der die Aussagen analysieren soll: Wie glaubwürdig ist U.? Wo könnte er übertrieben haben?

In den Verhandlungssaal spaziert er als einziger Angeklagter auf freiem Fuß, er sitzt nicht wie die anderen in Untersuchungshaft. Zu Unrecht, sagen nun die Verteidiger des zweiten mutmaßlichen Anführers Tony E. und regten am Mittwoch an, auch gegen U. Haftbefehl zu erlassen.

U. stehe im Verdacht, die anderen zur Gründung der rechtsterroristischen Gruppierung angestachelt zu haben um sich auf unbestimmte Zeit in der "Gruppe S." zusammenzuschließen. Dazu habe er Straftaten vorgetäuscht und falsche Verdächtigungen ausgesprochen, konstatierten die Rechtsanwälte Jörg Becker und Heiko Hofstätter.

Zuvor habe U. "im Stil eines rechtswidrig agierenden Agent Provokateur" bei Facebook "gezielt" nach geeigneten Personen aus dem gesamten Bundesgebiet gesucht und Kontakt zu Reichsbürgern, Mittelalter-Fans, Anhängern der germanischen Mythologie, Mitgliedern von selbst ernannten Bürgerwehren und Angehörigen der Prepper-Szene aufgenommen, um diese aufzuhetzen und gemeinsam mit ihnen Straftaten zu begehen.

U. bot sich dem Verfassungsschutz an

Bereits vor dem angeblichen Gründungstreffen hatte U. die Behörden alarmiert. Zur tatsächlichen Gründung einer Gruppierung sei es jedoch gar nicht gekommen, so die Verteidiger Becker und Hofstätter. Die Bundesanwaltschaft sei "im Ergebnis dem Schauspieler U. gefolgt", der einen hohen, auch finanziellen Aufwand betrieben habe, um an Treffen der "Gruppe S." teilzunehmen - alles in seiner Rolle als "Geheimagent". Er sei dafür vor keinen Mitteln zurückgeschreckt und habe sich gewaltbereit geäußert.

Fest steht: U. bot sich zunächst dem Bundesamt für Verfassungsschutz, der Polizei in Gießen und Würzburg an und schlug schließlich beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg auf. Dort schilderte er, wie er über Soziale Medien die Gruppe Rechtsextremer kennengelernt habe, die einen Bürgerkrieg plane. Er lieferte Namen, Nummern und Details über Pläne und Vorhaben.

Becker und Hofstätter sehen bei U. Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Der 49-Jährige habe Zeugen im Vorfeld ihrer Befragung vor Gericht kontaktiert und versucht, sie zu beeinflussen. Zudem sei U. für den Tod des Mitbeschuldigten Ulf R. mitverantwortlich, der sich in der Untersuchungshaft das Leben nahm.

Acht Verteidiger schlossen sich der Forderung der Anwälte an. Verteidiger Daniel Sprafke nicht, er sagt: "Die Bundesanwaltschaft hat ihren Kronzeugen verloren, er stellt sich als unglaubwürdiges und daher untaugliches Beweismittel dar." Gleichwohl aber dürfe nicht übersehen werden, dass sich die Verteidigung "mit weitaus umfangreicheren Beweismitteln" zu beschäftigen haben werde. Das Verfahren ende nicht, bloß weil man U. als Lügner überführt habe.

U.s Verteidigung unterstellte den Kollegen "Show"-Gebaren. Die Vertreter des Generalbundesanwalts nannten die Anregung eines Haftbefehlserlasses in Bezug auf R.s Suizid "geschmacklos".

Bildunterschrift: Angeklagte im Gerichtssaal in Stammheim (Archiv): Planten die Männer einen Bürgerkrieg?

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Stuttgarter Nachrichten Online, 13.07.2021:

Prozess in Stuttgart zu Rechtsterrorismus / Wer ist Paul-Ludwig U.?

13.07.2021 - 09.00 Uhr

Franz Feyder

Im Verfahren gegen die mutmaßlich rechtsterroristische Gruppe S. beschäftigen Richter, Ankläger, Verteidiger und Gutachter vor allem die Fragen, ob der Kronzeuge glaubwürdig und ein eingeschleuster Provokateur ist. Dabei bestätigen zwei weitere Angeklagte U.s Aussagen im Kern.

Stuttgart. Der Angeklagte U. ruckelt sich in seinen Drehstuhl, zupft noch einmal an der medizinischen Schutzmaske vor Nase und Mund, dreht das Büromobiliar nach rechts und lehnt sich zurück. Ein Eimer Popcorn - und ein Kinoabend könnte beginnen. In der Stammheimer Außenstelle des Stuttgarter Oberlandesgerichts sind es allerdings nur drei, über Tage dauernde Videovernehmungen Paul-Ludwig U.s, die auf übergroßen Bildschirmwänden an beiden Seiten des großen Sitzungssaales zu sehen sind.

Vernehmungen, die jetzt seit 16 Verhandlungstagen bei den Verteidigern im Prozess gegen die mutmaßlichen Mitglieder der so genannten Gruppe S. die immer gleichen Fragen aufwerfen. Was ist U. eigentlich: Beschuldigter in einem großen deutschen Rechtsterrorismus-Verfahren? Bezahlter Informant des baden-württembergischen Landeskriminalamtes (LKA)? Vertrauensperson der Polizei, Vertrauensmann des Verfassungsschutzes, von den Sicherheitsbehörden eingeschleuster Provokateur?

Vor allem aber treibt die fünf Richter, die drei Anklägerinnen des Generalbundesanwalts und die Strafverteidiger die Frage um: Ist U. glaubwürdig, und sind seine Aussagen glaubhaft, die die Polizei im Spätsommer 2019 überhaupt erst auf die nach ihrem Anführer benannte Gruppe S. brachte? Auch das soll ein Tübinger Psychiater begutachten, der den sich hinfläzenden U., dessen Augen und Regungen aufmerksam im Blick hat.

Geplante Morde, Anschläge und der Umsturz des politischen Systems in Deutschland

Fest steht: U. bot sich dem Bundesamt für Verfassungsschutz, der Polizei in Würzburg und Gießen an, bevor er beim LKA Baden-Württemberg mit seiner Geschichte über geplante Morde, Anschläge und einen Umsturz in Deutschland landete: Er sei über Soziale Medien in eine Gruppe Rechtsradikaler gelangt, die planten, Moscheen anzugreifen, die Gläubigen niederzuschießen und so gewaltsame Reaktionen der muslimischen Bevölkerung zu provozieren. Das explosive Gemisch - so der Plan - sollte einen Bürgerkrieg hervorrufen und letztendlich zum Sturz des politischen Systems in Deutschland führen, fasst der Generalbundesanwalt die Pläne der zwölf Männer zusammen, die er in Stuttgart angeklagt hat.

U. lieferte Namen, Telefonnummern, Treffpunkte und Details dieser Zusammenkünfte. Weil das "mehr als Facebook-Gehabe ist" und weil das, "was da angekündigt wurde, mir zu heftig ist". Die in der Gruppe ausbaldowerten Anschlagspläne könnten nämlich "jeden treffen", auch "Unschuldige, Frauen und Kinder". Zugleich fragte er die Ermittler aber auch: "Wenn ich jetzt aussteige, ist das genug für euch", "jetzt, wo wir so nah‘ dran sind"? U. führe ja ein Rollenspiel auf, um nicht aufzufallen. So habe er in der Gruppe angeregt, einen Anschlag auf die Zentralmoschee der türkischen Religionsbehörde Ditib in Köln zu verüben - "um nicht aufzufallen". Die Ermittler in den Vernehmungen schweigen.

U. bestätigte zwar in seinen Befragungen, er wisse, dass er als Beschuldigter vernommen werde. Dass er freiwillig und ohne einen Rechtsanwalt bei der Polizei aussage. Aber, so gab er im April vergangenen Jahres auch zu Protokoll, dass er "einmal die Woche 100 Euro vom LKA als Ersatz für Hartz IV" kriegt. Als Beschuldigter Geld von der Polizei erhalten - das passt für die Verteidiger nicht zusammen. Zumal U. von einer Video-Konferenz mit einer Bundesanwältin sprach. Von Zeugenschutz sei die Rede gewesen. Aber: Über ein digitales Treffen oder andere Absprachen soll sich, so die Verteidiger, weder ein Vermerk noch ein Protokoll in den Akten befinden.

"Eine derart kranke Fantasie"

"Wann haben wir jemals als Verteidiger erlebt, dass jemand eine derart kranke Fantasie hat?", fragte Werner Siebers, Anwalt des beschuldigten Rädelsführers Werner S., nach den in Augenschein genommenen Vernehmungen U.s. Der sei für die Ermittlungsbehörden tätig gewesen, ist Verteidiger Philipp Grassl fest überzeugt. Sein Kollege Heiko Hofstätter attestiert dem Kronzeugen einen "erheblichen Belastungseifer" gegenüber seinen Mitangeklagten.

Dazu passen allerdings nicht die Aussagen, die die beiden Angeklagten Steffen B. und Stefan K. - im Beisein ihrer Anwälte - bei den Ermittlern machten. Die bestätigen im Kern die Version Paul-Ludwig U.s in zwei wesentlichen Punkten: Als sich die Gruppe am 8. Februar 2020 in Minden traf, um "bei Brot und Wein Krieg" zu besprechen, wie es zuvor in der Einladung hieß, sei über Anschläge gesprochen worden. Aufgebracht habe das Thema Werner S., vertieft hätten es vor allem Kronzeuge U. und der Münchener Frank H. Zwar habe U. ein Attentat auf die Kölner Moschee angeregt. Dies sei aber von S. verworfen worden, "weil das zu groß ist. Dass man da ruck, zuck gefasst werden kann und eingekerkert wird", schildert B. den Kriminalisten die Gründe.

Stattdessen habe Werner S. über kleinere Moscheen gesprochen, "wo halt wichtige Imame predigen. Die quasi wichtig genug wären und eine Gegenreaktion von der Bevölkerung auslösen würden." Allerdings, so K., ging er davon aus, dass es keine konkreten Pläne gab: "Da wurde jetzt nicht gesagt, wir treffen uns dann und dann dort und dort und machen das und das." Es habe immer nur geheißen, "wir müssen in die Moschee stürmen und dann um uns schießen".

Zwei Angeklagte stützen die Aussage des Kronzeugen

Die beiden bestätigten auch U.s Aussage, die Gruppe habe besprochen, sich zu bewaffnen und dafür Geld sammeln zu wollen. So sei gefragt worden, "wer Waffen beschaffen kann etc. Es wurde halt gefragt, wer bereit wäre, dafür Geld zu geben", sagt Stefan K. aus. B. konkretisiert, der Hauptbeschuldigte Werner S. habe angesprochen, Geld für Waffenkäufe von den Gruppenmitgliedern einzusammeln. Deshalb sei abgefragt worden, wer wie viel geben wolle. So seien zwischen 40. 000 und 50. 000 Euro zusammengekommen, sagten beide Angeklagten übereinstimmend aus. S. sagte bei seiner Festnahme am 14. Februar 2020 dem den Einsatz führenden Hauptkommissar, bei dem Treffen in Minden habe "man sich über verschiedene Szenarien unterhalten, man habe auch darüber gesprochen, Geld einzusammeln und davon Waffen zu kaufen". So habe man sich auf einen Betrag von 5.000 Euro pro Teilnehmer geeinigt. "Insgesamt sollten 50. 000 Euro zusammenkommen." Um davon Waffen für die "Selbstverteidigung" zu kaufen.

Die Verteidiger üben sich in der indirekten Schelte ihrer Kollegen, die bei den Vernehmungen neben ihren Mandanten saßen: Von unerlaubten Verhörmethoden ist die Rede. Denn: Zu Beginn der Befragungen sei den Beschuldigten im Indikativ, der grammatikalischen Wirklichkeitsform, vorgehalten worden, was ihnen die Anklägerinnen zur Last legen. Das hätte aber im Konjunktiv erfolgen müssen, in der Möglichkeitsform, weil ja überhaupt nicht erwiesen sei, ob die Beschuldigten taten, was ihnen vorgeworfen wird.

Aus den tumben Mandanten werden semantische Feinschmecker

Es verwundert, dass ausgerechnet jene Angeklagten diese feinen Unterschiede in der Wortdeutung sollen wahrnehmen können, deren eigene Anwälte am zweiten Prozesstag noch anzweifelten, dass sie "geistig in der Lage sind, zu verstehen, was ihnen vorgeworfen wird", denen es daran mangelt, "mehr als eine Gruppe Pfadfinder zu sein", die doch "keine Führer sind, weil ihnen dazu das geistige Rüstzeug fehlt".

Er wisse nicht, fragte Richter Herbert Anderer spitzbübisch vor zwei Wochen in die Runde, "ob ich Verteidiger sein wollte, wenn ich später von meinen Kollegen derart der Unfähigkeit bezichtigt werde". An diesem Dienstag wird der Prozess in Stammheim fortgesetzt. Noch vor der Anfang August beginnenden Verhandlungspause will der Senat von der Polizei aufgezeichnete Telefongespräche anhören, die die mutmaßlichen Gruppenmitglieder miteinander führten.

Bildunterschrift: Paul-Ludwig U. maskiert am ersten Prozesstag Mitte April. Verteidiger halten ihn für einen zwielichtigen Spitzel der deutschen Sicherheitsbehörden.

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 09.06.2021:

Prozess um Terror-Gruppe S.: Drohungen gegen Polizei-Informanten

09.06.2021 - 16.29 Uhr

Von Thomas Wöstmann

Beim Prozess um die so genannte Terror-Gruppe S. hat einer der Angeklagten am Mittwoch für einen Eklat gesorgt. Thomas N. drohte dem Hauptbelastungszeugen Paul U. ganz offensichtlich Gewalt an.

Derzeit werden die Aussagen von Paul U. bei der Polizei als Videos im Prozess abgespielt. Er ist einer der Angeklagten, aber auch der Hauptbelastungszeuge.

Drohungen im Gerichtssaal

Mit einer aggressiven Geste wandte sich der Mindener Angeklagte Thomas N. am Mittwochvormittag im Saal dem Hauptbelastungszeugen zu und bedrohte ihn mit den Worten: "Die russische Seite weiß auch schon Bescheid". Zuvor hatte er ihn lautstark bezichtigt, selbst Anschläge auf Moscheen geplant zu haben. Daraufhin wurde der Prozess kurzzeitig unterbrochen.

Gruppe wollte offenbar Killer anheuern

Paul U. ist Informant der Polizei und lebt derzeit auf freiem Fuß. Vor Prozessbeginn im April bekannt, dass die Gruppe S. bereits versucht haben soll, einen Auftragsmörder auf ihn anzusetzen.

Beim Prozess in Stuttgart werden derzeit immer mehr Details über die Anschlagspläne bekannt. Neben Bielefeld hatte die Gruppe offenbar auch Moscheen in Hamburg und München ins Auge gefasst.

Anschläge unter anderem in Bielefeld, München und Hamburg geplant

Einen Tag nach einem Treffen in Minden im Februar 2020 hatte U. bei der Polizei ausgepackt. Laut seiner Aussage sollten Moscheen in fünf bis sechs Städten angegriffen werden, mit jeweils sechs bis sieben Personen. Die Waffen dafür sollten in Tschechien besorgt werden.

Weitere Mitglieder der Gruppe noch auf freiem Fuß?

Laut U. gehörten noch mehr Mitglieder zu der Gruppe, die aber nicht in Minden dabei waren. Eine Hamburger Gruppe und auch Ralf N. aus Düsseldorf wurde genannt, der Kopf der dortigen "Bruderschaft Deutschland". Nur durch Zufall sei er bei dem Treffen in Minden nicht dabei gewesen, er habe sich aber bereit erklärt Anschläge zu begehen und Waffenkäufe mitzufinanzieren.

Mitangeklagte reagieren mit Kopfschütteln

Die Mitangeklagten und deren Verteidiger haben die Aussagen U.s mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Mitangeklagten reagierten teils mit höhnischem Lachen, als sie von U. schwer belastet wurden.

Ihre Anwälte versuchten, die Aussagen als unglaubwürdig abzustempeln. Der Polizei-Informant U. sei getrieben von Geltungssucht, er lebe in einer Phantasiewelt, sei womöglich psychisch krank. Angespornt von der Polizei, spiele er die Rolle seines Lebens.

Informant saß selbst lange im Gefängnis

Paul U. saß unter anderem wegen einer Geiselnahme lange im Gefängnis; weil er durch ein Gutachten zunächst tatsächlich als psychisch krank eingestuft wurde. Insgesamt verbrachte er 21 Jahre hinter Gittern - acht davon offenbar zu Unrecht; ein späteres Gutachten rehabilitierte ihn inzwischen.

Im Verfahren gegen die mutmaßliche Terror-Gruppe S. war Paul U. Informant der Polizei. Monate lang hielt er die Ermittler über die nächsten Schritte der Gruppe auf dem Laufenden. Auf seine Aussagen stützt sich in großen Teilen die Anklage.

Drei Angeklagte aus NRW

Im Februar 2020, fünf Tage nach dem Treffen in Minden, flog die Gruppe auf. Zu ihr gehören auch Thomas N. und Markus K. aus Minden sowie Thorsten W. aus Hamm.

Der Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart läuft seit April. Zwölf Männern wird vorgeworfen, Anschläge geplant zu haben - aus einer rechtsradikalen Gesinnung heraus. Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.



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Radio Westfalica, 20.05.2021:

Rechte "Gruppe S." plante wohl Terroranschlag in Bielefeld

Die als rechtsextrem geltende "Gruppe S." hat offenbar Terroranschläge auch hier bei uns geplant.

Bei dem Prozess gegen elf mutmaßliche Mitglieder der Vereinigung in Stuttgart kam heraus, dass eine Moschee in Bielefeld im Visier war. Das geht unter anderem aus Aussagen des Kronzeugen hervor.

Bewusst kleinere Stadt ausgesucht

Demnach wollte die Gruppe zunächst in Köln einen Anschlag auf eine Großmoschee verüben. Das war den Mitgliedern dann aber wegen der vielen Polizisten offenbar dann doch eine Nummer zu groß, woraufhin man sich kleinere Städte als Ziel aussuchte, darunter Bielefeld. Wie konkret die Pläne waren, ist allerdings unklar.

Festnahmen Anfang letzten Jahres

Die Gruppe, die nach dem Gründer, Werner S., benannt ist, wurde Mitte Februar 2020 festgenommen. Eine Woche zuvor fand ein konspiratives Treffen in Minden statt.

Zwei der vor Gericht stehenden Mitglieder sind aus Minden. Gemeinsam sollen sie Anschläge auf Moscheen geplant haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen.

Bildunterschrift: In diesem Haus waren Mitglieder der "Gruppe S." im Februar 2020 in Minden festgenommen worden.

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Radio Bielefeld, 20.05.2021:

Bielefelder Moschee soll Anschlagsziel rechter Gruppe S. gewesen sein

Wie konkret waren die Anschlagspläne einer rechten Terror-Gruppe auf eine Moschee in Bielefeld? Diese Frage gilt es weiter aufzuarbeiten. Fest steht, dass die mutmaßlich rechtsextreme Gruppe S. eine Moschee-Gemeinde in unserer Stadt im Visier hatte. Das hat ein Kronzeuge bei einer Gerichtsverhandlung in Stuttgart ausgesagt. Bei einem Treffen der Gruppe in Minden sei über Anschlagsziele diskutiert worden, um für Aufruhr bis hin zu einem Bürgerkrieg zu sorgen. Zuerst wollte man die Großmoschee in Köln angreifen. Weil sie aber zu stark bewacht werde, sei Bielefeld ins Spiel gekommen. Wie weit die Pläne waren, ist unklar. Die Bielefelder Moschee-Vereine reagierten in der Neuen Westfälischen auf die Nachricht mit Entsetzen und vermuten, dass die Vatan-Moschee in Brackwede mit dem Minarett-Turm das Ziel der Rechtsextremen hätte werden können.

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Mindener Tageblatt, 20.05.2021:

Terror-Prozess führt nach OWL

Pläne für Anschlag auf Bielefelder Moschee / Auch Mindener vor Gericht

Stuttgart / Bielefeld / Minden (dpa/groe). Erneut bringt die Corona-Pandemie die Planung des großen Terror-Prozesses gegen die mutmaßlich rechtsextremistische "Gruppe S." in Stuttgart durcheinander. In einer Justizvollzugsanstalt habe sich ein weiteres Mal ein Bediensteter oder Häftling mit dem Corona-Virus angesteckt, teilte das Oberlandesgericht mit. Deshalb wurde der Hauptverhandlungstermin am Mittwoch im Staatsschutzverfahren aufgehoben.

Vor Gericht stehen insgesamt elf mutmaßliche Mitglieder und ein mutmaßlicher Unterstützer der rechtsterroristischen Vereinigung "Gruppe S.", darunter zwei Männer aus Minden. Benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., der aus dem Raum Augsburg stammt, soll die Gruppe Waffen gehortet und Anschläge geplant haben.

Der Anklage zufolge wollten die Männer Moscheen überfallen und Muslime töten, um "bürgerkriegsähnliche Zustände" auszulösen. Bei der Verhandlung stand zunächst Paul U. im Mittelpunkt. Er ist Kronzeuge, aber auch Angeklagter. Einen Tag nach einem Treffen der Gruppe in Minden Anfang Februar 2020 hatte er die Polizei mit Informationen beliefert. Die Anfänge seiner Verhöre wurden am Dienstag vor Gericht als Video vorgespielt.

Daraus gehe hervor, dass bei dem Treffen zunächst eine Großmoschee in Köln ins Auge gefasst worden sei, berichtet der WDR. Wegen der großen Polizeipräsenz in der Millionenstadt habe man das verworfen und mittelgroße Städte ins Auge gefasst. Als erstes Beispiel sei laut den Aussagen des Angeklagten Paul U. Bielefeld ins Spiel gebracht worden. Fast alle Teilnehmer hätten Waffen bestellt - auch die beiden Mindener Gastgeber des Treffens, Thomas N. und Markus K.

Abgehörte Telefongespräche zwischen Werner S. und den Mitglieder der Gruppe gaben einen Einblick in die Rollen der einzelnen Angeklagten.

So soll sich der Mindener Thomas N. zur Mitfinanzierung eines Rückzugsortes der Gruppe in Süddeutschland bereit erklärt haben. Von den zwölf Angeklagten, die am 14. Februar 2020 festgenommen worden waren, sitzen elf in Untersuchungshaft, einer befindet sich auf freiem Fuß.

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Neue Westfälische, 20.05.2021:

Terror-Prozess führt nach OWL

Stuttgart / Bielefeld (dpa/ groe). Erneut bringt die Corona-Pandemie die Planung des großen Terror-Prozesses gegen die mutmaßlich rechtsextremistische "Gruppe S." in Stuttgart durcheinander. In einer Justizvollzugsanstalt habe sich ein weiteres Mal ein Bediensteter oder Häftling mit dem Corona-Virus angesteckt, teilte das Oberlandesgericht mit. Deshalb wurde der Hauptverhandlungstermin am Mittwoch im Staatsschutzverfahren aufgehoben.

Vor Gericht stehen elf mutmaßliche Mitglieder und ein mutmaßlicher Unterstützer der rechtsterroristischen Vereinigung "Gruppe S.", darunter zwei Männer aus Minden. Benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. soll die Gruppe Waffen gehortet und Anschläge geplant haben. Neben einer Großmoschee in Köln soll auch Bielefeld auf der Liste möglicher Ziele gestanden haben.

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Westfalen-Blatt, 20.05.2021:

Moschee als Terror-Ziel?

"Gruppe S." wollte angeblich in Bielefeld zuschlagen

Minden / Stuttgart (WB/ca). Die mutmaßlich rechtsterroristische Organisation "Gruppe S.", die seit vier Wochen in Stuttgart vor Gericht steht, soll auch einen Anschlag auf eine Moschee in Bielefeld ins Auge gefasst haben. Das wurde während der Verhandlung am Dienstag bekannt.

Die Gruppe, die nach ihrem Anführer Werner S. (55) benannt ist, hatte sich am 8. Februar 2020 im Haus des Fliesenlegers Thomas N. (56) in Minden getroffen - angeblich, um Anschläge in Deutschland vorzubereiten. Der Plan soll gewesen sein, durch Terror bürgerkriegsähnliche Zustände zu schaffen und schließlich einen Umsturz herbeizuführen.

Was die Gruppe nicht ahnte: Ein Mitglied hatte längst die Seiten gewechselt und informierte einen Tag nach dem Treffen in Minden die Sicherheitsbehörden. Neun Stunden lang wurde der Mann vernommen, und ein Teil der auf Video aufgezeichneten Aussage wurde am Dienstag im Gerichtssaal vorgespielt. Demnach wollte Werner S. mit Anschlägen auf Moscheen eine gewaltsame Gegenreaktionen von Muslimen provozieren und Deutschland ins Chaos stürzen. Die Überlegung, eine Großmoschee in Köln anzugreifen, sei wegen der hohen Polizeipräsenz in Köln verworfen worden. Deshalb sei Bielefeld ins Spiel gekommen.

Bei dem Treffen in Minden sollen die meisten der zwölf Mitglieder 5.000 Euro für Waffenkäufe zugesagt haben. Fliesenleger Thomas N. sollte sich angeblich um einen Rückzugsort in Süddeutschland kümmern.

Der Prozess, der eigentlich gestern fortgesetzt werden sollte, wurde vertagt, weil es in einer Justizhaftanstalt, in der einer der Angeklagten in U-Haft sitzt, einen Corona-Fall gegeben hat. Das Gericht will verhindern, dass das Virus in den Verhandlungssaal eingeschleppt und der Mammut-Prozess gefährdet wird.

Bildunterschrift: Ein Polizist betritt das Haus von Thomas N.

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Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt, 20.05.2021:

Planten Terroristen Anschlag in Bielefeld?

Im Staatsschutz-Prozess um die rechtsextreme "Gruppe S." wird deutlich, dass die zwölf Mitglieder eine Bielefelder Moschee als Anschlagsziel erwogen haben / Die Moschee-Verantwortlichen reagieren entsetzt

Susanne Lahr und Jens Reichenbach

Bielefeld / Minden / Stuttgart. Die Nachricht aus Stuttgart hat die Verantwortlichen der Bielefelder Moscheen kalt erwischt: Die rechte "Terror-Gruppe S.", deren zwölf Mitglieder am 14. Februar von SEK-Einheiten in ganz Deutschland festgenommen wurden, wollte sich womöglich eine Bielefelder Moschee als Ziel für ihren ersten Anschlag aussuchen. Das jedenfalls gab Paul U. (49), Kronzeuge des Falles, in seiner Vernehmung zu Protokoll.

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wurden am Dienstag Teile der neunstündigen Vernehmung vorgespielt, die bereits fünf Tage vor der Verhaftung der rechten Terror-Zelle stattgefunden hatte. Paul U. aus dem hessischen Odenwald hatte sich vorher gestellt und ist nun zentraler Belastungszeuge der Staatsanwaltschaft, aber auch Angeklagter.

Am Morgen nach dem konspirativen Treffen der Gruppe am 8. Februar in Minden, bei dem Anführer Werner S. die Mitglieder über die Pläne der Gruppe einweihte, ließ sich U. beim LKA erschöpfend über die Inhalte dieser Besprechungen aus. Demnach sollte die Gruppe Anschläge auf Moscheen ausüben. Der Terror der "Gruppe S." sollte der Auftakt einer Reihe von Gewaltakten sein, der zu Gegenwehr bis hin zum Bürgerkrieg führen sollte.

Wie der WDR berichtete, hatten sich die Gruppenmitglieder zunächst über eine Kölner Großmoschee als Anschlagsziel ausgetauscht. Weil die aber durch die große Polizeipräsenz in Köln als ungeeignet verworfen worden sei, sollen sich die Angeklagten auf Moscheen in mittelgroßen Städten verständigt haben: "Als erstes Beispiel sei Bielefeld ins Spiel gebracht worden", heißt es beim WDR.

Ob Bielefeld hier nur als nächstgelegenes geeignetes Ziel - vom Treffpunkt der Gruppe in Minden aus - Erwähnung fand, oder ob es konkrete Planungen für eine Tat gab, blieb im Prozess bisher offen. Die weitere Vorführung der neun Stunden langen Vernehmungen von Paul U. wird diese Frage möglicherweise noch klären. Dabei ist nach Angaben der Stuttgarter Zeitung schon jetzt absehbar, dass die Verteidiger der übrigen elf Angeklagten die Glaubwürdigkeit U.s in Frage stellen werden. Er hatte insgesamt 21 Jahre in Haft verbracht, 13 Jahre bekam er für zwei Geiselnahmen - anschließend verbrachte er noch acht Jahre im Maßregelvollzug, weil er psychisch krank und gefährlich gewesen sein soll. Als die Maßregel durch ein zweites Gutachten aufgehoben wurde, sah sich U. als Justizopfer. Später radikalisierte er sich in verschiedenen rechten Gruppen.

In Bielefelder Moschee-Vereinen herrschte nach Bekanntwerden der Anschlagsplanungen gestern Entsetzen. Mehrere Moschee-Verantwortliche tauschten sich daraufhin aus. Sie vermuteten, dass wahrscheinlich die Brackweder Vatan-Moschee mit ihrem Minarett-Turm als Ziel in Frage gekommen wäre. "Es wäre Wahnsinn, wenn diese kranken Menschen das umgesetzt hätten", sagte ein Vorstandsmitglied des Bielefelder "Bündnisses der Islamischen Gemeinden" (BIG). Dennoch zeigte er sich auch erleichtert: "Gut, dass die Behörden die Gruppe rechtzeitig zerschlagen haben. Wir vertrauen auf den Rechtsstaat und die Polizei. Die Neonazis wollen Angst schüren. Wir lassen uns aber nicht in eine Opferrolle drängen."

Trotzdem herrschte Verunsicherung, da keiner der Moschee-Verantwortlichen damals - im Februar - von der Polizei über die Pläne der Terror-Gruppe informiert worden ist. "Während der NSU-Ermittlungen ist die Polizei an die Adressaten einer Opfer-Liste herangetreten. Da hat man immerhin Betroffene informiert", weiß der BIG-Sprecher. Ob das diesmal nicht passierte, weil die Verdächtigen sowieso kurz vor der Verhaftung standen oder weil die Planungen nicht konkret genug waren, ist noch unklar.

Das Bündnis Islamischer Gemeinden legte seinen Mitgliedsvereinen nahe, ihre Sicherheitstechnik und Kameras an den Moscheen nochmals zu überprüfen. Die Polizei teilte auf Nachfrage der Moschee-Vereine mit, dass es aktuell keine konkrete Bedrohungslage gebe. Man werde aber die Streifenfahrten an den Moscheen erhöhen.

Bildunterschrift: Einige der zwölf Angeklagten sitzen kurz vor Beginn des Prozesses gegen die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim.

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Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt, 20.05.2021:

Bielefeld: War eine Bielefelder Moschee ein Terror-Anschlagsziel?

Bielefeld. Im Staatsschutz-Prozess in Stuttgart um die rechtsextreme "Gruppe S." kam jetzt zutage, dass offenbar eine Bielefelder Moschee das Ziel eines Terroranschlages sein sollte. Zumindest legt das eine Aussage nahe. Am 14. Februar hatten SEK-Einheiten in ganz Deutschland zugeschlagen und zwölf Mitglieder der Gruppe festgenommen.

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Neue Westfälische Online, 19.05.2021:

Plante die "Gruppe S." einen Anschlag auf eine Moschee in Bielefeld?

19.05.2021 - 11.55 Uhr

Fast alle Teilnehmer eines Treffens in Minden im Februar 2020 sollen Waffen bestellt haben - auch die beiden angeklagten Gastgeber aus Minden.

Stuttgart / Bielefeld / Minden (dpa/groe). Erneut bringt die Corona-Pandemie die Planung des großen Terror-Prozesses gegen die mutmaßlich rechtsextremistische "Gruppe S." in Stuttgart durcheinander. In einer Justizvollzugsanstalt habe sich ein weiteres Mal ein Bediensteter oder Häftling mit dem Corona-Virus angesteckt, teilte das Oberlandesgericht mit. Deshalb werde der Hauptverhandlungstermin an diesem Mittwoch im Staatsschutzverfahren aufgehoben.

Vor Gericht stehen insgesamt elf mutmaßliche Mitglieder und ein mutmaßlicher Unterstützer der rechtsterroristischen Vereinigung "Gruppe S.", darunter zwei Männer aus Minden.

Benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., der aus dem Raum Augsburg stammt, soll die Gruppe Waffen gehortet und Anschläge geplant haben. Der Anklage zufolge wollten die Männer Moscheen überfallen und Muslime töten, um "bürgerkriegsähnliche Zustände" auszulösen.

Anschlag auf Großmoschee verworfen

Bei der Verhandlung am Dienstag stand Paul U. im Mittelpunkt. Er ist Kronzeuge, aber auch Angeklagter. Einen Tag nach einem Treffen der Gruppe in Minden Anfang Februar 2020 hatte er die Polizei mit Informationen beliefert. Die Anfänge seiner Verhöre wurden am Dienstag vor Gericht als Video vorgespielt.

Daraus gehe hervor, dass bei dem Treffen zunächst eine Großmoschee in Köln ins Auge gefasst worden sei, berichtet der WDR. Wegen der großen Polizeipräsenz in der Millionenstadt habe man das verworfen und mittelgroße Städte ins Auge gefasst.

Als erstes Beispiel sei laut den Aussagen des Angeklagten Paul U. Bielefeld ins Spiel gebracht worden, berichtet der WDR. Fast alle Teilnehmer hätten Waffen bestellt - auch die beiden Mindener Gastgeber des Treffens, Thomas N. und Markus K.

Abgehörte Telefongespräche zwischen Werner S. und den Mitglieder der Gruppe gaben einen Einblick in die Rollen der einzelnen Angeklagten, so der WDR. So soll sich der Mindener Thomas N. zur Mitfinanzierung eines Rückzugsortes der Gruppe in Süddeutschland bereit erklärt haben.

Von den zwölf Angeklagten, die am 14. Februar 2020 festgenommen worden waren, sitzen elf in Untersuchungshaft, einer befindet sich auf freiem Fuß. Verhandlungstermine sind bis Mitte 2022 angesetzt.

Bildunterschrift: Einige der Angeklagten sitzen kurz vor Beginn des Prozesses gegen die "Gruppe S." in einem Saal im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 18.05.2021:

Terror-Prozess: Anschlag auf Bielefelder Moschee geplant?

18.05.2021 - 19.05 Uhr

Die so genannte Terror-Gruppe S. hatte offenbar auch einen Anschlag auf eine Moschee in Bielefeld geplant. Das geht aus den Aussagen eines Angeklagten hervor, die am Dienstag am Oberlandesgericht Stuttgart gezeigt wurden.

Paul U. gilt als Schlüsselfigur im Prozess - er war derjenige aus der Gruppe, der die Polizei mit Informationen beliefert hatte. Er ist Hauptbelastungszeuge, aber auch Angeklagter. Bei der Polizei hatte er einen Tag nach dem ominösen Treffen der Gruppe Anfang Februar 2020 in Minden ausgesagt - noch bevor die Polizei die Gruppenmitglieder festnahm. Die Anfänge seiner insgesamt neun Stunden langen Verhöre wurden am Dienstag als Video vorgespielt - und offenbarten viel über das, was bei dem Treffen in Minden besprochen.

Mehrere Moscheen ins Auge gefasst

Demnach hatte der Chef der Gruppe, Werner S., seine Ziele unmissverständlich erklärt. Es sollte Anschläge geben, auf Moscheen vor allem, um von der islamischen Seite Gegengewalt zu provozieren: "Es soll Bürgerkrieg kommen", habe S. gesagt. Und "es geht bis in den Tod".

Zunächst war eine Großmoschee in Köln ins Auge gefasst worden - das hätte eine enorme Gegenreaktion hervorrufen können. Wegen der großen Polizeipräsenz in der Millionenstadt habe man das verworfen und mittelgroße Städte favorisiert, wo die islamischen Gemeinden eine regionale Bedeutung hätten.

Waffen bestellt und Geld gesammelt

Als erstes Beispiel sei Bielefeld ins Spiel gebracht worden. Fast alle Teilnehmer hätten Waffen bestellt, auch die beiden Mindener Teilnehmer: Gastgeber Thomas N. und Markus K. Und fast alle hätten Geldzusagen über 5.000 Euro gemacht, auch Thorsten W. aus Hamm, der Verwaltungsbeamte bei der Polizei.

Telefone abgehört

Weil U. frühzeitig die Polizei eingeweiht hatte, wurden Telefone von Gruppenmitgliedern abgehört. Die Gespräche von Werner S. mit seinen "Kameraden" wurden vor Gericht vorgespielt - und offenbarten einen Einblick in die Rollen der einzelnen Angeklagten. Thomas N. aus Minden, so der "Chef" der Gruppe, sei ein knallharter, hochanständiger Typ. N. soll sich auch zur Mitfinanzierung eines Rückzugsortes der Gruppe in Süddeutschland bereit erklärt haben.

Über den zweiten Angeklagten aus Minden, Markus K., hieß es: "der steht gerade" - übersetzt: auf den kann man sich verlassen. Über Thorsten W. aus Hamm erhoffe man sich Kontakte zu weiteren Kandidaten für die Gruppe.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 11.05.2021:

Terror-Prozess Gruppe S.: Vorwürfe gegen Justiz und Polizei

11.05.2021 - 19.10 Uhr

Von Thomas Wöstmann

Beim Prozess um die so genannte Terror-Gruppe S. am Oberlandesgericht Stuttgart sind am Dienstag (11.05.2021) Vorwürfe gegen das Gericht und die Polizei laut geworden. Anlass war unter anderem die Vernehmung des Angeklagten Thorsten W. aus Hamm.

Bei dem Verfahren sind zwölf Männer angeklagt, weil sie in einem Haus in Minden Terroranschläge in Deutschland geplant haben sollen.

Verteidiger: Prozess ist ein "Schauspiel"

Einer der Verteidiger bezeichnete den Prozess als "Schauspiel" – öffentlichkeitswirksam sollten Angeklagte als rechts und als nationalsozialistisch hingestellt werden. Bei seinem Vorwurf bezog er sich auf die vorherige Befragung von Thorsten W. Der ehemalige Verwaltungsmitarbeiter der Polizei hatte sich in der abgelaufenen Prozess-Woche zunächst als unpolitisch bezeichnet - in das Geschehen um die Terror-Gruppe sei er zufällig hinein geraten.

Einen Tag nach seiner Aussage konfrontierte das Gericht ihn dann aber vielfältig mit Hinweisen, die auf eine extrem rechte Gesinnung hindeuteten; so wurden private Fotos mit Hitlergruß und Hitler-Bärtchen gezeigt, in seiner Wohnung hatte man vielfach Hakenkreuze und NS-Literatur gefunden. Am Prozesstag am Dienstag (11.05.2021) wollte sich W. nicht mehr zur Sache äußern - seine Anwälte hatten ihm davon abgeraten.

Hat der Verfassungsschutz Straftaten provoziert?

Ein weiterer Vorwurf der Verteidiger: manches deute inzwischen darauf hin, dass der Verfassungsschutz einen Informanten in die vermeintliche Terror-Gruppe eingeschleust haben könnte, um dort bewusst Straftaten zu provozieren. Dabei geht es um Paul U. - einer der zwölf Angeklagten. Er hatte die Behörden tatsächlich ein halbes Jahr lang mit Informationen gefüttert; die Verteidigung bezweifelt seine Glaubwürdigkeit - das wurde während der ersten Prozesstage sehr deutlich.

Hintergrund: U. hat eine kriminelle Vergangenheit, wurde wegen zweier Geiselnahmen in Nordrhein-Westfalen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Er saß aber insgesamt 21 Jahre hinter Gittern, wegen eines Gutachtens, das ihm eine psychische Störung attestierte, das aber inzwischen widerlegt ist. 2017 kam er dann aus dem Gefängnis. Die Anklagevertreterin des Generalbundesanwalts wies heute die Vorwürfe zurück, U. habe im Auftrag der Behörden gespitzelt.

In Minden sollte "Geschichte geschrieben werden"

Ein weiterer Angeklagter berichtete am Dienstag (11.05.2021) detailliert über das ominöse Treffen in Minden im Februar 2020, das letztlich zum Auffliegen der Gruppe führte. Manchmal offen, manchmal verklausuliert sei über Anschläge gesprochen worden. Darüber, "dass Geschichte geschrieben werden solle". Erst sei über eine Moschee in Köln gesprochen worden, dann darüber, dass es besser sei, in kleineren Städten zuzuschlagen. Die Anwesenden hätten 40.000 bis 50.000 Euro zugesagt, um damit Waffen zu beschaffen - alles sollte noch im Jahr 2020 passieren. Eine Woche nach dem Mindener Treffen flog die Gruppe auf.

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Spiegel Online, 11.05.2021:

Angeklagter in Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Angeblich nur "Kneipen-Nazis"

11.05.2021 - 17.38 Uhr

Die rechtsextreme "Gruppe S." soll Anschläge geplant haben. Ein Angeklagter sieht jedoch eher Leute versammelt, die viel erzählen - aber nichts tun. Er selbst sei schockiert gewesen.

Von Julia Jüttner, Stuttgart

Der Mann, der einmal von sich selbst behauptete, ein "großer Nazi" zu sein, muss im gepanzerten Glaskäfig im Gerichtssaal in Stuttgart-Stammheim vorne an der Scheibe sitzen. So können ihn Prozess-Besucher betrachten wie einen Fisch im Aquarium: einen schmalen, blonden, blassen Mann mit akkuratem Haarschnitt und Brille, den Rücken durchgedrückt, die Arme vor der Brust verschränkt.

Was man nicht sehen kann, ist der eintätowierte Schriftzug am rechten Arm: "FRIMR". Er stammt aus der gemeingermanischen Runen-Reihe ("Futhark") und bedeutet: Arier. Es ist einer von mehreren Belegen für Stefan K.s politische Einstellung, die sich bereits in seiner Jugend in die rechte Richtung prägte, so beschrieb er es selbst in Vernehmungen. In seinem Anwesen fanden Fahnder NS-Devotionalien, auf seinem Handy Videos zu den rechtsextrem motivierten Anschlägen auf die Synagoge in Halle und auf zwei Moscheen in Christchurch sowie Bilder mit antisemitischen, rassistischen Motiven.

Hinter ihm hocken aufgereiht in voller Montur zwei Dutzend Justizbeamte der SGS, der "Sicherheitsgruppe der Gerichte und Staatsanwaltschaften". Sie werden bei besonderen Gefährdungslagen eingesetzt, sind speziell ausgebildet und bewaffnet mit Schlagstöcken und Pfefferspray.

Sie bewachen neben Stefan K. zehn weitere Angeklagte. Gemeinsam sollen sie als Mitglieder der terroristischen Vereinigung "Gruppe S." Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant haben. Ihr Ziel: ein "Systemwandel in Deutschland".

Aus Eintönigkeit zum Rechtsextremismus

Nachdem Thorsten W. seine Verbindung zur "Gruppe S." als Missverständnis darstellte, will nun auch Stefan K. reinen Tisch machen. Er ist 32, der Jüngste von allen auf der Anklagebank, und stammt aus Wolfen in Sachsen-Anhalt. Zuletzt wohnte er in Coswig im Landkreis Wittenberg. Er ist Vater einer acht Jahre alten Tochter. Sie sei "das Beste", was er "je zustande gebracht" habe, sagt er unter Tränen.

Der gelernte Ofen- und Luftheizungsbauer machte das Fachabitur, arbeitete in einem Callcenter und als Saisonarbeiter bei einem Steinmetz mit einem Nettoverdienst von 1.600 Euro. In seinem Geständnis vor Gericht spricht K. über seine "Adoleszenz" und "falsche Freunde", die mit ihrem Hang zum Rechtsrock bei ihm den Grundstein legten für das, was er "eine klare rechte Meinung" nennt.

K. verschweigt seine rechte Einstellung nicht. Er gibt zu, wie er in einem Chat schrieb: "Ich bin schon ein großer Nazi." Er steht dazu, sich wie in der Prepper-Szene üblich für den Notfall gerüstet und mit Lebensmitteln eingedeckt zu haben.

"Auf Grund der Eintönigkeit in meinem Leben" will er 2016 via Facebook zu den "Soldiers of Odin Germany" gefunden haben. Mit einem weiteren Mitglied ging K., so erzählt er es, auf Patrouille, auf so genannte Streifengänge zur Sicherheit des Landes. Manchmal aber sei das auch "mehr Schein als Sein" gewesen: Dann sei er mit jenem Kumpel nur kurz vors Haus, rüber zu einem Baum, habe ein Selfie gemacht und das Foto dann bei Facebook hochgeladen - mit der beruhigenden Botschaft für die Internet-Welt: "Alles in Ordnung."

Hitler auf dem Oberschenkel

Im Oktober 2016 habe er Steffen B. kennengelernt, der auch im Glaskasten in Stammheim sitzt. Ein Mann, der laut Ermittlungsakte seine Gesinnung auf dem Körper trägt: auf der Brust ein eintätowiertes Hakenkreuz sowie das "Eiserne Kreuz", auf dem Oberschenkel Adolf Hitler in Uniform, auf dem Rücken den Aufmarsch von Soldaten mit Reichskriegsflaggen.

Mit ihm fuhr K. am 19. August 2017 an den Wolfsee in Bayern, wo er erstmals auf Werner S. traf. Ihn hält die Bundesanwaltschaft für den Gründer und Kopf der "Gruppe S.". K. beschreibt Werner S. als "charismatischen Typ" und "sehr sympathisch". Er sei von allen "Matze" und "Giovanni" genannt worden.

Bei jenem Treffen ging es um den Zusammenschluss mehrerer Gruppierungen. K. behauptet, gezögert zu haben. "Nach außen hin wollten wir als unpolitisch gelten." Die Zweifel hielten nicht lange, es war die Geburtsstunde von "Wodans Erben Germanien" und K. bastelte die Website dazu.

Werner S. nahm K. und B. in die Chat-Gruppe "Heimat" auf, die K. prompt auf stumm gestellt und nur überflogen haben will. Das ist deshalb interessant, weil K. dort am 13. Februar 2019 gepostet haben soll: "Ja, grad die Jeck mich so am Arsch Phase, weist du. Mir ist glaub ich gerade alles rel... Ich würde jetzt auch 3 Politiker erschießen und mit Freuden dafür in den Bau gehen. Hehe."

"Überfremdung und so"

Am 8. Februar 2020 traf sich die "Gruppe S." nach Ansicht der Bundesanwaltschaft zur Konkretisierung ihrer Umsturzpläne. Dort soll es auch um die Beschaffung von Waffen gegangen sein, um Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Handgranaten, Kurz- und Langwaffen für 50.000 Euro. K. bestreitet im Gericht, 5.000 Euro zugesagt und den Wunsch nach einer Pistole geäußert zu haben. Laut Anklage soll er sich gemeinsam mit seinem Kumpel B. bereit erklärt haben, die Waffenlieferungen zu organisieren.

K. erinnert sich an eine harmlose Runde von "Kneipen-Nazi"«, wie er sie nennt: "Leute, die erzählen, erzählen, erzählen - aber nichts tun. So kam mir das vor." Man habe "die typischen Gespräche" geführt, über "Überfremdung und so".

Werner S. sei der Entschlossenste gewesen, er habe nicht mehr warten und noch im selben Jahr zuschlagen wollen. "Wir können an diesem Tisch Geschichte schreiben!", soll er gerufen haben. Stefan K. sagt, als es auf einmal um Anschläge auf Moscheen gegangen sei, sei er selbst wie der geständige Thorsten W. und sein bester Kumpel B. "sichtlich geschockt" gewesen.

Werner S. soll in die Runde gefragt haben: Wer ist bereit? Wer ist offensiv aufgestellt? Wer defensiv? Er selbst, so sagt K., habe definitiv zur zweiten Gruppe gehört.

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die tageszeitung Online, 06.05.2021:

Vorwurf rechtsextremer Terror-Pläne: Razzien beim "Harten Kern"

In Chats sollen vier Rechtsextreme über einen Umsturz sinniert haben, nun wurden sie durchsucht. Sie standen in Kontakt zur berüchtigten "Gruppe S.".

Konrad Litschko

Berlin (taz). Das Quartett war nah dran an der unter Rechtsterror-Verdacht stehenden "Gruppe S.", stand teils mit Mitgliedern in Kontakt oder traf diese direkt. Nun ließ die Bundesanwaltschaft am Donnerstag die vier Rechtsextremen durchsuchen. Der Vorwurf: Sie hätten sich zu einer eigenen Rechtsterror-Gruppe zusammengeschlossen, namens "Der harte Kern".

Die Durchsuchungen fanden in Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Niedersachsen statt. Festnahmen gab es keine. Der Spiegel berichtete zuerst.

Eine der Betroffenen ist nach taz-Informationen die Bayerin Marion G., dazu kommen drei Männer. Die 56-jährige Frisörin, die sich früher auch an den Gelbwesten-Protesten in Bayern beteiligte, soll vor gut zwei Jahren eine Telegram-Gruppe namens "Der harte Kern" gegründet haben, zu der offenbar auch die anderen Durchsuchten gehörten.

In der Gruppe war der Ton brachial. Geätzt wurde über Migranten und Geflüchtete, man müsse aktiv werden und Widerstand leisten. Sinniert wurde über einen Umsturz. Nach taz-Informationen trafen sich einige Mitglieder der Gruppe im September 2019 auch real in einem Biergarten bei Heilbronn (Baden-Württemberg).

Prozess gegen "Gruppe S." seit April

Marion G. nahm nach taz-Informationen kurz darauf auch an einem ersten Treffen der "Gruppe S." teil, im September 2019 auf dem Grillplatz Hummelgautsche in Baden-Württemberg. Ein späteres Treffen, bei dem die "Gruppe S" konkretere Anschlagspläne auf Moscheen und Waffenbeschaffungen diskutiert haben soll, besuchte Marion G. nicht mehr. Sie soll aber im Chat-Kontakt mit deren Gruppenanführer Werner S. gestanden haben, einem bayrischen Rechtsextremisten und Trödelhändler.

Die Bundesanwaltschaft ermittelte bereits seit Längerem gegen das jetzt durchsuchte Quartett. Mit den Razzien hofft sie offenbar, auf weitere Beweise für den Terrorismus-Vorwurf zu stoßen. Dass keine Festnahmen erfolgten, deutet darauf hin, dass die Beweislage bisher überschaubar ist.

Die "Gruppe S.", benannt nach ihrem Anführer Werner S., steht bereits seit Mitte April vor Gericht. Angeklagt sind 12 Männer, die neben Anschlägen auf Moscheen auch Angriffe auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter geplant haben sollen, um so einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Die Angeklagten entstammen zumeist rechtsextremen Bürgerwehr-Gruppierungen und wurden von einem Informanten des LKA verraten.

Bildunterschrift: Hier traf sich die Rechtsterror-Truppe "Gruppe S.", Marion G. war dabei: die Hummelgautsche.

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Spiegel Online, 06.05.2021:

Gruppierung "Der harte Kern" / Razzia wegen Terror-Verdachts

06.05.2021 - 11.04 Uhr

In vier Bundesländern durchsuchen Ermittler die Wohnungen von Rechtsextremisten, die sich selbst als "Der harte Kern" bezeichneten. Der Verdacht: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung lässt die Bundesanwaltschaft seit den Morgenstunden die Wohnungen von vier Beschuldigten durchsuchen. Die Razzia richtet sich nach Spiegel-Informationen gegen eine Frau und drei Männer aus Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Thüringen.

Hintergrund der Razzia sind Ermittlungen wegen Terror-Verdachts. Demnach sollen die vier Beschuldigten bereits seit September 2019 einer Gruppierung namens "Der harte Kern" angehört haben, die unter anderem verdeckt in Chats kommunizierte und auch über rechtsextremistische Anschläge diskutiert haben soll. Ein Treffen der Gruppe soll vor eineinhalb Jahren in Heilbronn stattgefunden haben.

Nach Spiegel-Informationen gab es im Zuge der aktuell laufenden Maßnahmen gegen den "Harten Kern" keine Festnahmen. Zur Führungsriege der Gruppierung soll eine 56-jährige Frau aus dem Landkreis Unterallgäu gehören.

Den Ermittlungen zufolge soll "Der harte Kern" ideologische und personelle Schnittmengen mit der rechtsextremen "Gruppe S." gehabt haben, deren Mitgliedern derzeit vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gemacht wird.

In dem Mammut-Verfahren müssen sich neben dem mutmaßlichen Anführer der Gruppe, Werner S., elf weitere Männer aus dem rechtsextremen Milieu wegen der Planung von Anschlägen auf Moscheen und Politiker verantworten. Ihr Ziel soll gewesen sein, "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Der Prozess findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim statt. Das Gericht setzte zunächst 30 Verhandlungstermine bis zum August fest, das Verfahren könnte sich aber bis ins nächste Jahr ziehen.

Bildunterschrift: Prozess gegen Mitglieder der "Gruppe S." in Stuttgart-Stammheim (im April).

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Stuttgarter Nachrichten Online, 06.05.2021:

Mutmaßliche Rechtsterror-Gruppe / Durchsuchungen bei der Gruppe S.

06.05.2021 - 10.05 Uhr

Exklusiv. Im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Rechtsterror-Gruppe S. durchsuchen Polizisten Räumlichkeiten. Die Ermittlungen gegen eine Frau und drei Männer hatte der Generalstaatsanwalt vom in Stuttgart laufenden Verfahren abgetrennt.

Stuttgart. Seit den frühen Morgenstunden durchsuchen Polizisten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Thüringen Wohnungen und andere Räumlichkeiten mutmaßlicher Mitgliedern der als Rechtsterror-Gruppe geltenden Gruppe S. Das bestätigte ein Sprecher des Generalbundesanwalts unserer Zeitung. Die Razzien betreffen eine Frau und drei Männer, in deren Fall die Ankläger die Ermittlungen von dem aktuell in Stuttgart gegen zwölf Angeschuldigte laufende Verfahren abgetrennt hatten. Die Durchsuchungen sollen den Ermittlern helfen, Beweismaterial zu finden. Haftbefehle würden nicht vollstreckt.

Elf mutmaßliche Mitglieder der Gruppe S. sind vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht angeklagt, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Einem weiteren wird vorgeworfen, diese unterstützt zu haben. In dieser Woche waren die Verhandlungstermine aufgehoben worden, weil in der Haftanstalt Schwäbisch Hall Justizwachtmeister und Häftlinge positiv auf Corona getestet worden waren. In diesem Gefängnis ist der mutmaßliche Rädelsführer der nach ihm benannten Gruppe, Werner S., untergebracht.

Bildunterschrift: Mitglieder der Gruppe S. posieren für ein Gruppenfoto. Bei vier weiteren Verdächtigen durchsuchen Polizisten jetzt Wohnungen und andere Räumlichkeiten.

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Süddeutsche Zeitung Online, 27.04.2021:

Nazi-Parolen, Germanenkult, Corona-Leugnung / Das rechtsextreme Netzwerk ist intakt

27.04.2021 - 20.58 Uhr

Die früheren Bayern-Chefs der Bürgerwehr "Wodans Erben Germanien" stehen derzeit vor Gericht. Doch ihre einstigen Mitstreiter machen einfach weiter. Ihr Hass ist derselbe geblieben - nur verlagern sie ihre Aktivitäten zunehmend ins Internet.

Von Martin Bernstein

Nazi-Parolen und Germanenkult, Corona-Leugnung und Politiker-Beschimpfung: Während der Prozess gegen die unter Terror-Verdacht stehende "Gruppe S." läuft, macht die rechtsextreme Bürgerwehr "Wodans Erben Germanien" (W.E.G.) weiter - auch gut ein Jahr nach der Verhaftung ihrer beiden ehemaligen Bayern-Chefs Frank H. und Marcel W. Ein Mitglied der einstigen W.E.G.-Führungsriege leitet weiterhin die Gruppierung, derzeit unbehelligt von Polizei und Justiz. Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart muss sich nur der mutmaßlich harte Kern der "Gruppe S." verantworten, darunter der Münchner Frank H., der die Vorwürfe bestreitet. Selbst enge Kontaktpersonen tauchen im Prozess allenfalls auf der Zeugenliste auf.

Ein Gesinnungsgenosse der beiden inhaftierten ehemaligen W.E.G.-Anführer hat sich inzwischen nach Österreich abgesetzt. Nach Berichten mehrerer Medien betätigt sich der Rechtsextremist als eine Art IT-Dienstleister für rechte und verschwörungsgläubige Gruppierungen insbesondere aus der Corona-Leugner-Szene. Frank Sch., der sich derzeit "Frank der Reisende" nennt, trat in München unter dem Namen "Frank Thueringen" mindestens zweimal an der Seite des wegen Rechtsterrorismus angeklagten H. auf - und zwar bei einer Gelbwesten-Kundgebung und als W.E.G.-Mitglieder in eine Asylbewerberunterkunft in Moosach eindrangen.

Während die ehemaligen Bayern-Chefs Frank H. und Marcel W. und ein weiterer Mann sich wegen dieses mutmaßlichen Hausfriedensbruchs auch in München noch vor Gericht verantworten müssen und mehrere andere W.E.G.-Mitglieder Strafbefehle erhielten, soll Sch. sich nach Recherchen des ARD-Magazins Kontraste inzwischen in Österreich im Raum Wien aufhalten. Die Münchner Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) fahndet nach ihm. Sch. will nach eigenen Angaben rund 4000 Gruppen auf dem Messenger-Dienst Telegram gegründet und vernetzt haben. Noch im Oktober trat Sch. auf einer "Querdenker"-Kundgebung in Nordbayern auf.

Bei einer Münchner Anti-Corona-Demonstration wurde am 9. Mai zum letzten Mal ein W.E.G.-Mitglied mit dem Logo der rechten Gruppierung in der Öffentlichkeit gesehen - und zuletzt zwei Aktivisten am 27. Februar bei einer ähnlichen Versammlung in Landshut. Die Aktivitäten der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung finden derzeit vorwiegend im virtuellen Raum statt. Kritik an den mutmaßlichen Plänen ihrer verhafteten Mitstreiter, die laut Generalbundesanwalt durch blutige Anschläge auf Moscheen einen Bürgerkrieg heraufbeschwören wollten, üben sie dort keine. "Anders sein ist kein Verbrechen", schreibt die Gruppierung zum Prozessauftakt - in einer Fotomontage ist ein gefesselter Skinhead in W.E.G.-Jacke vor einem Polizeiauto zu sehen. Die verbliebenen "Wodans Erben" lassen online keinen Zweifel an ihrer Gesinnung.

Gegen ein langjähriges Mitglied der "Bürgerwehr" ermittelt deshalb aktuell der Staatsschutz der Münchner Polizei. Auf seinen zahlreichen Facebook-Profilen postet der Münchner Nazi-Symbolik und in der rechtsextremen Szene verwendete Kürzel. Die Zustimmung von Sympathisanten - viele von ihnen zeigen ebenfalls das W.E.G.-Logo in ihrem Profil - zu Veröffentlichungen des Münchners beweisen: Das Netzwerk von "Wodans Erben" ist weiterhin intakt. Mehrere Aktivisten, die in engem Kontakt zu den Stuttgarter Angeklagten standen, sind nach wie vor dabei.

An der Spitze von "Wodans Erben" steht ein Paar aus Konstanz mit einst engen Verbindungen zu H. und W. Der aktuelle W.E.G.-Präsident stand der "Gruppe S." nach Erkenntnissen des baden-württembergischen Landeskriminalamts nahe, ohne jedoch zu dem für die Ermittler entscheidenden Treffen im Februar 2020 in Minden eingeladen gewesen zu sein, bei dem die Anschlagspläne konkretisiert worden sein sollen. Ähnliches gilt auch für ein führendes Mitglied des bayerischen Zweigs der "Bürgerwehr".

Nach den Festnahmen sollen der bayerischen W.E.G.-"Division" noch etwa 20 Aktive angehören

Weder der Generalbundesanwalt noch Staatsanwaltschaften in München oder am Heimatort des Mannes ermitteln derzeit gegen den Niederbayern. Er soll im Prozess gegen die "Gruppe S." lediglich als Zeuge aussagen. Dass ihm nicht mehr passiert ist, hat der Mann offenbar einem Zufall zu verdanken: Wegen eines Krankheitsfalls in der Familie nahm er eine Einladung zum Treffen in Minden nicht wahr, auf dem die Terror-Pläne ausgearbeitet worden sein sollen. Zuvor soll er sich mit H. im Chat über Waffen und Sprengstoffe ausgetauscht haben. Von den angeblichen Plänen will der Zeuge aber nichts gewusst haben.

Nach der Festnahme ihres einstigen Führungsduos zählt die bayerische W.E.G.-"Division" derzeit laut Landesamt für Verfassungsschutz noch rund 20 Aktive. Einigen Personen, die 2019 an Patrouillen der rechtsextremen Truppe in München beteiligt waren, wurde der Boden offenbar zu heiß. Sie löschten ihre einschlägigen Facebook-Profile oder entfernten Hinweise auf die Organisation. Andere zogen von dannen, weil sie enttäuscht über fehlende Unterstützung der Gruppe für die inhaftierten Gesinnungsgenossen waren. Dabei sind Unterstützer der rechtsextremen Organisation im Netz aktiv wie eh und je.

"Und wenn die ganze Welt gegen meinen Bruder wäre, würde ich hinter ihm stehen und ihm leise die Waffe geben", postet der Administrator der Facebook-Seite zwei Monate nach der Festnahme der Terrorverdächtigen. Der W.E.G.-Aktivist, der sich selbst offen als "braun" bezeichnet, wählt dazu das Datum von Hitlers Geburtstag. Jede Menge "Likes" gibt es dafür. Für mindestens zwei der W.E.G.-Unterstützer ist das jedoch zu wenig. Sie erklären: "Ich würde aber auch selber schießen."

Bildunterschrift: Ein angeklagtes Mitglied der "Gruppe S." wird in den Gerichtssaal in Stuttgart geführt.

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Spiegel Online, 27.04.2021:

Angeklagter in Terror-Prozess / "Hä? Geht`s hier nicht ums Mittelalter?"

27.04.2021 - 19.30 Uhr

Zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen sollen Anschläge in Deutschland geplant haben. Einer von ihnen arbeitete in der Verwaltung eines Polizeipräsidiums - er schildert seine Teilnahme an den Treffen als großes Missverständnis.

Von Julia Jüttner, Stuttgart

Thorsten W. fühlt sich unwohl, man sieht es ihm an. Als mutmaßlicher Rechtsterrorist hockt er, versunken in einem khakifarbenen Anorak, in einem Kasten aus Panzerglas. Der Saal des Oberlandesgerichts Stuttgart auf dem Gelände des Hochsicherheitstraktes in Stammheim wurde gebaut für Verfahren, in denen die Angeklagten als staatsgefährdende Gewalttäter oder Mitglieder verbotener Vereinigungen gelten. Hier herrscht höchste Sicherheitsstufe.

Mit W. angeklagt sind weitere elf Männer, alle mutmaßlichen Mitglieder der "Gruppe S.". Ihnen wirft die Bundesanwaltschaft genau das vor: die Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung, illegalen Waffenbesitz und die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten.

Nach Ansicht der Ankläger ging von dem rechtsgesinnten Dutzend eine reale Terrorgefahr aus: Auf Ansage des mutmaßlichen Rädelsführers Werner S., 54, und seines treuesten Gehilfen Tony E., 40, soll die Gruppe Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben, um möglichst viele Menschen zu töten und einen Bürgerkrieg zu entfachen.

Vorwürfe, die W. ungern auf sich sitzen lassen will. Und so legen ihm zwei Justizbeamte Handfesseln an und lotsen ihn aus dem Glaskasten in den Zeugenstand, wo W. seinen Anorak auszieht, seine FFP2-Maske abnimmt und auspackt. Glaubt man W., sitzt er zu Unrecht auf der Anklagebank, und alles ist ein großes Missverständnis.

Gefallen an germanischen Kostümen

Bis zu seiner Verhaftung lebte W. in einer festen Beziehung, er ist geschieden, Vater einer fast 15-jährigen Tochter und Besitzer des Kleinen Waffenscheins. Er arbeitete als Beamter im Polizeipräsidium Hamm für ein Nettogehalt von etwa 3.000 Euro, zuletzt als Regierungsamtsinspektor im Verkehrskommissariat, zuständig für Verkehrsordnungswidrigkeiten. Er führte ein beschauliches Leben, das er zu vermissen scheint.

Ausgerechnet sein Hobby soll ihn in die Bredouille gebracht haben: W. pflegt einen Hang zu nordischem Brauchtum. Er gefällt sich in Kostümen germanischer Krieger und postete entsprechende Fotos von sich in einem Internet-Forum.

Auf einem Mittelalter-Markt auf Fehmarn, so erzählt W., lernte er im Juli 2017 Thomas N. aus Minden kennen. Der 57-jährige Fliesenleger sitzt auch auf der Anklagebank im Glaskasten. Die beiden freundeten sich in jenem Sommer an, hielten sporadisch Kontakt und trafen sich in den folgenden Jahren auf verschiedenen Veranstaltungen zum Thema Mittelalter.

"Die sind politisch so drauf wie wir"

Im Oktober 2019 lud N. seinen Kumpel W. in die Chat-Gruppe "Heimat" ein, in der auch die anderen Angeklagten Teilnehmer gewesen sein sollen. Da gehe es ums Mittelalter, habe ihm N. versprochen, sagt W. Und: "Die sind politisch so drauf wie wir." Was genau das bedeutete, erklärt W. nicht. Er betont aber, er habe N. als "besonnen und vernünftig" eingeschätzt.

N. habe ihn schließlich zu einem Treffen der Gruppe eingeladen, bei sich zu Hause in Minden. Er habe dieses Treffen am 8. Februar 2020 als "Mittelalter-Treffen" verstanden, sagt W., als geplanten "Zusammenschluss verschiedener Mittelalter-Gruppen". N. habe angekündigt, die anderen Gäste seien Mitglieder bei "Wodans Erben Germanien", "Vikings Security Germania" und der "Bruderschaft Deutschland". Es handelt sich dabei um rechtsextreme, gewaltbereite Gruppierungen.

W. will bei den Namen "ans Mittelalter" gedacht haben. "Für mich sind das klar nordische Darstellungen", sagt er. In der Mittelalter-Szene seien solche Namen "völlig normal". Ob er sie nicht mal gegoogelt habe, will der Vorsitzende Richter wissen. Ja, habe er, sagt W., allerdings nach dem Treffen am 8. Februar 2020. "Hätte ich mal früher gucken sollen, dann wäre ich da garantiert nie hingefahren." Immerhin sei er seit 30 Jahren im öffentlichen Dienst tätig. "Ich stehe zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung unseres Staates!"

Ein Ausspruch, der den Ermittlungsergebnissen deutlich widerspricht. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft ist W. ein Anhänger der "Identitären Bewegung", rechtsradikal gesinnt.

"So was wie in Christchurch?"

Bei jenem Treffen in Minden habe ihm N. seine Mittelalter-Waffen gezeigt, berichtet W. im Gericht. Das habe andere Teilnehmer gelangweilt. Nach und nach seien die Mitglieder der Chat-Gruppe eingetrudelt, er habe außer N. keinen von ihnen gekannt und sich ausgeschlossen gefühlt. Nach einem gemeinsamen Mittagessen habe der angeklagte Werner S. eine Vorstellungsrunde eröffnet.

Der ebenfalls angeklagte Paul-Ludwig U. habe geprahlt, er habe 20 Jahre seines Lebens im Knast gesessen. "Ich dachte: Hä? Geht`s hier nicht ums Mittelalter?", sagt W. im Gericht. Er habe sich damals vorgestellt mit den Worten: "Ich bin Thorsten, 50 Jahre, und komme aus Hamm. Mein Hobby ist das Mittelalter und Fotografieren, und ich bin im öffentlichen Dienst." Mit seinem Arbeitgeber hätten einige in der Runde ein Problem gehabt, man habe deshalb abgestimmt und ihn schließlich geduldet.

Erst nach der offiziellen Kennenlernrunde seien "rechte Unmutsäußerungen" gefallen, die ihn verwundert hätten, behauptet W. Auch sei es um Demonstrationen, Geld und Waffen gegangen. An Details könne er sich nicht erinnern.

Als es auf einmal um Anschläge auf Moscheen gegangen sei, will W. gefragt haben: "So was wie in Christchurch?" Dort starben im März 2019 bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen 51 Menschen, 50 weitere wurden verletzt. Die Gruppe habe seine Frage mit Schweigen quittiert. W. will nachgehakt haben: "Euer Ernst? Lasst das!" Wieder: keine Reaktion.

Danach will W. nur noch "Stimmengewirr" wahrgenommen und den nächsten Moment genutzt haben, um abzuhauen. "Das ist mir zu heftig, ich will mit dem Quatsch nichts zu tun haben", habe er N. mitgeteilt und sei ins Auto gestiegen. "Ich war total aufgewühlt."

Damals hatten die Fahnder die Männer bereits im Visier. Sie haben W.s Lebenslauf, seine Gewohnheiten, seine Vorlieben dokumentiert: 2009 erkrankte er an Depressionen, er ließ sich stationär behandeln, suchte Hilfe in Gesprächstherapien und Halt im Cannabis-Rausch. Bei der Durchsuchung seines Zuhauses fanden Beamte mehr als 170 Gramm Marihuana und 15 fertige Joints.

In seiner Freizeit liest W. demnach die rechte Zeitschrift "Junge Freiheit", ist Mitglied des "Freundeskreises der Truppenkameradschaft der 3. SS-Panzer-Division Totenkopf e.V." und verherrlicht das NS-Regime und Adolf Hitler. In W.s Wohnung fand man zwei Ausgaben von "Mein Kampf", Modellflugzeuge mit Hakenkreuzen und NS-Devotionalien.

"Rigorose Wende"

Unter seinem Profil "Thor Tjark ton Rungholt" schrieb W. in ein Mittelalter-Forum: "Wir müssen von Zeit zu Zeit Terroranschläge verüben, bei denen unbeteiligte Menschen sterben." Dadurch lasse sich der gesamte Staat und die gesamte Bevölkerung "lenken". "Das primäre Ziel eines solchen Anschlages sind nicht die Toten, sondern die Überlebenden, denn die gilt es zu lenken und zu beeinflussen."

Es sind Ermittlungsergebnisse, die bei der Einordnung von W.s Zeugenaussage dienlich sein könnten: Im Gericht räumt W. ein, er habe mit N. auch "über Politik geredet und sich kritisch geäußert". Politik sei ein weites Feld, konstatiert der Vorsitzende Richter. "Alltägliches eben", entgegnet W.

Den Ermittlungen zufolge soll W. in einem Telefonat mit N. betont haben, es brauche "zeitnah" eine "rigorose Wende"; er wolle seiner Tochter nicht "so einen Scherbenhaufen" hinterlassen. Auch soll er nach dem Treffen in Minden N. via Telegram geschrieben haben, er wolle erst mal "andere Wege auf metapolitischer Ebene gehen".

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Süddeutsche Zeitung Online, 27.04.2021:

Prozess gegen "Gruppe S." / "Ich bin davon ausgegangen, dass es was mit Mittelalter zu tun hat"

27.04.2021 - 18.48 Uhr

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft plante die mutmaßlich rechtsterroristische "Gruppe S." einen gewalttätigen Umsturz in Deutschland. Vor Gericht sagt nun einer der zwölf Angeklagten aus - und stellt sich als völlig unbeteiligt dar.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Ausgedruckt füllen die Akten zum Strafverfahren, das Mitte April gegen die mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." begonnen hat, mehr als 250 Ordner. Die Generalbundesanwaltschaft ist davon überzeugt, dass sie beweisen kann, dass hier eine gefährliche rechtsextremistische Gruppierung am Werk war, die sich zum gewalttätigen Umsturz der Gesellschaftsordnung in Deutschland verabredet haben soll.

Doch könnte alles vielleicht auch nur ein großes Missverständnis sein? Sitzen Tatverdächtige seit mehr als einem Jahr völlig grundlos in Untersuchungshaft? So jedenfalls will es einer der Angeklagten aussehen lassen, der am Dienstag seine Version des mutmaßlich konspirativen Treffens vorstellt, das im Februar 2020 zur Festnahme der zwölf Angeklagten führte.

Thorsten W., 51, ist einer der wenigen, die zu einer Aussage bereit waren. Er ist Verwaltungsangestellter der Polizei in Hamm, für ihn steht seine Existenz auf dem Spiel. Er war dabei, als sich die Gruppe um den Augsburger Hauptverdächtigen Werner S. nach Ansicht der Generalbundesanwaltschaft in Minden getroffen, Angriffe auf Moscheen geplant und Geld für Waffen gesammelt hat. Thorsten W. will das nicht nur ganz anders erlebt haben, er trägt auch vor, dass er völlig aus Versehen in das Treffen hereingeraten sei. Seine Aussage ist von großen Erinnerungslücken geprägt und nicht frei von Widersprüchen.

Er habe gedacht, der Gastgeber und heutige Mitangeklagte Thomas N. lade ihn zu einem Treffen von Mittelalter-Fans ein, sagt er. Thorsten W. geht in seiner Freizeit gern auf historische Messen und Märkte und nimmt auch verkleidet an mittelalterlichem Lagerleben teil. Bei einer dieser Veranstaltungen habe er Thomas N. kennengelernt. Die anderen Gäste des Treffens, zu dem Thomas N. nach Minden eingeladen hatte, seien ihm nicht bekannt gewesen, obwohl er offenbar schon seit längerer Zeit derselben Chat-Gruppe angehörte wie einige von ihnen.

"Ich saß dabei als Nichtbeteiligter"

Thomas N. habe ihm bei der Einladung am Telefon gesagt, dass es bei dem Treffen um einen Zusammenschluss der "Bruderschaft Deutschland", von "Wodans Erben" und der "Vikings" gehen solle - gemeint war wohl "Vikings Security Germania", eine rechtsextreme Vereinigung. Das alles habe ihm aber nichts gesagt, behauptet der Angeklagte. "Da bin ich davon ausgegangen, dass es was mit Mittelalter zu tun hat." Bezeichnungen mit "Wotan" oder "Wikinger" seien für mittelalterliche Lagergruppen gängig. Erst nach dem Treffen habe er im Internet danach gesucht - und sei schockiert gewesen. "Ich bin in den öffentlichen Dienst gegangen, weil ich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe."

In Minden hätten die Versammelten miteinander gegessen und "über normale, alltägliche Politik" geredet. Es habe zwar auch ein paar "rechte Unmutsäußerungen" gegeben. An deren Inhalt könne er sich nicht mehr erinnern. Die Gruppe habe auch darüber geredet, dass sie aktiver werden wolle. Da sei von "Plakate entwerfen und auf Demonstrationen gehen" die Rede gewesen. Er habe über weite Strecken nicht auf den Inhalt geachtet, da es ja nicht ums Mittelalter gegangen sei. "Ich saß dabei als Nichtbeteiligter."

Als Werner S. die Runde gefragt habe, wer Geld geben wolle, sei er davon ausgegangen, dass damit ein Vereinsheim finanziert werden solle. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich aber innerlich schon verabschiedet gehabt. Er habe "nein" gesagt.

Einen der Mitangeklagten belastet Thorsten W. mit seiner Aussage gezielt: Paul-Ludwig U., der die Polizei über die Pläne der "Gruppe S." informiert haben soll und als einziger der zwölf Angeklagten nicht in Untersuchungshaft sitzt. U. habe bei dem Treffen Drogen konsumiert, sich in den Vordergrund gespielt und schließlich vorgeschlagen, "dass man was in Moscheen machen sollte". W. will darauf entsetzt gefragt haben: "Aber da meinst du nicht so etwas wie Christchurch?" Mit so etwas wolle er nichts zu tun haben. Danach sei in der Gruppe wieder über "völlig normalen Kram" gesprochen worden. Trotzdem sei es ihm zu diesem Zeitpunkt nur noch darum gegangen, unbeschadet nach Hause zu kommen. "Mich hat dieser ganze Kram eingeschüchtert", trägt er dem Gericht vor, will sich aber wiederum nicht an Details erinnern können.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat viel Zeit für die Wahrheitsfindung eingeplant. Derzeit wird mit einem Ende frühestens im Juli 2022 gerechnet.

Bildunterschrift: Ein angeklagtes Mitglied der "Gruppe S." wird in den Gerichtssaal geführt.

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die tageszeitung Online, 27.04.2021:

Prozess gegen "Gruppe S." / Ein unwissender Mittelalter-Fan?

Im Prozess gegen die mutmaßlich rechtsterroristische "Gruppe S." gibt sich ein Angeklagter naiv. Er will vom Ziel der Bande nichts gewusst haben.

Benno Stieber

Stuttgart (taz). Thorsten W., Angestellter in der Polizeiverwaltung Hamm, ist ein Mittelalter-Fan. Nur wegen seines Hobbys sei er in die Fänge von Neonazis gekommen, behauptet er vor Gericht. Im Frühjahr 2020 habe Thomas N., mit dem W. sein historisches Hobby und jetzt die Anklagebank teilt, ihn zu einem Treffen Gleichgesinnter zu sich nach Minden eingeladen. "Ich bin davon ausgegangen, dass es um Mittelalter geht", sagt W. Dort habe er bis auf N. all die anderen heute Angeklagten erstmals getroffen. In ihrer gemeinsamen Chat-Gruppe "Heimat" sei es lediglich um Mittelalter und allgemeine Politik gegangen.

Thorsten W., grüner Parka, blaues T-Shirt, die blonden Haare Siegfried-mäßig schulterlang, macht seine Aussage am Dienstag, dem dritten Verhandlungstag. Auf der Anklagebank sitzt er mit elf Männern im Alter zwischen 33 und 62 Jahren, mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen "Gruppe S".

Laut Anklage der Bundesanwaltschaft sollen sie Überfälle auf Moscheen und Politiker geplant haben, um bürgerkriegs­ähnliche Zustände herbeizuführen. Bei Durchsuchungen der Privatwohnungen der Mitglieder fand die Polizei scharfe Waffen und Munition. Um weitere Schusswaffen für ihren Plan beschaffen zu können, soll bei dem Treffen in Minden vereinbart worden sein insgesamt 50.000 Euro aufzubringen.

Doch von alldem will Thorsten W. weder im Chat, in dem laut Anklageschrift unmissverständliche Botschaften ausgetauscht wurden, noch auf dem Treffen in Minden etwas mitbekommen haben. Er sei sich dort als Außenstehender vorgekommen. Mit seinem Job im öffentlichen Dienst habe er in dem Kreis Misstrauen ausgelöst. Nur die Intervention seines Bekannten N. hätte verhindert, dass über seine Anwesenheit abgestimmt wurde.

Nachrichten von Martin Sellner und "PI News"

Worum es bei dem Treffen gegangen sei, will W. lange nicht verstanden haben. Zwar sei es am Rande zwischen dem Anführer der Gruppe Werner S. und einem anderen darum gegangen, wie man eine Waffe beschaffen könne. Offenbar kein Grund zum Misstrauen für W. Ja, von Geld sei die Rede gewesen, aber so wie er es verstanden habe, sollte davon ein "Vereinsheim" finanziert werden. Was das für ein Verein sein könnte, bleibt unklar. Geld zu geben habe er entschieden abgelehnt: "Ich war pikiert, weil die Leute, die mich erst nicht dabeihaben wollen, mich jetzt nach Geld fragen."

Erst als Paul U., ausgerechnet der Mann, der im Prozess als Kronzeuge auftritt, Anschläge auf Moscheen in die Diskussion gebracht habe, will W. erschüttert gewesen sein. Er habe widersprochen: "Doch nicht so was wie Christchurch? Lasst das!" Bald darauf habe er das Treffen vorzeitig verlassen.

Thorsten W. ist einer von nur zwei Angeklagten, die eine Aussage angekündigt haben. Die anderen schweigen bisher. Er ist sichtbar bemüht, seine Rolle klein zu reden und keine Mitangeklagten zu belasten. Er bekenne sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, beteuert W., gibt dann aber als Quellen, aus denen er sich politisch informierte, ganz normale alternative Medien“ wie den Gründer der rechtsextremen "Identitären Bewegung", Martin Sellner, und "PI News" an.

Auch bei der Polizeiverwaltung Hamm ist man nach Medienberichten inzwischen sicher, lange Jahre einen Rechtsextremen und Reichsbürger beschäftigt zu haben. Seine frühere Verwaltungstätigkeit bei der Vergabe von Waffenscheinen wurde auf Unregelmäßigkeiten überprüft.

Es ist offen, ob der Hauptbelastungszeuge Paul U., der trotz Zeugenschutzprogramm weiter angeklagt ist, aussagen wird. Ein Gutachter soll die Schuldfähigkeit von ihm und S. beurteilen. Wegen der vielen Zeugen könnte sich das Verfahren bis ins nächste Jahr ziehen.

Bildunterschrift: Prozess in Stuttgart: Die "Gruppe S." soll Überfalle auf Moscheen und Politiker geplant haben.

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Neue Westfälische Online, 27.04.2021:

Rechtsterrorismus / Mann aus Hamm sagt im Prozess gegen "Gruppe S." aus

27.04.2021 - 14.21 Uhr

Die mutmaßliche Terror-Zelle wollte der Anklage zufolge gezielt Muslime töten und einen Bürgerkrieg anzetteln. Angeklagt sind auch zwei Männer aus Minden.

Stuttgart / Minden (AFP). Mit der Aussage eines Mitglieds der so genannten Gruppe S. ist am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen zwölf Männer - darunter zwei aus Minden - wegen Bildung und Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung fortgesetzt worden.

Der 50-jährige ehemalige Angestellte der Polizei in Hamm, Thorsten W., schilderte, wie er über einen der anderen Angeklagten, den er von Mittelalter-Treffen gekannt habe, erst in eine Chat-Gruppe und dann zu einem Treffen nach Minden eingeladen worden sei. Bei diesem Treffen es dann aber nicht um das Mittelalter gegangen, sondern um Geld, das wohl für ein Vereinsheim oder ein Grundstück gedacht gewesen sei.

Dabei habe er ein Gespräch über Waffenbeschaffung mitbekommen. Zudem habe in einer Diskussion über allgemeine Themen jemand gefordert, man könne doch etwas "gegen Moscheen" tun. Auf seinen Einwand "doch nicht so was wie Christchurch" habe die Runde schweigend reagiert.

W., der als Angestellter in der Polizeiverwaltung arbeitete, wird vorgeworfen, der Gruppe schusssichere Westen versprochen zu haben. Er gab an, er habe das Treffen frühzeitig verlassen und sich bei seinem Bekannten abgemeldet. Eine Aussprache habe er aber aus Furcht vor Repressionen der Gruppe vermieden.

In dem Mammut-Verfahren müssen sich neben W. elf weitere Männer im Alter zwischen 33 und 62 Jahren aus dem rechtsextremen Milieu wegen der gemeinsamen Planung von Anschlägen auf Moscheen und Politiker verantworten. Ihr Ziel soll gewesen sein, "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Die nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. benannte Gruppe soll sich im September 2019 gegründet haben. Die acht Gründungsmitglieder sollen laut Bundesanwaltschaft das Ziel verfolgt haben, "mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden".

Die Gruppe soll durch einen V-Mann aufgeflogen sein, der gleichzeitig auch auf der Anklagebank sitzt und der mit der Aussage von W. belastet wurde. Gegen die so genannte Gruppe S. hatte es im Februar Durchsuchungen mit Festnahmen unter anderem in Minden und Porta Westfalica gegeben.

Der Prozess findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim statt. Das Gericht setzte zunächst 30 Verhandlungstermine bis zum August fest, das Verfahren könnte sich aber bis ins nächste Jahr ziehen.

Bildunterschrift: Einige der Angeklagten sitzen kurz vor Beginn des Prozesses gegen die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." in einem Saal im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim.

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Stuttgarter Nachrichten Online, 27.04.2021:

Prozess um "Gruppe S." / Angeklagter weist Verstrickung in Pläne von sich

27.04.2021 - 13.47 Uhr

Der erste Angeklagte hat sich im Prozess gegen die mutmaßliche rechtsextreme Terror-Zelle "Gruppe S." zu den Vorwürfen geäußert - und alle Verstrickungen in die Pläne der Gruppe von sich gewiesen.

Stuttgart. Im Prozess gegen die mutmaßliche rechtsextreme Terror-Zelle "Gruppe S." hat sich der erste Angeklagte zu den Vorwürfen geäußert. Der 51-Jährige, der im nordrhein-westfälischen Hamm für die Polizei arbeitete, wies alle Verstrickungen in die Pläne und Absichten der Gruppe von sich. Er habe mit der politischen Szene nichts zu tun, sei weder rechts noch links, sagte er am Dienstag vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart. "Das interessiert mich alles gar nicht." Auch habe er die meisten Männer gar nicht gekannt. An einem Treffen der Gruppe im Februar 2020 habe er nur teilgenommen, weil er dachte, es gehe um sein Hobby Mittelalter.

Der 51-jährige Polizeimitarbeiter steht in Stuttgart wegen Unterstützung der rechtsterroristischen Vereinigung "Gruppe S." vor Gericht. Der Anklage zufolge soll er als Nicht-Mitglied seine Bereitschaft erklärt haben, die Vereinigung für den Waffenerwerb finanziell zu unterstützen. Elf weitere Männer müssen sich wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft verantworten. Die "Gruppe S.", benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., der aus dem Raum Augsburg stammt, soll Waffen gehortet und Anschläge geplant haben. Die Männer wollten der Anklage zufolge gezielt Muslime töten und einen Bürgerkrieg anzetteln. Das Staatsschutz-Verfahren ist ein Mammutprozess, bis Mitte 2022 sind Verhandlungstermine geblockt.

Zuvor hatten am Dienstag mehrere Anwälte die Aussetzung des Verfahrens beantragt, weil ihre Mandanten aus ihrer Sicht im Gefängnis nicht ausreichend Zugang zu ihren Lese-Laptops haben. Das Gericht lehnte den Antrag ab.

Bildunterschrift: Justizbeamter im Oberlandesgericht Stuttgart.

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t-online.de, 27.04.2021:

Zwischen Mittelalter und Mordplänen: Prozess um "Gruppe S."

27.04.2021 - 13.23 Uhr

Eine Gruppe von Männern, die Ausländer und Andersdenkende hassen, die Muslime töten und einen Bürgerkrieg anzetteln wollen. Ein Polizei-Mitarbeiter, der ihnen bei der Beschaffung von Waffen unter die Arme greifen möchte. Ein Verräter aus den eigenen Reihen, der die ganze Gruppe an die Ermittler verpfeift. Die Anklageschrift offenbart tiefe Abgründe. Sie wird das Oberlandesgericht Stuttgart nun viele Monate lang beschäftigen.

Zwölf Männer sitzen auf der Anklagebank, elf mutmaßliche Mitglieder und ein mutmaßlicher Unterstützer der Terror-Zelle "Gruppe S.". Die Wahrheitsfindung in dem Mammut-Prozess gestaltet sich als schwierig, weil die meisten der zwölf Angeklagten sich nicht zu den Vorwürfen äußern wollen. Doch einer bricht am Dienstag das Schweigen: Der, der für die Polizei arbeitete und die Gruppe unterstützt haben soll.

Der Mann ist 51 Jahre alt, nach eigenen Aussagen ein Mittelalter-Fan aus Hamm in Nordrhein-Westfalen. Der Angeklagte im Zeugen-Stuhl trägt schulterlanges, gräuliches Haar und ein knallblaues Hemd, in dem er ein wenig wirkt wie in einer Sträflings-Uniform. Mit seiner Aussage belastet er vor allem den einen Angeklagten, der als Kronzeuge des Verfahrens gilt. Der 51-Jährige selbst weist alle Verstrickungen mit Terror-Plänen von sich.

Die Vorwürfe sind heftig: Die "Gruppe S.", benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. aus dem Raum Augsburg, soll Schusswaffen gehortet und Anschläge geplant haben. Die Männer wollten der Anklage zufolge Moscheen in kleinen Ortschaften überfallen und Muslime töten. Sie sollen gut vernetzt gewesen sein in der rechtsextremen Szene, rekrutierten sich demnach aus Bürgerwehren, aus der so genannten Reichsbürger- und Prepper-Szene, aus Gruppen mit Namen wie "Vikings Security Germania", "Wodans Erben" oder "Freikorps Heimatschutz Division 2016 - Das Original". Die Anschlagspläne sollen zum Ende hin sehr konkret geworden sein.

Der 51-jährige Polizei-Mitarbeiter will mit all dem nichts zu tun gehabt haben. "Das interessiert mich alles gar nicht", sagte er. Er sei weder rechts noch links, er sei "politisch kritisch", mehr aber auch nicht, erzählt er dem Gericht. "Ich bin seit über 30 Jahren im öffentlichen Dienst, weil ich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe." Auch habe er nur einen der anderen Angeklagten überhaupt gekannt, einen Mindener Bekannten, der habe ihn auch in die Telegram-Chat-Gruppe "Heimat" aufgenommen. Er habe stets gedacht, es gehe dabei um das Hobby Mittelalter, es handle sich um Gleichgesinnte. Denn der 51-Jährige geht in seiner Freizeit gern auf Mittelalter-Märkte, spielt Geschichte nach, verkleidet sich.

Auch als er kurz vor einem persönlichen Treffen der Gruppe in Minden im Februar 2020 von der "Bruderschaft Deutschland", von Wodan und Wikingern hört, habe er angenommen, es handle sich um harmlose Mittelalter-Fans, nicht um Rechtsextremisten. Im Netz informiert er sich aber nicht über diese Namen. Stattdessen fährt er zu dem Treffen, das stattfindet, kurz bevor die "Gruppe S." in bundesweiten Razzien hoch genommen wird.

Man habe damals zunächst zusammen gegessen, berichtet der 51-Jährige. Zuerst sei es um "Alltagsgerede" gegangen, dann um Politik, um Plakate und Demonstrationen, um ein Grundstück für ein Vereinsheim. Dann seien "rechte Unmutsäußerungen" gefallen. Was genau gesagt wurde, will er nicht mehr wissen - obwohl er mehrere Stunden mit den Männern zusammen saß. "Ich habe nicht großartig zugehört, was da geredet wurde." Nur einzelne Erinnerungshappen lässt er sich entlocken. So soll der mutmaßliche Rädelsführer S. seinen Sitznachbarn gefragt haben, ob der wisse, wie man an eine Waffe rankomme. Der Kronzeuge U. habe gesagt, man müsse gegen Moscheen vorgehen. "Ich habe das auf der Rückfahrt ausgeblendet und als Spinnereien abgetan." Am nächsten Tag habe er seinem Bekannten geschrieben: "Ich bin raus, das ist mir zu heftig."

Seine Aussagen sind nicht frei von Widersprüchen. Er beschreibt die Kulisse als bedrohlich und gefährlich, kann aber nicht mehr wirklich beschreiben, warum. Ihn hätten die Äußerungen der Männer sehr aufgewühlt, trotzdem kann er kaum eine Äußerung wiedergeben. Er sagt, er habe angenommen, in der Chat-Gruppe gehe es nur ums Mittelalter, dennoch erzählt er, er habe dort regelmäßig schon am frühen Morgen Links "alternativer Medien" über das politische Zeitgeschehen gepostet. Andererseits will er die Chat-Gruppe gar nicht wirklich verfolgt haben, mit den Leuten sei er auch nicht direkt in Kontakt gekommen. Er habe eigentlich ein anderes Leben, sei in die Sache "gezerrt worden".

Die Version des 51-Jährigen: Ich bin ein harmloser Mittelalter-Liebhaber, zur falschen Zeit am falschen Ort. Inwieweit sich diese Version bewahrheitet, wird der weitere Prozessverlauf zeigen. Bis Mitte 2022 sind Termine für die Verhandlungen geblockt.

Bildunterschrift: Ein Prozessteilnehmer kommt kurz vor Beginn des Prozesses gegen die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." in einen Saal im Oberlandesgericht.

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Mindener Tageblatt, 15.04.2021:

Anwälte zweifeln an Aussagen / Prozess gegen "Gruppe S." fortgesetzt

Stuttgart / Minden (dpa/mt). Im Prozess um die mutmaßliche rechte Terror-Zelle "Gruppe S." haben Anwälte Zweifel an den Aussagen des Kronzeugen U. geäußert. Es handele sich bei dem ebenfalls angeklagten 49-Jährigen um eine "mindestens problematische Persönlichkeit", sagte Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung, der einen der elf weiteren Angeklagten verteidigt, beim zweiten Prozesstag vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim.

Die meisten Angeklagten ließen am Mittwochmorgen mitteilen, dass sie im Prozess zu den Vorwürfen schweigen wollen. Dazu zählen auch die beiden Mindener Thomas N. und Markus K, wie ein Prozessbeobachter gegenüber dem MT bestätigte. Es gibt aber auch Angeklagte, die ankündigten, sich äußern zu wollen.

Kronzeuge U. habe mehr als 20 Jahre in Haft oder Maßregelvollzug gesessen, begründet der Anwalt seine Zweifel. Seinen Angaben müsse man mit größter Skepsis begegnen. Ähnlich äußerte sich Rechtsanwalt André Picker. Man müsse die Motivationslage ergründen, warum U. diese Aussagen gegenüber den Ermittlern gemacht habe. Es brauche noch weitere Beweismittel. Auch werde man die Ernsthaftigkeit der Aussagen in der "Gruppe S." beurteilen müssen.

Die zwölf Männer stehen vor Gericht, weil sie eine rechte Terror-Zelle gegründet haben sollen, um sich Waffen zu besorgen, Muslime zu töten und einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Ihnen drohen als mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung bis zu zehn Jahre Haft. Treffen der Gruppe hatte es auch in Minden gegeben.

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Spiegel Online, 14.04.2021:

Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Wie sich Anwälte aus der rechten Szene in Stellung bringen

14.04.2021 - 17.38 Uhr

Wegen Terror-Verdachts stehen zwölf mutmaßliche Rechtsextremisten in Stammheim vor Gericht. Sie werden zum Teil von Anwälten verteidigt, die für die Gesinnung ihrer Mandanten offenbar Verständnis haben.

Aus Stuttgart berichtet Julia Jüttner

Es ist nicht leicht, im Sitzungssaal 1 im Hochsicherheitstrakt Stammheim den Überblick zu behalten. Links in einem Kasten aus Panzerglas sitzen elf mutmaßliche Rechtsterroristen, Mitglieder der "Gruppe S.", bewacht von 22 Justizbeamten. Rechts, auf der anderen Seite der Scheibe, sitzt der zwölfte Angeklagte, der die anderen verpfiffen haben soll. Mit ihm insgesamt 29 Verteidiger, drei Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft, der fünfköpfige Senat samt Ergänzungsrichtern und zwei Protokollanten.

Und so gab es zu Beginn dieses Staatsschutz-Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Streit darum, ob man den Angeklagten auf dem Tisch vor ihnen ein Namensschild verpassen soll; ob dieser historisch bedeutsame Prozess aufgezeichnet werden soll; inwieweit der Infektionsschutz eingehalten werden kann und muss und ob das Tragen einer Maske überhaupt notwendig sei.

Es klang lapidar. In Wahrheit markierte die Debatte zwei Lager bei den Verteidigern: Die, für die bei diesem Mammutprozess die Aufklärung im Vordergrund steht, und die, die das Verfahren nutzen könnten, um politische Statements loszuwerden. Denn unter den 29 Anwälten finden sich durchaus gewöhnungsbedürftige Charaktere.

"Jeder kann die Gesinnung vertreten, die er will"

Am zweiten Tag des Prozesses manifestieren sich diese Gräben, als Günther Herzogenrath-Amelung sein Mikrofon einschaltet, um mal "einiges Grundsätzliches" anzusprechen. Herzogenrath-Amelung gilt seit mehr als 20 Jahren als Anwalt der rechten Szene: Er vertrat NPD-Funktionäre und den NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke; er verteidigte den Rechtsterroristen Martin Wiese, der ein Sprengstoffattentat auf das Jüdische Zentrum München plante, und Mitglieder der inzwischen verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz. Als Neonazis in Erinnerung an die NSU-Mordserie bei einem Aufmarsch das "Paulchen Panther"-Lied abspielten, kämpfte er auch für sie vor Gericht.

Herzogenrath-Amelung schulte außerdem NPD-Nachwuchstalente und gehörte dem "Deutschen Rechtsbüro" an, das von 1992 bis 2013 straffällig gewordenen "nationalen Deutschen" Rechtsauskünfte erteilte und Rechtsanwälte aus dem rechten Lager vermittelte.

"Sehr hässliche Sachen"

Zu dem "Grundsätzlichen", was er an diesem Tag loswerden will, gehört der Vorwurf des Generalbundesanwalts, die "Gruppe S." sei darauf ausgerichtet gewesen, "die rechtsextremistische und bisweilen offen nationalsozialistische Gesinnung der Angeschuldigten und ihre Vorstellungen von einem danach ausgerichteten Staats- und Gesellschaftssystem in der Bundesrepublik Deutschland gewaltsam durchzusetzen". Dazu sei zu sagen, so Herzogenrath-Amelung, dass wir in einem "freien Land" lebten. "Jeder kann die Gesinnung vertreten, die er will."

In den sichergestellten Chats unter den Angeklagten stünden zwar "sehr hässliche Sachen", aber diese seien nicht öffentlich und damit nicht strafbar. "Wir wollen nicht zurück in die Diktatur eines Hitlers."

Wenige Plätze weiter sitzt Dubravko Mandic, der Michael B. vertritt. Der Rechtsanwalt aus Freiburg kandidierte bei den Landtagswahlen im März für die AfD, im Wahlkampf soll er provozierend ohne Maske aufgetreten sein. Wenig überraschend also, dass ausgerechnet er nun die Corona-Maßnahmen in Saal 1 beklagt. Mandic beschimpfte in der Vergangenheit Barack Obama als "Quoten-Neger", suchte die Nähe zur rechtsextremen Identitären Bewegung und ist bereits wegen Nötigung einer Journalistin verurteilt.

Unter den Verteidigern ist auch Frank Miksch, Szene-Anwalt aus Nürnberg und einst Aktivist der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten". Er vertrat zuletzt Susanne G., eine Heilpraktikerin, die Sprengmittel beschafft und Morddrohungen gegen Politiker sowie einen Anschlag auf eine Moschee ausgesprochen haben soll.

Mikschs Co-Verteidiger ist André Picker. Als ebenfalls bundesweit bekannter Nazi-Anwalt gilt er als gut vernetzt in der Szene. Er soll lange im Vorstand der Rechtspopulisten von "pro NRW" und Mitglied bei den Republikanern gewesen sein. In Stammheimer Terror-Verfahren verteidigen Miksch und Picker nun Marcel W., einen vorbestraften Neonazi mit einer eintätowierten "88" auf beiden Oberarmen für "Heil Hitler", H. ist der achte Buchstabe im Alphabet. Der 39-Jährige soll vor zwei Jahren auf dem Gelände einer Asylbewerberunterkunft in München gefilmt haben, um die Bevorzugung Geflüchteter gegenüber einheimischen Obdachlosen zu dokumentieren.

Picker springt an diesem Tag seinem Kollegen Herzogenrath-Amelung bei, der in die Runde fragt: Wie hätte ein gewaltsamer Umsturz der Angeklagten vonstatten gehen sollen? Der Großteil der beschuldigten Männer gehöre dem Prekariat an, meint Herzogenrath-Amelung. Waren da überhaupt die geistigen und materiellen Fähigkeiten vorhanden, um die Bundesrepublik zu gefährden? Für den Anwalt entstammt dieser Vorwurf der "Fantasie" der Bundesanwaltschaft, die ihre Anklage auf die Angaben des mutmaßlichen Aussteigers U. stütze.

U. muss nicht hinter Panzerglas sitzen, er hat gegenüber den Ermittlern umfassend ausgesagt. Herzogenrath-Amelung bezeichnet ihn als "mindestens sehr problematische Persönlichkeit": U. habe mehr als 20 Jahre lang "in sicherem Gewahrsam" verbracht - also in Haft oder in einer geschlossenen Einrichtung. Seinen Angaben müsse man in diesem Verfahren "mit größter Skepsis" begegnen.

Auch Picker fragt nach U.s Motivationslage: Was hat den 49-Jährigen dazu bewogen, so auszusagen, wie er ausgesagt hat?

Es dürfte ein spannendes Verfahren werden, denn als der Vorsitzende Richter fragt, wer von den zwölf Angeklagten vor Gericht überhaupt etwas sagen wird - zu seiner Person oder zu den Vorwürfen -, antworten die Verteidiger unisono: "Zunächst macht unser Mandant keine Angaben." Nur Thorsten W., der Polizeimitarbeiter aus Hamm, und Stefan K. aus Sachsen-Anhalt wollen sich äußern und Fragen beantworten.

Sogar U., der Kronzeuge der Anklage, will schweigen.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 14.04.2021:

Geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker: Prozess gegen die Terror-Gruppe S.

14.04.2021 - 14.06 Uhr

Am zweiten Prozesstag gegen die Terrorgruppe S. in Stuttgart haben Verteidiger die Anklage der Bundesanwaltschaft kritisiert. Drei Angeklagte kommen aus NRW. Sie sollen Anschläge geplant haben.

Die Vorwürfe gegen die so genannte Gruppe S., mit einer terroristischen Vereinigung einen Umsturz in Deutschland geplant zu haben, seien übertrieben, und beruhten auf Aussagen eines fragwürdigen Zeugen, so die Verteidiger.

Zweifel an Glaubwürdigkeit des Informanten

Wie glaubwürdig ist der Informant der Polizei? Es könnte zur Kernfrage des Prozesses werden. Er ist Angeklagter, vor allem aber Hauptbelastungszeuge. Die Anklage stützt sich auf seine Aussagen - gerade in Bezug auf ein Treffen in Minden im Februar 2020, bei dem konkrete Anschlagspläne besprochen worden sein sollen. Er war aktiver Teil der Terror-Gruppe, belieferte zeitgleich die Polizei mit Informationen. Und: er hat eine kriminelle Vergangenheit, saß mehr als 20 Jahre hinter Gittern. Zwei Anwälte nahmen das zum Anlass, seine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen.

Der angeklagte Polizeimitarbeiter Thorsten W. aus Hamm kündigte heute an, Aussagen zur Sache machen zu wollen - ebenso ein weiterer Angeklagter. Mit ihnen geht es nächste Woche weiter - sollten sie gestehen, wäre das ein wichtiger Schritt im Prozessverlauf.

Gruppe wollte Gesellschaft mit Gewalt verändern

Am ersten Prozesstag am Dienstag war die Anklage verlesen worden, was knapp eine Stunde dauerte. Demnach hat sich die Terror-Guppe um ihren Kopf Werner S. aus Bayern vor etwa anderthalb Jahren gegründet - geleitet von einem nationalsozialistischen Weltbild und dem Willen, die Gesellschaft in Deutschland durch Gewalt zu verändern. Die Mitglieder verabredeten sich zunächst in Chat-Gruppen, um sich dann mehrfach zu treffen, unter anderem in Alfdorf (Baden-Württemberg). Anfang Februar 2020 sollte dann im ostwestfälischen Minden das entscheidende Treffen vor dem bewaffneten Kampf stattfinden.

Terror-Gruppe traf sich in Minden

Als Gastgeber habe sich Thomas N. aus Minden angeboten, ein selbstständiger Handwerker aus der Reichsbürger-Szene. In der Gruppe soll er eine wichtige Rolle gespielt haben - Werner S. soll er zuvor "Treue bis in den Tod" geschworen haben. N. führte die beiden anderen Angeklagten aus NRW als weitere Mitglieder an die Gruppe heran: Markus K. aus Minden und Polizeimitarbeiter Thorsten W. aus Hamm. Der ebenfalls von N. angeworbene Ulf R. aus Porta Westfalica ist in der Untersuchungshaft verstorben.

Bei dem Treffen in Minden sollen dann die Anschläge konkret geplant worden sein: Anschläge auf Moscheen, zeitgleich, in mittelgroßen Städten, mit möglichst vielen Toten. Die Waffen sollten in Tschechien besorgt werden.

Hohe Sicherheitsvorkehrungen vor Gericht

Nach der Diskussion von Fragen zur Verhandlung musste der Prozess am Dienstag wegen gesundheitlicher Probleme eines Angeklagten abgebrochen werden.

Der Prozess fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Alle Teilnehmer wurden auf Waffen durchsucht. Die Prozessbeteiligten waren durch Scheiben abgeschirmt. Der mitangeklagte Kronzeuge Paul W. war von den anderen Angeklagten aus Vorsicht räumlich getrennt.

Rechtsextremist als Kopf der Gruppe

Der mutmaßliche Kopf der Gruppe, Werner S., ist ein vorbestrafter Rechtsextremist, zuletzt wohnhaft im Raum Augsburg. In der Gruppe wird er "Teutonico" genannt. Um ihn und seine rechte Hand Tony E. aus dem Raum Lüneburg herum sollen sich seit 2019 die mehr als ein Dutzend offenbar gewaltbereite Personen geschart haben, aus allen Teilen Deutschlands.

Das Treffen der Gruppe in Alfdorf wurde bereits von der Polizei beobachtet - sie hatte einen verdeckten Informanten in der Gruppe. Der Mann hatte sich selbst bei den Behörden gemeldet.

Razzia in Minden

Sechs Tage nach dem Treffen in Minden kam es zur Razzia. Der Grund: Werner S. und andere Gruppenmitglieder hatten offenbar Verdacht geschöpft. Um ihren verdeckten Informanten zu schützen, nahm die Polizei daraufhin sämtliche Teilnehmer des Treffens fest.

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Süddeutsche Zeitung Online, 14.04.2021:

"Gruppe S.": Anwälte bezweifeln Kronzeugen-Glaubwürdigkeit

14.04.2021 - 13.27 Uhr

Stuttgart (dpa). Im Prozess um die mutmaßliche rechte Terror-Zelle "Gruppe S." haben Anwälte Zweifel an den Aussagen des Kronzeugen U. geäußert. Es handle sich bei dem ebenfalls angeklagten 49-Jährigen um eine "mindestens problematische Persönlichkeit", sagte Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung, der einen der elf weiteren Angeklagten verteidigt, beim zweiten Prozesstag vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart. U. habe mehr als zwanzig Jahre in Haft oder im Maßregelvollzug gesessen. Seinen Angaben müsse man mit größter Skepsis begegnen.

Ähnlich äußerte sich Rechtsanwalt André Picker. Man müsse die Motivationslage ergründen, warum U. diese Aussagen gegenüber den Ermittlern gemacht habe. Es brauche noch weitere Beweismittel. Auch werde man die Ernsthaftigkeit der Aussagen in der "Gruppe S." beurteilen müssen.

Die terroristische Vereinigung "Gruppe S.", benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., soll Waffen gehortet und Anschläge geplant haben. Am 14. Februar 2020 wurde die Bande hoch genommen. Glaubt man der Anklage, haben die Ermittler kurz vor knapp ein Blutbad verhindert. Demnach wollten die Männer Moscheen in kleinen Ortschaften überfallen und Muslime töten, um "bürgerkriegsähnliche Zustände" auszulösen. Die Pläne sollen zum Ende hin sehr konkret geworden sein. Der Fall erinnert an das Mörder-Trio um den Nationalsozialistischen Untergrund NSU und die rechtsextremen Attentäter von Hanau, Halle und Kassel. Im Zentrum der Vorwürfe steht Werner S., 55 Jahre, aus dem Raum Augsburg. Auf sein Betreiben soll sich die Gruppe im September 2019 gegründet haben.

Der Angeklagte U. gilt als Kronzeuge in dem Verfahren. Er brachte die Ermittler auf die Fährte der "Gruppe S.". Die Anklage stützt sich auf seine Aussagen. U. ist als einziger Angeklagter noch auf freiem Fuß, die anderen sitzen in Untersuchungshaft. Den zwölf Männern drohen bis zu zehn Jahre Haft. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Die meisten Angeklagten ließen am Mittwochmorgen mitteilen, dass sie zu den Vorwürfen schweigen wollten. Aber es gibt zwei Angeklagte, die ankündigten, sich zu äußern. Der Angeklagte W. soll am kommenden Dienstag vernommen werden - ein 51-Jähriger, der als Angestellter in einem Verkehrskommissariat der Polizei arbeitete. W. steht als Einziger nicht wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft einer rechtsterroristischen Vereinigung vor Gericht, sondern wegen der Unterstützung.

Anwalt Herzogenrath-Amelung bezweifelte am Dienstag, dass die Angeklagten die geistigen und materiellen Fähigkeiten besäßen, "um die Staats- und Gesellschaftsordnung auch nur ernsthaft zu gefährden". Einige der Männer gehörten dem "Prekariat" an. Er bezeichnete die Anklage als übertrieben, es sei zudem schlichter Unfug, dass die Männer den Bundestag hätten stürmen wollen.

In den Gruppen-Chats der "Gruppe S." fänden sich zwar sicher "volksverhetzende Sachen", aber da sie nicht öffentlich geäußert worden seien, handle es sich nicht um Straftaten. "Gesinnungen als solche sind nicht strafbar, wir leben in einem freien Land", sagte der Verteidiger. Gleichzeitig fragte er: "Warum haben die Sicherheitsbehörden so lange gewartet, um dem Spuk ein Ende zu bereiten?" Ermittler hatten die Gruppe mehrere Monate lang überwacht.

Das Staatsschutz-Verfahren ist ein Mammutprozess mit Dutzenden Beteiligten, bis Mitte 2022 sind Verhandlungstermine geblockt. Am zweiten Prozesstag spielte unter anderem der Zugang mehrerer Angeklagter zu den Akten eine Rolle. So beklagten sich mehrere Rechtsanwälte, dass ihre Mandanten im Gefängnis keinen ausreichenden Zugang zu ihren Lese-Laptops hätten.

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Mindener Tageblatt, 14.04.2021:

Durchgeblättert / Terror-Pläne aus Minden

Benjamin Piel

Wir diskutieren in der Redaktion regelmäßig, wo wir Themen am besten platzieren. Manchmal ist es eindeutig: Ein Beitrag über jemanden aus Minden gehört auf eine Lokal-, ein Kommentar zu Corona-Maßnahmen auf die Politik-Seite.

Manchmal aber liegen die Dinge nicht so einfach. Gestern zum Beispiel. Denn wo soll ein Gerichtsbericht über den Prozessstart rund um die mutmaßlichen Terroristen der so genannten "Gruppe S." stehen? Der Prozess findet in Stuttgart statt - weit weg. Die Beteiligten kommen aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Beides hätte dafür gesprochen, das Thema auf einer hinteren und nach MT-Logik also nicht auf einer lokalen Seite zu bringen.

Wir haben uns am Ende anders entschieden und den Text auf diese Seite platziert. Denn drei der mutmaßlichen Terroristen - einer davon hat sich in der Haft das Leben genommen - kommen aus Minden und Porta. Außerdem gilt Minden als ein Ort, an dem sich die Gruppe zu einem entscheidenden Treffen eingefunden hat, um mutmaßlich Anschläge auf Moscheen zu planen. Das macht das Thema zu einem lokalen. Und es zeigt, was auch wir lieber anders hätten: Hier, mitten unter uns, in unser aller Nachbarschaft, entstanden rechtsterroristische Gewalt-Pläne. Das ist kaum zu ertragen, und vielleicht würden wir es am liebsten ausblenden. Doch rechtsextremer Hass verlangt mehr von uns als Achselzucken. Wir alle sind gefragt - und unser entschiedenes Nein!

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Mindener Tageblatt, 14.04.2021:

Parallelwelt aus Wut und Hass

Im Prozess gegen zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen in Stuttgart tun sich Abgründe auf / Ein Treffen in Minden nimmt eine Schlüsselstellung ein

Nico Pointner und Jürgen Langenkämper

Stuttgart / Minden (dpa/mt). Es sind zwölf ganz unterschiedliche Männer, die da auf der Anklagebank sitzen. Einer ist Krankenpfleger, einer Trockenbauer, einer Lagerist, mehrere sind arbeitslos. Der eine ist 61 Jahre alt, der andere gerade mal 32. Der eine kommt aus Minden in Nordrhein-Westfalen, der andere aus München in Bayern. Der eine trägt die Haare schulterlang, der andere trägt Glatze. Aber glaubt man der Bundesanwaltschaft, verbindet alle zwölf Männer eine Gemeinsamkeit: der Hass auf Ausländer, auf Muslime und Juden, auf politisch Andersdenkende. Und der Wunsch nach einer neuen Gesellschaftsordnung, einem anderen Deutschland, das mit Gewalt geschaffen werden muss.

Diese Gemeinsamkeit ist der Grund, warum die zwölf Männer hier nun sitzen, am Dienstag vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim, wo sich in den 70er Jahren bereits die Anführer der Rote Armee Fraktion verantworten mussten. Nun geht es um rechtsextremen Terror.

Und die Angeklagten haben noch eines gemeinsam: Alle sollen an einem Treffen in Minden teilgenommen haben, wo sie am 8. Februar 2020 im Haus von Thomas N., einem Fliesenleger, in der Kutenhauser Straße Pläne geschmiedet und Aufgaben verteilt haben sollen, so der Vorwurf.

Sechs Tage nach diesem Treffen, am 14. Februar, wird die Bande hoch genommen. In bundesweiten Razzien stoßen die Ermittler auf allerhand Waffen - Armbrüste, Revolver, Schwerter, Schlagstöcke, Munition. Von den zwölf Angeklagten - darunter ein weiterer Tatverdächtiger aus Minden - sitzen seitdem elf in Untersuchungshaft. Einer befindet sich auf freiem Fuß - er hat die Ermittler auch auf die Fährte der Gruppe gebracht, gilt als Kronzeuge in dem Verfahren. Ein ursprünglich dreizehnter Beschuldigter - ein Familienvater aus Porta Westfalica - starb vergangenes Jahr in der U-Haft.

Die terroristische Vereinigung "Gruppe S.", benannt nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., soll Schwerter und Schusswaffen gehortet und Anschläge geplant haben. Sie wollten Moscheen in kleinen Ortschaften überfallen und Muslime töten, die Pläne sollen zum Ende hin sehr konkret geworden sein. Der Anklage zufolge wollten sie damit "bürgerkriegsähnliche Zustände" auslösen und die Gesellschaftsordnung ins Wanken bringen.

Die Verhandlung ist ein Mammutprozess. Im Gerichtssaal wimmelt es am Dienstagmorgen von Ordnern der Justiz und von Rechtsanwälten in schwarzen Roben. Einige Angeklagte halten sich Ordner vors Gesicht, als sie in Handschellen in den Saal geführt wird, andere betreten erhobenen Hauptes den Raum, nur die Corona-Maske als Verhüllung. Sie sitzen abgetrennt hinter dickem Panzerglas. Es ist ein besonderes Verfahren, weil es darum geht, wie Rechtsextremisten sich in Deutschland vernetzen, wie sie denken, wie gefährlich sie sind - einige Jahre nach dem NSU-Terror.

Die Mitglieder der "Gruppe S." stammen aus Bürgerwehren und rechten Gruppen

Im Zentrum steht Werner S., 55 Jahre, aus dem Raum Augsburg. Auf sein Betreiben soll sich die Gruppe im September 2019 gegründet haben. "Er war der Kopf", sagt auch Oberstaatsanwältin Judith Bellay. Werner S. habe Mitglieder rekrutiert, Aufgaben zugewiesen, Waffen besorgt, sei für die anderen derjenige gewesen, "an dem kein Weg vorbeiführt". Bereits 2014 reift in ihm demzufolge der Gedanke, dass er gegen die "drohende Überfremdung" in Deutschland etwas unternehmen muss. In Chat-Gruppen sucht er gewaltbereite Gleichgesinnte. Er will eine kleine Armee aufbauen, sieht seine Gruppe der Anklage zufolge als ersten Dominostein, der eine Spirale der Gewalt in Gang setzt.

Er habe dafür gezielt Führungspersonal aus der rechten Szene anwerben wollen, weil er sich von ihnen viel Mobilisierungspotenzial versprochen habe. Er und seine Männer seien gut vernetzt gewesen in der rechtsextremen Szene, sagt Oberstaatsanwältin Bellay. Sie rekrutierten sich laut Anklage aus Bürgerwehren und rechten Gruppen wie "Vikings Security Germania" oder "Freikorps Heimatschutz Division 2016 - Das Original". Sie hätten teils enge Kontakte zu Waffenlieferanten besessen. Einer von ihnen war demzufolge Angestellter in einem Verkehrskommissariat der Polizei.

Die Männer kommunizierten der Anklage zufolge über Telegram-Chat-Gruppen, etwa mit dem Titel "Heimat". Dabei waren sie vorsichtig, vereinbarten, dass keine Bilder von Waffen oder etwa von Adolf Hitler gepostet werden dürfen. Trotzdem verraten die Ermittlungsakten viel darüber, was in ihren Köpfen vorgeht. Die Angeklagten teilen demnach eine ausländerfeindliche und nationalsozialistische Grundhaltung, sie sprechen von "Menschenmüll" und "Kakerlaken". Mitglieder schwören sich "Treue im Tod" oder berichten ihren Lebensgefährten, sie würden im Kampf sterben. Wie die Oberstaatsanwältin berichtet, benutzten sie verschiedene Codewörter für Waffen - "E-Bike", "Akku", "Tretroller", "Hardware".

Ob sich einer der Angeklagten in dem Prozess selbst äußert, ist unklar. Zum Auftakt am Dienstag werden vor allem Verfahrensfragen geklärt, etwa wie lange die Mittagspausen sein sollen, ob die Angeklagten rauchen dürfen in den Pausen, ob die Beteiligten Masken tragen müssen. "Ich wüsste hier kein Verfahren, das so viele Angeklagte hatte", sagte ein Gerichtssprecher.

Bildunterschrift: Der mutmaßliche Mitbegründer des rechten Terror-Netzwerks "Gruppe S.", Thomas N. aus Minden, hatte sein Fahrzeug mit Aufklebern plakatiert, die seine Einstellung demonstrativ zeigten.

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Neue Westfälische, 14.04.2021:

Parallelwelt aus Waffen, Wut und Hass - Prozess gegen die "Gruppe S."

Im Prozess gegen zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen, unter anderem aus Minden, tun sich Abgründe auf / Ein Ausflug in die rechte Unterwelt

Nico Pointner

Stuttgart. Es sind zwölf unterschiedliche Männer, die da auf der Anklagebank sitzen. Einer ist Krankenpfleger, einer Trockenbauer, einer Lagerist, mehrere sind arbeitslos. Der eine ist 61 Jahre alt, der andere gerade erst 32. Der eine kommt aus Minden in Nordrhein-Westfalen, der andere aus München in Bayern. Aber glaubt man der Bundesanwaltschaft, verbindet alle zwölf Männer eine Gemeinsamkeit: der Hass auf Ausländer, auf Muslime und Juden, auf politisch Andersdenkende. Und der Wunsch nach einer neuen Gesellschaftsordnung, einem anderen Deutschland.

Diese Gemeinsamkeit ist der Grund, warum sich die zwölf Männer seit gestern vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart verantworten müssen. Einer hält leicht zitternd einen Ordner vors Gesicht, als er in Handschellen in den Saal geführt wird, dem anderen reicht die Corona-Maske als Verhüllung. Die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." soll Äxte, Schwerter und Schusswaffen gehortet und Angriffe auf Moscheen geplant haben. Der Anklage zufolge wollten sie "bürgerkriegsähnliche Zustände" auslösen und die Gesellschaftsordnung ins Wanken bringen.

Die Angeklagten sitzen abgetrennt hinter dicken Glasscheiben. Bis Mitte 2022 sind Termine für die Verhandlungen geblockt. "Für uns alle ist das Neuland, was den Umfang angeht", sagte Rechtsanwalt Daniel Sprafke, der einen der Angeklagten vertritt. Er betonte zum Prozessauftakt, dass die Gruppe keineswegs homogen sei. Nicht alle hätten am gleichen Strang gezogen - "wenn überhaupt".

Es ist ein besonderes Verfahren, weil es offenbaren kann, wie die Rechtsextremisten sich vernetzen und organisieren. Die Männer um den als Rädelsführer angeklagten Werner S. aus dem Raum Augsburg wollten der Anklage zufolge Muslime töten und einen Bürgerkrieg anzetteln. Er habe versucht, Führungspersonal aus der rechten Szene zu rekrutieren, weil er sich von ihnen viel Mobilisierungspotenzial versprochen habe.

Auf Betreiben von Werner S. soll sich die Gruppe laut Bundesanwaltschaft im September 2019 gegründet haben. Die Angeklagten seien gut vernetzt gewesen in der rechtsextremen Szene und hätten teils enge Kontakte zu Waffenlieferanten besessen, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Die Angeklagten teilten danach eine ausländerfeindliche und nationalsozialistische Grundhaltung, sie hätten von "Menschenmüll" und "Kakerlaken" gesprochen. Sie vernetzten sich über Telegram-Chat-Gruppen und trafen sich mehrmals persönlich, wollten sich Waffen besorgen und damit Moscheen überfallen, hatten aber auch Politiker und Andersdenkende im Visier.

Die Angeklagten wurden am 14. Februar 2020 festgenommen. Von den zwölf Angeklagten sitzen elf in Untersuchungshaft, einer befindet sich auf freiem Fuß.

Bildunterschrift: Einige der Angeklagten vor Beginn des Prozesses gegen die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." in Stuttgart.

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die tageszeitung Online, 13.04.2021:

Mutmaßliche Terror-Pläne Rechtsradikaler / "Gruppe S." vor Gericht

Als "Gruppe S." sollen Rechtsextreme 2019 Überfälle auf Moscheen und Politiker geplant haben. In Stuttgart hat nun der Prozess begonnen.

Benno Stieber

Stuttgart (taz). Der Gerichtssaal bot am Dienstag ein Bild, das man eher aus Mafia-Filmen kennt. Angeklagte und Publikum hinter Panzerglas, die 27 Anwältinnen und Anwälte sowie Richter, Staatsanwältinnen und Protokollanten von Plexiglasscheiben getrennt und durch Sprechanlagen verbunden. Grund dafür: Corona-Maßnahmen, die den Groß-Prozess zusätzlich erschweren.

Das Verfahren gegen die "Gruppe S." ist auch sonst aufsehenerregend. Zwölf Männern wirft die Generalbundesanwaltschaft die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Sie hätten seit Herbst 2019 Aktionen "zum Umsturz der politischen Ordnung" geplant, so die Anklageschrift. Dafür hätten die Männer bewaffnete Überfälle auf Moscheen geplant, um die dort Anwesenden "zu töten und zu verletzten".

Auch sollen sie Anschläge auf Politiker wie Robert Habeck und Anton Hofreiter ins Auge gefasst haben. Die Mitglieder verträten eine "offen nationalsozialistische Gesinnung" und machten aus ihrem Hass gegen Ausländer, Muslime und Juden keinen Hehl. Sie seien regional und überregional eng in der rechtsextremen Szene vernetzt gewesen.

Elf der Männer werden in Handschellen aus der Untersuchungshaft auf die Anklagebank geführt. Einer, Paul-Ludwig U., darf neben seinen Anwälten Platz nehmen. U. war zwar Gruppenmitglied, ist aber Zeuge der Anklage, denn die Ermittler haben ihm die Entdeckung der Gruppe zu verdanken. Der mutmaßliche Rädelsführer Werner S. soll noch aus der Untersuchungshaft heraus einem Mithäftling 50.000 Euro geboten haben, wenn er U. beseitigt, weswegen ein weiteres Gerichtsverfahren läuft.

Illegale Waffen und Munition

Werner S., Trödelhändler aus dem bayerischen Mickhausen, soll die Gruppe gegründet haben. Toni E., Mitarbeiter einer Security-Firma, soll seine rechte Hand gewesen sein. Beide waren offenbar im rechtsextremen Milieu gut vernetzt, hatten Kontakt zu Neonazi-Gruppen wie "Wodans Erben Germanien" oder "Vikings Security Germania" genutzt, um "schnelle, kluge, brutale Kämpfer" zu finden, wie es S. formuliert. "Schwätzer" wolle er keine.

Innerhalb von eineinhalb Jahren werden die Planungen offenbar schnell konkret. Nach Erkenntnissen der Ermittler kommt es zu mehreren Treffen der Gruppe, etwa für Schießübungen mit einer Pistole von S. Ein Angeklagter, der in der Polizeiverwaltung arbeitet, habe eine schusssichere Weste präsentiert, weitere habe er für die Attentate beschaffen wollen. In von den Rädelsführern gegründeten Chat-Gruppen tauschten sich Mitglieder über ihre Pläne aus, hetzten rassistisch.

Im Februar 2020 wollte sich die Gruppe laut Bundesanwaltschaft zu einem konkreten Planungstreffen versammeln. Es solle "ans Eingemachte gehen", denn konkrete Adressen für die Attentate gibt es offenbar noch keine. Doch die Gruppe fühlt sich von der Polizei beobachtet, einer der Teilnehmer wird unterwegs von einem Wagen verfolgt. Man vermutet einen Verräter in den eigenen Reihen, U. steht im Verdacht.

Die Gruppe löscht zwar ihre bisherigen Chat-Protokolle, will aber ihre Pläne weiter verfolgen. Am 14. Februar 2020 werden sie dann festgenommen. Bei der Durchsuchung finden sich in der Wohnung vieler Mitglieder illegale Waffen und Munition.

Der Prozess ist auf über 30 Termine angesetzt, der Auftakt am Dienstag startete mit 12 Angeklagten und 27 Verteidigern schleppend. Im Vorfeld hatte es drei Rügen wegen der Besetzung des Strafsenats gegeben, über die der Bundesgerichtshof entscheiden muss. Einer der Verteidiger, der AfD-Politiker Dubravko Mandic, beklagte die Corona-Maßnahmen, weitere Verzögerungen des Prozesses sind zu erwarten.

Bildunterschrift: Zum Prozessauftakt wird einer der Anklagten der "Gruppe S." in den Gerichtssaal geführt.

Bildunterschrift: Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim: Protest gegen rechten Terrorismus.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 13.04.2021:

Prozess gegen "Gruppe S." / Wollten sie einen Bürgerkrieg anzetteln?

13.04.2021 - 19.46 Uhr

Von Rüdiger Soldt, Stuttgart

In Stuttgart müssen sich die mutmaßlichen Mitglieder einer rechtsterroristischen Gruppe vor Gericht verantworten. Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft planten sie einen Bürgerkrieg.

Die rechtsterroristische Gruppe S. gründete sich im Herbst 2019 auf dem Grillplatz "Hummelgautsche" in der Nähe von Schwäbisch Gmünd. Die Gruppenmitglieder hatten sich zuvor monatelang intensiv über Messenger-Dienste wie Telegram ausgetauscht. Am 28. September des Jahres trat die Planung rechtsterroristischer Angriffe auf Muslime sowie auf Politiker wie Anton Hofreiter und Robert Habeck von den Grünen in eine neue Phase: Die Männer verließen den virtuellen Raum und begannen mit konkreteren Planungen, tauschten ihr Wissen über Waffen aus und die Möglichkeiten, sie zu beschaffen.

Dank einem Aussteiger kamen sie nicht weit: Die Ermittlungsgruppe "Valenz" des baden-württembergischen Landeskriminalamts deckte die "Gruppe S." mit Hilfe der Aussagen des Mannes auf. Mitte Februar des vergangenen Jahres konnte die Polizei in mehreren Bundesländern fünf mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer der Gruppe festnehmen.

An diesem Dienstag begann in Stammheim vor dem fünften Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart der Strafprozess gegen die Terror-Gruppe. Werner S., einem der Anführer, und sieben weiteren Angeklagten wirft die Bundesanwaltschaft vor, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet und sich anschließend in dieser betätigt zu haben. Werner S. und Tony E. sollen Rädelsführer der Gruppe gewesen sein. Der 55 Jahre alte Werner S. war Schrotthändler, er gilt als Gründer der Gruppe und wohnte bis zur Verhaftung im Landkreis Augsburg. Tony E., ein 50 Jahre alter Krankenpfleger aus dem Landkreis Uelzen, gilt ebenfalls als Schlüsselfigur.

Drei weitere Männer sind wegen der Mitgliedschaft in der "Gruppe S." angeklagt, ein weiterer Mann wegen der Unterstützung der Gruppierung. Alle zwölf Angeklagten sind deutsche Staatsbürger, sie stammen aus Orten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Das Beunruhigende für die Ermittler und die Bundesanwaltschaft ist nicht nur die Brutalität, mit der die Gruppe S. schwere Gewalttaten plante, sondern auch, dass sich darin nicht nur dem Verfassungsschutz bekannte rechtsextremistische Altkader versammelt hatten.

Zur Gruppe S. gehörten ganz normale Lageristen oder Trockenbauer, die sich im Internet radikalisiert und bis zu ihrer Festnahme unauffällig verhalten hatten. Andere Angeklagte waren Mitglieder beim "Freikorps Heimatschutz", der Organisation "Wodans Erben Germanien" oder der "Bruderschaft Deutschland", einige bezeichnen sich als "Reichsbürger" oder "Prepper".

Nachdem sie sich in der virtuellen Welt kennengelernt hatten, einte sie eine Strategie, ein Ziel: Sie wollten mit einem Anschlag auf eine Moschee mit zahlreichen Toten eine gewalttätige Antwort muslimischer Gruppierungen provozieren und nach Auffassung der Bundesanwaltschaft "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeiführen, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik erschüttern und "letztlich überwinden". Der Senat will das umfangreiche Strafverfahren bis Mitte 2022 abschließen.

Im Mittelpunkt der Hauptverhandlung dürfte die Frage stehen, wie gut die Gruppe sich organisiert hatte, inwieweit sich die Vorbereitung der Anschläge belegen lässt und wie weit ihr Plan gediehen war, Geld und Waffen zu beschaffen. Die Angeklagten seien "gut vernetzt" in der rechtsextremen Szene gewesen, einige hätten auch enge Kontakte zu Waffenlieferanten besessen, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft.

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Süddeutsche Zeitung Online, 13.04.2021:

Prozess gegen "Gruppe S." / Abgründe hinter biederer Fassade

13.04.2021 - 19.20 Uhr

Sie wollten laut den Ermittlungen in Moscheen töten und einen Bürgerkrieg provozieren: In Stuttgart stehen die mutmaßlichen Mitglieder der "Gruppe S." vor Gericht - zwölf Männer, die ein irritierendes Bild abgeben.

Von Lena Kampf und Annette Ramelsberger, München

Fast alle von ihnen haben Familie, oft noch kleine Kinder. Einer kümmerte sich um seine querschnittgelähmte Lebensgefährtin. Die meisten von ihnen arbeiteten regelmäßig, der eine als selbständiger Trockenbauer, der andere als Krankenpfleger, der dritte als Gas- und Wasserinstallateur. Sie sind Steinmetze, Lagerarbeiter, selbständige Fliesenleger, Gerüstbauer.

Einer war sogar gelernter Polizist und dann als Verwaltungsangestellter beim Polizeipräsidium Hamm. Wer die Lebensläufe der zwölf Männer der "Gruppe S." liest, die seit Dienstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart stehen, denkt nicht unbedingt daran, dass sie den Umsturz in Deutschland vorbereiten, dass sie mit Gewalt in Moscheen eindringen und dort selbst Frauen und Kinder niederschießen wollten. All das wirft ihnen die Bundesanwaltschaft vor.

"Das sind keine gescheiterten Existenzen", sagt ein Ermittler. "Die haben Haus, Hund, Garten." Doch nur von außen sehen die mutmaßlichen Mitglieder der "Gruppe S." aus wie biedere Bürger. Hinter dieser Fassade baute sich ein Groll auf, der sie dazu trieb, ihre Existenz aufs Spiel zu setzen, ihre Familien allein zu lassen, um einem Anführer zu folgen, der ihnen "den Krieg" verhieß. Und dem sie selbst versprachen, muslimische Frauen und Kinder zu töten.

Der Plan: die Demokratie zerstören

Sie wollten, so redeten sie sich ein, Deutschland vor der Überfremdung bewahren. Sie wollten den Bürgerkrieg provozieren und dann die Demokratie zerstören. So sieht das die Bundesanwaltschaft, die die zwölf Männer wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung angeklagt hat.

Am Dienstag begann der Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Anführer soll der 55 Jahre alte Werner S. aus der Nähe von Augsburg gewesen sein, der den Männern von Patriotismus und Mannhaftigkeit vorschwärmte, seine rechte Hand der 40 Jahre alte Krankenpfleger und gelernte Soldat Tony E. aus Norddeutschland.

Es muss ihnen etwas bedeutet haben, in ihrem Anführer Werner S. jemanden gefunden zu haben, der sie zu einer Gemeinschaft zusammenschweißte. Der ihnen eine "Mission" versprach. Aus den von außen so unauffälligen Bürgern wurden Kämpfer, die sich Waffen besorgen wollten und Anschlagspläne besprachen: gleichzeitig wollten sie mehrere Moscheen angreifen.

"Als wenn sie ein Parallel-Leben geführt hätten", sagt ein Fahnder. In diesem Paralleluniversum peitschten sie sich gegenseitig auf, da spürten sie einen Männerbund, eine Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, die immer martialischer wurde. In ihren Chats versuchten sie sich gegenseitig zu übertrumpfen, es begann langsam, dann - je mehr Vertrauen entstand - wucherten die Gewaltfantasien. Nur sollte die Gewalt keine Fantasie bleiben.

Zwei, drei Monatsgehälter für Waffenkäufe

Die Männer, die nur überschaubare Einkünfte hatten, waren laut Anklage bereit, zwei, drei Monatsgehälter dafür zu opfern, um Waffen für den Umsturz zu kaufen und Politiker zu "eliminieren".

Die Ermittler befürchten, dass die Männer der "Gruppe S." nicht allein sind. Es könnte gut sein, dass die Polizei auf noch weitere Gruppen stößt. Denn allein acht Mitglieder der "Gruppe S." hatten zum Teil hochrangige Führungspositionen in Bürgerwehren wie dem "Freikorps", der "Bruderschaft Deutschland", "Vikings Security" und "Wodans Erben Germania". Es wäre nichts Neues. Schon vor der "Gruppe S." hatten sich Rechtsradikale zu Terror-Gruppen zusammengeschlossen, wie der Gruppe "Freital" und der "Revolution Chemnitz", die Anschläge auf Andersdenkende und Flüchtlinge unternahmen und ihre Leute aus verschiedenen rechten Szenen rekrutieren wollten.

Oft treten diese Extremisten als Bürgerwehr auf, die vorgeben, für Recht und Ordnung sorgen zu wollen, sie inszenieren sich als "Schutzmacht" für angeblich bedrohte Deutsche und treten in einheitlicher Kleidung oder rockerähnlichen Kutten auf. Bundesweit gibt es mindestens 20 solcher Gruppen, die meisten werden als rechtsextremistisch eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet. Bisher galten sie als nicht überregional vernetzt.

Neue Sorge: Corona-Leugner

Das haben die Ermittlungen gegen die "Gruppe S." nun widerlegt. Wie sich an den Männern von Werner S. zeigt, kamen sie aus einem bundesweiten Netzwerk, in dem Werner S. seine Mitstreiter fand. Ganz gezielt suchte er Männer aus, die er für besonders gewaltbereit und entschlossen hielt. Einige versprachen ihm, mit ihm bis in den Tod zu gehen, wenn es zum Bürgerkrieg kommt.

Angesichts der Corona-Demonstrationen wächst die Sorge, dass sich Corona-Leugner und rechte Extremisten zu gewalttätigen Gruppen zusammentun. "Die Radikalisierung ist dynamisch, unberechenbar", sagt ein Ermittler. "Da braucht nur einem die Sicherung durchzubrennen ... " Bei den Corona-Protesten fielen auch immer wieder Personen aus dem Umfeld der "Gruppe S." auf.

Bildunterschrift: "Das sind keine gescheiterten Existenzen", sagt ein Ermittler über die Angeklagten der rechtsterroristischen "Gruppe S.".

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Focus Online, 13.04.2021:

Rechte Terror-Zelle vor Gericht: Sie wollten Muslime, Juden, Habeck und Hofreiter töten

13.04.2021 - 19.09 Uhr

Prozessauftakt gegen Stuttgarter "Gruppe S."

Focus-Online-Autor Tilman Baur

Sie planten Anschläge auf Moscheen und Politiker und wollten einen Bürgerkrieg anzetteln: Seit Dienstag müssen sich zwölf Männer der "Gruppe S." vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten. Der Vorwurf: Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

Sie wollten Muslime, Schwarze und Ausländer töten, einen Bürgerkrieg anzetteln und schworen ihrem Anführer loyale Gefolgschaft, sogar "Treue bis in den Tod": Zwölf Männer der "Gruppe S." - elf Mitglieder und ein Unterstützer - müssen sich seit Dienstag wegen der Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart verantworten. Dazu kommen zahlreiche Verstöße gegen das Waffengesetz.

Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Männer fest entschlossen waren, ihre rechtsextreme Gesinnung gewaltsam durchzusetzen und bereits konkrete Anschläge geplant hatten. Chat-Protokolle sollen das beweisen. So sollen bei einem Treffen im westfälischen Minden im Februar 2020 bereits konkrete Anschlagsziele festgelegt worden sein. Im März sollten erste Anschläge auf Moscheen eine Gewaltwelle einläuten und bürgerkriegsähnliche Zustände herbeiführen.

Bei einem weiteren Treffen hätten die Pläne präzisiert werden sollen - dazu kam es aber nicht mehr. Die mutmaßlichen Terroristen schöpften Verdacht, ahnten, dass die Ermittler ihnen auf den Fersen sind. Sie löschten eifrig Chat-Protokolle, um Spuren zu verwischen, und beschlossen zunächst, "Sand ins Getriebe rieseln zu lassen", wie Werner S. schrieb. Zu spät: Wenige Tage darauf, am 14. Februar 2020, folgte der Zugriff der Polizei. Wertvolle Hinweise hatten die Staatsdiener im Vorfeld von einem V-Mann in der Gruppe erhalten.

Stuttgarter "Gruppe S.": Kriegerisch in den Chat-Protokollen, müde und unscheinbar vor Gericht

Kriegerisch und fest entschlossen gaben sich die Mitglieder in Chat-Protokollen, aus denen Judith Bellay von der Bundesanwaltschaft am Dienstag zitierte. Im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in Stuttgart-Stammheim war am Dienstag wenig davon zu spüren. Müde betraten die unscheinbaren Angeklagten unter Polizeiaufsicht den Saal, versteckten ihre Gesichter hinter Aktenordnern und nahmen hinter einer dicken Glasscheibe Platz.

Die Gruppe ist nach Werner S. benannt. Der 1966 in Schwäbisch Gmünd geborene Mann schaffte es, innerhalb weniger Jahre einen Kern von gewaltbereiten Männern um sich zu scharen, die willens waren, für ihre Überzeugungen bis zum Äußersten zu gehen. Die 217-seitige Anklageschrift lässt keinen Zweifel an der Intensität ihres Hasses - und an ihren Feinbildern.

Allen voran auf Muslime hatte es die Gruppe abgesehen, ebenso auf Juden, Schwarze, Ausländer. "Untermenschen", "Menschenmüll" seien sie, schrieben die Mitglieder in Chats. Auch auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter hatten es die mutmaßlichen Rechtsterroristen abgesehen.

Muslime, Juden, Habeck und Hofreiter als Feindbilder: Sie wollten bis zum Äußersten gehen

Spätestens seit August 2019 sollen die Männer laut Anklage konkrete Anschlagspläne verfolgt haben. Ausgestattet war die "Gruppe S." hervorragend. Über Mitglieder aus dem rechtsextremistischen Milieu gab es gute Kanäle zu Waffenhändlern, die die mutmaßlichen Terroristen mit Langwaffen, Munition, Stahlhüten, schusssicheren Westen, Handgranaten und Messern ausstatteten.

Werner S. soll die Gruppe als Rädelsführer gegründet, koordiniert und ihr ein ideologisches Leitbild gegeben haben. Der Anklage zufolge hat er "maßgeblichen Einfluss" ausgeübt und konkrete Anschlags-Szenarien entworfen. Er versuchte, führende Köpfe der rechtsextremen Szene für die Gruppe zu gewinnen, versprach sich "erhebliches Mobilisierungspotenzial" von ihnen. Im Angeklagten Tony E. traf er auf einen Seelenverwandten.

Sein Ziel, eine verschworene Einheit zu schaffen, erreichte S. in beeindruckender Weise. Wie aus der Anklage hervorgeht schworen ihm mehrere Gruppenmitglieder Loyalität bis zum Äußersten. Einer sagte, er sei willens, sein Leben für die Ziele der Gruppe zu opfern. Ein anderer beteuerte, beim "Krieg in der ersten Reihe" stehen zu wollen. Doch auch Werner S. scheint von seinen Gefolgsleuten überzeugt gewesen zu sein: Einem der Angeklagten bescheinigte er, ihm blind zu vertrauen. Er schätze ihn als jemanden, der zu allem bereit sei, schrieb S.

Bürgerkrieg gegen die "Überfremdung" Deutschlands: "Gruppe S." hatte Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant

Um pathetische Schwüre und Bekenntnisse waren die Gruppenmitglieder nie verlegen. Doch bei Sprüchen sollte es nicht bleiben, die "Gruppe S." meinte es ernst und dachte politisch. Die zunehmende "Überfremdung" Deutschlands sei nur mit einem Systemwechsel zu entgegnen, so das Weltbild der Männer. Diesen Wechsel wiederum suchten die Männer durch einen Bürgerkrieg einzuleiten. Eine Eskalationsstrategie sollte Muslime und Nicht-Muslime gegeneinander aufwiegeln. Die Gruppe S. wollte diesen Prozess durch Anschläge auf Moscheen und Politiker in Gang bringen.

Wie ungeduldig Werner S. auf die Erfüllung seiner Mission wartete, zeigen Chat-Protokolle, die die Anklageschrift dokumentiert. In einer Chat-Gruppe klagte er am 22. Januar 2020, keine Zeit mehr zu haben für "ewig lange Konferenzen, für absurde Menschen, für Mittelmäßigkeit, für Neider, Opportunisten und aufgeblasene Egos".

Stattdessen wolle er "das Wesentliche", nämlich einen "Sturm der Gerechtigkeit". Beim nächsten Treffen wolle man "bei Brot und Wein Krieg besprechen". Auch sein Vertrauter Tony E. drang auf den nächsten Schritt. "Die Zeiten der Bürgerwehren sind vorbei", soll er zu S. gesagt haben. Man müsse nun hochgradig effizient, hochgradig professionell vorgehen, soll Tony E. gesagt haben.

Für die Bereitschaft zu morden waren die Mitglieder - viele von ihnen waren zum Zeitpunkt der Treffen arbeitslos - bereit, Geld zu beschaffen. 50.000 Euro seien nötig, um erste Anschläge in die Tat umzusetzen, hatte einer der Angeklagten errechnet. Außer einem der Männer sagten alle zu, höhere vierstellige Beträge beisteuern zu wollen.

Der Prozess vor dem Oberlandesgericht ist auf 30 Tage angesetzt und wird am Mittwoch fortgesetzt. Er findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Laut Informationen des SWR hat Werner S. in der Haft einen Mithäftling mit dem Mord an dem V-Mann beauftragt, der als Hauptbelastungszeuge aussagen soll.

Bildunterschrift: Einer der Angeklagten mit Mund-Nasen-Bedeckung (M.) wird kurz vor Beginn des Prozesses gegen die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." in Handschellen in einen Saal im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim geführt.

Bildunterschrift: Zwei der Angeklagten sitzen in Anwesenheit von Justizbeamten kurz vor Beginn des Prozesses gegen die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." in einem Saal im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim.

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tagesschau.de, 13.04.2021:

"Gruppe S." vor Gericht / Prozess mit besonderer Dimension

13.4.2021 - 17.26 Uhr

Die so genannte "Gruppe S." soll Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant haben. In einem Mammutprozess in Stuttgart müssen sich nun zwölf mutmaßliche Mitglieder vor Gericht verantworten.

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion, zzt. Stuttgart

Am Ende der Hauptstraße des Stuttgarter Stadtbezirks Stammheim gelangt man unweigerlich zu dem Gelände, auf dem Terrorismus-Prozesse eine lange Tradition haben: In der Justizvollzugsanstalt auf der linken Seite saßen im siebten Stock viele RAF-Terroristen. Gleich daneben im alten Gerichtssaal wurden zahlreiche Prozesse gegen sie und andere Terroristen geführt. Rechts daneben steht nun ein neues Gebäude - ein moderner, gut gesicherter Gerichtssaal. Das ist der Ort des Prozessauftakts gegen die so genannte "Gruppe S." - laut Anklage ist es eine rechtsterroristische Vereinigung, die Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant haben soll.

Zwölf Angeklagte gibt es. Schon unter normalen Zeiten wäre so ein Prozess eine Herausforderung für die Justiz. Jetzt kommt Corona hinzu. Eine riesige Plexiglasscheibe trennt ohnehin den Zuschauerraum vom Saal. In der Mitte sitzen die mehr als 20 Verteidigerinnen und Verteidiger. Vor ihnen ein Sammelsurium an Kopfhörern, Knöpfen und Schaltern. Mit den Angeklagten können sie nur auf Distanz über diesen Weg kommunizieren, erklären Justizbeamte ihnen um kurz vor zehn Uhr.

Mammutprozess unter Corona-Bedingungen

Einzeln werden die Angeklagten in den Saal geführt. Sie sitzen ebenfalls komplett hinter Plexiglas. Zusammen, in zwei Reihen - nicht wie sonst direkt neben ihren Anwälten. Die meisten verdecken ihr Gesicht. Werner S. nicht, er soll laut Anklage der Kopf der Gruppe gewesen sein.

Der Vorsitzende Richter Herbert Anderer beginnt mit Hinweisen auf die Corona-Regeln im Saal - Abstand oder Masken-Pflicht für alle, die nicht gerade reden - und mit einem Dank für die gute Kooperation mit den Gesundheitsbehörden im Vorfeld. Ob es an diesem untypischen Einstieg ins Verfahren liegt? Jedenfalls ist noch etwas ungewöhnlich an diesem Vormittag: Häufig blinken in großen Terrorismus-Prozessen - kaum hat der oder die Vorsitzende das erste Wort gesprochen - schon die Mikrofone der Verteidigung. Es folgen dann zunächst zahlreiche Anträge zu reinen Verfahrensfragen - etwa zur Befangenheit des Gerichts. Bei diesem Prozessauftakt passiert in dieser Hinsicht erstmal nichts.

Anklage spricht von geplanten Anschlägen

Richter Anderer geht die Personalien der Angeklagten durch. Sie stammen aus ganz Deutschland. Der mutmaßliche Anführer Werner S. soll sie in Kreisen rechtsextremer Vereinigungen zusammengetrommelt und über Messenger-Dienste vernetzt haben. Die persönlichen Daten klingen eher bieder. Fliesenleger, Krankenpfleger, Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, arbeitslos - so beschreiben sie ihren Beruf.

Danach verliest Judith Bellay als Vertreterin der Bundesanwaltschaft die Anklage. Und die hat es in sich. Die von den Ermittlern als "Gruppe S." bezeichnete Gruppe sei eine rechtsterroristische Vereinigung. Bei ihrem Gründungstreffen auf einem Grillplatz in Baden-Württemberg im September 2019 habe der mutmaßliche Kopf Werner S. mit den anderen die inhaltliche Ausrichtung der Gruppe besprochen. Bei einem konspirativen Treffen in NRW Anfang Februar 2020 habe er die konkrete Anschlagsplanung erläutert. Als Einzeltäter oder in Kleingruppen habe man zeitgleich in mehrere Moscheen eindringen und Menschen töten wollen. Damit habe die Gruppe die Bevölkerung einschüchtern und bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen wollen. Die mutmaßlichen anderen Mitglieder der Gruppe hätten diesen Plan ausdrücklich befürwortet.

Einige wenige Schusswaffen habe die Gruppe schon gehabt, so die Anklage. Ein Mitglied der Gruppe habe mit guten Kontakten nach Tschechien schnell ein Geschäft über Langwaffen angebahnt, ein anderes sollte Kurzwaffen und Handgranaten besorgen. Dafür habe die Gruppe 50.000 Euro geben wollen.

Festnahme im Februar 2020

Bei einem weiteren Treffen im März habe die Gruppe dann die Ziele konkret festlegen und zeitnah umsetzen wollen, so die Anklage. Neben Moscheen habe die Gruppe auch erwogen, Anschläge auf Politiker zu begehen. Ausdrücklich benennt Oberstaatsanwältin Bellay die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter als mögliche Opfer. Doch im Februar 2020 habe sich innerhalb der Gruppe der Verdacht erhärtete, dass man von den Behörden beobachtet werde. Man habe daraufhin zum Beispiel Chats gelöscht, aber in kleinerem Kreis weiter engen Kontakt gehalten und die Pläne nicht aufgegeben. Am 14. Februar 2020 kamen dann die Festnahmen.

Im Prozess wird es nun darum gehen, ob sich die Vorwürfe der Anklage beweisen lassen. Wichtiges Beweismittel ist ein Informant, den die Behörden innerhalb der Gruppe hatten. Von seiner Glaubwürdigkeit wird viel abhängen. Es liegen aber zum Beispiel auch abgehörte Gespräche und Chat-Protokolle vor. Die Verteidigung wird womöglich dagegenhalten, es habe sich um bloße Angeberei ohne konkrete Ziele gehandelt. Zum Auftakt gab es aber noch keinen inhaltlichen Gegenerklärungen.

Aufzeichnung des Prozesses für historische Zwecke?

Am Nachmittag trudeln dann doch noch Anträge von Seiten der Verteidigung ein. Ein Anwalt hält die Masken-Pflicht für die Verteidiger für eine rechtswidrige Einschränkung seiner Arbeit, erntet aber Widerspruch zahlreicher Kolleginnen und Kollegen. Ein anderer Verteidiger beantragt, den gesamten Prozess in Bild und Ton zur Erleichterung der Arbeit für die Verfahrensbeteiligten, und auch für spätere wissenschaftliche Zwecke aufzuzeichnen. Auch in dieser Hinsicht sei "Stammheim" ja historisch - was sich auf Tonbandaufnahmen von früheren RAF-Prozessen bezieht. Der Erfolg der Anträge ist ungewiss. Genug Material würde es aber geben. Bis weit ins Jahr 2022 sind schon jetzt Termine angesetzt.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 13.04.2021:

Geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker: Prozessauftakt gegen die Terror-Gruppe S.

13.4.2021 - 15.46 Uhr

Der erste Prozesstag gegen zwölf Mitglieder der so genannten Terror-Gruppe S. ist in Stuttgart zu Ende gegangen. Drei Angeklagte kommen aus Nordrhein-Westfalen. Sie sollen Anschläge geplant haben.

Auf Grund von gesundheitlichen Problemen eines Angeklagten musste der erste Prozesstag abgebrochen werden. Die Anklage hatte zuvor das Bild einer Gruppe gezeichnet, die zu allem entschlossen war. In einem schlichten Zweifamilienhaus in Minden treffen sich Anfang Februar 2020 Männer, die Deutschland mit Gewalt verändern wollen. Laut Anklageschrift sollen sie Anschläge gegen Politiker und gegen Moscheen geplant haben - möglichst viele Menschen sollen dabei sterben. All das, um bürgerkriegsähnliche Verhältnisse zu provozieren und einen Umsturz.

Der Prozess fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Alle Teilnehmer wurden auf Waffen durchsucht. Die Prozessbeteiligten waren durch Scheiben abgeschirmt. Der mitangeklagte Kronzeuge Paul W. war von den anderen Angeklagten aus Vorsicht räumlich getrennt.

Rechtsextremist als Kopf der Gruppe

Kopf der Gruppe soll Werner S. sein - ein vorbestrafter Rechtsextremist, zuletzt wohnhaft im Raum Augsburg. In der Gruppe wird er "Teutonico" genannt. Um ihn und seine rechte Hand Tony E. aus dem Raum Lüneburg herum sollen sich seit 2019 mehr als ein Dutzend offenbar gewaltbereiter Personen geschart haben, aus allen Teilen Deutschlands.

Es soll zu mehreren Treffen gekommen sein, unter anderem in Alfdorf in Baden-Württemberg. Dieses Treffen wurde bereits von der Polizei beobachtet - sie hatte einen verdeckten Informanten in der Gruppe. Der Mann hatte sich selbst bei den Behörden gemeldet.

Terror-Gruppe traf sich in Minden

Nachdem mehrere Treffen nicht geklappt hatten, kamen die Mitglieder der Terror-Zelle schließlich am 8. Februar 2020 in Minden zusammen. Gastgeber war Thomas N. - ein selbstständiger Fliesenleger aus der Reichsbürger-Szene, der in Sozialen Medien zum Kampf und Widerstand unter anderem gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufrief. Bei Mettbrötchen und Met besprachen die Anwesenden konkrete Anschlagspläne. Unter anderem sollten mehrere Moscheen zeitgleich in mittelgroßen Städten angegriffen werden.

Ebenfalls vor Ort waren drei weitere Männer aus Nordrhein-Westfalen. Markus K. aus Minden war zuvor mehrfach als Ordner rechtsextremer Demonstrationen aufgefallen. Er sitzt in Stuttgart auch auf der Anklagebank. Ebenso Thorsten W. - er arbeitete in der Polizeiverwaltung in Hamm und soll laut Anklage Unterstützer der Terror-Gruppe gewesen sein. Ulf R. aus Porta Westfalica war kurzfristig vom Gastgeber Thomas N. zum Treffen eingeladen worden. Er kam später in der Untersuchungshaft ums Leben.

Razzia in Minden

Sechs Tage nach dem Treffen in Minden kam es zur Razzia. Der Grund: Werner S. und andere Gruppenmitglieder hatten offenbar Verdacht geschöpft. Um ihren verdeckten Informanten zu schützen, nahm die Polizei daraufhin sämtliche Teilnehmer des Treffens fest.

Der Prozess in Stuttgart-Stammheim wird vermutlich Monate dauern.

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Spiegel Online, 13.04.2021:

Terror-Prozess gegen "Gruppe S." / Hass im Dutzend

13.4.2021 - 14.11 Uhr

Zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen wollten laut Bundesanwaltschaft das demokratische System abschaffen. Vor Gericht geht es um ihre Gesinnung und Gewaltbereitschaft.

Aus Stuttgart berichtet Julia Jüttner

Die zwölf Männer werden in Handschellen von je zwei Wachtmeistern in den Saal geführt. Sie kennen sich zum Teil seit vielen Jahren. Was sie eint, ist ihre nationalsozialistische Grundhaltung, ihr Feindbild, der Hass auf Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens. Einige von ihnen haben sich ihre Gesinnung eintätowieren lassen: ein Hakenkreuz, Hitler in Uniform, Soldaten mit Reichskriegsflaggen oder das Wort "Arier".

Da sitzen sie nun im Hochsicherheitstrakt auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim, einem historischen Ort. Hier werden seit fast 45 Jahren Staatsschutz-Verfahren verhandelt. In den Siebzigerjahren waren es die Prozesse gegen die Rote Armee Fraktion (RAF).

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart muss unter dem Vorsitz von Herbert Anderer in den folgenden Monaten aufklären: Planten die zwölf angeklagten Männer aus fünf verschiedenen Bundesländern den "Systemwandel in Deutschland"? Wollten sie einen Bürgerkrieg auslösen mit dem Ziel, die Demokratie abzuschaffen?

Der Generalbundesanwalt hat die Männer angeklagt, ihre gemeinsame rechtsextremistische und bisweilen offen nationalsozialistische Gesinnung in der terroristischen Vereinigung "Gruppe S." ausgelebt und genau diese Ziele verfolgt zu haben: die gewaltsame Etablierung eines Staats- und Gesellschaftssystems nach ihren menschenverachtenden Vorstellungen.

"Schwätzerpatriot"

Konkret sollen es die Angeklagten auf Moscheen in kleineren Ortschaften abgesehen haben, auf die sie tödliche Anschläge verüben wollten, wie Judith Bellay sagt, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof. Und sie sollen Politiker wie Anton Hofreiter und Robert Habeck ins Visier genommen haben.

Acht der zwölf Männer verstecken ihr Gesicht hinter einem Aktenordner, als sie den Saal betreten. Vier kommen erhobenen Hauptes, als hätten sie den Kampf noch nicht aufgegeben. Einer von ihnen ist Werner S., 55 Jahre alt, gebürtiger Schwabe und Trödelhändler. Er ist nach Ansicht der Bundesanwaltschaft der Gründer und Kopf der Gruppe, der er seinen Nachnamen gab. Er soll mehrere Treffen organisiert, Aufgaben verteilt und potenzielle Mitglieder auf Tauglichkeit geprüft haben: Sind sie bereit, Waffen einzusetzen und zu töten?

Wer zu beidem nicht bereit war, war für S. ein "Schwätzerpatriot". Er selbst bezeichnet sich laut Anklage als "Freigeist mit Hang zum Nationalismus". Spätestens seit Mitte 2019 soll S. gezielt im Internet und in der rechten Szene Extremisten gesucht haben, die seine Ideologie und Gewaltbereitschaft teilten. Oder wie S. es laut Anklage nannte: "gesinnungstreue", "kernige Männer". Diese hoffte er in Gruppierungen zu finden wie "Soldiers of Odin", einer Art rechtsradikaler Bürgerwehr, der er angehörte.

Von dort kannte S. auch Tony E., seine "rechte Hand" und "Seelenbruder". E. wohnte in der Lüneburger Heide, im Gericht trägt er ein blaues Hemd unter einem Sakko. Er habe zuletzt als Krankenpfleger und Security-Mitarbeiter sein Geld verdient, sagt der 40-Jährige vor Gericht. S. gegenüber soll E. immer wieder beteuert haben, dass er bereit sei, für den Kampf sein Leben zu opfern. E. war führend in der rechtsextremen Gruppe "Freikorps Heimatschutz Divison 2016" und aktiv in der "Bruderschaft Deutschland". Letztere ist ein Auffangbecken für Rechtsextremisten, Hooligans, Türsteher, Rocker und Kampfsportler.

Auch Thomas N., 57, soll dem Anführer S. Treue "bis in den Tod" geschworen haben. Der Fliesenleger aus Minden war laut Anklage Mitglied des "Freikorps Heimatschutz Division 2016 - Das Original". Er rekrutierte demnach den ebenfalls in Minden wohnenden Reichsbürger Markus K., 35, und Thorsten W., 51, aus Hamm, einen Verwaltungsangestellten im Verkehrskommissariat der örtlichen Polizei. Bei der Durchsuchung seines Hauses fanden Ermittler allerhand NS-Devotionalien und Fotos, die W. in Wehrmachtsuniform zeigen. Im Gericht lässt W. Kopf und Schulter hängen.

Nicht zu unterschätzen sind nach Ansicht des Generalbundesanwalts auch der Münchner Frank H., der Ende April 62 Jahre alt wird, und Marcel W., 39. Beide gehörten zur Führungsebene von "Wodans Erben Germanien", einer Abspaltung von "Soldiers of Odin". H. soll Chef dieser Truppe gewesen sein mit angeblich exzellenten Kontakten zu einem Waffenhändler in Tschechien. W. trägt auf seinen Oberarmen die Zahl "88", in der rechten Szene eine Chiffre für "Heil Hitler". Was er gelernt habe, fragt ihn der Vorsitzende. "Leider nichts", antwortet W.

Die Angeklagten Steffen B., 36, und Stefan K., 32, aus Sachsen-Anhalt wiederum sollen führende Mitglieder der "Vikings Security Germania" gewesen sein, ebenfalls ein Anhängsel der "Soldiers of Odin". K., ein schmächtiger Kerl mit Brille, war demnach sogar Vizechef. Auf B.s Fingern wiederum sind die Worte "Ruhm" und "Ehre" eintätowiert. Die Männer sollen ebenfalls beste Kontakte zu Waffenlieferanten gehabt haben, über die sie Gewehre und Handgranaten ordern sollten, während ihre mutmaßlichen Komplizen H. und W. Pistolen beschaffen sollten.

Besonderes Vertrauen schenkte Anführer S. dem 48-jährigen Michael B. aus Kirchheim unter Teck. Einem Mann mit ausgeprägter Islam-Feindlichkeit und dem festen Willen, seine Feinde "auszurotten". B. habe sich der "German Defence League" angeschlossen und sei "zu allem bereit" gewesen, so die Anklage. B. soll demnach versprochen haben, "bei Kriegsbeginn" neben S. "in der ersten Reihe" zu stehen. Im Gericht tritt er selbstbewusst auf, seine dunklen Haare trägt er schulterlang. Den Fernsehkameras und Fotoapparaten, die auf ihn gerichtet sind, weicht er nicht aus.

Seiner Freundin sagte er, er werde "im Kampf" sterben

Auch Wolfgang W. aus Koblenz, der in zwei Tagen 62 wird, war den Ermittlungen zufolge für den mutmaßlichen Gang-Boss S. ein "Soldat". Seine Aufgabe soll es gewesen sein, für alle Mitglieder der "Gruppe S." schusssichere Westen anzuschleppen. Seiner Lebensgefährtin soll er angekündigt haben, er werde "im Kampf" sterben. Er soll mit verschiedenen rechtsgerichteten Gruppierungen sympathisiert haben.

Der zwölfte Angeklagte ist Paul U., 49, aus dem Odenwald. Für die Bundesanwaltschaft war er ein "getreuer Fußsoldat", ein "Prellbock" und der Kontaktmann zu einem Führungsmitglied der "Bruderschaft Deutschland".

Für die anderen elf mutmaßlichen Rechtsterroristen ist U. ein Verräter. Er wird als Erster an diesem Tag in den Saal geführt und darf anders als die anderen Angeklagten bei seinen Verteidigern sitzen. Seine einstigen Kumpel müssen in einem Käfig aus Panzerglas Platz nehmen. Auf den Tischen vor ihnen stehen Mikrofone, über die sie mit ihren Anwälten kommunizieren können.

"Ihr Wohnsitz?", fragt Richter Anderer. "Übers LKA", antwortet U. "Ich schließe daraus, Sie wollen mir Ihren Wohnsitz nicht sagen?" U. räuspert sich. "Ich darf ihn Ihnen nicht sagen." U. gilt als Kronzeuge in diesem Verfahren und befindet sich wohl in einer Art Schutzprogramm.

U. war es, der die Ermittler vor der Radikalisierung der Truppe warnte: Wie aus der Chat-Gruppe "Heimat" schließlich Ende September 2019 die "Gruppe S." wurde, gegründet auf dem Grillplatz "Hummelgautsche" im baden-württembergischen Alfdorf. Ein Zusammenschluss von aggressiven, hasserfüllten Männern, die sich dort im Schutz des Waldes über schusssichere Westen und scharfe Waffen austauschten.

Die mutmaßlichen Mitglieder, wohnhaft in fünf verschiedenen Bundesländern, blieben danach laut Anklage via Messenger-Dienste und Telefon in Kontakt. Die Ansage für die weitere elektronische Kommunikation war klar: keine Bilder von Waffen, Nazis, Adolf Hitler senden; keine "provozierende Schlagwörter und Meinungsäußerungen" verwenden; für Waffen gab es Codes wie "E-Bike", "Rücktretbremse", "Akku", "Hardware" und "Tretroller".

Die Pläne der Gruppe wurden nach Ansicht der Ermittler von Treffen zu Treffen konkreter und die beiden Anführer S. und E. waren sich einig: Die Zeiten der "Bürgerwehr" seien zu Ende, nun müsse alles "hochgradig effizient" und "hochgradig professionell" geplant werden.

Am 14. Februar vergangenen Jahres flog die Gruppe auf. Seither sitzen alle Angeklagten in Untersuchungshaft. Nur nicht der Kronzeuge U.

Bildunterschrift: Prozessauftakt in Stammheim: Wollten die Angeklagten gewaltsam den "Systemwandel in Deutschland" herbeiführen?

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Südwestrundfunk, 13.04.2021:

Stuttgart-Stammheim: Prozess gegen rechte Terror-Gruppe "Gruppe S." beginnt

13.4.2021 - 09.51 Uhr

12 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer vor OLG

Die Beschuldigten sollen Angriffe auf Moscheen und Mordanschläge auf Politiker geplant haben. Angeblich wollten sie das politische System destabilisieren und planten einen Umsturz. Das Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt ab Dienstag unter hohen Sicherheitsvorkehrungen.

Der Prozess gegen elf Mitglieder und einen Unterstützer der mutmaßlichen Terror-Gruppe "Gruppe S." beginnt am Dienstag, 13. April, in Stuttgart-Stammheim vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) unter hohen Sicherheitsstandards. Ein ursprünglich dreizehnter Beschuldigter ist vergangenes Jahr in der Untersuchungshaft verstorben. Die Ermittler gehen nach SWR-Recherchen von einem Suizid aus.

Die mutmaßliche Terror-Zelle soll laut Bundesanwaltschaft Anschläge auf Moscheen und auf Politiker wie Robert Habeck und Anton Hofreiter (beide Grüne) geplant haben. Ziel sei es gewesen einen politischen Umsturz herbeizuführen. Laut der 217-seitigen Anklageschrift hatten die Gründungsmitglieder der "Gruppe S." das Ziel "mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden".

Ausgehoben im Februar 2020

Die "Gruppe S." ist von den Ermittlern nach ihrem mutmaßlichen Initiator Werner S. benannt, der aus der Nähe von Augsburg stammt. Sie soll bundesweit aktiv gewesen sein. Ausgehoben wurde die Gruppe nach einen Treffen im Februar 2020 im westfälischen Minden. Damals sollen die Pläne konkreter geworden sein. Offenbar wurde der Kauf von Waffen vorbereitet. Zudem sorgte sich die Polizei nach SWR-Recherchen um das Wohl eines V-Mannes in der Gruppe. Eine bundesweite Razzia folgte. Die Behörden hatten die Gruppe schon länger im Visier, denn der V-Mann hatte den Beamten schon zuvor Hinweise auf die Gruppe und ihre Aktivitäten gegeben.

Gründungstreffen in Baden-Württemberg

Schon seit einem Gründungstreffen Mitte September 2019 auf einem Grillplatz, der Hummelgautsche in Alfdorf (Rems-Murr Kreis), waren die Ermittler der Gruppe auf den Fersen. Doch viele Informationen beruhten zunächst nur auf den Aussagen des Informanten. Weitere Ermittlungen waren nötig und die gesammelten Hinweise werden nun in dem Staatsschutz-Verfahren vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim bewertet. Alles unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen, denn Werner S. soll nach SWR-Informationen auch aus der Untersuchungshaft heraus einen Mord an dem Informanten in Auftrag gegeben haben. Der Informant befindet sich im Zeugenschutzprogramm, ist auf freiem Fuß und wird zum Prozessauftakt auf der Anklagebank erwartet. Zunächst sind 30 Verhandlungstage bis Ende August angesetzt.

Corona-gerechtes Gerichtsgebäude

Im Prozess-Gebäude wurden auf Grund der Pandemie Corona-Schutzmaßnahmen umgesetzt. Es gibt nun Trennwände zum Schutz vor Ansteckung und ein neue Bestuhlung im Saal. Die zwölf Angeklagten haben insgesamt knapp 30 Verteidiger an ihrer Seite sowie Wachpersonal.

Seit 2019 gibt es ein neues Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim. Es ist mit vergleichsweise moderner Technik ausgestattet. Das alte Gebäude, in dem schon die RAF-Prozesse seit den 1970er Jahren verhandelt worden waren steht nebenan und ist nicht mehr in Betrieb. Es soll abgerissen werden. Das neue Gebäude gilt mit Röntgen-Scannern und Metalldetektoren als eines der modernsten in Deutschland.

Bildunterschrift: Blick auf das neue Gebäude des Oberlandesgerichts in Stammheim.

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Radio Westfalica, 13.04.2021:

Prozess gegen Terror-Zelle Gruppe S. beginnt - zwei Mindener auf Anklagebank

Sie sollen Äxte, Schwerter und Schusswaffen gehortet und damit Angriffe auf Moscheen und prominente Politiker geplant haben - in Stuttgart beginnt nachher der Prozess gegen die mutmaßliche rechte Terror-Zelle "Gruppe S.".

Unter den zwölf Angeklagten der Gruppe um den mutmaßlichen Anführer Werner S. aus Bayern sind auch zwei Mindener.

Laut Bundesanwaltschaft wollten die Rechtsterroristen "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeiführen.

Anschlagsserie sollte für Chaos in Deutschland sorgen

Geplant war offenbar eine ganze Serie von Anschlägen in Deutschland. Auf prominente Politiker, auf Moscheen oder auch auf das Reichstagsgebäude.

Das sollte für Chaos, Angst und Schrecken im ganzen Land sorgen, und das politische System zum Einstürzen bringen.

Die Gruppe soll - nach Treffen unter anderem in Minden - auch schon dafür Waffen besorgt haben.

Mindener Angeklagte schon länger im Focus der Behörden

Die Mindener Thomas N. und Markus K. waren den Behörden schon länger als Reichsbürger bekannt. Beide sollen zum Kern der Gruppe gehört haben.

Bei Thomas N. hat es laut der Bundesanwaltschaft im Februar vergangenen Jahres auch ein Treffen, bei dem die Anschlagspläne besprochen wurden.

Was die mutmaßlichen Rechtsterroristen damals nicht wussten, dass auch ein Spitzel des BKA dabei war. Dieser ließ die Gruppe S. wenig später auffliegen und ist in dem Prozess nun ein Kronzeuge.

Ein Angeklagter brachte sich nach Festnahme um

Neben den beiden Mindenern war damals auch ein Portaner festgenommen worden, der sich allerdings in der Haft das Leben genommen hat.

Geplant für den Prozess gegen die Gruppe S. sind erstmal mehr als 30 Verhandlungstage - bis in den Spätsommer.

Laut Anklage wollten die Männer bürgerkriegsähnliche Zustände herbeiführen, um das politische System in Deutschland ins Wanken zu bringen.

Bildunterschrift: Haus eines mutmaßlichen Mitgliedes der Terror-Zelle S. in Minden. Davor ein weißer Lieferwagen.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 13.04.2021:

Geplante Anschläge auf Moscheen und Politiker: Prozessauftakt gegen die Terror-Gruppe S.

13.04.2021 - 07.02 Uhr

Zwölf Mitgliedern der so genannten Terror-Gruppe S. wird in Stuttgart heute der Prozess gemacht. Drei von ihnen kommen aus Nordrhein-Westfalen. Sie sollen Anschläge geplant haben.

In einem schlichten Zweifamilienhaus in Minden treffen sich Anfang Februar 2020 Männer, die Deutschland mit Gewalt verändern wollen - so steht es in der Anklageschrift. Sie sollen Anschläge gegen Politiker und gegen Moscheen geplant haben - möglichst viele Menschen sollen dabei sterben. All das, um bürgerkriegsähnliche Verhältnisse zu provozieren und einen Umsturz, und das alles noch im darauf folgenden Monat.

Rechtsextremist als Kopf der Gruppe

Kopf der Gruppe soll Werner S. sein - ein vorbestrafter Rechtsextremist, zuletzt wohnhaft im Raum Augsburg. In der Gruppe wird er "Teutonico" genannt. Um ihn und seine rechte Hand Tony E. aus dem Raum Lüneburg herum sollen sich seit 2019 mehr als ein Dutzend offenbar gewaltbereiter Personen geschart haben, aus allen Teilen Deutschlands.

Es soll zu mehreren Treffen gekommen sein, unter anderem in Alfdorf in Baden-Württemberg. Dieses Treffen wurde bereits von der Polizei beobachtet - sie hatte einen verdeckten Informanten in der Gruppe. Der Mann hatte sich selbst bei den Behörden gemeldet.

Terrorgruppe traf sich in Minden

Nachdem mehrere Treffen nicht geklappt hatten, kamen die Mitglieder der Terror-Zelle schließlich am 8. Februar 2020 in Minden zusammen. Gastgeber war Thomas N. - ein selbstständiger Fliesenleger aus der Reichsbürger-Szene, der in Sozialen Medien zum Kampf und Widerstand unter anderem gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufrief. Bei Mettbrötchen und Met besprachen die Anwesenden konkrete Anschlagspläne. Unter anderem sollten mehrere Moscheen zeitgleich in mittelgroßen Städten angegriffen werden.

Ebenfalls vor Ort waren drei weitere Männer aus Nordrhein-Westfalen. Markus K. aus Minden war zuvor mehrfach als Ordner rechtsextremer Demonstrationen aufgefallen. Er sitzt in Stuttgart auch auf der Anklagebank. Ebenso Thorsten W. - er arbeitete in der Polizeiverwaltung in Hamm und soll laut Anklage Unterstützer der Terror-Gruppe gewesen sein. Ulf R. aus Porta Westfalica war kurzfristig vom Gastgeber Thomas N. zum Treffen eingeladen worden. Er kam später in der Untersuchungshaft ums Leben.

Razzia in Minden

Sechs Tage nach dem Treffen in Minden kam es zur Razzia. Der Grund: Werner S. und andere Gruppenmitglieder hatten offenbar Verdacht geschöpft. Um ihren verdeckten Informanten zu schützen, nahm die Polizei daraufhin sämtliche Teilnehmer des Treffens fest.

Jetzt kommt es zum Prozess in Stuttgart-Stammheim. Er wird vermutlich Monate dauern.

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Berliner Zeitung Online, 13.04.2021:

Stammheim-Prozess: Nur Sprücheklopfer oder gefährliche Rechtsterroristen?

13.04.2021 - 06.27 Uhr

Gruppe S.

In dem Stuttgarter Verfahren wirft die Anklage einer Gruppe von Männern Umsturzpläne vor. Die Verteidigung spricht von Angebereien.

Andreas Förster

Waren die zwölf Männer der Gruppe S., denen von diesem Dienstag an der Prozess gemacht wird, nur rassistische Möchtegern-Kämpfer, wie ihre Verteidiger sagen? Oder ging von dem braunen Dutzend tatsächlich eine reale Terror-Gefahr aus, wie es die Bundesanwaltschaft behauptet? Mit diesen Fragen wird sich in den kommenden Monaten der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auseinandersetzen müssen. Terminiert ist die im Hochsicherheitssaal von Stuttgart-Stammheim stattfindende Hauptverhandlung vorerst bis Anfang September.

Die Bundesanwaltschaft wirft den zwölf Angeklagten Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung, illegalen Waffenbesitz und die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten vor. In ihrer Anklageschrift zitieren die Bundesanwälte aus Chat-Protokollen der Gruppenmitglieder, listen eine Vielzahl sichergestellter illegaler Waffen auf und geben die umfangreichen Aussagen eines Informanten wieder, der dem harten Kern der Gruppe S. angehört hat.

Der Anklageschrift zufolge hatte sich die Gruppe im Herbst 2019 zusammengefunden. Rädelsführer sollen der 54-jährige Werner S. und seine rechte Hand, der 40-jährige Tony E., gewesen sein. Alle Angeklagten hätten ihre rechtsextremistische Ideologie durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime gewaltsam durchsetzen wollen, so die Ankläger. Durch Angriffe als Einzeltäter oder in kleinen Einheiten, mit denen möglichst viele Menschen getötet oder verletzt werden sollten, habe man einen Bürgerkrieg entfachen wollen.

Konkrete Anschlagspläne gab es offenbar noch nicht, aber aufgerüstet hatte die Gruppe bereits. Bei ihren Razzien vor einem Jahr fand die Polizei fast 30 erlaubnispflichtige Schusswaffen. Werner S. hatte zudem kurz vor seiner Festnahme den Kauf von Maschinenpistolen eingeleitet. Bei ihm fanden Ermittler zudem eine Großaufnahme von Adolf Hitler, SS-Zeitschriften und eine Liste mit Mitgliedern der Antifa sowie eine Stahlrute, zusammengeklebte Batterien, Metallrohre und weitere Bestandteile für Rohrbomben. Dazu eine scharfe halbautomatische Pistole.

Die Gruppenmitglieder stammen aus unterschiedlichen rechten Milieus in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Von Beruf sind die 31- bis 60-jährigen Angeklagten unter anderem Restauratoren, Handwerker, Lageristen und Pflegedienst-Mitarbeiter, ein weiterer ist Polizeibeamter in Hamm.

Der Anwalt des mutmaßlichen Rädelsführers S., der Braunschweiger Strafverteidiger Werner Siebers, hatte vergangenes Jahr in einer Haftbeschwerde die Gruppe um seinen Mandanten als einen "Haufen unzufriedener Sprücheklopfer aus der Prepper-Szene" abgetan, die sich mit "kruden Übertreibungen und Angebereien selbst überbieten". Die Männer seien "auf geistiger Pfadfinder-Ebene" und hätten Straftaten bestenfalls nur "ins Auge gefasst", schrieb er.

Den Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof konnte er mit dieser Argumentation damals nicht überzeugen. Sein Mandant sitzt, wie auch die übrigen Angeklagten - bis auf einen -, nach wie vor in Untersuchungshaft.

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Westfalen-Blatt, 13.04.2021:

Nur der Kronzeuge ist auf freiem Fuß

Die rechtsradikale "Gruppe S." soll Terroranschläge geplant haben und steht von heute an vor Gericht

Von Christian Althoff

Minden (WB). Polizisten sollten getötet werden, Politiker, Kinder und Muslime: So zumindest soll es in Chats stehen, die Polizisten über Monate mitgelesen haben.

In Stuttgart-Stammheim beginnt heute der Prozess gegen elf mutmaßliche Rechtsterroristen und einen Unterstützer, der bis zu seiner Festnahme im Polizeipräsidium Hamm beschäftigt war. In der Verhandlung geht es um die Gründung und die Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung und Verstöße gegen das Waffengesetz. Die Gruppe ist nach ihrem Anführer Werner S. (55) als "Gruppe S." bekannt.

Der 8. Februar 2020 war ein Samstag. Es war eine verschworene Truppe, die sich im Haus von Thomas N. (56) in Minden traf, um - so sieht es die Bundesanwaltschaft - Anschläge in Deutschland zu planen. Der selbstständige Fliesenleger war den Behörden als "Reichsbürger" bekannt. Er teilte im Internet Posts, in denen Angela Merkel als "verbrecherische Kreatur" bezeichnet und gegen Juden gehetzt wurde. Auf seinem Firmenwagen stand: "Ich bin Bürger des Deutschen Reiches und nicht Mitarbeiter der Firma BRD."

Was das knappe Dutzend mutmaßlicher Terroristen bei seinem Treffen am 8. Februar nicht ahnte: Einem war die Sache zu heiß geworden. Er hatte sich an die Polizei gewandt, schon Monate vorher. Deshalb konnten Beamte des Landeskriminalamts Stuttgart die Verdächtigen und ihren Telefon- und Chat-Verkehr seit Herbst 2019 überwachen - auch die Zusammenkunft in Minden, bei der "der Krieg" besprochen werden sollte, wie es in einer Chat-Nachricht heißt.

Sechs Tage nach dem observierten Treffen kamen die Sicherheitsbehörden aus der Deckung. Sie durchsuchten Häuser in sechs Bundesländern und stellten Waffen und Sprengstoff sicher. Zwölf von 13 Beschuldigten kamen in U-Haft, nur der Kronzeuge blieb frei.

NRW erwies sich als geografischer Brennpunkt der "Gruppe S:": Da gab es Thomas N. aus Minden und Markus K. (36), der ein paar Straßen weiter wohnte - einen Bauhandwerker, der schon lange in den Akten des Bielefelder Staatsschutzes stand. Er soll als Ordner bei Neonazi-Demos in Magdeburg aufgefallen sein und an Neonazi-Aufmärschen in Hamm teilgenommen haben, die von Sascha Krolzig ("Die Rechte") organisiert wurden.

Der dritte Beschuldigte aus dem Kreis Minden-Lübbecke war Lagerarbeiter Ulf R. (46) aus Porta Westfalica. Bei dem zweifachen Familienvater wurden bei der Razzia selbstgebaute Handgranaten entdeckt. Nach der Razzia führte Ulf R., der als "Reichsbürger" galt, die Polizisten zu Erddepots im Wald. Dort wurde aber nichts strafrechtlich Relevantes gefunden. Ulf R. ist der einzige Beschuldigte, der heute nicht vor Gericht stehen wird: Er ist in der Untersuchungshaft gestorben, nach inoffiziellen Informationen durch Suizid.

Als Unterstützer der Gruppe sieht der Generalbundesanwalt Thorsten W. (51), einen inzwischen entlassenen früheren Sachbearbeiter für Waffen-Angelegenheiten im Polizeipräsidium Hamm. Er soll sinngemäß in einem Chat geschrieben haben, durch die Tötung Unbeteiligter ließen sich die Überlebenden lenken.

Hinweise auf seine Gesinnung hatte die Polizei lange nicht ernst genommen. So wehten 2018 auf dem Balkon des Polizeiangestellten Reichskriegsflaggen, an seinen Autokennzeichen war die EU-Flagge überklebt, und er soll szenetypische Modemarken getragen haben. Der Mittelalter-Fan soll der "Gruppe S." 5000 Euro für den Kauf von Waffen in Aussicht gestellt haben.

Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe vor, sie habe durch die Tötung politisch Andersdenkender und möglichst vieler Muslime bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland herbeiführen wollen. "Die Staats- und Gesellschaftsordnung sollte erschüttert und letztlich überwunden werden."

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat bislang Verhandlungstermine bis September angesetzt, zwei pro Woche.

Bildunterschrift: 14. Februar 2020: Polizisten verlassen das Haus des Fliesenlegers Thomas N. in Minden, wo sich die Gruppe sechs Tage vorher getroffen hatte.

Bildunterschrift: Thorsten W., Angestellter im Polizeipräsidium Hamm, präsentierte sich im Internet als Mittelalter-Fan mit Schwert und Schild.

Bildunterschrift: Polizisten des Landeskriminalamts Stuttgart führen in Porta Westfalica Ulf R. aus seinem Haus.

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WDR-Fernsehen, Lokalzeit OWL, 12.04.2021:

Anschlagsplanungen von Minden aus - Prozessbeginn gegen rechte Terror-Gruppe

In Stuttgart beginnt der Prozess gegen die rechte Terror-Gruppe S. Zwölf Männern wird vorgeworfen, in einer rechtsterroristischen Vereinigung Mordanschläge geplant zu haben, unter anderem in Moscheen. Zwei Angeklagte kommen aus Minden. Einer gilt als einer der Haupttäter. In seinem Wohnhaus hatte sich die Gruppe vor einem Jahr getroffen, um die Anschläge zu planen.

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RedaktionsNetzwerk Deutschland, 12.04.2021:

"Gruppe S.": Terrorverdächtige stehen vor Gericht

12.04.2021 - 19.12 Uhr

Zwölf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der rechtsterroristischen Vereinigung "Gruppe S." sitzen in Stuttgart auf der Anklagebank.

Die mutmaßliche Terror-Zelle soll laut Bundesanwaltschaft Anschläge auf Moscheen geplant haben.

Ihr Ziel war laut Anklage, "mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden".

Stuttgart. Sie sollen Äxte, Schwerter und Schusswaffen gehortet, sollen Angriffe auf Moscheen geplant haben, der Anklage zufolge wollten sie "bürgerkriegsähnliche Zustände" auslösen und die Gesellschaftsordnung ins Wanken bringen: Zwölf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der rechtsterroristischen Vereinigung "Gruppe S." müssen sich von Dienstag (10.00 Uhr) an in einem Staatsschutz-Verfahren in Stuttgart verantworten.

"Gruppe S." soll Anschläge auf Moschee geplant habe

Die mutmaßliche Terror-Zelle soll laut Bundesanwaltschaft Anschläge auf Moscheen geplant haben. Laut Anklage hatten die Gründungsmitglieder das Ziel, "mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Sie sollen hauptsächlich Gewalt gegen Muslime, aber auch gegen politisch Andersdenkende erwogen haben. So war auch ein Anschlag auf den Reichstag im Gespräch.

Der als Rädelsführer angeklagte Werner S. aus dem Raum Augsburg habe kurz vor seiner Festnahme im Februar 2020 versucht, Waffen in seinen Besitz zu bringen - das hatten das ZDF-Magazin "Frontal 21" und die "Stuttgarter Nachrichten" vergangene Woche unter Berufung auf Ermittlungsakten berichtet. Demnach wollte S. ein Kalaschnikow-Sturmgewehr mit 2.000 Schuss Munition, eine Maschinenpistole sowie Handgranaten erwerben.

Mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen über 27 erlaubnispflichtige Waffen verfügt haben

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen verfügten dem Bericht zufolge bereits über 27 erlaubnispflichtige Waffen. "In der Tat haben die Tatverdächtigen sich Waffen besorgen wollen oder auch besorgt, um für diesen Terroranschlag vorbereitet zu sein", bestätigte der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Ralf Michelfelder.

Die Gruppe wurde laut Bundesanwaltschaft im September 2019 auf Betreiben von Werner S. gegründet. Die Angeklagten trafen sich demnach mehrfach persönlich, standen aber auch über Chat-Gruppen sowie telefonisch in Kontakt.

Bislang sind mehr als 30 Verhandlungstermine angesetzt. Acht Angeklagte sollen die rechte Terror-Gruppe gegründet und sich anschließend als Mitglieder beteiligt haben - zwei Angeklagte sollen dabei Rädelsführer der Vereinigung gewesen sein. Drei weiteren Angeklagten wird ebenfalls Mitgliedschaft in dieser Vereinigung vorgeworfen, ein weiterer ist wegen Unterstützung der Vereinigung angeklagt. Sieben Angeklagten werden zusätzlich Verstöße gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. An der Aufklärung der Aktivitäten der Gruppe war neben der Polizei auch der Verfassungsschutz beteiligt.

Ein Angeklagter befindet sich auf freiem Fuß

Die Angeklagten wurden am 14. Februar 2020 festgenommen. Von den zwölf Angeklagten sitzen elf in Untersuchungshaft, einer befindet sich auf freiem Fuß. Einer der damals Festgenommenen starb in Untersuchungshaft.

Eine antifaschistische Gruppe hat für 8.00 Uhr eine Kundgebung vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim angekündigt.

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Der Tagesspiegel Online, 12.04.2021:

Rassisten wollten Grünen-Politiker Habeck und Hofreiter töten

12.04.2021 - 14.00 Uhr

Prozess gegen rechtsextreme Terror-Gruppe

Diesen Dienstag beginnt am Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen die militante Vereinigung "Werner S.". Sie hatte bereits reichlich Waffen.

Von Frank Jansen

Sie wollten eine vollbesetzte Moschee anzünden, sie redeten über Attentate auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter, sie bewaffneten sich und hofften auf einen Bürgerkrieg. Die rechtsextreme Terror-Gruppe "Werner S.", so von den Sicherheitsbehörden nach dem Anführer genannt, war offenbar eine der gefährlichsten und größten militanten Vereinigungen von Rassisten seit der Wiedervereinigung. Nun müssen sich die mutmaßlichen Mitglieder im Alter von Anfang 30 bis Anfang 60 in einem Prozess verantworten. Diesen Dienstag beginnt am Oberlandesgericht Stuttgart die Hauptverhandlung gegen Werner S., Spitzname "Teutonico", und elf weitere Männer. Zumindest ein Teil der Gruppe nannte sich selbst "Der harte Kern". Ein weiterer Beschuldigter verstarb in der Untersuchungshaft.

Bis auf einen Angeklagten wirft die Bundesanwaltschaft allen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor, der zwölfte Mann soll die Truppe "nur" unterstützt haben. Doch gerade dieser Angeklagte ist den Sicherheitsbehörden peinlich. Der Mann war Mitarbeiter der Verwaltung des Polizeipräsidiums Hamm (Westfalen). Anzeichen für eine rechtsextreme Gesinnung gab es schon länger, dienstrechtliche Konsequenzen blieben aus.

Gründungstreffen auf einem Grillplatz

Werner S. und der Mitangeklagte Tony E. gelten als Rädelsführer. Sie sollen mit sechs weiteren Angeklagten bei einem Treffen im September 2019 auf einem Grillplatz in Alfdorf (Baden-Württemberg) die Terror-Gruppe gegründet haben. Die Gründungsmitglieder "zielten darauf ab, mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden", sagt die Bundesanwaltschaft. "Zu diesem Zweck sollten durch Angriffe auf Moscheen und die Tötung oder Verletzung einer möglichst großen Anzahl dort anwesender muslimischer Gläubiger bürgerkriegsähnliche Zustände herbeigeführt werden." Es sei auch erwogen worden, "gewaltsam gegen politisch Andersdenkende vorzugehen". Beim Treffen soll Werner S. eine scharfe Pistole mit sich geführt und gleich auch Schießübungen gemacht haben.

Am 3. Oktober 2019, dem Jahrestag der Einheit, beteiligten sich Mitglieder der Gruppe an einem rechten Aufmarsch in Berlin. Und bis zum Januar 2020 stießen weitere Rechtsextremisten zum Trupp um Werner S. Die Sicherheitsbehörden kamen der militanten Vereinigung auf die Spur, als sich ein Mitglied dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg offenbarte. Von da an wurde die Gruppe intensiv überwacht. Die Männer sollen verabredet haben, 50.000 Euro zusammenzulegen, um Waffen zu besorgen.

Kauf von Waffen in Tschechien geplant

Als sie Anfang Februar 2020 bei einem Treffen im westfälischen Minden darüber sprachen, in Tschechien Pistolen zu beschaffen, wurden Bundesanwaltschaft, Polizei und Verfassungsschutz unruhig. Spezialeinheiten schwärmten am 14. Februar in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zu einer großen Razzia aus. Werner S. und elf Kumpane wurden festgenommen. Bei den Durchsuchungen von 15 Objekten fanden die Polizeibeamten 32 Waffen, darunter eine selbstgebaute Slam-Gun, mehrere hundert Schuss Munition, Handgranaten und Anleitungen zum Bau von Bomben. Die Gruppe war offenkundig schon für einen Angriff gerüstet.

Werner S. scheint auch in der Untersuchungshaft immer noch gefährlich zu sein. Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt gegen den Mann wegen des Verdachts, er habe einen italienischen Häftling nach einem Auftragsmörder gefragt. Der Killer sollte offenbar den Polizei-Informanten in der rechten Terror-Gruppe beseitigen. Der Spitzel ist auf freiem Fuß.

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat für den Prozess bislang 31 Termine angesetzt bis Anfang August. Dann beginnt die Sommerpause. Vorsorglich planen die Richter aber auch schon für die Zeit danach. Weitere Verhandlungstermine, heißt es, fänden vom 6. September an und dann jeweils dienstags und donnerstags statt. Der Strafsenat stellt sich offenkundig auf eine längere Hauptverhandlung ein.

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Spiegel Online, 12.04.2021:

"Teutonico" und der undurchsichtige Kronzeuge

12.04.2021 - 11.00 Uhr

Prozess gegen mutmaßliche Rechtsterroristen

Im Hochsicherheitstrakt von Stammheim beginnt der Prozess gegen die "Gruppe S". Planten die Männer Anschläge auf Muslime und Politiker? Eine entscheidende Rolle in dem Verfahren könnte ein Informant spielen.

Von Julia Jüttner

Mit Kronzeugen ist es so eine Sache. Oft sind sie die wichtigsten Informanten für Ermittler, helfen bei der Aufklärung eines geplanten oder begangenen Verbrechens, stützen mit ihren Angaben die Anklage der Staatsanwaltschaft. Im Gegenzug versprechen die Strafverfolgungsbehörden Kronzeugen milde Strafen oder gar Straffreiheit, auch wenn sie an der Tat beteiligt waren.

Im Verfahren gegen die "Gruppe S." nimmt ein Mann, der hier nur U. heißen soll, die Rolle des Kronzeugen ein. Er verriet die Pläne der geheimen Gemeinschaft und ließ sie auffliegen. Es kam zu einer großangelegten Razzia und mehreren Festnahmen. Seither steht für den Generalbundesanwalt fest: Die "Gruppe S.", benannt nach dem Gründer und Rädelsführer Werner S., ist eine rechtsterroristische Vereinigung.

Ihr Ziel: ein neues Deutschland. Ihre angeblich vorgesehene Methode: In kleinen Kommandos und mit großen Anschlägen die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik aushebeln und mit Waffen Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime begehen.

Am Dienstag beginnt vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart der Prozess gegen elf mutmaßliche Mitglieder und einen mutmaßlichen Unterstützer der Gruppe. Das Staatsschutz-Verfahren wird im Hochsicherheitstrakt auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt in Stammheim verhandelt. Die Männer stammen aus fünf verschiedenen Bundesländern.

Thomas N. ist einer von ihnen. In seinem Haus im westfälischen Minden fand im Februar 2020 ein konspiratives Treffen statt, bei dem die Angeklagten - allesamt Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum - Terror-Pläne schmiedeten. Es ging um die Beschaffung von Waffen aller Art und den Plan, durch mehrere, zeitgleiche Anschläge im Land verteilt einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Bevorzugt wollten sie muslimische Gotteshäuser angreifen, in der Hoffnung, entsprechend gewaltsame Gegenangriffe zu erzeugen.

Der Anführer S., ein Trödelhändler mit dem Spitznamen "Teutonico", soll die Männer nach Ansicht der Ermittler angestiftet haben, verlässliche Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet zu mobilisieren, um "gemeinschaftlich fanalartige Straftaten" zu begehen. Mit den Anschlägen wollten sie demnach Bevölkerung wie Politiker einschüchtern. Die Namen der beiden Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter fielen.

"Sofort eliminiert"

Die Ermittler stützen ihre Erkenntnisse auf Telefon-Überwachungen, Chat-Nachrichten, Observationen, Durchsuchungen und eben auf die Angaben des Kronzeugen U. Dieser hatte berichtet, dass bei einem Treffen am 28. September 2019 am Grillplatz Hummelgautsche in Baden-Württemberg die Gruppe verkündet habe, via E-Mail jederzeit 2.500 überwiegend bewaffnete Personen zusammentrommeln zu können. U. selbst schrieb in einem Chat: " … ich kann auch nicht jeden nigger killen den ich seh! Würde es gern aber das kommt noch."

Die Nachrichten sprechen für sich. Thomas N., der sein Haus in Minden zur Verfügung für ein Treffen stellte, schrieb: "Zecken ( … ) werden sofort eliminiert." Sein Verteidiger Daniel Sprafke sagt, sein Mandant werde zunächst keine Angaben machen. Dies dürfe als "Bestreiten der Vorwürfe verstanden werden".

Setzt er darauf, die Aussagen des Kronzeugen zu erschüttern? Denn der ist kein unbeschriebenes Blatt, vielmehr ein verurteilter Geiselnehmer. In einem Vermerk notierte ein Ermittler, Gutachter hätten dem Kronzeugen in der Vergangenheit manipulatives Verhalten attestiert, er giere nach Aufmerksamkeit.

Ist U. glaubwürdig?

"Immer, wenn sogenannte Kronzeugen auftreten, muss man besonders genau hinschauen", sagt Verteidiger Sprafke. "Herr U. kann auf eine lange, hoch kriminelle Lebensgeschichte zurückschauen. Gerade deshalb darf man nicht blauäugig von reinem Altruismus des Zeugen ausgehen, wohl eher von einem eigennützigen Motiv." Auch der Senat sei "gut beraten", die Aussagen des wichtigsten Zeugen "besonders kritisch zu hinterfragen". Er selbst erinnere sich an einen Fall vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, damals sei der Generalbundesanwalt "auf einen Hochstapler reingefallen".

Wie konkret die Pläne der mutmaßlichen Terror-Zelle tatsächlich waren, ist schwer zu sagen. Ob es überhaupt Pläne gegeben habe, müsse die Hauptverhandlung klären, sagt Sprafke. "Bis dato gibt es nur Angaben des Kronzeugen." Die Waffenfunde und Telefon-Überwachungen alleine könnten keine Anklage begründen. "Auch hier ist zu beachten, dass sämtliche sonstigen Beweismittel ausschließlich im Kontext der Angaben des Zeugen U. bewertet worden sind."

Er warne davor, sagt Sprafke, die Angeklagten als "homogene Gruppe" zu betrachten. Thomas N. lehne nationalsozialistisches Gedankengut ab. Zudem sei er froh, dass nach einem Jahr Untersuchungshaft nun endlich der Prozess losgehe.

Kronzeuge U. hingegen sitzt nicht in Haft.

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Berliner Zeitung Online, 11.04.2021:

Stuttgart: Prozess gegen rechtsextreme Gruppe S. beginnt

11.4.2021 - 20.54 Uhr

Zwölf Männer müssen sich am Dienstag wegen Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verantworten.

Stuttgart. Der Prozess gegen die sogenannte Gruppe S. beginnt am Dienstag vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart. Dort müssen sich zwölf Männer aus dem rechtsextremen Milieu wegen Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verantworten. Sie sollen Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant haben, um "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Polizei fand bei Durchsuchungen Waffen und Munition

Die nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. benannte Gruppe soll sich im September 2019 gegründet haben. Die acht Gründungsmitglieder sollen laut Bundesanwaltschaft das Ziel verfolgt haben, "mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Es sollten demnach unter anderem durch Angriffe auf Moscheen "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeigeführt werden.

Die Gruppenmitglieder sollen sich schließlich entschlossen haben, sich Schusswaffen zu besorgen. Die dafür veranschlagte Summe von 50.000 Euro sollte durch die Mitglieder aufgebracht werden. Bei Durchsuchungen der Polizei in Privatwohnungen der Mitglieder fanden die Ermittler auch scharfe Waffen und Munition. Die Bundesanwaltschaft wirft einigen Angeklagten Verstöße gegen das Waffengesetz vor.

Stuttgarter Prozess gilt internationale Aufmerksamkeit

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart müssen sich insgesamt elf mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen Vereinigung und ein mutmaßlicher Unterstützer verantworten. Die Gruppe soll durch einen V-Mann aufgeflogen sein. Der Prozess gegen die zwölf Angeklagten, die sich schon in der Vergangenheit in rechtsextremen Gruppen engagiert haben sollen, findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim statt.

Besonders der als Rädelsführer geltende Werner S. gilt weiterhin als gefährlich. Gegen ihn läuft in Augsburg, wo der Mann in Untersuchungshaft sitzt, ein weiteres Verfahren. Nach Recherchen des Südwestrundfunks soll S. einem Mitglied der italienischen Mafia bis zu 50.000 Euro angeboten haben, um einen Zeugen zu töten.

Für das Verfahren wurde zudem wegen der Corona-Pandemie zusammen mit dem Gesundheitsamt Stuttgart ein Hygiene-Konzept erstellt. Nach den rechtsextrem motivierten Anschlägen von Halle und Hanau sowie auf den
gilt dem Stuttgarter Prozess internationale Aufmerksamkeit. Das Gericht hat zunächst 30 Verhandlungstermine bis zum August vorgesehen.

Bildunterschrift: Der Prozess findet am Oberlandesgericht Stuttgart statt.

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Volksstimme Online, 09.04.2021:

Anschläge geplant: Prozessbeginn gegen rechtsextreme Gruppe S. in Stuttgart

09.04.2021 - 14.02 Uhr

Terroristische Vereinigung

Der Prozess gegen die so genannte Gruppe S. beginnt am Dienstag vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart. Verantworten müssen sich zwölf Männer aus dem rechtsextremen Milieu wegen Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Sie sollen Anschläge auf Moscheen und Politiker geplant haben, um "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Stuttgart. Die nach ihrem mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. benannte Gruppe soll sich im September 2019 gegründet haben. Die acht Gründungsmitglieder sollen laut Bundesanwaltschaft das Ziel verfolgt haben, "mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Es sollten demnach unter anderem durch Angriffe auf Moscheen "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeigeführt werden.

Die Gruppenmitglieder sollen sich schließlich entschlossen haben, sich Schusswaffen zu besorgen. Die dafür veranschlagte Summe von 50.000 Euro sollte durch die Mitglieder aufgebracht werden. Bei Durchsuchungen der Polizei in Privatwohnungen der Mitglieder fanden die Ermittler auch scharfe Waffen und Munition. Die Bundesanwaltschaft wirft einigen Angeklagten Verstöße gegen das Waffengesetz vor.

Gruppe durch Verfassungsschutz aufgeflogen

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart müssen sich insgesamt elf mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen Vereinigung und ein mutmaßlicher Unterstützer verantworten. Die Gruppe soll durch einen V-Mann aufgeflogen sein.

Der Prozess gegen die zwölf Angeklagten, die sich schon in der Vergangenheit in rechtsextremen Gruppen engagiert haben sollen, findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im Gerichtssaal des Gefängnisses Stuttgart-Stammheim statt.

Besonders der als Rädelsführer geltende Werner S. gilt weiterhin als gefährlich. Gegen ihn läuft in Augsburg, wo der Mann in Untersuchungshaft sitzt, ein weiteres Verfahren. Nach Recherchen des Südwestrundfunks soll S. einem Mitglied der italienischen Mafia bis zu 50.000 Euro angeboten haben, um einen Zeugen zu töten.

Für das Verfahren wurde zudem wegen der Corona-Pandemie zusammen mit dem Gesundheitsamt Stuttgart ein Hygiene-Konzept erstellt. Nach den rechtsextrem motivierten Anschlägen von Halle und Hanau sowie auf den Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gilt dem Stuttgarter Prozess internationale Aufmerksamkeit. Das Gericht hat zunächst 30 Verhandlungstermine bis zum August vorgesehen.

Bildunterschrift: Die rechtsextremistische Gruppe S. plante mehrere Terroranschläge in Deutschland (Symbolbild).

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Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier, 09.04.2021:

Terrorverdächtige auf der Anklagebank

Der Prozess gegen die "Gruppe S." beginnt nächste Woche in Stuttgart / Auch zwei Mindener wollten mitmischen / Filmaufnahmen des ZDF riefen die Verlobte des einen Mannes auf den Plan

Jürgen Langenkämper

Kreis Minden-Lübbecke. Schwungvoll tritt die Frau mit ihrem Fuß gegen das am Boden liegende Stativ des Kamerateams. Ihr Sohn steht in bedrohlicher Haltung mit Handschuhen an den Händen vor dem Fernsehreporter - Szenen einer Auseinandersetzung in der Kutenhauser Straße zum Beginn eines Fernsehbeitrags im ZDF über die so genannte "Gruppe S.", die Terrorakte geplant haben soll. Ab kommender Woche stehen zwölf Männer in Stuttgart vor Gericht. Am Dienstagabend zeigte das Polit-Magazin "Frontal 21" die am Gründonnerstag aufgenommene kurze Sequenz aus Minden. Am Ende des knapp neunminütigen Beitrags erschien auch noch die Polizei.

Dass der Beitrag mit den Szenen aus dem Mindener Norden begann, lag nicht nur am krawalligen Auftritt der echauffierten Hausbewohner, sondern auch daran, dass die terrorverdächtige Gruppe in dem Haus in Kutenhausen ihr letztes konspiratives Treffen kurz vor ihrer Verhaftung am 14. Februar 2020 hatte. Denn der Verlobte der streitbaren Bewohnerin, Thomas N., gehörte wie ein weiterer Mindener, Markus K., und ein inzwischen verstorbener Portaner zu dem Dutzend Rechtsextremisten, die sich erst im Spätsommer 2019 unter Leitung von Werner S. zusammengefunden hatte. Der aus Sachsen-Anhalt stammende N. tat sich bei dem Treffen, das bereits unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand und abgehört wurde, in seinem Haus in der Kutenhauser Straße mit markigen Sprüchen hervor, man müsse mit 1.000 Mann den Reichstag stürmen und alle Politiker erschießen.

Zudem sahen die Gewaltfantasien des 55-jährigen Werner S. aus dem Rems-Murr-Kreis und seiner über ganz Deutschland verstreuten Gefolgsleute gezielte Terrorakte an verschiedenen Orten vor. Bevorzugt sollten sie sich gegen Asylbewerber, Muslime, Afrikaner, Politiker - einige wie die Grünen Anton Hofreiter und Robert Habeck namentlich genannt - und Antifa-Leute richten, aber von Willkürtaten sollten auch Frauen und Kinder nicht verschont bleiben. Durch die Gewaltakte wollten sie ein Klima der Angst schüren und einen Bürgerkrieg entfachen.

Dass der finstere Kreis aufflog, war einem Mitglied zu verdanken, dem die Sache zu heikel wurde und der sich im Spätsommer 2019 an den Verfassungsschutz wandte. Längst nicht alle der später festgenommenen und seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft einsitzenden Angeklagten waren den Staatsschützern schon früher als gewaltbereit bekannt, obwohl sich einige aus rechtsextremen, bürgerwehrähnlichen Gruppen wie "Wodans Erben Germanien", "Soldiers of Odin" und "Freikorps Heimatschutz Division 2016" rekrutierten.

Mit drei zu allen möglichen Gewalttaten bereiten Mitgliedern gab es eine auffällige Häufung im Kreis Minden-Lübbecke - und so wurde Minden auch in dem Fernsehbeitrag mehrfach genannt. Zwei der Verdächtigen waren Kollegen in einer Mindener Firma. Einer von beiden, der 35-jährige Markus K., war schon früher im Landkreis Hameln-Pyrmont als Nationaldemokrat und bei Neonazi-Märschen sowie der Organisation von Aktionen in Bad Nenndorf aufgefallen. Sein Kollege wurde im vergangenen Sommer tot in seiner Zelle aufgefunden.

K. und Thomas N., ein Fliesenleger, der obskure Aufkleber an seinem Werkstattwagen durch die Gegend fuhr, sitzen ab 13. April jeden Dienstag und Mittwoch mit neun weiteren Mitgliedern und einem Unterstützer der Gruppe S., einem ehemaligen Zivilbediensteten im Polizeipräsidium in Hamm, Woche für Woche im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim auf der Anklagebank. Zunächst sind 31 Verhandlungstermine, kurzzeitig unterbrochen vom 20. Mai bis 7. Juni, bis einschließlich 6. August anberaumt. Erfolgt bis dahin kein Urteil, gehen die Sitzungen ab 6. September weiter - dann dienstags und donnerstags.

Besonders brisant: Auch der Hauptbelastungszeuge aus den eigenen Reihen ist angeklagt. Für ihn soll der Hauptverdächtige Werner S. Medienberichten zufolge bereits einen Auftragskiller bei der italienischen Mafia gesucht haben.

Sollten im Zuge der Zeugenvernehmungen weitere brisante Details zu den Vorgängen in dem Haus in der Kutenhauser Straße ans Licht kommen, dürfte es auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ein Kamerateam auf der anderen Straßenseite gestanden hat.

Der Vorfall vom Gründonnerstag könnte selbst ein - eher kleines - juristisches Nachspiel haben. Das Fernsehteam hat nach Informationen dieser Zeitung bei den eingetroffenen Polizisten Strafanzeige gegen die 55-jährige Hausbewohnerin wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung erstattet.

Bildunterschrift: Erregte Szene: Schwungvoll tritt die Verlobte des Terrorverdächtigen Thomas N. vor dessen Haus in der Kutenhauser Straße gegen das am Boden liegende Stativ des Fernsehteams. Ihr Sohn (links) hat sich Handschuhe angezogen.

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tagesschau.de, 08.04.2021:

Netzwerk der "Gruppe S" / Keimzellen für Rechtsterrorismus?

08.04.2021 - 20.31 Uhr

Nächste Woche beginnt der Prozess gegen die so genannte "Gruppe S", die terroristische Anschläge geplant haben soll. Monitor-Recherchen zeigen: Das Umfeld der Terror-Unterstützer ist wesentlich größer.

Von Tobias Dammers, Lena Kampf, Julia Regis und Jochen Taßler (WDR / NDR)

"Intelligent, hart, brutal, schnell, zügig" sollten die Männer sein, die Werner S. für seine Pläne gewinnen wollte. Die "konsequenzlose Laberei" sollte endlich ein Ende haben, wenn sich aus ganz Deutschland "Kämpfer" zusammenfinden würden um Moscheen oder den Bundestag anzugreifen, um Deutschland in einen Bürgerkrieg zu treiben und das politische System zum Einstürzen zu bringen. So stellte Werner S. sich nach Erkenntnissen der Ermittler den Tag X. vor. Die Männer, die er dafür rekrutierte, kamen wie er selbst aus bürgerwehrähnlichen Gruppen, aus so genannten Bruderschaften, die sich in ihren schwarzen Kutten seit Jahren immer wieder auf Deutschlands Straßen zeigen.

Prozess beginnt

Wenn am Dienstag der Prozess gegen die so genannte "Gruppe S." vor dem Oberlandesgericht Stuttgart beginnt, sitzen neben Werner S. elf weitere Männer auf der Anklagebank. Sie sollen nach Überzeugung des Generalbundesanwalts (GBA) Gründer, Mitglieder oder Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung sein, Werner S. aus der Nähe von Augsburg und dem Norddeutschen Tony E. werden darüber hinaus Rädelsführerschaft vorgeworfen.

Die zwölf Männer zwischen 32 und 61 Jahren sollen über konkrete Anschläge gesprochen und geplant haben, sich dafür zu bewaffnen. Als sie Mitte Februar 2020 festgenommen wurden, fanden die Ermittler scharfe Waffen bei einigen von ihnen. Sieben von ihnen wird daher auch ein Verstoß gegen das Waffenrecht vorgeworfen. Einige Angeklagte haben bereits ausgesagt, dass sie keine Anschläge vorgehabt hätten.

Rekrutierung aus Bruderschaften und Bürgerwehren

Nach Recherchen des ARD-Magazins Monitor spielen diese Bruderschaften oder Bürgerwehren eine zentrale Rolle für die "Gruppe S." - sie stellen ein wichtiges Rekrutierungsbecken dar, aus dem Werner S. sich seine Männer ausgesucht hat. Gruppen, in denen die Sicherheitsbehörden in den letzten Jahren zwar durchaus "Ansätze für rechtsterroristisches Potenzial" und einen "fließenden Übergang zu gewalttätigem Handeln" sahen, eine bundesweite Vernetzung allerdings nicht erkennen konnten.

Die Angeklagten Frank H. und Marcel W. etwa waren bei der Bruderschaft "Wodans Erben Germanien". Sie provozierte in Nürnberg schon mit einem Fackelzug auf dem Reichsparteitags-Gelände. Auch Werner S. selbst war Mitglied von "Wodans Erben Germanien", außerdem in der bundesweit agierenden "Freikorps Heimatschutz Division 2016 - das Original". Die Angeklagten Tony E., Thomas N. und Wolfgang W. zählten ebenfalls zu deren Mitgliedern. Auf Facebook schrieb die Gruppe, dass man sich auf einen "Krieg" vorbereite.

Steffen B. und Stefan K. waren Anführer der "Vikings Security Germania", einer Bruderschaft, die vor allem in Ostdeutschland aktiv ist. Paul-Ludwig U. war Mitglied der "Bruderschaft Deutschland", einer aggressiv auftretenden Truppe, die gerade in Nordrhein-Westfalen eng mit anderen Teilen der rechtsextremen Szene verbunden ist.

Rund 20 Gruppen bekannt

Bundesweit gibt es mindestens 20 solcher Gruppen. Sie sind in den letzten Jahren zum festen Bestandteil der rechtsextremen Szene geworden: Verschworene Gemeinschaften, die sich durch einheitliche Kleidung, oft rockerähnliche Kutten, von anderen abgrenzen. Auf Demonstrationen fallen sie immer wieder als besonders aggressiv und gewaltbereit auf. Oft treten sie als selbsternannte Bürgerwehren auf und organisieren Märsche, bei denen sie sich als "Schutzmacht" für angeblich bedrohte "Deutsche" ausgeben.

Werner S. brachte die Männer in Chat-Gruppen zusammen, in denen gegen Migranten, Linke und Politiker gehetzt wurde und organisierte mehrere Treffen. Wie aus umfangreichen Unterlagen hervorgeht, die Monitor vorliegen, war das Umfeld der Gruppe S. außerdem weit größer als die zwölf Angeklagten, die der GBA zu der "Gruppe S." zählt: Allein eine Chat-Gruppe hatte zeitweise 35 Mitglieder. Die meisten von ihnen sind bislang nicht wegen Terror-Unterstützung angeklagt.

Renner: Strukturen beobachten

Fachleute wie Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, können das nicht nachvollziehen: "Vom Kreis der Unterstützter geht eine akute Gefahr aus", sagt sie, weil die Männer teilweise in die Pläne und Waffen-Beschaffung eingeweiht gewesen seien. "Es müssten weitere Ermittlungsschritte folgen und man müsste vor allem auch die Bezüge zu anderen Rechtsterror-Strukturen abklopfen."

Der Generalbundesanwalt sagt auf Anfrage, "die durchgeführten Ermittlungen, insbesondere die Auswertung der Kommunikation, haben keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für weitere Mitglieder oder Unterstützer der vorgenannten mutmaßlichen terroristischen Vereinigung ergeben". Die Landesinnenministerien schreiben auf Anfrage, man habe die Bürgerwehren im Blick. Wegen Corona würden die Aktivitäten jedoch derzeit zurückgehen.

Bei Corona-Protesten aktiv

Gerade die Corona-Proteste dienen vielen Bruderschaften allerdings zur Zeit offenbar als neues Betätigungsfeld. Bei der großen Berliner Querdenker-Demonstration im August letzten Jahres etwa war auch die "Bruderschaft Deutschland" dabei, darunter Richard L., der Anführer der "Bruderschaft Deutschland". Auch er kannte Mitglieder der Gruppe S., sollte wohl an einem Treffen teilnehmen. Er taucht seit dem vergangenen Frühjahr immer wieder bei Corona-Protesten auf, zum Beispiel in Bochum, Köln, Düsseldorf oder Berlin - mindestens einmal auch als Anmelder.

Auf einer anderen Corona-Demo im März in Hamburg nahmen Ralph E. und zwei weitere Personen teil, die zum Organisations-Team der so genannten "Merkel muss weg"-Demonstrationen in Hamburg gehören. Alle drei waren auch im Umfeld der Gruppe S. - sie waren Mitglieder in mehreren Chat-Gruppen, hätten an Treffen teilnehmen sollen. E. antwortet auf Monitor-Anfrage, Terror habe er aber nicht gewollt. Die Bundesanwaltschaft hat ihn bisher nur als Zeugen befragt.

Finden Rechtsextreme im Umfeld der Corona-Demos womöglich neue Unterstützung? Fachleute wie Renner sehen diese Gefahr. Sie sagt: "Unter denen, die dort unterwegs sind, kann es welche geben, die sagen, mir ist es jetzt nach einem Jahr demonstrieren langsam mal zu langweilig. Es passiert nichts, es muss mal mehr passieren und die Leute kann ich natürlich dann auch ranholen. Und diese Stimmung ist da."

Bildunterschrift: Die Abgeordnete Renner fordert weitere Ermittlungen in der Unterstützer-Szene.

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Mindener Tageblatt, 08.04.2021:

Terrorverdächtige auf der Anklagebank

Der Prozess gegen die "Gruppe S." beginnt nächste Woche in Stuttgart / Auch zwei Mindener wollten mitmischen / Filmaufnahmen des ZDF riefen die Verlobte des einen Mannes auf den Plan

Jürgen Langenkämper

Minden. Schwungvoll tritt die Frau mit ihrem Fuß gegen das am Boden liegende Stativ des Kamerateams. Ihr Sohn steht in bedrohlicher Haltung mit Handschuhen an den Händen vor dem Fernsehreporter - Szenen einer Auseinandersetzung in der Kutenhauser Straße zum Beginn eines Fernsehbeitrags im ZDF über die so genannte "Gruppe S.", die Terrorakte geplant haben soll. Ab kommender Woche stehen zwölf Männer in Stuttgart vor Gericht. Am Dienstagabend zeigte das Polit-Magazin "Frontal 21" die am Gründonnerstag aufgenommene kurze Sequenz aus Minden. Am Ende des knapp neunminütigen Beitrags erschien auch noch die Polizei.

Dass der Beitrag mit den Szenen aus dem Mindener Norden begann, lag nicht nur am krawalligen Auftritt der echauffierten Hausbewohner, sondern auch daran, dass die terrorverdächtige Gruppe in dem Haus in Kutenhausen ihr letztes konspiratives Treffen kurz vor ihrer Verhaftung am 14. Februar 2020 hatte. Denn der Verlobte der streitbaren Bewohnerin, Thomas N., gehörte wie ein weiterer Mindener, Markus K., und ein inzwischen verstorbener Portaner zu dem Dutzend Rechtsextremisten, die sich erst im Spätsommer 2019 unter Leitung von Werner S. zusammengefunden hatte. Der aus Sachsen-Anhalt stammende N. tat sich bei dem Treffen, das bereits unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand und abgehört wurde, in seinem Haus in der Kutenhauser Straße mit markigen Sprüchen hervor, man müsse mit 1.000 Mann den Reichstag stürmen und alle Politiker erschießen.

Zudem sahen die Gewaltfantasien des 55-jährigen Werner S. aus dem Rems-Murr-Kreis und seiner über ganz Deutschland verstreuten Gefolgsleute gezielte Terrorakte an verschiedenen Orten vor. Bevorzugt sollten sie sich gegen Asylbewerber, Muslime, Afrikaner, Politiker - einige wie die Grünen Anton Hofreiter und Robert Habeck namentlich genannt - und Antifa-Leute richten, aber von Willkürtaten sollten auch Frauen und Kinder nicht verschont bleiben. Durch die Gewaltakte wollten sie ein Klima der Angst schüren und einen Bürgerkrieg entfachen.

Dass der finstere Kreis aufflog, war einem Mitglied zu verdanken, dem die Sache zu heikel wurde und der sich im Spätsommer 2019 an den Verfassungsschutz wandte. Längst nicht alle der später festgenommenen und seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft einsitzenden Angeklagten waren den Staatsschützern schon früher als gewaltbereit bekannt, obwohl sich einige aus rechtsextremen, bürgerwehrähnlichen Gruppen wie "Wodans Erben Germanien", "Soldiers of Odin" und "Freikorps Heimatschutz Division 2016" rekrutierten.

31 Verhandlungstermine bis zu Sommer in Stuttgart-Stammheim eingeplant

Mit drei zu allen möglichen Gewalttaten bereiten Mitgliedern gab es eine auffällige Häufung im Kreis Minden-Lübbecke - und so wurde Minden auch in dem Fernsehbeitrag mehrfach genannt. Zwei der Verdächtigen waren Kollegen in einer Mindener Firma. Einer von beiden, der 35-jährige Markus K., war schon früher im Landkreis Hameln-Pyrmont als Nationaldemokrat und bei Neonazi-Märschen sowie der Organisation von Aktionen in Bad Nenndorf aufgefallen. Sein Kollege wurde im vergangenen Sommer tot in seiner Zelle aufgefunden.

K. und Thomas N., ein Fliesenleger, der obskure Aufkleber an seinem Werkstattwagen durch die Gegend fuhr, sitzen ab 13. April jeden Dienstag und Mittwoch mit neun weiteren Mitgliedern und einem Unterstützer der Gruppe S., einem ehemaligen Zivilbediensteten im Polizeipräsidium in Hamm, Woche für Woche im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim auf der Anklagebank. Zunächst sind 31 Verhandlungstermine, kurzzeitig unterbrochen vom 20. Mai bis 7. Juni, bis einschließlich 6. August anberaumt. Erfolgt bis dahin kein Urteil, gehen die Sitzungen ab 6. September weiter - dann dienstags und donnerstags.

Besonders brisant: Auch der Hauptbelastungszeuge aus den eigenen Reihen ist angeklagt. Für ihn soll der Hauptverdächtige Werner S. Medienberichten zufolge bereits einen Auftragskiller bei der italienischen Mafia gesucht haben.

Sollten im Zuge der Zeugenvernehmungen weitere brisante Details zu den Vorgängen in dem Haus in der Kutenhauser Straße ans Licht kommen, dürfte es auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ein Kamerateam auf der anderen Straßenseite gestanden hat. Der Vorfall vom Gründonnerstag könnte selbst ein - eher kleines - juristisches Nachspiel haben. Das Fernsehteam hat nach MT-Informationen bei den eingetroffenen Polizisten Strafanzeige gegen die 55-jährige Hausbewohnerin wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung erstattet.

Der Autor ist erreichbar unter Juergen.Langenkaemper@MT.de.

Bildunterschrift: Erregte Szene: Schwungvoll tritt die Verlobte des Terrorverdächtigen Thomas N. vor dessen Haus in der Kutenhauser Straße gegen das am Boden liegende Stativ des Fernsehteams. Ihr Sohn (links) hat sich Handschuhe angezogen.

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Mindener Tageblatt, 08.04.2021:

Mindener Terrorverdächtige in Stammheim angeklagt

In Stammheim müssen sich in Kürze zwei Männer aus Minden wegen des Verdachts verantworten, eine Terror-Gruppe mit gegründet zu haben. Seit einem Jahr sitzen sie in U-Haft.

Seite 5

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Mindener Tageblatt Online, 07.04.2021:

Terrorverdächtige der Gruppe S. in Stammheim auf der Anklagebank

07.04.2021 - 21.00 Uhr

Jürgen Langenkämper

Minden. Schwungvoll tritt die Frau mit ihrem Fuß gegen das am Boden liegende Stativ des Kamerateams. Ihr Sohn steht in bedrohlicher Haltung mit Handschuhen an den Händen vor dem Fernsehreporter - Szenen einer Auseinandersetzung in der Kutenhauser Straße zum Beginn eines Fernsehbeitrags im ZDF über die so genannte "Gruppe S.", die Terrorakte geplant haben soll. Ab kommender Woche stehen zwölf Männer in Stuttgart vor Gericht. Am Dienstagabend zeigte das Polit-Magazin "Frontal 21" die am Gründonnerstag aufgenommene kurze Sequenz aus Minden. Am Ende des knapp neunminütigen Beitrags erschien auch noch die Polizei.

Dass der Beitrag mit den Szenen aus dem Mindener Norden begann, lag nicht nur am krawalligen Auftritt der echauffierten Hausbewohner, sondern auch daran, dass die terrorverdächtige Gruppe in dem Haus in Kutenhausen ihr letztes konspiratives Treffen kurz vor ihrer Verhaftung am 14. Februar 2020 hatte. Denn der Verlobte der streitbaren Bewohnerin, Thomas N., gehörte wie ein weiterer Mindener, Markus K., und ein inzwischen verstorbener Portaner zu dem Dutzend Rechtsextremisten, die sich erst im Spätsommer 2019 unter Leitung von Werner S. zusammengefunden hatte. Der aus Sachsen-Anhalt stammende N. tat sich bei dem Treffen, das bereits unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand und abgehört wurde, in seinem Haus in der Kutenhauser Straße mit markigen Sprüchen hervor, man müsse mit 1.000 Mann den Reichstag stürmen und alle Politiker erschießen.

Zudem sahen die Gewaltfantasien des 55-jährigen Werner S. aus dem Rems-Murr-Kreis und seiner über ganz Deutschland verstreuten Gefolgsleute gezielte Terrorakte an verschiedenen Orten vor. Bevorzugt sollten sie sich gegen Asylbewerber, Muslime, Afrikaner, Politiker - einige wie die Grünen Anton Hofreiter und Robert Habeck namentlich genannt - und Antifa-Leute richten, aber von Willkürtaten sollten auch Frauen und Kinder nicht verschont bleiben. Durch die Gewaltakte wollten sie ein Klima der Angst schüren und einen Bürgerkrieg entfachen.

Dass der finstere Kreis aufflog, war einem Mitglied zu verdanken, dem die Sache zu heikel wurde und der sich im Spätsommer 2019 an den Verfassungsschutz wandte. Längst nicht alle der später festgenommenen und seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft einsitzenden Angeklagten waren den Staatsschützern schon früher als gewaltbereit bekannt, obwohl sich einige aus rechtsextremen, bürgerwehrähnlichen Gruppen wie "Wodans Erben Germanien", "Soldiers of Odin" und "Freikorps Heimatschutz Division 2016" rekrutierten.

Mit drei zu allen möglichen Gewalttaten bereiten Mitgliedern gab es eine auffällige Häufung im Kreis Minden-Lübbecke - und so wurde Minden auch in dem Fernsehbeitrag mehrfach genannt. Zwei der Verdächtigen waren Kollegen in einer Mindener Firma. Einer von beiden, der 35-jährige Markus K., war schon früher im Landkreis Hameln-Pyrmont als Nationaldemokrat und bei Neonazi-Märschen sowie der Organisation von Aktionen in Bad Nenndorf aufgefallen. Sein Kollege wurde im vergangenen Sommer tot in seiner Zelle aufgefunden.

K. und Thomas N., ein Fliesenleger, der obskure Aufkleber an seinem Werkstattwagen durch die Gegend fuhr, sitzen ab 13. April jeden Dienstag und Mittwoch mit neun weiteren Mitgliedern und einem Unterstützer der Gruppe S., einem ehemaligen Zivilbediensteten im Polizeipräsidium in Hamm, Woche für Woche im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim auf der Anklagebank. Zunächst sind 31 Verhandlungstermine, kurzzeitig unterbrochen vom 20. Mai bis 7. Juni, bis einschließlich 6. August anberaumt. Erfolgt bis dahin kein Urteil, gehen die Sitzungen ab 6. September weiter - dann dienstags und donnerstags.

Besonders brisant: Auch der Hauptbelastungszeuge aus den eigenen Reihen ist angeklagt. Für ihn soll der Hauptverdächtige Werner S. Medienberichten zufolge bereits einen Auftragskiller bei der italienischen Mafia gesucht haben.

Sollten im Zuge der Zeugenvernehmungen weitere brisante Details zu den Vorgängen in dem Haus in der Kutenhauser Straße ans Licht kommen, dürfte es auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ein Kamerateam auf der anderen Straßenseite gestanden hat. Der Vorfall vom Gründonnerstag könnte selbst ein - eher kleines - juristisches Nachspiel haben. Das Fernsehteam hat nach MT-Informationen bei den eingetroffenen Polizisten Strafanzeige gegen die 55-jährige Hausbewohnerin wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung erstattet.

Bildunterschrift: Erregte Szene: Schwungvoll tritt die Verlobte des Terror-Verdächtigen Thomas N. vor dessen Haus in der Kutenhauser Straße gegen das am Boden liegende Stativ des Fernsehteams. Ihr Sohn (links) hat sich Handschuhe angezogen.

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Exif - Recherche und Analyse, 07.04.2021:

"Gruppe S." und die drei verschonten Neonazis

Die Geschichte der "Gruppe S." liest sich wie eine nervenaufreibende Netflix-Serie und ist doch bittere Realität: Ein Informant meldet sich beim Verfassungsschutz, will rechtsterroristische Bestrebungen melden und wird ignoriert. Wenige Wochen später versucht er es erneut - diesmal beim LKA - und wird dort ernst genommen. Er berichtet von den Plänen einer größeren Gruppe Neonazis, es geht um Waffen, Schießübungen, Geld, konkrete Anschlagsziele auf Politikerinnen, Politiker, Moscheen, Antifaschistinnen, Antifaschisten. Die Gruppe koordiniert sich über verschiedene Chats. Die Polizei entschließt sich, ihn als Informanten in der Gruppe spitzeln zu lassen. Als die Gruppe sich am 8. Februar 2020 in Minden trifft, um konkrete Anschlagsziele zu besprechen, observiert ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei jeden Schritt. Der Anführer der Gruppe, Werner Somogyi, von den Neonazis nur "Teutonico" genannt, soll auf dem Treffen den Plan vorgestellt haben. Er will Muslime in Moscheen zeitgleich in mehreren Bundesländern mit Waffen angreifen. Dies werde schließlich zu bürgerkriegsartigen Zuständen führen, weil es zu Gegenreaktionen kommen würde, so seine Vorstellung. Ein "Tag X"-Szenario, das zur politischen Destabilisierung beitragen soll, nach dem sich Neonazis auf der ganzen Welt seit Jahrzehnten sehnen und das den "Racial Holy War" einleiten soll - die Sehnsucht nach dem bewaffneten Kampf und den politischen Umsturz.

Wenige Tage nach dem Treffen in Minden bricht der Kontakt zu dem Informanten ab, die Ermittlerinnen, Ermittler werden nervös und schlagen zu. Am Morgen des 20. Februar 2020 finden in sechs Bundesländern gegen 13 Mitglieder Razzien statt, unter anderen auch bei einem Beamten der Polizei. Gefunden werden Depots mit Versorgungsmitteln, zahlreiche Waffen und Munition, sowie Material zur Herstellung von Sprengsätzen und Bombenbauanleitungen. Seitdem sitzen zwölf Personen wegen "Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung" als Mitglieder der "Gruppe S." - von den Ermittlerinnen, Ermittlern nach dessen Anführer Somogyi benannt - in U-Haft.

Doch mit der Haft endet die spektakuläre Geschichte der Gruppe nicht. Am 15. Juli 2020 wird der Beschuldigte Ulf Rösener tot in seiner Zelle aufgefunden. Ersten Erkenntnissen zufolge starb er durch Suizid. Bei Rösener wurden im Rahmen der Durchsuchung im Februar 2020 selbstgebaute Handgranaten gefunden, später führte er die Ermittlerinnen, Ermittler zu einem Waffendepot in einem Waldstück. Dem nicht genug, habe es zudem einen Auftrag zum Mord des Informanten gegeben, der schließlich als Hauptbelastungszeuge im Verfahren gegen die "Gruppe S." gilt. Dafür soll Werner Somogyi aus der Haft einem italienischen Mafia-Mitglied 50.000 Euro geboten haben. Der Informant, sowie die Gründerin der Gruppe, Marion Grohganz, sind vom Verfahren ausgenommen. Der Informant habe maßgeblich zur Aufklärung beigetragen und bleibt auf Grund dessen verschont. Grohganz wiederum habe nicht an den konkreten Planungen beim Treffen der Gruppe in Minden teilgenommen. Doch nicht nur den Beiden bleibt ein Prozess erspart. Eine Geschichte, die bislang noch nicht erzählt wurde, handelt von drei Männern aus Norddeutschland, die im Prozess ebenso nicht als Angeklagte geführt werden.

Davon gekommen …

Die drei Neonazis Ralph Eitelbach aus Witzhave, Thomas "Togger" Gardlo aus Hamburg und Thorsten Kempf aus Bad Bramstedt organisierten in Hamburg die rassistischen Kundgebungen "Merkel muss weg" (MMW). Über Monate trafen sie Absprachen und waren in die Interna der "Gruppe S." eingeweiht. Auch hatten sie zugesagt an dem Treffen in Minden teilzunehmen, jenes Treffen, bei dem konkrete Anschlags-Planungen besprochen wurden. Die Verbindungen der Drei nach Hamburg dürfte in Hinblick auf die Anschlagsziele der Gruppe von Bedeutung sein. Schließlich war die Metropole bei der "Gruppe S." schon einmal als Ort terroristischer Angriffe im Gespräch, nämlich in Bezug auf das Islamische Zentrum Hamburg, die "Blaue Moschee" an der Außenalster.

Den Kontakt zur "Gruppe S." konnten Eitelbach, Gardlo und Kempf über den 40-Jährigen Tony Ebel herstellen, der als rechte Hand von Somogyi galt, der in Süddeutschland lebt. Ebel rekrutierte die Mitstreiter in Norddeutschland und war Verbindungsperson für die MMW-Gruppe. Dafür traf er sich seit Sommer 2019 mit dem Orga-Kreis von "Merkel muss weg", später umbenannt in "Michel, wach endlich auf" in Hamburg. Etwa am 29. September 2019, wo er beobachtet werden konnte, wie er mit Thorsten Kempf Absprachen traf.

Auf dieser Kundgebung fertigte Ebel ebenso Bilder von den anwesenden Journalistinnen, Journalisten an, die er später am Abend in einem Telefonat mit Werner Somogyi als "Antifa-Knipser" bezeichnet. Auch sprechen sie über Gefahren bei Demonstrationen und stellen fest: "Blut und Narben lassen sich hierbei nicht vermeiden".

Mit Kempf pflegt Ebel einen engen Austausch. Sie telefonieren regelmäßig und besprechen sich. Ebel halte viel von ihm und bezeichnete ihn gegenüber Somogyi gar als "der Legionär". Er schlägt diesem auch vor, dass Kempf eine Führungsfigur für die Gruppe werden soll.

Thorsten Kempf trat bei den MMW-Kundgebungen in Hamburg als Chef des Ordnerdienstes auf und nahm an den Kooperationsgesprächen mit der Polizei teil. Er äußert sich häufig gewaltbereit und scheint zu allem entschlossen. "Bomben rein trifft kein verkehrten", "Zu denn Waffen und jagt das Pack dahin wo es hingehört" (Fehler im Original) oder auch "Feuer frei", kommentiert er rassistische Artikel und Beiträge zur Migrationspolitik in den Sozialen Medien.

Thomas "Togger" Gardlo nahm an der Kundgebung am 29. September 2020 nicht teil. Der frühere Personenschützer des ehemaligen Hamburger Innensenators Ronald Schill, bewegte sich früher gemeinsam mit seinem Bruder im Umfeld der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten" (ANS) und war später an die "Freiheitliche Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) angebunden. Gardlo ist wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz vorbestraft. Um 2016 trainierte er Mitglieder der "Identitären Bewegung" in Kampfsport.

Von Gardlo sei Tony Ebel begeistert und lege für ihn seine Hand ins Feuer, teilt er Somogyi mit. Er erklärt auch, dass "Togger" sich eher im Hintergrund halten würde, weil er in der Öffentlichkeit stehe. Den dritte im Bunde, Ralph Eitelbach, preist Ebel gegenüber Somogyi als Mann an, auf den man sich zu 100 Prozent verlassen könnte, der schon wegen Mord und Totschlag gesessen hätte und gewillt sei Aktionen zu starten. Eitelbach war 2018 Kandidat der AfD im Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein) und wird auf der Kandidatenliste als Personenschützer bezeichnet.

Vertrauter Kreis

Am 3. Oktober 2019 reisten Ralph Eitelbach und Thorsten Kempf nach Berlin, um an einem Aufmarsch von "Wir für Deutschland" teilzunehmen und um sich mit dem Anführer und weiteren Mitgliedern der "Gruppe S." zu treffen. Dabei entstand auch ein Gruppenbild vor dem Brandenburger Tor und es kam zu Absprachen auf einer Raststätte. Einen Tag nach dem Aufmarsch in Berlin meldete sich Ebel bei Kempf. Er will an den Organisations-Treffen von MMW in Hamburg teilnehmen. Der kleine vertraute Kreis aus bis zu 10 Personen bespricht sich und stimmt der Teilnahme Ebels zu. Im November treffen sich die Neonazis, laut Aussage von Kempf, um über kommende Aufmärsche zu sprechen. Doch es würden keine dieser Art mehr in Hamburg stattfinden - offensichtlich eine Schutzbehauptung von Kempf. Ebel wird dennoch in den geheimen Gruppen-Chat der MMW-Orga aufgenommen.

Somogyi plant ein Treffen mit den norddeutschen Rekruten der "Gruppe S.", wofür am 2. November 2019 ein Gruppen-Chat namens "Besprechungs-Zimmer" eingerichtet wird. Eitelbach, Kempf und Gardlo sind von Beginn an Teil dieser Chat-Gruppe. Der Polizei-Informant gibt später an, dass alle Mitglieder dieser Telegram-Gruppe genau wussten um was es geht. Die Ziele seien das "Töten von Schwarzafrikanern", sowie rechts-motivierte Anschläge gewesen. Auch über Waffen sei gesprochen worden. In der Gruppe seien nur Leute gewesen, "die diese Ziele teilen und den Willen haben, diese auch umzusetzen".

Im Dezember 2019 trifft sich die MMW-Gruppe erneut mit Ebel. Man lädt ihn zur "Weihnachtsfeier" in familiärer Atmosphäre nach Lohbrügge-Bergedorf ein. Nur wenige Meter vom Restaurant, in dem das Treffen stattfindet, wohnt der Neonazi Michael Arnold. Er war jahrelang die rechte Hand des bundesweit einflussreichen Neonazi-Kaders Thomas Wulff und war im Hintergrund einer der Strippenzieher des "Tag der Patrioten" am 12. September 2015 in Hamburg.

Für die Vorbereitungen traf man sich damals in Arnolds Wohnung. Auch er nahm an den rassistischen Kundgebungen von MMW in Hamburg teil, sowie jüngst an einer verschwörungsideologischen Kundgebung in Bremen. Dass die besagte "Weihnachtsfeier" des MMW-Organisationskreises in unmittelbarer Nähe zum Wohnort von Michael Arnold ausgerichtet wurde, wird kein Zufall sein. Dass Arnold selbst bei dem Treffen anwesend war ist wahrscheinlich.

Für Mitte Dezember plante man ein Treffen zunächst bei Ebel. Es wird auf den 8. Februar 2020 in Minden verschoben. Auf Nachfrage, wer zum Treffen kommen würde, spricht Somogyi im Januar unter anderen von "Thorsten, Ralf und Togger". Nur drei Tage vor dem folgenschweren Treffen überlegte Kempf, seine Lebensgefährtin ebenfalls nach Minden einzuladen, damit sie sich mit der Lebensgefährtin eines weiteren Mitglieds austauschen könne. Warum Kempf, Eitelbach und Gardlo letztlich nicht an dem Treffen teilnahmen, ist nicht bekannt. Alle Teilnehmenden sitzen heute in U-Haft und erwarten am 13. April 2021 ihren Prozess in Stuttgart-Stammheim.

Über den Inhalt des Treffens in Minden wurden Eitelbach und Kempf jedoch nur vier Tage später - am 12. Februar 2020 - von Ebel in Kenntnis gesetzt. Er berichtet, dass es gut gewesen sei und die Strukturen weiter ausgebaut werden würden. Sie hätten schon Waffen und bräuchten noch mehr. Thorsten Kempf, der in dem Verfahren lediglich als Zeuge geführt wird, gibt später bei der Polizei an, dass er von Ebel nach Waffen gefragt worden sei, er aber gesagt habe, dass es von ihm keine gäbe. Er hätte "kein Bock" auf die Pläne der Gruppe gehabt, gibt er weiterhin an. Dies steht in eindeutigem Widerspruch zu seiner bisherigen Aktivität innerhalb der Gruppe und der von ihm geteilten extrem rechten Gesinnung. Eine offensichtlich völlig unglaubwürdige Schutzbehauptung.

Als die Ermittlerinnen, Ermittler am 14. Februar 2020 zuschlagen und bundesweit Razzien gegen die "Gruppe S." durchführen, können die drei aus dem MMW-Orga-Team aufatmen. Sie sind nicht betroffen, ja gar davongekommen. Stattdessen erhalten sie Einladungen zur Zeugenbefragung. Ein alter Freund von Ralph Eitelbach - ein Polizist namens Dietmar aus Trittau - schickt ihm die Vorladung sogar per WhatsApp. Während die Wohnräume von Tony Ebel im niedersächsischen Ort Wriedel durchsucht werden, tauchten unter anderen Neonazis aus Hamburg zur Unterstützung auf. Sie bedrohten Anwohnerinnen, Anwohner sowie Pressevertreterinnen, Pressevertreter.

Dass sich das norddeutsche Netzwerk um Gardlo, Kempf und Eitelbach unangreifbar fühlt, verdeutlicht die Teilnahme an einer jüngst von "Querdenken 40" organisierten, verschwörungsideologischen Kundgebung im März 2021 in Hamburg. Gewohnt selbstbewusst und ohne Scheu, reisten die drei gemeinsam mit einer circa 40-köpfigen Gruppe, bestehend aus Personen aus dem rechten Hooligan- und Rotlicht-Milieu zu dieser Veranstaltung an. Schon im Vorfeld hatte Gardlo in der Facebook-Gruppe "Merkel muss weg" zur Teilnahme aufgerufen.

Im Nachgang der Kundgebung schrieb ein Mitglied dieser FB-Gruppe: "Bewaffnet Euch, sonst werdet ihr untergehen!". Gardlo entgegnete: "Bin in Hamburg dabei und viele meine Kameraden/Freundeund Weggefährten. Ahoi!". (Fehler im Original) Als der Twitter-Account "Antira Info Hamburg" diese Kommunikation öffentlich machte, löscht Gardlo seinen Account umgehend, um später behaupten zu können, dass dieser von Facebook gelöscht worden sei. Das unüberlegte Bekenntnis Teil einer bewaffneten Gruppe zu sein, erschien ihm im Nachgang wohl doch etwas zu heikel gewesen zu sein.

Als das Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (LfV) am 30. März 2021 seinen Bericht für das Jahr 2020 vorstellte, wird auch ausführlich auf die "Gruppe S." eingegangen. Zudem behauptet das LfV in Bezug auf die "Merkel muss weg"-Veranstaltungsreihe: "Das LfV hatte die Öffentlichkeit frühzeitig informiert und kontinuierlich über den rechtsextremistischen Hintergrund der Versammlungsreihe berichtet." Die Verbindungen zwischen den Gruppen werden nicht gezogen. Die jüngsten Entwicklungen und Verstrickungen zur rechtsterroristischen Gruppierung werden der Öffentlichkeit verschwiegen.

Eine Strategie, die seit jeher von der Behörde verfolgt wird: das Offensichtliche als Neuerkenntnis präsentieren, obwohl antifaschistische Recherchen und zivilgesellschaftliche Bündnisse schon länger die möglichen Gefahren, wie auch ihren Ursprung offen legen. Auch das Netzwerk, welches erst Strukturen wie die "Gruppe S." ermöglicht, fällt bei den Behörden in den Hintergrund der Betrachtung. Eine Kontinuität, die ebenso in der Strafverfolgung ersichtlich ist und einer Öffentlichkeit spätestens im Prozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) bewusst geworden sein muss. Denn auch der NSU war nicht zu dritt, sondern konnte seine Morde, Raubüberfälle und Anschläge nur durch ein breites Unterstützerinnen-, Unterstützer-Netzwerk über Jahre hinweg ausführen.

Bildunterschrift: Thorsten Kempf und Tony Ebel am 29. September 2019 bei "Michel, wach endlich auf" in Hamburg.

Bildunterschrift: Tony Ebel bei "Michel, wach endlich auf" am 29. September 2019 in Hamburg wie er Bilder von Journalistinnen, Journalisten anfertigt.

Bildunterschrift: Thorsten Kempf Gewaltaufruf in der Facebook-Gruppe "Merkel Muss Weg - HAMBURG DEMO" (Screenshot).

Bildunterschrift: Ralph Eitelbach mit Redner Michael Stürzenberger am 29. September 2019 in Hamburg.

Bildunterschrift: Tony Ebel (blaue Cap) und Werner Somogyi (rechts) bei "Wir für Deutschland" am 3. Oktober 2019 in Berlin.

Bildunterschrift: Michael Arnold mit Ludwig Flocken am 5. Dezember 2020 in Bremen.

Bildunterschrift: Thomas Gardlo und Thorsten und Kempf bei "Querdenken 40" am 13. März 2021 in Hamburg.

Bildunterschrift: Thomas Gardlo Bekenntnis in der Facebook-Gruppe "Merkel Muss Weg - HAMBURG DEMO" (Screenshot).

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Radio Westfalica, 07.04.2021:

Mindener Mitglieder der rechten Terror-Zelle "Gruppe S." demnächst vor Gericht

In Stuttgart startet nächste Woche der Prozess gegen die rechte Terror-Zelle Gruppe S. Zwölf Männer müssen sich vor dem Oberlandesgericht verantworten - darunter sind auch zwei Mindener. Die Gruppe soll unter anderem Anschläge auf Politiker und Muslime geplant haben.

Treffen auch in Minden

Und nicht nur das: Sie wollten offenbar bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland auslösen. Das war ihr Ziel.

Gegründet wurde die Gruppe von Werner S. aus Bayern. Er soll die Mitglieder unter anderem in Sozialen Netzwerken rekrutiert haben. Später kam es dann zu mehreren Treffen - auch in Minden. Ein Spitzel ließ die Gruppe schließlich auffliegen.

Portaner nimmt sich in Haft das Leben

Die Terror-Zelle wurde im Februar vergangenen Jahres ausgehoben. Neben den beiden Mindenern war damals auch ein Portaner festgenommen worden. Er nahm sich in der Haft das Leben. Für den Prozess hat das Oberlandesgericht erstmal 31 Verhandlungstage geplant.

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Neue Westfälische, 07.04.2021:

Umsturzpläne: Rechte Gruppe vor Gericht

Stuttgart (AFP). Der Anführer der mutmaßlichen rechtsextremen Terror-Vereinigung "Gruppe S." versuchte einem Bericht zufolge, für einen Anschlag auf Politiker Kriegswaffen zu besorgen. Werner S. sei kurz vor seiner Festnahme im Februar 2020 noch dabei gewesen, eine Kalaschnikow, eine Maschinenpistole und Handgranaten zu kaufen, berichtete das ZDF-Magazin "Frontal 21". Am 13. April soll in Stuttgart der Prozess gegen zwölf Verdächtige beginnen. Ziel der Gruppierung soll es gewesen sein, durch Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Moscheen in Deutschland "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Die Zelle soll beabsichtigt haben, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik "zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Ziele der Anschläge sollen Berichten zufolge unter anderem die Grünen-Politiker Anton Hofreiter und Robert Habeck gewesen sein.

Der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Ralf Michelfelder, bestätigte den geplanten Waffenkauf. S. habe in einer Chat-Gruppe geschrieben, er plane den Aufbau einer etwa 1.000 Mann starken Miliz, mit der er dem "ganzen Spuk ( ... ) ganz zügig ein Ende bereiten" wolle. Er habe auf einen Schlag alle Politiker "im Reichstag ausschalten" wollen. S. plante demnach außerdem, viele Moscheen in Deutschland anzugreifen und Gläubige beim Freitagsgebet zu ermorden.

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ZDF, 06.04.2021:

Rechter Terror-Verdacht - Mit der Kalaschnikow ins Parlament

06.04.2021 - 14.00 Uhr

Von Joachim Bartz

Werner S., Anführer der mutmaßlich rechtsextremen Terror-Zelle "Gruppe S.", versuchte vor seiner Festnahme im Februar 2020 an Kriegswaffen für einen Anschlag im Reichstag zu kommen.

Aus Ermittlungsakten, die dem ZDF-Magazin Frontal 21 und den "Stuttgarter Nachrichten" vorliegen, geht hervor, dass Werner S. plante, ein Kalaschnikow-Sturmgewehr mit 2.000 Schuss Munition, eine Maschinenpistole der israelischen Marke Uzi sowie Handgranaten zu erwerben. Der Deal sollte über rechtsextrem gesinnte Waffenhändler wie André Mike B. laufen, den Werner S. aus der selbsternannten Bürgerwehr "Soldiers of Odin" kannte. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen verfügten bereits über 27 erlaubnispflichtige Waffen, vor allem Pistolen der russischen Hersteller Makarov und Tokarev.

Bewaffnung für einen Terroranschlag

Der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Ralf Michelfelder, bestätigte gegenüber Frontal 21 und den "Stuttgarter Nachrichten" den geplanten Waffenkauf:

"In der Tat haben die Tatverdächtigen sich Waffen besorgen wollen oder auch besorgt, um für diesen Terroranschlag vorbereitet zu sein."
Ralf Michelfelder, Präsident des LKA Baden-Württemberg

In einer Chat-Gruppe schrieb Werner S., man wolle mit dem "richtigen Training und einem exzellenten, ausgereiften Konzept" auf einen Schlag alle Politiker im Reichstag "ausschalten". Dafür plane er den Aufbau einer "etwa über 1.000 Mann" starken Miliz, mit der er dem "ganzen Spuk ( … ) ganz zügig ein Ende bereiten" wolle.

Vernetzten Terrorismus ernst nehmen

"Das, was die Querdenker mit dem Sturm auf den Reichstag gemacht haben, wollte die Gruppe S. mit der Kalaschnikow umsetzen", stellte Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / Die Grünen im Interview mit Frontal 21 fest. Diesen vernetzten Terrorismus müsse man ernst nehmen.

"Die "Gruppe S." wollte Mitglieder des Deutschen Bundestages liquidieren, prominente Politiker umbringen und dadurch eine Art Chaos in der Republik erzeugen, Angst und Schrecken erzeugen."
Cem Özdemir, MdB Bündnis 90 / Die Grünen

Die "Gruppe S." hatte zuvor bereits die Grünen-Spitzenpolitiker Robert Habeck und Anton Hofreiter persönlich ins Visier genommen. Außerdem plante Gruppenchef Werner S., eine Vielzahl von Moscheen in Deutschland gleichzeitig anzugreifen und dort muslimische Gläubige beim Freitagsgebet zu ermorden. So wollte er "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeiführen.

LKA-Präsident Michelfelder erklärte gegenüber Frontal 21:

"Wir sind bei unseren Durchsuchungen auf ein nach meiner Bewertung riesiges Waffenlager gestoßen. Hätten die Beschuldigten ihre geplanten Terrortaten umsetzen können, hätten wir eine ganz brutale, ganz massive Tötungsmaschinerie am Laufen gehabt."
Ralf Michelfelder, Präsident des LKA Baden-Württemberg

Signal an die gewaltbereite militante Rechte

In einer abgestimmten Aktion nahmen mehrere Spezialeinsatzkommandos und Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten im Februar 2020 die 13 Mitglieder der "Gruppe S." im gesamten Bundesgebiet fest und durchsuchten 53 Objekte. Einer der Verdächtigen starb im vergangenen Sommer in der Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen die verbleibenden zwölf beginnt am 13. April vor dem fünften Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart im Prozess-Gebäude Stuttgart-Stammheim.

Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken und Mitglied im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, begrüßt den Ermittlungserfolg der Behörden. "Ich erhoffe mir natürlich, dass der Prozess auch mit einer Verurteilung endet", so Renner gegenüber Frontal 21. "So dass auch ein Signal an die gewaltbereite militante Rechte gesandt wird, dass solche Bestrebungen im Vorfeld gestoppt werden und dass man mit schweren Strafen rechnen muss, wenn man Gewaltstraftaten gegen Minderheiten oder Politiker oder Institutionen plant."

Bildunterschrift: Einer der Verdächtigen aus der Gruppe S. wird zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe gebracht (Archiv).

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ZDF, 06.04.2021:

Rechter Verdacht: ZDF-Magazin "Frontal 21" zur Terror-Zelle "Gruppe S."

06.04.2021 - 13.09 Uhr

Mainz (ots). Werner S., der Anführer der nach ihm benannten, mutmaßlich rechtsextremen Terror-Zelle "Gruppe S.", versuchte kurz vor seiner Festnahme am 14. Februar 2020, Kriegswaffen in seinen Besitz zu bringen, um für einen Anschlag im Reichstagsgebäude gerüstet zu sein. Das geht aus Ermittlungsakten hervor, die dem ZDF-Magazin "Frontal 21" und den Stuttgarter Nachrichten vorliegen. Demnach war Werner S. dabei, ein Kalaschnikow-Sturmgewehr mit 2.000 Schuss Munition, eine Maschinenpistole der israelischen Marke Uzi sowie Handgranaten zu erwerben. Das Magazin "Frontal 21" berichtet heute, Dienstag, 6. April 2021, um 21.00 Uhr im ZDF.

Der Deal sollte über den Waffenhändler André Mike B. laufen, den Werner S. aus der selbsternannten Bürgerwehr "Soldiers of Odin" kannte, und das Arsenal der Gruppe ergänzen. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen verfügten bereits über 27 erlaubnispflichtige Waffen, vor allem Pistolen der russischen Hersteller Makarow und Tokarew.

Der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Ralf Michelfelder, bestätigte den geplanten Waffenkauf: "In der Tat haben die Tatverdächtigen sich Waffen besorgen wollen oder auch besorgt, um für diesen Terroranschlag vorbereitet zu sein."

In einer Chat-Gruppe schrieb Werner S., man wolle mit dem "richtigen Training und einem exzellenten, ausgereiften Konzept" auf einen Schlag alle Politiker im Reichstag "ausschalten". Dafür plane er den Aufbau einer "etwa über 1.000 Mann" starken Miliz, mit der er dem "ganzen Spuk ( ... ) ganz zügig ein Ende bereiten" wolle.

"Das, was die Querdenker mit dem Sturm auf den Reichstag gemacht haben, wollte die Gruppe S. mit der Kalaschnikow umsetzen", stellte Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / Die Grünen, im Interview mit "Frontal 21" fest. Diesen vernetzten Terrorismus müsse man ernst nehmen. "Die "Gruppe S." wollte Mitglieder des Deutschen Bundestages liquidieren, prominente Politiker umbringen und dadurch eine Art Chaos in der Republik erzeugen, Angst und Schrecken erzeugen."

Die "Gruppe S." hatte zuvor bereits die Grünen-Spitzenpolitiker Robert Habeck und Anton Hofreiter persönlich ins Visier genommen. Außerdem plante Gruppenchef Werner S., eine Vielzahl von Moscheen in Deutschland gleichzeitig anzugreifen und dort muslimische Gläubige beim Freitagsgebet zu ermorden. So wollte er "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeiführen. LKA-Präsident Michelfelder erklärte gegenüber "Frontal 21": "Wir sind bei unseren Durchsuchungen auf ein nach meiner Bewertung riesiges Waffenlager gestoßen. Hätten die Beschuldigten ihre geplanten Terrortaten umsetzen können, hätten wir eine ganz brutale, ganz massive Tötungsmaschinerie am Laufen gehabt."

In einer abgestimmten Aktion nahmen mehrere Spezialeinsatzkommandos und Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten im Februar 2020 die 13 Mitglieder der "Gruppe S." im gesamten Bundesgebiet fest und durchsuchten 53 Objekte. Einer der Verdächtigen starb im vergangenen Sommer in der Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen die verbleibenden Zwölf beginnt am 13. April vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart im Prozess-Gebäude Stuttgart-Stammheim.

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Stuttgarter Nachrichten Online, 06.04.2021:

Wie mutmaßliche Rechtsterroristen den Reichstag stürmen wollten

06.04.2021 - 12.00 Uhr

Mit der Kalaschnikow ins Parlament

Mutmaßliche Rechtsterroristen der Gruppe S. sollen Anfang 2020 versucht haben, Kriegswaffen in ihren Besitz zu bringen. Damit wollten die Mitglieder offenbar den Reichstag stürmen.

Berlin. Der Anführer der nach ihm benannten, mutmaßlichen Rechtsterror-Gruppe Gruppe S., versuchte kurz vor seiner Festnahme am 14. Februar 2020, Kriegswaffen in seinen Besitz zu bringen. Das berichten das ZDF-Fernsehmagazins Frontal 21, am heutigen Dienstag um 21 Uhr, sowie die Stuttgarter Nachrichten in der morgigen Mittwochsausgabe. Demnach war Werner S. dabei, ein Kalaschnikow-Sturmgewehr mit 2.000 Schuss Munition sowie eine Maschinenpistole der israelischen Marke Uzi sowie Handgranaten zu erwerben.

Beschafft werden sollten die Waffen über den rechtsextrem gesinnten Waffenhändler wie André Mike B., den Werner S. aus der selbst ernannten Bürgerwehr "Soldiers of Odin" kannte. Die Waffen sollten bis zum Sommer beschafft werden. Im Frühjahr verfügten die mutmaßlichen Rechtsterroristen bereits über 27 erlaubnispflichtige Waffen, vor allem Pistolen der russischen Hersteller Makarov und Tokarev.

"Etwa über 1.000 Mann"

Der Präsident des die Ermittlungen gegen die Gruppe führenden Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Ralf Michelfelder, bestätigte den geplanten Waffenkauf: "In der Tat haben die Tatverdächtigen sich Waffen besorgen wollen oder auch besorgt, um für diesen Terroranschlag vorbereitet zu sein."

In einer Chat-Gruppe schrieb Werner S., er plane den Aufbau einer "etwa über 1.000 Mann" starken Miliz, mit der er dem "ganzen Spuk ( … ) ganz zügig ein Ende bereiten" wolle. Mit dem "richtigen Training und einem exzellenten, ausgereiften Konzept" wolle man auf einen Schlag alle Politiker "im Reichstag ausschalten".

"Das, was die Querdenker mit dem Sturm auf den Reichstag gemacht haben, wollte die Gruppe S. mit der Kalaschnikow umsetzen", so Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter der Grünen. Diesen vernetzten Terrorismus müsse man ernst nehmen. "Die Gruppe S. wollte Mitglieder des Deutschen Bundestages liquidieren, prominente Politiker umbringen und dadurch eine Art Chaos in der Republik erzeugen, Angst und Schrecken erzeugen."

Verdächtiger stirbt in Untersuchungshaft

Die Gruppe S. hatte bereits die Grünen-Spitzenpolitiker Robert Habeck und Anton Hofreiter ins Visier genommen. Außerdem plante Gruppenchef Werner S. eine Vielzahl von Moscheen in Deutschland gleichzeitig anzugreifen und dort muslimische Gläubige beim Freitagsgebet zu ermorden. LKA-Präsident Michelfelder sagt: "Wir sind bei unseren Durchsuchungen auf ein nach meiner Bewertung riesiges Waffenlager gestoßen. Annähernd 30 erlaubnispflichtige Schusswaffen haben wir dort gefunden. Hätten die Beschuldigten ihre geplante Terrortaten umsetzen könne, hätten wir eine ganz brutale, ganz massive Tötungsmaschinerie am Laufen gehabt."

In einer abgestimmten Aktion nahmen mehrere Spezialeinsatzkommandos und Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten im Februar 2020 die 13 Mitglieder der Gruppe S. im gesamten Bundesgebiet fest und durchsuchten 53 Objekte. Einer der Verdächtigen starb im vergangenen Sommer in der Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen die verbleibenden Zwölf beginnt am 13. April vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart im Prozess-Gebäude Stuttgart-Stammheim.

Bildunterschrift: Der Reichstag soll eines der Anschlagsziele der mutmaßlichen Rechtsterror-Gruppe gewesen sein.

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Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW, 06.04.2021:

Pressemitteilung / Prozess gegen rechtsterroristische "Gruppe S."

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus führt eine durchgängige Beobachtung und Begleitung des Prozesses gegen die rechtsterroristische Gruppe S. durch. Dieser beginnt am 13. April am Oberlandesgericht Stuttgart und ist für vorerst 31 Prozesstage angesetzt. Zu den einzelnen Prozesstagen veröffentlicht die Mobile Beratung NRW Prozessberichte auf der Website des Projekts, www.prozessbeobachtung.org.

Die Anklage richtet sich gegen zwölf Männer, die der rechtsterroristischen "Gruppe S." nahe gestanden oder diese mit gegründet haben sollen. Gemeinsam sollen sie unter anderem Anschläge geplant haben und wollten "bürgerkriegsähnliche Zustände" hervorrufen. Um eine umfassende Prozessbegleitung umsetzen zu können, hat sich die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW mit Teams der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus aus verschiedenen Bundesländern zusammengeschlossen und steht auch im Austausch mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, die zu dem Thema arbeiten. Auf der Website des Projekts, www.prozessbeobachtung.org, die kurz vor Prozessbeginn veröffentlicht wird, werden die Prozessberichte abrufbar sein.

Janine Tappe, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW: "Uns ist es wichtig, den Prozess gegen die Gruppe S. der Öffentlichkeit durch unsere Berichte zugänglich zu machen. Davon erhoffen wir uns auch, dass die Gefahr von rechtem Terror noch einmal in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt und wir auf die Gefahren, die von extrem rechter Ideologie ausgehen, aufmerksam machen können."

Auch, aber nicht nur auf Grund der Verortung von vier mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern der Gruppe S. in NRW, ist der Prozess für die Mobile Beratung NRW relevant. Als rechtsterroristische Gruppierung die sich aus dem gesamten Bundesgebiet rekrutierte, ist die Gruppe S. von bundesweiter Bedeutung. Besonders deutlich wird durch die Gruppe S. noch einmal das Gefahren- und Radikalisierungspotential von extrem rechten Chat-Gruppen, sowie die gute Vernetzung der Szene und nicht zuletzt ihr Gefahrenpotential, wie auch jenes von so genannten Bürgerwehren.

Die zwölf Angeklagten waren zusammen mit weiteren Personen in der rechtsterroristischen Gruppierung, die nach ihrem mutmaßlichen Anführer "Gruppe S." benannt wurde, aktiv. Die Gruppe, die sich hauptsächlich über Chat-Gruppen austauschte, wurde 2019 bei einem Treffen in Baden-Württemberg gegründet, danach fanden zwei weitere Treffen statt, eines davon in Minden (NRW). Die Gruppe S. plante Anschläge auf Musliminnen, Muslime, Moscheen und politische Gegnerinnen, Gegner und wollte damit "bürgerkriegsähnliche Zustände" hervorrufen. Zwei Angeklagte sollen Rädelsführer der "Gruppe S." gewesen sein, die anderen Angeklagten Mitglieder oder Unterstützer der Gruppe. Des weiteren stehen sieben der Angeklagten auch wegen Verstößen gegen das Waffengesetz vor Gericht.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW berät sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen zu den Themen Rechtsextremismus und Rassismus. Sie wird finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sowie des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW.

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 04.03.2021:

Gerichtsverfahren gegen mutmaßlich rechtsextreme "Gruppe S."

04.03.2021 - 14.30 Uhr

Zwei Männer aus Minden müssen sich am Oberlandesgericht Stuttgart wegen Gründung und Mitgliedschaft einer rechtsterroristischen Vereinigung verantworten.

Das Verfahren gegen die so genannte "Gruppe S.", die vor einem Jahr aufgeflogen war, beginnt am 13. April. Die Terror-Zelle, zu denen die Mindener offenbar gehörten, soll Anschläge auf Muslime, Politiker und Angriffe auf Moscheen geplant haben.

Das Ziel soll auch gewesen sein, "bürgerkriegsähnliche Zustände" in Deutschland zu schaffen. Ein Spitzel hatte die Gruppe auffliegen lassen. Die Polizei fand damals bei den Razzien unzählige Waffen.

Gründer der Gruppe war Werner S. aus Bayern. Er soll die Mitglieder in verschiedenen Milieus und Sozialen Netzwerken rekrutiert haben. Ein erstes reales Treffen hat es im September 2019 in Baden-Württemberg gegeben. Später traf sich die Gruppe auch in Minden-Lübbecke. Ein weiterer Mann aus dem Mühlenkreis hatte sich in der Haft das Leben genommen.

Mord an Zeugen beauftragt?

Bekannt wurde nun, dass der Hauptbeschuldigte gegen den Hauptbelastungszeugen einen Mord geplant haben soll. Nach ARD-Informationen wollte er einen Killer beauftragen und hatte einem mitinhaftierten Mafia-Mitglied 50.000 Euro geboten.

Die Verdächtigen waren bei Razzien im Februar 2020 in sechs Bundesländern festgenommen worden und in Untersuchungshaft gekommen.

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tagesschau.de, 25.02.2021:

Anklage gegen "Gruppe S." / Ein Killer für den besten Zeugen?

25.02.2021 - 15.42 Uhr

Am OLG Stuttgart ist der Prozess gegen die mutmaßliche rechtsextreme "Gruppe S." eröffnet worden. Der Hauptbeschuldigte soll derweil jemanden gesucht haben, der den wichtigsten Belastungszeugen tötet.

Von Holger Schmidt, ARD-Terrorismus-Experte

Der rechtsterroristischen "Gruppe S." wirft der Generalbundesanwalt vor, schwerste Straftaten geplant zu haben. Ursprünglich 13, nach dem Suizid eines Beschuldigten in der Untersuchungshaft nunmehr noch zwölf Männer sollen sich zusammengeschlossen haben, um Mordanschläge auf Muslime in Moscheen und linke Gruppen oder Politiker zu planen.

Einigen Männern wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, anderen die Unterstützung eben dieser Vereinigung, die die Ermittler nach dem Namen des mutmaßlichen Anführers "Gruppe S." nennen.

Spitzel ließ Gruppe auffliegen

Auf die Spur gekommen waren sie der Gruppe durch einen Spitzel, der sich zunächst angeschlossen, dann aber das Treiben der Rechtsextremen an die Polizei verraten hatte. Deswegen konnte die Gruppe schon bei ihrem Gründungstreffen in Alfdorf im baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis ebenso überwacht werden, wie bei einem späteren wichtigen Planungstreffen in Minden in Nordrhein-Westfalen. Am 14. Februar 2020 hoben dann Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg mit Hilfe weiterer Polizeibehörden die bundesweit verteilte Gruppe aus.

Anfang dieser Woche hat der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz von Herbert Anderer nach SWR-Informationen nun entschieden, die Anklage gegen alle Männer zuzulassen und die Hauptverhandlung am 14. April im hochgesicherten Verhandlungssaal des Gerichts in Stuttgart-Stammheim zu eröffnen.

Hauptbeschuldigter suchte offenbar Auftragsmörder

Doch das Gericht steht dabei noch vor einer Reihe von logistischen Problemen - und eines davon ist der Hauptbeschuldigte selbst. Denn er ist offenbar weiterhin brandgefährlich. Aus der Untersuchungshaft in Augsburg heraus soll Werner S. nach SWR-Recherchen Ende des vergangenen Jahres versucht haben, einen Auftragsmörder für den Spitzel in der Gruppe anzuwerben.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat deswegen ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Werner S. eröffnet, wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen, Das bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, Matthias Nickolai, dem SWR. In der Haft, so sehen es die Ermittler, ist Werner S. einem Mann begegnet, der als Mitglied der italienischen Mafia in Haft sitzt und selbst schwere Straftaten verübt hat. Ihn soll S. angesprochen und nach einem Killer gefragt haben.

50.000 Euro Belohnung für die Beseitigung des Hauptbelastungszeugen seien kein Problem, soll er dem Camorra-Mann gesagt und auch konkrete Wege und Personen außerhalb der Haft genannt haben, über die der Killer an sein Geld und Details über die Lebensgewohnheiten des "Spions" kommen könne.

Verfahren bleibt in Stuttgart

Auch wenn diese mögliche Planung unmittelbar das Terror-Verfahren vor dem OLG Stuttgart betrifft, hat der Generalbundesanwalt bislang abgewunken und das Verfahren nicht übernommen, sondern bei der Staatsanwaltschaft Augsburg belassen. Vielleicht auch deshalb, weil der Mafia-Mann plötzlich nicht mehr mit den Ermittlern sprechen will - nachdem sich in der Justizvollzugsanstalt herumgesprochen hat, wozu er aussagen soll.

Für den Prozess am OLG Stuttgart ist der Vorfall trotzdem von erheblicher Bedeutung, denn er unterstreicht, in welcher Gefahr sich der V-Mann befindet, der selbst zu den Angeklagten gehört. Besondere Sicherheitsvorkehrungen sind deswegen notwendig - und das in der Pandemie-Situation, die zusätzliche Maßnahmen im Gerichtssaal erfordert.

Prozess findet in Stammheim statt

Am OLG Stuttgart war deshalb zeitweise erwogen worden, eine eigene Traglufthalle aufzustellen oder in die Stuttgarter Messehallen auszuweichen. Doch nach SWR-Informationen hat das Gericht inzwischen eine Reihe von eigenen Versuchen im neuen Hochsicherheitsgebäude in Stuttgart-Stammheim unternommen und mit dem Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart ein Konzept abgestimmt. Der Prozess soll am 14. April beginnen.

Geprüft wird derzeit hinter den Kulissen noch, ob die Verfahrensbeteiligten vor Prozessbeginn gegen Corona geimpft werden können. Eine entsprechende Anregung von Verfahrensbeteiligten liegt derzeit zur Prüfung im Justizministerium. Doch ausgerechnet mutmaßliche Rechtsterroristen und "Reichsbürger" bevorzugt zu impfen, kann man sich in Stuttgart zwei Wochen vor der Landtagswahl wohl nicht wirklich vorstellen.

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Augsburger Allgemeine Online, 25.02.2021:

Rechte Terror-Zelle: Hat Werner S. aus der U-Haft einen Auftragskiller engagiert?

Vor einem Jahr hat die Polizei eine rechte Terror-Zelle ausgehoben, deren mutmaßlicher Anführer, Werner S. aus Mickhausen, ist in U-Haft. Bald soll der Prozess beginnen.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Anklage gegen zwölf Mitglieder und Unterstützer der mutmaßlichen rechten Terrorgruppe "Gruppe S." zugelassen. Der Prozess solle ab dem 13. April beginnen, teilte ein Gerichtssprecher am Donnerstag mit. Der SWR hatte zuerst berichtet.

Rechte Terror-Gruppe: Angeklagter soll versucht haben, Mörder anzuheuern

Nach Medien-Recherchen hat der als Rädelsführer angeklagte Werner S., nach dem die Gruppe auch benannt ist, in der Untersuchungshaft in Augsburg versucht, einen Mörder anzuheuern. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg bestätigte dem SWR auf Nachfrage ein solches Ermittlungsverfahren. S. soll einem früheren Mafia-Mitglied bis zu 50.000 Euro angeboten haben, wenn er den Hauptzeugen des Prozesses tötet.

Die Terror-Zelle soll laut Bundesanwaltschaft Anschläge auf Moscheen geplant haben, um den politischen Umsturz einzuleiten. Laut Anklage hatten die Gründungsmitglieder das Ziel, "mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Sie sollen hauptsächlich Gewalt gegen Muslime, aber auch gegen politisch Andersdenkende erwogen haben.

Die zwölf Angeklagten sind deutsche Staatsbürger, elf davon sitzen in Untersuchungshaft. (dpa)

Bildunterschrift: Bei Razzien gegen die rechte Terror-Gruppe "Gruppe S." wurden damals zwölf Mitglieder oder Unterstützer festgenommen.

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Südwestrundfunk, 25.02.2021:

Terror-Zelle soll Anschläge auf Moscheen geplant haben / Prozess gegen rechtsextreme "Gruppe S." im April

25.02.2021 - 15.24 Uhr

Von Holger Schmidt

Das Oberlandesgericht Stuttgart will nach SWR-Informationen ein Verfahren gegen die rechte Terror-Zelle "Gruppe S." eröffnen. Inzwischen sucht der Hauptbeschuldigte offenbar einen Auftragsmörder für den wichtigsten Belastungszeugen.

Begonnen hatte offenbar alles in Alfdorf (Rems-Murr-Kreis). Bei einem Treffen auf dem Grillplatz "Hummelgautsche" hat sich dort 2019 eine rechtsterroristische Gruppe gegründet. Nun soll nach SWR-Informationen am 14. April der Prozess gegen die "Gruppe S." am Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart beginnen.

Der Generalbundesanwalt wirft zwölf Beschuldigten vor, schwerste Straftaten geplant zu haben: Mordanschläge auf Muslime in Moscheen und linke Gruppen sowie Politiker. Einigen Männern wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, anderen die Unterstützung eben dieser Vereinigung, die die Ermittler nach dem Namen des mutmaßlichen Anführers "Gruppe S." nennen.

Gruppe S. seit Gründung auf dem Radar

Auf die Spur gekommen waren sie der Gruppe durch einen Spitzel, der sich zunächst angeschlossen, dann aber das Treiben der Rechtsextremen an die Polizei verraten hatte. Deswegen konnte die Gruppe schon bei ihrem Gründungstreffen in Alfdorf ebenso überwacht werden, wie bei einem späteren wichtigen Planungstreffen in Minden (NRW). Am 14. Februar 2020 hoben dann Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg mit Hilfe weiterer Polizeibehörden die bundesweit verteilte Gruppe aus.

Anfang dieser Woche hat der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz von Herbert Anderer nach SWR-Informationen nun entschieden, die Anklage gegen alle Männer zuzulassen und die Hauptverhandlung am 14. April im hochgesicherten Verhandlungssaal des Gerichts in Stuttgart Stammheim zu eröffnen. Doch das Gericht steht dabei noch vor einer Reihe von logistischen Problemen - und eines davon ist der Hauptbeschuldigte selbst. Denn er ist offenbar weiterhin brandgefährlich.

Hauptbeschuldigter sucht Auftragsmörder

Aus der Untersuchungshaft in Augsburg heraus soll Werner S. nach SWR-Recherchen Ende des vergangenen Jahres versucht haben, einen Auftragsmörder für den Spitzel in der Gruppe anzuwerben. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat deswegen ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Werner S. eröffnet, wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, Matthias Nickolai dem SWR. In der Haft, so sehen es die Ermittler, ist Werner S. einem Mann begegnet, der als Mitglied der italienischen Mafia in Haft sitzt und selbst schwere Straftaten verübt hat. Ihn soll S. angesprochen und nach einem Killer gefragt haben. 50.000 Euro Belohnung für die Beseitigung des Hauptbelastungszeugen seien kein Problem, soll er dem Camorra-Mann gesagt und auch konkrete Wege und Personen außerhalb der Haft genannt haben, über die der Killer an sein Geld und Details über die Lebensgewohnheiten des "Spions" kommen könne.

Auch wenn diese mögliche Planung unmittelbar das Terror-Verfahren vor dem OLG Stuttgart betrifft, hat der Generalbundesanwalt bislang abgewunken und das Verfahren nicht übernommen, sondern bei der Staatsanwaltschaft Augsburg belassen. Vielleicht auch deshalb, weil der Mafia-Mann plötzlich nicht mehr mit den Ermittlern sprechen will - nachdem sich in der Justizvollzugsanstalt herumgesprochen hat, wozu er aussagen soll.

V-Mann - angeklagt und gefährdet

Für den Prozess am OLG Stuttgart ist der Vorfall trotzdem von erheblicher Bedeutung. Denn er unterstreicht, in welcher Gefahr sich der V-Mann befindet, der selbst zu den Angeklagten gehört. Besondere Sicherheitsvorkehrungen sind deswegen notwendig. Und dass in der Pandemie-Situation, die zusätzliche Maßnahmen im Gerichtssaal erfordert. Am OLG Stuttgart war deshalb zeitweise erwogen worden, eine eigene Traglufthalle aufzustellen oder in die Stuttgarter Messehallen auszuweichen. Doch nach SWR-Informationen hat das Gericht inzwischen eine Reihe von eigenen Versuchen im eigentlich nagelneuen Hochsicherheitsgebäude in Stuttgart-Stammheim unternommen und mit dem Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart ein Konzept abgestimmt. Der Prozess soll am 14. April beginnen.

Und dann auch noch Corona

Geprüft wird derzeit hinter den Kulissen noch, ob die Verfahrensbeteiligten vor Prozessbeginn gegen Corona geimpft werden können. Eine entsprechende Anregung von Verfahrensbeteiligten liegt derzeit zur Prüfung im Justizministerium. Doch ausgerechnet mutmaßliche Rechtsterroristen und "Reichsbürger" bevorzugt zu impfen, kann man sich in Stuttgart zwei Wochen vor der Landtagswahl wohl nicht wirklich vorstellen.

Bildunterschrift: Ein Gruppenfoto des Gründungstreffens der mutmaßlichen rechtsterroristischen "Gruppe S." an der "Hummelgautsche" bei Alfdorf (Rems-Murr-Kreis) im September 2019.

Bildunterschrift: Blick auf einen neuen Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in Stammheim.

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Der Ge­ne­ral­bun­des­an­walt beim Bundesgerichtshof, 13.11.2020:

Anklage gegen elf mutmaßliche Mitglieder sowie einen mutmaßlichen Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung ("Gruppe S.") erhoben

Die Bundesanwaltschaft hat am 4. November 2020 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart Anklage gegen

elf mutmaßliche Mitglieder einer rechtsterroristischen Vereinigung, und zwar

den deutschen Staatsangehörigen Werner S.
den deutschen Staatsangehörigen Tony E.,
den deutschen Staatsangehörigen Michael B.,
den deutschen Staatsangehörigen Frank H.,
den deutschen Staatsangehörigen Thomas N.,
den deutschen Staatsangehörigen Paul-Ludwig U.,
den deutschen Staatsangehörigen Marcel W.
den deutschen Staatsangehörigen Wolfgang W.,
den deutschen Staatsangehörigen Steffen B.,
den deutschen Staatsangehörigen Stefan K. und
den deutschen Staatsangehörigen Markus K.,

sowie gegen einen mutmaßlichen Unterstützer dieser Vereinigung,

den deutschen Staatsangehörigen Thorsten W.,

erhoben.

Die Angeschuldigten Werner S., Tony E., Michael B., Frank H., Thomas N., Paul-Ludwig U., Marcel W. und Wolfgang W. sind hinreichend verdächtig, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet und sich anschließend an ihr als Mitglieder beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1StGB). Werner S. und Tony E. sollen dabei Rädelsführer der Vereinigung gewesen sein.

Den Angeschuldigten Steffen B., Stefan K. und Markus K. wird ebenfalls Mitgliedschaft in dieser Vereinigung vorgeworfen. Thorsten W. ist wegen Unterstützung angeklagt (§ 129a Abs. 5 Satz 1 StGB).

Zudem werden den Angeschuldigten Werner S., Steffen B., Michael B., Frank H., Thomas N., Stefan K. und Wolfang W. Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen.

In der Anklageschrift ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:

Werner S., Tony E., Michael B., Frank H., Thomas N., Marcel W., Wolfang W. und Paul-Ludwig U. gründeten bei einem persönlichen Treffen im September 2019 die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S.". Diese Zusammenkunft und der Zusammenschluss fanden auf Betreiben von Werner S. statt.

Die Gründungsmitglieder zielten darauf ab, mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden. Zu diesem Zweck sollten durch Angriffe auf Moscheen und die Tötung oder Verletzung einer möglichst großen Anzahl dort anwesender muslimischer Gläubiger bürgerkriegsähnliche Zustände herbeigeführt werden. Es wurde auch erwogen, gewaltsam gegen politisch Andersdenkende vorzugehen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt führte Werner S. eine scharfe Pistole mit sich, mit der er am Ort des Treffens auch Schießübungen durchführte.

Spätestens am 3. Oktober 2019 erfolgte der Beitritt von Steffen B. und Stefan K. Ab Januar 2020 beteiligte sich der Angeschuldigte Markus K. mitgliedschaftlich an der Vereinigung und versuchte seinerseits im Zusammenwirken mit Thomas N., neue Mitglieder zu gewinnen.

Um ihr Vorhaben in die Tat umsetzen zu können, trafen sich die Angeschuldigten auch nach dem Gründungstreffen in unterschiedlichen Besetzungen mehrfach persönlich. Diese Zusammenkünfte wurden wiederum durch Werner S. koordiniert, der in einigen Fällen durch den Beschuldigten Tony E. unterstützt wurde. Zudem standen die Angeschuldigten untereinander über Chat-Gruppen verschiedener Messenger-Dienste sowie telefonisch in Kontakt.

Im Laufe der Zeit wurde innerhalb der Vereinigung der Entschluss gefasst, sich für die ins Auge gefassten Anschläge Schusswaffen zu beschaffen. Der hierfür notwendige und in Höhe von 50.000 Euro veranschlagte Geldbetrag sollte dabei durch die Mitglieder aufgebracht werden. Lediglich Paul-Ludwig U. sah sich aus wirtschaftlichen Gründen dazu nicht in der Lage. Die übrigen Mitglieder hingegen sagten zu, jeweils namhafte Beträge im vierstelligen Bereich beizusteuern. Auch der Angeschuldigte Thorsten W. als Nicht-Mitglied erklärte seine Bereitschaft, die Vereinigung für den Waffenerwerb finanziell zu unterstützen.

Der Angeschuldigte Paul-Ludwig U. befindet sich auf freiem Fuß. Die übrigen Angeschuldigten wurden am 14. Februar 2020 vorläufig festgenommen und am Folgetag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der gegen sie den Vollzug von Untersuchungshaft angeordnet hat (vgl. Pressemitteilungen Nr. 5 vom 14. Februar 2020 und Nr. 6 vom 15. Februar 2020).

Ulf R., der ebenfalls am 14. Februar 2020 vorläufig festgenommene worden war, ist während der gegen ihn vollzogenen Untersuchungshaft verstorben.

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Mindener Tageblatt, 13.11.2020:

Anklage gegen rechte Terror-Zelle

Karlsruhe / Minden (dpa). Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen zwölf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer rechten Terror-Zelle erhoben. Die Männer sollen sich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten. Demnach sind elf Männer wegen Mitgliedschaft in der so genannten Gruppe S. angeklagt, ein weiterer wegen Unterstützung. Unter den Verdächtigen sind auch zwei Männer aus Minden. Ein dritter Verdächtiger aus Porta Westfalica hatte sich im Sommer in der Untersuchungshaft das Leben genommen.

Im Februar waren bei Razzien zwölf Männer festgenommen worden und in Untersuchungshaft gekommen, weil sie Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben sollen. Ziel sei es gewesen, Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen, hatte die Bundesanwaltschaft damals mitgeteilt. Zum Kern der Gruppe soll Thomas N. aus Minden gehört haben.

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tagesschau.de, 12.11.2020:

Anklage gegen "Gruppe S."

12.11.2020 - 13.45 Uhr

Verdächtige aus rechtsextremen Bürgerwehren

Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen die so genannte "Gruppe S." erhoben. Nach Informationen von WDR, NDR und SZ hatte der mutmaßliche Rädelsführer seine Mitstreiter dabei vor allem aus Bürgerwehren rekrutiert, vor deren Terror-Potenzial schon länger gewarnt wird.

Von Tobias Dammers, NDR, und Lena Kampf, WDR

Es ist eins der größten Ermittlungsverfahren, das das LKA Baden-Württemberg geführt hat: Für den Generalbundesanwalt (GBA) war die Sonderkommission "Valenz" in den vergangenen Monaten teilweise mit Hunderten Beamten im Einsatz, führte 53 Durchsuchungen durch und stellte dabei mehr als 1.200 Asservate sicher - darunter rund 300 Mobiltelefone, Computer oder Festplatten. Insgesamt werteten die Ermittler fast 18 Terabyte Daten aus, unter anderem rund 60 Millionen Chat- und Sprachnachrichten, Fotos oder Videos. Mehr als 50 Zeugen wurden befragt.

Nun liegt dem Oberlandesgericht Stuttgart die Anklage des GBA vor. Nach Informationen von WDR, NDR und SZ sind die Vorwürfe nach den Festnahmen im Februar im Laufe der Ermittlungen noch einmal härter geworden. Zwölf Männer werden darin beschuldigt, unter der Rädelsführerschaft von Werner S. und seiner rechten Hand Tony E. die rechtsterroristische Vereinigung "Gruppe S." gegründet zu haben, um Anschläge auf Moscheen, Geflüchtete und Politiker zu begehen. Ihr Ziel soll es gewesen sein, "bürgerkriegsartige Zustände" in Deutschland auszulösen.

Geld für Waffen zugesagt

Neun der Männer gelten laut GBA als Mitglieder, einer als Unterstützer. Ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer war im Juni in der Untersuchungshaft verstorben. Die Anklageschrift, etwa 200 Seiten stark, führt aus, dass die mutmaßliche Terror-Gruppe sich im September 2019 bei einem Treffen in Alfdorf gegründet haben soll. Bei zwei weiteren Treffen soll sich der Plan der Männer, die sonst vornehmlich in verschiedenen Chat-Gruppen kommunizierten, konkretisiert haben.

Bei einem Treffen in Minden Anfang Februar soll über Anschläge auf Moscheen gesprochen worden sein, außerdem sagten die Männer zu, Geld für die Beschaffung von Waffen zur Verfügung zu stellen. Einer der Männer hatte sich der Polizei als Informant angeboten und umfassend über die Gruppe berichtet.

Nach Informationen von WDR, NDR und SZ waren zehn der zwölf Männer Mitglieder von Bürgerwehren, mehr als die Hälfte von ihnen wurden von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Aber nicht alle waren bereits auf dem Schirm der Behörden. So war Werner S. seit Jahren in der rechten Szene vernetzt. Er soll die Position des "Sergeant at Arms" bei der Gruppe "Soldiers of Odin Germany" innegehabt haben. Dabei handelt es sich um eine Bürgerwehr, die 2017 nach dem Vorbild eines finnischen Rechtsextremisten gegründet wurde. Sie ist die einzige Bürgerwehr, die in fast allen Bundesländern Unterabteilungen unterhält.

Viele waren bereits führend in Bürgerwehren aktiv

Werner S. war in Bayern aktiv, das dortige Landesamt für Verfassungsschutz stuft die "Soldiers of Odin" als rechtsextremistisch ein. Auch Werner S. war dem Landesamt dort unter seinem Alias "Teutonico" bekannt. Zudem war S. in der überregional agierenden neonazistischen Gruppierung "Freikorps" aktiv, die jedoch nicht mehr umfassend vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die letzte behördliche Information zum "Freikorps" stammt aus dem Jahr 2017.

Acht weitere Mitglieder der "Gruppe S." waren in Bürgerwehren aktiv. Sie hatten teilweise hochrangige Führungspositionen im "Freikorps", in der "Bruderschaft Deutschland", "Vikings Security", und "Wodans Erben Germania". Sechs von ihnen wurden ebenso wie Werner S. von Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Vier der mutmaßlichen Gruppe S. Mitglieder waren den Verfassungsschutzbehörden jedoch gänzlich unbekannt.

Rechtsextremismus kam so in bürgerliche Schichten

Die Zahl der rechten und rechtsextremistischen Bürgerwehren ist in Deutschland seit 2016 stark angewachsen - Rechtsextremisten versuchten im Zuge der Flüchtlingskrise an ein vermeintliches Gefühl der Unsicherheit der Bevölkerung anzuknöpfen, und vor Ort mit vermeintlich harmlos klingenden Spaziergängen "für Recht und Ordnung" zu sorgen.

Experten beobachteten mit Sorge, wie dadurch der Rechtsextremismus auch in bürgerlichen Schichten anschlussfähig wurde. So sind viele Bürgerwehren heute auch bei den Corona-Protesten aktiv, zuletzt bei der Demonstration in Leipzig.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte bereits vor den "rechtsterroristischen Potenzialen" gewarnt. Es sei oft ein fließender Übergang zu "gewalttätigem Handeln" gegeben.

Der Verteidiger von Werner S. war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

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Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land, 26./27.09.2020:

Reichsbürger-Flugblatt in Lübbecker Briefkästen aufgetaucht

Die bundesweit aktive Organisation namens "ewiger Bund" hatte erst vor wenigen Wochen einen größeren Polizei-Einsatz am Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica ausgelöst

Frank Hartmann

Lübbecke. Vor etwa drei Wochen berichtete die Verkäuferin eines Geschäftes in der Langen Straße, sie habe einen Kunden bedient, der einen Kaufvertrag abschließen wollte. Nachdem der Antrag ausgefüllt worden sei, habe sie den Mann gebeten, sich auszuweisen. Der Kunde habe daraufhin einen Ausweis mit dem Aufdruck "Deutsches Reich" vorgelegt und behauptet, der sei gültig. Es müsse sich wohl um einen Reichsbürger gehandelt haben, mutmaßt die Verkäuferin - also um jemanden, der laut Bundesamt für Verfassungsschutz die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik sowie deren Rechtsordnung "fundamental ablehnt".

Jetzt hat die Reichsbürger-Szene in Lübbecke erneut auf sich aufmerksam gemacht. In mehreren Briefkästen am Kutscherweg steckten DIN-A5-große Flugblätter mit Reichsadler. Darauf steht: "Wussten Sie, dass die Deutschen bis zum heutigen Tag einen rechtmäßigen Kaiser haben?" Antwort auf die Frage, wer die Deutschen seien, wird versprochen auf der Internetseite "ewiger Bund".

Auf dieser Seite steht kein einziger Name, und auch ein - vorgeschriebenes - Impressum mit Verantwortlichen fehlt. Dafür taucht der Reichsadler vom Flugblatt wieder auf. Nach wenigen Sätzen wird klar: Hier geht es um irreführende Propaganda. Gleich im ersten mehrerer Videos mit höchst zweifelhaftem Inhalt heißt es beispielsweise: "Deutsch und frei können wir sein! Wenn wir es wollen." Auch Corona-Verschwörungstheorien werden verbreitet - auf der Videoplattform YouTube.

Schlagzeilen machte die Gruppierung "ewiger Bund" zuletzt Anfang August dieses Jahres in der Nähe des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Porta Westfalica. Spaziergänger, die im Waldgebiet unterhalb des Denkmals unterwegs waren, hatten an einem Samstag gegen 14 Uhr die Polizei alarmiert, weil ihnen Symbole der Reichsbürger-Szene wie Fahnen mit dem Reichsadler aufgefallen waren. An Autos befanden sich diverse Aufkleber aus der Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene.

Die Polizisten stießen auf eine Gruppe von 20 Personen, im Durchschnitt 40 Jahre alt, aus dem ganzen Bundesgebiet. Sie hätten sich zunächst gegenüber den Beamten abweisend und unkooperativ verhalten. Ein Verantwortlicher für die Versammlung gab sich nicht zu erkennen. Die Polizei nahm die Personalien der Personen auf und sprach Platzverweise aus. Neben mehreren Fahnen und einem Banner mit der Aufschrift "Deutschland kommt zu sich - komm einfach mit" stellten die Einsatzkräfte eine Videokamera sicher. Damit wollte die Gruppierung offenbar die Versammlung filmen. Zur Liste der sichergestellten Gegenstände gehörten zudem ein Messer, ein Tierabwehrspray und eine geringe Menge an Betäubungsmittel. Die Einsatzleitung informierte den Staatsschutz.

Dass die Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter sich in den vergangenen Jahren erhöht hat, geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Weng (SPD) im Dezember vergangenen Jahres hervor. Demnach wohnen von insgesamt 81 Personen im Mühlenkreis, die dieser Szene zugeordnet werden, zwei in Lübbecke. In Espelkamp sind es sechs, in Pr. Oldendorf, Hüllhorst und Stemwede jeweils vier, in Rahden drei.

Beobachter der rechtsextremen Szene gehen davon aus, dass der bundesweit verbreitete "ewige Bund" im Kreis Minden-Lübbecke besonders aktiv ist. So durchsuchte etwa im März dieses Jahres ein Großaufgebot der Polizei einen Hof an der Hauptstraße in Pr. Oldendorf-Harlinghausen. Der dem Staatsschutz bestens bekannte Mann hatte wenige Wochen zuvor per Einschreiben einen Brief an zahlreiche Kitas verschickt, darunter an das AWO-Familienzentrum "Abenteuerland" in Espelkamp.

Harlinghauser hatte falsche Infos zum Impfen verbreitet

In dem Brief lag eine mehrseitige Broschüre mit gezielten Falschinformationen zum Impfen. In seinem Anschreiben, das der Mann mit blauer Tinte und vollem Namen unterzeichnet hatte, gab er sich als "bestimmter Gemeindevertreter" einer Fantasie-Organisation namens "Indigenat der Gemeinde Harlinghausen" aus. Dahinter steckt mutmaßlich die Reichsbürger-Organisation "Geeinte deutsche Völker und Stämme".

Dass die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter personell, organisatorisch und ideologisch heterogen ist, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt, belegen Ausführungen der Landesregierung zur so genannten "Gruppe S". So werden allein vier Personen mit Wohnsitz in NRW beschuldigt, am 25. November 2019 in Minden einer "terroristische Vereinigung" gebildet zu haben. Nach Erkenntnissen der Landesregierung sind drei der vier Beschuldigten in der Reichsbürger-Szene aktiv, einer davon zuvor auch in der Neonazi-Szene.

Im Fall des Flugblattes im Kutscherweg sagt Polizeisprecher Thomas Bensch auf NW-Anfrage, die Polizei leite Hinweise von betroffenen Anwohnern an den Staatsschutz weiter. Das trage dazu bei, dass die Kollegen in Bielefeld sich ein Bild von den Aktivitäten der Reichsbürger im Mühlenkreis und darüber hinaus machen könnten.

Bildunterschrift: Bei einem Polizei-Einsatz gegen Reichsbürger Anfang August dieses Jahres sperrten die Beamten einen Parkplatz unterhalb des Kaiser-Wilhelm-Denkmals.

Bildunterschrift: Im Lübbecker Kutscherweg verteiltes Flugblatt des "ewigen Bundes".

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Schaumburger Nachrichten Online, 16.09.2020:

Urteil gegen mutmaßliches "Gruppe S."-Mitglied: Mindener darf keine Waffen besitzen

16.09.2020 - 15.36 Uhr

Seit etwa sieben Monaten sitzen die mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der "Gruppe S." in Untersuchungshaft. Einem Mindener aus der Gruppe hat ein Gericht jetzt nach langem Rechtsstreit zudem den Besitz von erlaubnisfreien Waffen wie beispielsweise Gaspistolen untersagt.

Ein mutmaßliches Mitglied der "Gruppe S." - ein Fliesenleger aus Minden - muss einen weiteren "Rückschlag" hinnehmen. Ein Gericht bestätigte: Der Mann darf keine erlaubnisfreien Waffen wie Gaspistolen, Armbrüste oder Reizgas kaufen oder besitzen. Bereits seit einigen Jahren läuft der Streit zwischen dem mutmaßlichen Anhänger der Reichsbürger-Bewegung und den Behörden.

Im Februar dieses Jahres gelang den Ermittlern der Schlag gegen die mutmaßlich rechtsterroristische "Gruppe S.". Die Mitglieder sollen unter anderem Anschläge auf Moscheen geplant haben. Bundesweit kam es zu Durchsuchungen. Dabei richteten sich die Ermittlungen auch gegen drei Personen aus dem Kreis Minden-Lübbecke, die als mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer eingestuft werden.

Nähe zur Reichsbürger-Bewegung

Einem von ihnen, dem Fliesenleger, wurde bereits vor einigen Jahren untersagt, erlaubnisfreie Waffen zu besitzen oder zu kaufen. Denn schon damals lagen den Behörden Hinweise vor, dass der Mindener der Reichsbürger-Bewegung nahesteht. Der Mann wehrte sich gegen das Verbot. Das Mindener Verwaltungsgericht gab den Behörden zwar recht, doch der Mann legte Berufung ein - das Urteil war also lange nicht rechtskräftig. Der Fall landete schließlich beim Oberverwaltungsgericht in Münster.

Und auch dieses Gericht gab den Behörden nun Recht, wie aus dem entsprechenden Beschluss hervorgeht. Die Richter argumentierten ebenfalls mit der Nähe des Mannes zur Reichsbürger-Bewegung. Dadurch habe er eine entsprechende mangelhafte Einstellung gegenüber der geltenden Rechtsordnung.

So soll er zudem an seinem Auto entsprechende Aufkleber der Bewegung angebracht haben, in seiner Wohnung seien einschlägige Schriften gefunden worden und bei einer Durchsuchung der Wohnung habe er "entsprechendes Vokabular" benutzt sowie Polizisten bedroht. Laut eigenen Angabe hänge der Mann dem germanischen Kult an.

Der Mindener sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Als erlaubnisfreie Waffen gelten zum Beispiel Gaspistolen, Teleskopschlagstöcke, Pfefferspray oder Elektroschocker.

Auch einem anderen Mann aus dem Raum Minden-Lübbecke, der im Rahmen der Ermittlungen um die "Gruppe S." verhaftet wurde und seitdem in Untersuchungshaft saß, wurde bereits 2018 der Waffenschein entzogen. Auch er soll der Reichsbürger-Bewegung nahegestanden haben. Mitte Juli wurde er tot in seiner Zelle aufgefunden.

Ermittlungen dauern an

Die Generalbundesanwaltschaft, die die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der "Gruppe S." übernommen hatte, hält sich derweil bedeckt. Ein Sprecher: "Die Ermittlungen dauern an."

Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppen oder einzelne Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten oder deren Rechtsordnung ablehnen. Ein kleiner Teil der Reichsbürger gilt als gewaltbereit, bei einigen wurden Schusswaffen gefunden.

Bildunterschrift: Eine Spezialeinheit der Polizei stellte im Februar in Kleinenbremen Beweismittel sicher.

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Lippische Landes-Zeitung Online, 16.09.2020:

Mutmaßliches Mitglied der "Gruppe S." aus OWL darf keine Waffen besitzen

16.09.2020 - 10.20 Uhr

Bielefeld / Minden. Seit etwa sieben Monaten sitzen die mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der "Gruppe S." in Untersuchungshaft. Einer von ihnen - ein Fliesenleger aus Minden - musste nun einen weiteren "Rückschlag" hinnehmen. Ein Gericht bestätigte: Der Mann darf keine erlaubnisfreien Waffen wie Gaspistolen, Armbrüste oder Reizgas kaufen oder besitzen. Bereits seit einigen Jahren läuft der Streit zwischen dem mutmaßlichen Anhänger der Reichsbürger-Bewegung und den Behörden.

Im Februar dieses Jahres gelang den Ermittlern der Schlag gegen die mutmaßlich rechtsterroristische "Gruppe S.". Die Mitglieder sollen unter anderem Anschläge auf Moscheen geplant haben. Bundesweit kam es zu Durchsuchungen. Dabei richteten sich die Ermittlungen auch gegen drei Personen aus dem Kreis Minden-Lübbecke, die als mutmaßliche Mitglieder oder Unterstützer eingestuft werden.

Verbot bereits vor wenigen Jahren

Einem von ihnen - der Fliesenleger - wurde bereits vor einigen Jahren untersagt, erlaubnisfreie Waffen zu besitzen oder zu kaufen. Denn schon damals lagen den Behörden Hinweise vor, dass der Mindener der Reichsbürger-Bewegung nahesteht. Der Mann wehrte sich gegen das Verbot. Das Mindener Verwaltungsgericht gab den Behörden zwar recht, doch der Mann legte Berufung ein .- das Urteil war also lange nicht rechtskräftig. Der Fall landete schließlich beim Oberverwaltungsgericht in Münster.

Und auch dieses Gericht gab den Behörden nun Recht, wie aus dem entsprechenden Beschluss hervorgeht. Die Richter argumentierten ebenfalls mit der Nähe des Mannes zur Reichsbürger-Bewegung. Dadurch habe er eine entsprechende mangelhafte Einstellung gegenüber der geltenden Rechtsordnung. So soll er zudem an seinem Auto entsprechende Aufkleber der Bewegung angebracht haben, in seiner Wohnung seien einschlägige Schriften gefunden worden und bei einer Durchsuchung der Wohnung habe er "entsprechendes Vokabular" benutzt sowie Polizisten bedroht. Laut eigenen Angabe hänge der Mann dem germanischen Kult an.

Der Mindener sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Als erlaubnisfreie Waffen gelten zum Beispiel Gaspistolen, Teleskopschlagstöcke, Pfefferspray oder Elektroschocker.

Ermittlungen zur "Gruppe S." dauern an

Auch einem anderen Mann aus dem Raum Minden-Lübbecke, der im Rahmen der Ermittlungen um die "Gruppe S." verhaftet wurde und seitdem in Untersuchungshaft saß, wurde bereits 2018 der Waffenschein entzogen. Auch er soll der Reichsbürger-Bewegung nahegestanden haben. Mitte Juli wurde er tot in seiner Zelle aufgefunden.

Die Generalbundesanwaltschaft, die die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der "Gruppe S." übernommen hatte, hält sich derweil bedeckt. Ein Sprecher: "Die Ermittlungen dauern an."

So viele Reichsbürger-Hinweise gibt es in OWL

Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppen oder einzelne Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten oder deren Rechtsordnung ablehnen. Ein kleiner Teil der Reichsbürger gilt als gewaltbereit, bei einigen wurden Schusswaffen gefunden.

Der Staatsschutz in Bielefeld teilte auf nw.de-Anfrage mit: Bis jetzt wurden in OWL bei 461 Personen Hinweise bekannt, die auf eine Zugehörigkeit zur Reichsbürger- oder Selbstverwalter-Szene schließen ließen. Fünf mehr als noch im Februar dieses Jahres. Als Reichsbürger-Hochburgen in der Region gelten die Kreise Herford und Minden-Lübbecke. Aus Antworten auf Kleine Anfragen im NRW-Landtag geht hervor, dass im Kreis Herford 105 und im Kreis Minden-Lübbecke 81 Reichsbürger ansässig sind. Im NRW-Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 wurde von 3.200 Reichsbürgern im gesamten Bundesland berichtet, in ganz Deutschland sind es sogar 19.000.

Bildunterschrift: Mitte Februar wurden die mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der "Gruppe S." in den Bundesgerichtshof zu Haftrichtern gebracht. Auch drei Personen aus OWL sind darunter (Symbolfoto).

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tagesschau.de, 06.09.2020:

Gruppe S. und die Polizei / Auf dem rechten Auge blind?

06.09.2020 - 18.00 Uhr

Rechtsextreme Chats und Reichsbürger-Akten - gut sechs Monate nach der Festnahme eines Polizeimitarbeiters werden weitere Details bekannt. Das NRW-Innenministerium kritisiert, dass die Dienststelle den Mann nicht genauer überprüft habe.

Von Lena Kampf, Arne Hell und Marc Steinhäuser, WDR

Als nach seiner Festnahme erstmals das Büro von Thorsten W. in der Polizeiwache Bockum / Hövel durchsucht wurde, stießen die Ermittler schnell auf Einschlägiges: Stapelweise lagerte W. rechte Zeitungen in seinem Büro, darunter die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Zeitung "Unabhängige Nachrichten". Auf dem Schreibtisch stand eine Tasse der rechten Zeitung "Junge Freiheit", Exemplare der Wochenzeitschrift soll er in der Dokumentenablage und im Aktenbock gelagert haben. Unter der Schreibtischauflage lag ein Katalog von Thor Steinar, einer bei Neonazis beliebten Marke.

Der Verwaltungsbeamte, eingesetzt im Verkehrskommissariat des Polizeipräsidiums Hamm, sitzt seit Februar in Untersuchungshaft, ihm wird vorgeworfen die so genannte "Gruppe S." finanziell unterstützt zu haben. Die mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung soll Anschläge auf Politiker und Moscheen geplant haben. Nach Informationen von WDR und SZ soll er bei einem Treffen der Gruppe, bei dem die Beschaffung von Waffen geplant worden sei, eine Pistole bestellt haben.

Gruppe S. "zu heftig"?

Auf Anfrage will sich der Verteidiger von W. nicht zu den Vorwürfen äußern. Zwar soll dieser nach dem Treffen gesagt haben, die Gruppe S. sei ihm "zu heftig", er wolle sich zurückziehen, aber an der rechtsextremistischen Gesinnung von Thorsten W. haben Ermittler keinen Zweifel. Dennoch konnte der Mann im Polizeipräsidium Hamm jahrelang seinen Dienst tun.

Für die nordrhein-westfälischen Behörden ist der Fall dramatisch: Denn wie Recherchen von WDR und SZ zeigen, könnte W. seine Position sogar genutzt haben, um dienstliche Erkenntnisse über die Reichsbürger-Szene zu sammeln, mit der er wohl selbst sympathisierte. So soll er auf ein vertrauliches Lagebild der Polizei "Auswertungsschwerpunkt Reichsbürger" zugegriffen und es sich an seine private E-Mail-Adresse geschickt haben.

Weitere Polizeimitarbeiter unter Rechtsextremismus-Verdacht

Außerdem soll er sich mit gleichgesinnten Kollegen vernetzt haben. Durch die Ermittlungen gegen ihn stehen nun auch zwei weitere Mitarbeiter der Polizei Hamm unter Rechtsextremismus-Verdacht, ein Polizeihauptkommissar und ein Angestellter der Verwaltung. In einer der Chat-Gruppen sollen sich W. und sein Chat-Partner mehrere tausend Nachrichten geschickt haben, darunter NS-Propaganda, SS-Verherrlichungen und rassistische Sprüche. Die Männer sollen sich in dem Chat mit "Heil" gegrüßt und sich Hakenkreuz-Emojis geschickt, außerdem Witze darüber gemacht haben, Ausländer erschießen zu wollen.

Spätestens seit immer wieder Droh-Faxe des so genannten "NSU 2.0" mit persönlichen Daten der Betroffenen verschickt werden, die vorher von Polizei-Computern abgerufen wurden, wird die Frage nach Extremisten in Uniform zunehmend schärfer diskutiert. Lange wurden Rechtsextremisten bei Polizei und Bundeswehr von Behördenleitern als Einzelfälle abgetan, doch Experten gingen schon immer von einer höheren Dunkelziffer aus. Möglicherweise auch, weil nicht immer konsequent genug gegen sie vorgegangen wird. Wie im Fall W.?

Reichsbürger-Aufkleber und Thor-Steinar-Pulli

Zwar hatte Thorsten W. lange vor seiner Festnahme für Irritationen unter Kollegen gesorgt. So soll W. Kollegen mit Reichsbürger-Aufklebern an seinem Auto und einen Thor-Steinar-Pulli aufgefallen sein. Es gab Gespräche, einen Flyer an seiner Windschutzscheibe, auf dem Bundeskanzlerin Angela Merkel verbrecherisches Handeln angelastet wird, soll er dabei mit seinem "Unmut über die politische Situation" gerechtfertigt haben.

Disziplinarisch wurde jedoch offenbar nichts unternommen. Zwar soll es Vermerke geben, aber keinen offiziellen Eintrag in der Polizeiakte. Das Polizeipräsidium Hamm befasste sich offenbar erst eingehender mit ihrem Mitarbeiter, nachdem die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe im Zuge der Ermittlungen gegen die "Gruppe S." auf Thorsten W. aufmerksam wurde.

Reul will "Extremismus nicht dulden"

"Es gab Hinweise, aber die sind nicht zusammengeführt worden", sagte Erich Sievert, Polizeipräsident in Hamm, nach der Festnahme im Februar. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) gab sich schockiert. Er werde "Extremismus nicht dulden", sagte er und kündigte an, ab sofort in den Behörden stärker nach Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen zu suchen - er setzte in jedem Präsidium so genannte Extremismus-Beauftragte ein. Entsprechende Warnsignale "dürfen nicht ignoriert werden", sagt er im Februar vor dem Innenausschuss des Landtags.

Mit den Recherchen von WDR und SZ konfrontiert, wird das Innenministerium noch deutlicher. Im Fall W. "haben Vorgesetzte versäumt, eindeutige Anhaltspunkte für die rechtsextreme Gesinnung ausreichend zu würdigen", sagt ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Aus der Sicht des Ministeriums hätte lange vor den Terror-Ermittlungen der Bundesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren und ein so genanntes "Prüfverfahren rechts" eingeleitet werden müssen.

Vom Dienst suspendiert

Sowohl gegen Thorsten W., als auch seine Kollegen aus der rechtsextremen Chat-Gruppe ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Dortmund wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Alle sind vom Dienst suspendiert.

Auch gegen Thorsten W. ist das Polizeipräsidium Hamm jetzt weiter vorgegangen: Die Behörde widerrief die Waffenbesitzkarte, die sie ihm 2003 ausgestellt hatte und sprach ein Waffenverbot gegen W. aus. Gegen beide Entscheidungen klagt W. bereits vor dem Verwaltungsgericht.

Allerdings kennen seine Vorgesetzten jetzt auch das, was er auf Facebook und dem Netzwerk V-Kontakte unter Pseudonym gepostet haben soll: eine Aufforderung an Polizisten, ihre Dienstwaffe gegen "Gesindel" einzusetzen etwa. Oder die Aussage, man müsse auch mal Terror-Anschläge verüben - auch mit unbeteiligten Toten.

Bildunterschrift: Nach Erkenntnissen der Ermittler soll die "Gruppe S." das Ziel verfolgt haben, bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen.

Bildunterschrift: Polizeipräsident Erich Sievert räumte ein, dass die Hinweise nicht ausreichend zu einem Bild zusammengefügt wurden.

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Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land, 18./19.07.2020:

Tod in der Zelle

Nach bisherigen Ermittlungen beging der mutmaßliche Rechtsterrorist aus Kleinenbremen Suizid / Außerhalb der Szene war er unauffällig

Stefan Koch

Kreis Minden-Lübbecke. Am Ende richtete er die Gewalt gegen sich selbst: Nachdem am Montagmittag der mutmaßliche Unterstützer eines rechtsradikalen Terror-Netzwerkes aus Kleinenbremen leblos in seiner Gefängniszelle der Justizvollzugsanstalt Dortmund aufgefunden wurde, gehen die Ermittler von einer Selbsttötung aus.

Wie ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund erklärte, seien die Ermittlungen zum Tod von Ulf R. aufgenommen worden, sodass am Donnerstag eine Obduktion der Leiche stattfand. Da sich der 46-Jährige allein in seiner Zelle befunden habe, gebe es bislang keine Zweifel an einem Suizid. Zu einem möglicherweise vorhandenen Abschiedsschreiben des ehemaligen Lageristen wollte sich die Staatsanwaltschaft gestern nicht äußern.

Nach Hinweisen eines V-Mannes aus der rechten Szene war die Bundesanwaltschaft auf das Netzwerk "Gruppe S." aufmerksam geworden. Im Februar ließ die Bundesanwaltschaft an 13 Orten in Baden- Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Wohnungen durchsuchen und nahm nach Razzien zwölf Tatverdächtige fest. Darunter auch den 55- jährigen Fliesenleger Thomas N. aus Minden, der zu den vier Hauptverdächtigen gehört, den 35-jährigen Mindener Markus K., der an der Organisation mehrerer rechtsextremer Demonstrationen in Bad Nenndorf beteiligt sein soll, und Ulf R. Der Lagerarbeiter aus Kleinenbremen soll auf Facebook mit dem hauptverdächtigen Mindener befreundet gewesen sein.

Er soll zugesagt haben, den harten Kern der Gruppe mit Hilfe bei Anschlägen sowie einem Betrag von 50.000 Euro für die Beschaffung von Waffen unterstützen zu wollen. Bei der Razzia am 14. Februar fand die Polizei mehrere scharfe Waffen und selbst gebaute Handgranaten bei ihm. Letzte stellte der Kampfmittelräumdienst sicher.

Nach ersten Vernehmungen hatte Ulf R. seine Beteiligung an der Terror-Zelle eingeräumt und Hinweise auf ein Depot in einem nahe gelegenen Wald gegeben. Beobachter bemerkten, wie er in Handschellen und mit einem Tuch über dem Kopf aus einem Haus in einen Zivilwagen der Polizei gebracht wurde. Danach fuhren die Beamten mit dem Beschuldigten in den Wald, wo er ihnen Verstecke gezeigt haben soll.

Auch vor seiner Inhaftierung war Ulf R. der Polizei bekannt. So soll er sich in der Reichsbürger-Szene bewegt haben, sodass ihm deswegen 2018 der Waffenschein entzogen wurde. Beobachter der rechten Szene stellten fest, dass nach Bekanntwerden des Todes von Ulf R. im Netz wilde Verschwörungstheorien über dessen Ableben kursierten. In einer neonazistischen Gruppe des Messengers Telegram spielten die Urheber auf Rudolf Hess an, über dessen Selbstmord sich in der Szene bis heute eine Mordtheorie hält. Bis zu seiner Festnahme war über den 46-Jährigen, der als Lagerarbeiter bei einem Mindener Unternehmen beschäftigt war, wenig bekannt. Ein Kenner der örtlichen Szene in Kleinenbremen erklärt, dass sich Ulf R. in der Öffentlichkeit weitgehend zurückgehalten habe und nicht mit anderen aktiven Rechtsradikalen in Erscheinung getreten sei. Auch in der Nachbarschaft habe er sich unauffällig verhalten. "Da war wohl alles mehr oder weniger unter dem Deckel geblieben", meint der Beobachter.

Vor allem nach der Zerschlagung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) habe sich die überörtliche Szene auch mit ihren Verlautbarungen in Sozialen Netzwerken zurückgehalten, um gegenüber Ermittlungsbehörden nicht weiter aufzufallen.

Bildunterschrift: Nach bundesweiten Razzien im Februar brachte die Polizei die Festgenommenen nach Karlsruhe zu den Haftrichtern des Bundesgerichtshofs . Seitdem befand sich Ulf R. in Untersuchungshaft.

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Mindener Tageblatt, 17.07.2020:

Tod in der Zelle

Nach bisherigen Ermittlungen beging der mutmaßliche Rechtsterrorist aus Kleinenbremen Suizid / Außerhalb der Szene war er unauffällig

Stefan Koch

Minden / Porta Westfalica-Kleinenbremen. Am Ende richtete er die Gewalt gegen sich selbst: Nachdem am Montagmittag der mutmaßliche Unterstützer eines rechtsradikalen Terror-Netzwerkes aus Kleinenbremen leblos in seiner Gefängniszelle der Justizvollzugsanstalt Dortmund aufgefunden wurde, gehen die Ermittler von einer Selbsttötung aus.

Wie ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund erklärte, seien die Ermittlungen zum Tod von Ulf R. aufgenommen worden, sodass am Donnerstag eine Obduktion der Leiche stattfand. Da sich der 46-Jährige allein in seiner Zelle befunden habe, gebe es bislang keine Zweifel an einem Suizid. Zu einem möglicherweise vorhandenen Abschiedsschreiben des ehemaligen Lageristen wollte sich die Staatsanwaltschaft gestern nicht äußern.

Nach Hinweisen eines V-Mannes aus der rechten Szene war die Bundesanwaltschaft auf das Netzwerk "Gruppe S." aufmerksam geworden. Im Februar ließ die Bundesanwaltschaft an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Wohnungen durchsuchen und nahm nach Razzien zwölf Tatverdächtige fest. Darunter auch den 55-jährigen Fliesenleger Thomas N. aus Minden, der zu den vier Hauptverdächtigen gehört, den 35-jährigen Mindener Markus K., der an der Organisation mehrerer rechtsextremer Demonstrationen in Bad Nenndorf beteiligt sein soll, und Ulf R.

Der Lagerarbeiter aus Kleinenbremen soll auf Facebook mit dem hauptverdächtigen Mindener befreundet gewesen sein. Er soll zugesagt haben, den harten Kern der Gruppe mit Hilfe bei Anschlägen sowie einem Betrag von 50.000 Euro für die Beschaffung von Waffen unterstützen zu wollen. Bei der Razzia am 14. Februar fand die Polizei mehrere scharfe Waffen und selbst gebaute Handgranaten bei ihm. Letzte stellte der Kampfmittelräumdienst sicher.

Nach Verhaftung die Polizei zum Depot geführt

Nach ersten Vernehmungen hatte Ulf R. seine Beteiligung an der Terror-Zelle eingeräumt und Hinweise auf ein Depot in einem nahe gelegenen Wald gegeben. Beobachter bemerkten, wie er in Handschellen und mit einem Tuch über dem Kopf aus einem Haus in einen Zivilwagen der Polizei gebracht wurde. Danach fuhren die Beamten mit dem Beschuldigten in den Wald, wo er ihnen Verstecke gezeigt haben soll.

Auch vor seiner Inhaftierung war Ulf R. der Polizei bekannt. So soll er sich in der Reichsbürger-Szene bewegt haben, sodass ihm deswegen 2018 der Waffenschein entzogen wurde. Beobachter der rechten Szene stellten fest, dass nach Bekanntwerden des Todes von Ulf R. im Netz wilde Verschwörungstheorien über dessen Ableben kursierten. In einer neonazistischen Gruppe des Messengers Telegram spielten die Urheber auf Rudolf Hess an, über dessen Selbstmord sich in der Szene bis heute eine Mordtheorie hält.

Bis zu seiner Festnahme war über den 46-Jährigen, der als Lagerarbeiter bei einem Mindener Unternehmen beschäftigt war, wenig bekannt. Ein Kenner der örtlichen Szene in Kleinenbremen erklärt, dass sich Ulf R. in der Öffentlichkeit weitgehend zurückgehalten habe und nicht mit anderen aktiven Rechtsradikalen in Erscheinung getreten sei. Auch in der Nachbarschaft habe er sich unauffällig verhalten. "Da war wohl alles mehr oder weniger unter dem Deckel geblieben", meint der Beobachter.

Vor allem nach der Zerschlagung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) habe sich die überörtliche Szene auch mit ihren Verlautbarungen in Sozialen Netzwerken zurückgehalten, um gegenüber Ermittlungsbehörden nicht weiter aufzufallen.

Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882165 und Stefan.Koch@MT.de.

Bildunterschrift: Nach bundesweiten Razzien im Februar brachte die Polizei die Festgenommenen nach Karlsruhe zu den Haftrichtern des Bundesgerichtshofs (BGH). Seitdem befand sich Ulf R. in Untersuchungshaft.

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Mindener Tageblatt, 17.07.2020:

Rechter Terror: Ermittlungen dauern an

Minden (sk). Nach dem Tod des mutmaßlichen Unterstützers des rechtsradikalen Terror-Netzwerks "Gruppe S." aus Kleinenbremen (Bericht im MT), befinden sich noch zwei Tatverdächtige aus Minden in Haft. Es handelt sich um den 35-jährigen Markus K. und den 55-jährigen Fliesenleger Thomas N. Sie gehören zu einer Gruppe von nunmehr elf Inhaftierten, die unter dem Verdacht stehen, Terroranschläge geplant zu haben, um in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen. Nach Razzien wurden sie Mitte Februar in Karlsruhe Haftrichtern vorgeführt und befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Dabei fand die Polizei auch Waffen und ein Erddepot. Nach Auskunft der Pressestelle des Generalbundesanwaltes gestalte sich das Ermittlungsverfahren gegen die Terror-Zelle umfangreich und werde in den kommenden Monaten noch nicht abgeschlossen sein. Derzeit ließen sich über den Zeitpunkt von Anklageerhebungen keine Aussagen machen. Zur Unterbringung der Beschuldigten machte die Generalbundesanwaltschaft ebenfalls keine Angaben. Erst nach seinem Tod am Montag erfuhr die Presse, dass der aus Kleinenbremen stammende Ulf R. in die Justizvollzugsanstalt Dortmund gebracht worden war. Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt die Todesursache und ging am Donnerstag von einem Suizid aus.

Seite 2

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Deister- und Weserzeitung, 17.07.2020:

Mutmaßlicher Terrorist tot in Zelle aufgefunden

Kleinenbremen. Ein mutmaßlicher Unterstützer der als rechtsterroristisch eingestuften "Gruppe S." ist tot in seiner Einzelzelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dortmund aufgefunden worden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund bestätigte, dass der 46-Jährige am Montagmittag leblos in der Zelle gefunden wurde.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund habe daraufhin ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion des Mannes angeordnet. Nach Informationen des Mindener Tageblattes handelt es sich bei dem 46-Jährigen um Ulf R. aus Kleinenbremen. Im Februar hatte der Generalbundesanwalt zwölf mutmaßliche Mitglieder eines Terror-Netzwerkes - darunter drei aus der Mindener Region - nach Razzien festnehmen lassen. Seitdem saß der Kleinenbremer in U-Haft.

Ihnen wurde zur Last gelegt, Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant zu haben, um in Deutschland "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Ulf R. soll zugesagt haben, Waffenkäufe finanziell zu unterstützen. (mt)

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Neue Westfälische Online, 16.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist soll sich selbst getötet haben

16.07.2020 - 19.49 Uhr

Wie ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund erklärte, seien die Ermittlungen zum Tod von Ulf R. aufgenommen worden, so dass am Donnerstag eine Obduktion der Leiche stattfand.

Stefan Koch

Minden / Porta Westfalica-Kleinenbremen. Am Ende richtete er die Gewalt gegen sich selbst: Nachdem am Montagmittag der mutmaßliche Unterstützer eines rechtsradikalen Terrornetzwerkes aus Kleinenbremen leblos in seiner Gefängniszelle der Justizvollzugsanstalt Dortmund aufgefunden wurde, gehen die Ermittler von einer Selbsttötung aus.

Wie ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund erklärte, seien die Ermittlungen zum Tod von Ulf R. aufgenommen worden, so dass am Donnerstag eine Obduktion der Leiche stattfand. Da sich der 46-Jährige allein in seiner Zelle befunden habe, gebe es bislang keine Zweifel an einem Suizid. Zu einem möglicherweise vorhandenen Abschiedsschreiben des ehemaligen Lageristen wollte sich die Staatsanwaltschaft bisher nicht äußern.

Razzien nach Tatverdächtigen in 13 Orten

Nach Hinweisen eines V-Mannes aus der rechten Szene war die Bundesanwaltschaft auf das Netzwerk "Gruppe S." aufmerksam geworden. Im Februar ließ die Bundesanwaltschaft an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Wohnungen durchsuchen und nahm nach Razzien zwölf Tatverdächtige fest.

Darunter auch den 55-jährigen Fliesenleger Thomas N. aus Minden, der zu den vier Hauptverdächtigen gehört, den 35-jährigen Mindener Markus K., der an der Organisation mehrerer rechtsextremer Demonstrationen in Bad Nenndorf beteiligt sein soll, und Ulf R.

Der Lagerarbeiter aus Kleinenbremen soll auf Facebook mit dem hauptverdächtigen Mindener befreundet gewesen sein. Er soll zugesagt haben, den harten Kern der Gruppe mit Hilfe bei Anschlägen sowie einem Betrag von 50.000 Euro für die Beschaffung von Waffen unterstützen zu wollen. Bei der Razzia am 14. Februar fand die Polizei mehrere scharfe Waffen und selbst gebaute Handgranaten bei ihm. Letzte stellte der Kampfmittelräumdienst sicher.

Beteiligung an Terror-Zelle eingeräumt

Nach ersten Vernehmungen hatte Ulf R. seine Beteiligung an der Terror-Zelle eingeräumt und Hinweise auf ein Depot in einem nahe gelegenen Wald gegeben. Beobachter bemerkten, wie er in Handschellen und mit einem Tuch über dem Kopf aus einem Haus in einen Zivilwagen der Polizei gebracht wurde. Danach fuhren die Beamten mit dem Beschuldigten in den Wald, wo er ihnen Verstecke gezeigt haben soll.

Auch vor seiner Inhaftierung war Ulf R. der Polizei bekannt. So soll er sich in der Reichsbürger-Szene bewegt haben, so dass ihm deswegen 2018 der Waffenschein entzogen wurde. Beobachter der rechten Szene stellten fest, dass nach Bekanntwerden des Todes von Ulf R. im Netz wilde Verschwörungstheorien über dessen Ableben kursierten. In einer neonazistischen Gruppe des Messengers Telegram spielten die Urheber auf Rudolf Hess an, über dessen Selbstmord sich in der Szene bis heute eine Mordtheorie hält.

Bis zu seiner Festnahme war über den 46-Jährigen, der als Lagerarbeiter bei einem Mindener Unternehmen beschäftigt war, wenig bekannt. Ein Kenner der örtlichen Szene in Kleinenbremen erklärt, dass sich Ulf R. in der Öffentlichkeit weitgehend zurückgehalten habe und nicht mit anderen aktiven Rechtsradikalen in Erscheinung getreten sei. Auch in der Nachbarschaft habe er sich unauffällig verhalten.

"Da war wohl alles mehr oder weniger unter dem Deckel geblieben", meint der Beobachter. Vor allem nach der Zerschlagung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) habe sich die überörtliche Szene auch mit ihren Verlautbarungen in Sozialen Netzwerken zurückgehalten, um gegenüber Ermittlungsbehörden nicht weiter aufzufallen.

Information /Anmerkung der Redaktion:

Generell berichten wir nicht über Selbsttötungen, es sei denn, es gibt besondere Gründe für eine erhöhte Aufmerksamkeit.

Wir halten uns möglichst zurück, da es bei Suiziden eine hohe Nachahmerquote gibt.

Sollten Sie sich von besonderen Lebensumständen betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag Hilfe und Beratung.

Bildunterschrift: Nach bundesweiten Razzien im Februar befand sich Ulf R. in Untersuchungshaft (Symbolbild).

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Mindener Tageblatt Online, 16.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist soll sich selbst getötet haben

16.07.2020 - 19.06 Uhr

Stefan Koch

Minden / Porta Westfalica-Kleinenbremen. Am Ende richtete er die Gewalt gegen sich selbst: Nachdem am Montagmittag der mutmaßliche Unterstützer eines rechtsradikalen Terror-Netzwerkes aus Kleinenbremen leblos in seiner Gefängniszelle der Justizvollzugsanstalt Dortmund aufgefunden wurde, gehen die Ermittler von einer Selbsttötung aus. Wie ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund erklärte, seien die Ermittlungen zum Tod von Ulf R. aufgenommen worden, so dass am Donnerstag eine Obduktion der Leiche stattfand. Da sich der 46-Jährige allein in seiner Zelle befunden habe, gebe es bislang keine Zweifel an einem Suizid. Zu einem möglicherweise vorhandenen Abschiedsschreiben des ehemaligen Lageristen wollte sich die Staatsanwaltschaft gestern nicht äußern.

Nach Hinweisen eines V-Mannes aus der rechten Szene war die Bundesanwaltschaft auf das Netzwerk "Gruppe S." aufmerksam geworden. Im Februar ließ die Bundesanwaltschaft an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Wohnungen durchsuchen und nahm nach Razzien zwölf Tatverdächtige fest. Darunter auch den 55-jährigen Fliesenleger Thomas N. aus Minden, der zu den vier Hauptverdächtigen gehört, den 35-jährigen Mindener Markus K., der an der Organisation mehrerer rechtsextremer Demonstrationen in Bad Nenndorf beteiligt sein soll, und Ulf R.

Der Lagerarbeiter aus Kleinenbremen soll auf Facebook mit dem hauptverdächtigen Mindener befreundet gewesen sein. Er soll zugesagt haben, den harten Kern der Gruppe mit Hilfe bei Anschlägen sowie einem Betrag von 50.000 Euro für die Beschaffung von Waffen unterstützen zu wollen. Bei der Razzia am 14. Februar fand die Polizei mehrere scharfe Waffen und selbst gebaute Handgranaten bei ihm. Letzte stellte der Kampfmittelräumdienst sicher.

Nach ersten Vernehmungen hatte Ulf R. seine Beteiligung an der Terror-Zelle eingeräumt und Hinweise auf ein Depot in einem nahe gelegenen Wald gegeben. Beobachter bemerkten, wie er in Handschellen und mit einem Tuch über dem Kopf aus einem Haus in einen Zivilwagen der Polizei gebracht wurde. Danach fuhren die Beamten mit dem Beschuldigten in den Wald, wo er ihnen Verstecke gezeigt haben soll.

Auch vor seiner Inhaftierung war Ulf R. der Polizei bekannt. So soll er sich in der Reichsbürger-Szene bewegt haben, so dass ihm deswegen 2018 der Waffenschein entzogen wurde. Beobachter der rechten Szene stellten fest, dass nach Bekanntwerden des Todes von Ulf R. im Netz wilde Verschwörungstheorien über dessen Ableben kursierten. In einer neonazistischen Gruppe des Messengers Telegram spielten die Urheber auf Rudolf Hess an, über dessen Selbstmord sich in der Szene bis heute eine Mordtheorie hält.

Bis zu seiner Festnahme war über den 46-Jährigen, der als Lagerarbeiter bei einem Mindener Unternehmen beschäftigt war, wenig bekannt. Ein Kenner der örtlichen Szene in Kleinenbremen erklärt, dass sich Ulf R. in der Öffentlichkeit weitgehend zurückgehalten habe und nicht mit anderen aktiven Rechtsradikalen in Erscheinung getreten sei. Auch in der Nachbarschaft habe er sich unauffällig verhalten. "Da war wohl alles mehr oder weniger unter dem Deckel geblieben", meint der Beobachter. Vor allem nach der Zerschlagung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) habe sich die überörtliche Szene auch mit ihren Verlautbarungen in Sozialen Netzwerken zurückgehalten, um gegenüber Ermittlungsbehörden nicht weiter aufzufallen.

Anmerkung der Redaktion:

Generell berichten wir nicht über Selbsttötungen, es sei denn, es gibt besondere Gründe für eine erhöhte Aufmerksamkeit. Wir halten uns möglichst zurück, da es bei Suiziden eine hohe Nachahmerquote gibt.

Sollten Sie sich von besonderen Lebensumständen betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag Hilfe und Beratung.

Bildunterschrift: Nach bundesweiten Razzien im Februar brachte die Polizei die Festgenommenen nach Karlsruhe zu den Haftrichtern des Bundesgerichtshofs (BGH). Seitdem befand sich Ulf R. in Untersuchungshaft.

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Radio Westfalica, 16.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Porta begeht Selbstmord

Nach dem Tod eines mutmaßlichen Rechtsterroristen aus Porta Westfalica-Kleinenbremen geht die Bundesanwaltschaft von Selbstmord aus. Der 46-Jährige war am Montag in seiner Einzelzelle in der JVA Dortmund gefunden worden.

Der Portaner war im Februar festgenommen worden. Er galt als Unterstützer der aus zwölf Männern bestehenden mutmaßlichen rechten Terror-Zelle "Gruppe S.". Laut Bundesanwaltschaft hatte die Gruppe Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant. Ermittelt wird in diesem Zusammenhang auch gegen zwei Männer aus Minden. Bei dem 46-Jährigen in Kleinenbremen waren bei einer Razzia unter anderem selbstgebaute Handgranaten gefunden worden.

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 16.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterror-Unterstützer im Gefängnis gestorben

16.07.2020 - 13.39 Uhr

Von Tobias Dammers, Christof Voigt, Thorsten Pfänder

Mutmaßlicher Unterstützer der rechten Terror-Gruppe "S." gestorben

46-Jähriger wurde leblos in seiner Dortmunder Einzelzelle gefunden

Nach WDR-Informationen ist es Ulf R. aus Porta-Westfalica

Ein mutmaßlicher Unterstützer der rechtsterroristischen Gruppe S. ist am Montag (13.07.2020) im Dortmunder Gefängnis gestorben. Nach WDR-Informationen handelt es sich dabei um Ulf R. aus dem Stadtteil Kleinenbremen in Porta Westfalica, Kreis Minden-Lübbecke. Der 46-Jährige sei leblos in seiner Einzelzelle gefunden worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund ermittelt

Auch der Generalbundesanwalt hat inzwischen den Tod des Häftlings bestätigt. Zu möglichen Hintergründen oder einem Abschiedsbrief könne man sich jetzt aber noch nicht äußern. Die Ermittlungen zu dem Vorfall hat die Staatsanwaltschaft Dortmund übernommen und das Todesermittlungsverfahren aufgenommen.

Bei Todesfällen in Justizvollzugsanstalten ist es üblich, dass eine Staatsanwaltschaft die Ermittlungen durchführt. Die ersten Erkenntnisse würden auf einen Suizid von Ulf R. hindeuten, sagte ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund dem WDR. Die Obduktion des Leichnams solle am Donnerstag (16.07.2020) stattfinden.

Festnahme im Februar - Verdacht Terror-Unterstützung

Ulf R. war am 14.02.2020 von Spezialeinheiten in Porta Westfalica festgenommen worden, weil er die rechtsterroristische Gruppe "S." unterstützt haben soll. Insgesamt kamen damals 12 Personen in Untersuchungshaft. Sie sollen seit September 2019 konspirativ bewaffnete Anschläge in Moscheen geplant haben, um eine Gegenreaktion zu provozieren und bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen. Dabei tauschten sie sich in Chats aus und trafen sich auch mehrmals persönlich.

Nach WDR-Informationen stieß Ulf R. erst beim letzten Treffen der Gruppe Mitte Februar in Minden zu den anderen mutmaßlichen Verschwörern. Ein Kopf der Gruppe, Tony E. aus Niedersachsen, habe ihn mitgebracht. Dort habe er zugesagt, die rechtsterroristischen Pläne mit einem vierstelligen Betrag zu unterstützen.

Handgranaten und Waffendepots?

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen bei der Hausdurchsuchung von Ulf R. allerdings auch selbstgebaute Handgranaten gefunden worden sein. Außerdem soll R. die Polizei zu Waffendepots in einem Wald geführt haben.

Reichsbürger-Nähe

Laut einem Bericht des NRW-Innenministeriums vom 16.03.2020 lagen zu Ulf R. vor dessen Festnahme "keine strafrechtlichen Erkenntnisse vor". Trotzdem fiel er den Behörden auf: mit "Reichsbürger / Selbstverwalter zuzurechnenden Äußerungen". Auch andere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe "S." werden der Reichsbürger-Szene zugerechnet.

Neben Ulf R. waren noch weitere Terrorverdächtige und mutmaßliche Unterstützer der Gruppe "S." aus NRW verhaftet worden: Thorsten W., ein Verwaltungsbeamter der Polizei Hamm, sowie der Reichsbürger Thomas N. und Markus K. aus Minden.

"Keine besondere Beobachtung" von Ulf R. in der JVA Dortmund

Todesfälle in den Justizvollzugsanstalten NRWs sind selten, aber keine Ausnahme. Nach Angaben der Landesjustizvollzugsdirektion haben 2019 elf Gefangene Suizid begangen, auch 2018 waren es elf. Die Zahlen in den Jahren davor schwanken stark. Laut JVA Dortmund bestand bei Ulf R. "keine besondere Beobachtung".

Ende 2018 hatte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) die Vorgaben zur Suizidprävention in einem Erlass noch verschärft - nach dem Tod eines zu Unrecht inhaftierten Syrers, der nach einem Feuer in seiner Zelle in Kleve gestorben war. Seitdem sind nach einem verpflichtenden Gefährdungstest bei der Aufnahme eines Gefangenen im ersten Haftjahr auch weitere Überprüfungen im Abstand von drei Monaten vorgesehen, ebenso anlassbezogen weitere "Screenings".

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Radio Westfalica, 16.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Porta Westfalica stirbt im Gefängnis

Einer der im Raum Minden festgenommenen mutmaßlichen Rechtsterroristen der "Gruppe S." ist tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden worden. Es handele sich um Ulf R. aus Porta Westfalica-Kleinenbremen, schreibt das Mindener Tageblatt. Der 46-Jährige sei tot in seiner Einzelzelle in der JVA Dortmund gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft hat eine Obduktion angeordnet.

Ulf R. galt als Unterstützer der aus zwölf Männern bestehenden mutmaßlichen rechten Terror-Zelle. Laut Bundesanwaltschaft hatte die Gruppe Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant. Ermittelt wird in diesem Zusammenhang auch gegen zwei Männer aus Minden.

Bei Ulf R. in Kleinenbremen waren bei einer Razzia im Februar unter anderem selbstgebaute Handgranaten gefunden worden.

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Neues Deutschland Online, 16.07.2020:

Terrorverdächtiger Nazi tot in Zelle gefunden

16.07.2020 - 07.57 Uhr

46-Jähriger soll der "Gruppe S." 50.000 Euro für Waffenkäufe versprochen haben

Von Sebastian Weiermann

Ulf R. gehört zu den Unterstützern der Gruppe S., über den wenig bekannt ist. Andere Mitglieder der Gruppe, die im Februar vom Generalbundesanwalt als mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen wurden, haben ein gut dokumentiertes Vorleben in der Neonazi-Szene oder unter Reichsbürgern. Über andere, wie den Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Hamm Thorsten W. wurde seit der Verhaftung immer mehr bekannt. Um Ulf R. blieb es ruhig. Der 46-Jährige soll der Gruppe um Werner S. zugesagt haben, 50.000 Euro für Waffenkäufe beizusteuern. Bei seiner Festnahme im ostwestfälischen Porta Westfalica fanden die Polizeibeamten außerdem Waffen und selbst gebaute Handgranaten. Diese waren so fragil, dass der Kampfmittelräumdienst anrücken musste.

Ulf R. soll sich in den Kreisen der Reichsbürger bewegt haben. Die Polizei entzog ihm deswegen 2018 den Waffenschein. In welchen Zusammenhängen des vielfältigen Reichsbürger-Milieus er sich bewegt hat, ist nicht bekannt. Am vergangenen Montag wurde Ulf R. tot in seiner Zelle in der JVA Dortmund, wo er in Untersuchungshaft saß, aufgefunden. Anzeichen auf ein Fremdverschulden soll es nicht geben. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat eine Obduktion des Leichnams angeordnet.

Im Netz kursierten schon kurz nach der Todesmeldung wilde Verschwörungstheorien. In einer neonazistischen Gruppe des Messengers Telegram wurde auf Rudolf Hess angespielt, über dessen Selbstmord sich in der Szene bis heute eine Mordtheorie hält. Von Linken wurde an das "Zeugensterben" im NSU-Komplex hingewiesen.

Nun sitzen noch elf Mitglieder und Unterstützer der Gruppe S. in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen vor, sich im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen zu haben. Ihr Ziel soll es gewesen sein, durch Anschläge auf Politiker, Geflüchtete und Muslime einen "Rassenkrieg" zu provozieren. Bei Treffen soll die Gruppe Schießübungen veranstaltet haben. Gruppenfotos zeigen die Personen, wie sie mit Äxten posieren.

Die Sicherheitsbehörden waren durch einen Informanten, der Teil der Gruppe war, auf sie aufmerksam geworden. Aus dem Umfeld der Gruppe S. wurde der Informant nach den Festnahmen im Internet bedroht. Unklar ist, wie groß die Gruppe wirklich war und wie viele Personen aus ihrem Umfeld in die Terror-Planungen eingeweiht wurden.

Brisant ist die Mitgliedschaft des Verwaltungsmitarbeiters der Polizei Hamm Thorsten W. Möglicherweise wäre es ihm möglich gewesen an Maschinenpistolen zu kommen. Außerdem prahlten Mitglieder der Gruppe, dass Polizisten und militärisch ausgebildete Personen sie unterstützen würden, wenn sie mit ihren Anschlägen beginnen. Gute Verbindungen soll die Gruppe S. zur Bruderschaft Deutschland haben, einer rechten Gruppierung mit Schwerpunkt in Düsseldorf, die ihre Mitglieder unter Hooligans und Rockern rekrutiert.

Bei einem führenden Mitglied der Bruderschaft gab es im April eine Hausdurchsuchung, die laut dem nordrhein-westfälischen Innenministerium in einem Zusammenhang mit den Terror-Ermittlungen gegen die Gruppe S. stehen.

Bildunterschrift: JVA Dortmund (Aufnahme 2004).

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Mindener Tageblatt, 16.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist stirbt in Haft

Porta Westfalica-Kleinenbremen (mt). Ein mutmaßlicher Unterstützer der als rechtsterroristisch eingestuften "Gruppe S." ist nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) tot in seiner Einzelzelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dortmund aufgefunden worden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund bestätigte dem SWR, dass der 46-Jährige am Montagmittag leblos in der Zelle gefunden wurde, wie der Sender am Mittwoch berichtete. Die Staatsanwaltschaft Dortmund habe daraufhin ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion des Mannes angeordnet. Nach MT-Informationen handelt es sich bei dem 46-Jährigen um Ulf R. aus Kleinenbremen. Im Februar hatte der Generalbundesanwalt zwölf mutmaßliche Mitglieder eines Terror-Netzwerkes - darunter drei aus der Mindener Region - nach Razzien festnehmen lassen. Ihnen wurde zur Last gelegt, Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant zu haben, um in Deutschland "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Ulf R. soll zugesagt haben, Waffenkäufe finanziell zu unterstützen.

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Neue Westfälische, 16.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist stirbt in Haft

Porta Westfalica-Kleinenbremen (mt). Ein mutmaßlicher Unterstützer der als rechtsterroristisch eingestuften "Gruppe S." ist nach Informationen des Südwestrundfunks am Montag tot in seiner Einzelzelle der Justizvollzugsanstalt Dortmund aufgefunden worden. Das bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund dem Sender. Die Staatsanwaltschaft habe ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion des Mannes angeordnet. Es soll sich bei dem 46-Jährigen um Ulf R. aus Porta Westfalica-Kleinenbremen handeln. Im Februar hatte der Generalbundesanwalt zwölf mutmaßliche Mitglieder eines Terror-Netzwerkes - darunter drei aus der Mindener Region - nach Razzien festnehmen lassen. Sie sollen Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben.

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Westfalen-Blatt, 16.07.2020:

Verdächtiger tot in der Zelle

Dortmund (WB/ca). In der Justizvollzugsanstalt Dortmund ist am Montag ein Untersuchungshäftling tot in seiner Zelle gefunden worden. Nach Informationen dieser Zeitung soll es Ulf R. aus Porta Westfalica sein. Der 46-Jährige war im Februar als mutmaßlicher Unterstützer der rechtsterroristischen "Gruppe S." festgenommen worden. Die Gruppe, zu der auch ein Mitarbeiter der Polizei Hamm gehört haben soll, soll nach Angaben der Bundesanwaltschaft Anschläge auf Politiker und Muslime geplant haben. Bundesweit waren deshalb Anfang des Jahres zwölf Verdächtige festgenommen worden, drei allein im Kreis Minden-Lübbecke. Die Kripo Dortmund hat Ermittlungen zum Tod des Häftlings aufgenommen, ein Suizid des Familienvaters wird nicht ausgeschlossen.

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Neue Westfälische Online, 15.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Porta Westfalica im Gefängnis gestorben

15.07.2020 - 20.36 Uhr

Terror-Zelle "Gruppe S."

Porta Westfalica-Kleinenbremen (mt). Ein mutmaßlicher Unterstützer der als rechtsterroristisch eingestuften "Gruppe S." ist nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) tot in seiner Einzelzelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dortmund aufgefunden worden.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund bestätigte dem SWR, dass der 46-Jährige am Montagmittag leblos in der Zelle gefunden wurde, wie der Sender am Mittwoch berichtete.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund habe daraufhin ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion des Mannes angeordnet. Nach Informationen des Mindener Tageblatts handelt es sich bei dem 46-Jährigen um Ulf R. aus Kleinenbremen in Porta Westfalica.

Im Februar hatte der Generalbundesanwalt zwölf mutmaßliche Mitglieder eines Terror-Netzwerkes - darunter drei aus der Mindener Region - nach Razzien festnehmen lassen. Ihnen wurde zur Last gelegt, Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant zu haben, um in Deutschland "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Ulf R. soll zugesagt haben, Waffenkäufe finanziell zu unterstützen.

Bildunterschrift: Die JVA Dortmund.

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Mindener Tageblatt Online, 15.07.2020:

Mutmaßlicher Rechtsterrorist aus Kleinenbremen im Gefängnis gestorben

15.07.2020 - 20.14 Uhr

Porta Westfalica-Kleinenbremen (mt). Ein mutmaßlicher Unterstützer der als rechtsterroristisch eingestuften "Gruppe S." ist nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) tot in seiner Einzelzelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dortmund aufgefunden worden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund bestätigte dem SWR, dass der 46-Jährige am Montagmittag leblos in der Zelle gefunden wurde, wie der Sender am Mittwoch berichtete.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund habe daraufhin ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion des Mannes angeordnet. Nach MT-Informationen handelt es sich bei dem 46-Jährigen um Ulf R. aus Kleinenbremen. Im Februar hatte der Generalbundesanwalt zwölf mutmaßliche Mitglieder eines Terror-Netzwerkes - darunter drei aus der Mindener Region - nach Razzien festnehmen lassen. Ihnen wurde zur Last gelegt, Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant zu haben, um in Deutschland "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Ulf R. soll zugesagt haben, Waffenkäufe finanziell zu unterstützen.

Bildunterschrift: In der Justizvollzugsanstalt Dortmund ist ein Insasse tot aufgefunden worden.

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Süddeutsche Zeitung Online, 15.07.2020:

Mutmaßlicher Terrorunterstützer in JVA Dortmund gestorben

15.07.2020 - 18.35 Uhr

Der 46-Jährige war im Februar als einer von zwölf Männern festgenommen worden. Ihnen wird die Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.

Von Lena Kampf, Berlin

Ein mutmaßlicher Unterstützer der rechten Terror-Zelle "Gruppe S." ist am Montag tot in der JVA Dortmund aufgefunden worden. Die Todesursache ist bisher noch unklar und laut Staatsanwaltschaft Dortmund Gegenstand von Ermittlungen.

Der 46-Jährige aus Nordrhein-Westfalen war im Februar als einer von zwölf Männern aus sechs Bundesländern festgenommen worden. Ihnen wird die Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Die "Gruppe S." soll Anschläge auf Asylbewerberheime, Moscheen und Politiker geplant und sich bereits Waffen beschafft haben. Der mutmaßliche Anführer Werner S. ist auch Namensgeber der Gruppe. Die Mitglieder tauschten sich in Chat-Gruppen aus und trafen sich persönlich, unter anderem in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Auf Fotos der Treffen posierten die Teilnehmer mit Streitäxten und Messern.

Auch der nun verstorbene Beschuldigte war nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung und WDR bei mindestens einem Treffen anwesend. Dabei soll es nach Erkenntnissen der Ermittler um konkrete Tatpläne und Informationen zu selbstgebauten Waffen gegangen sein, außerdem sollen die Teilnehmer zugesichert haben, 50.000 Euro für den Ankauf von Waffen zur Verfügung zu stellen. Über die Treffen hatte den Ermittlern ein Informant berichtet. Ihm zufolge habe der nun Verstorbene die Gruppe aus persönlichen Gründen lediglich finanziell unterstützen wollen.

Geplant war ein "Massaker" ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder

Bei seiner Festnahme sollen in seiner Wohnung in Porta-Westfalica allerdings selbstgebaute Handgranaten gefunden worden sein, die von Spezialkräften entschärft werden mussten. Außerdem soll er der Polizei Waffendepots in einem Waldstück gezeigt haben. Die Bundesanwaltschaft ordnete ihn auf Grund seiner Aussagen dem "rechtsextremistischen Spektrum" zu. Sein Verteidiger war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe S. hatten sich aus ganz Deutschland in der von Werner S. gegründeten konspirativen Chat-Gruppe "Der Harte Kern" zusammengefunden. Keiner von ihnen war den Sicherheitsbehörden vorher als rechter Gefährder bekannt. Jedoch waren auch Männer aus anderen rechtsextremistischen Gruppen darunter, etwa der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung "Wodans Erben".

Die mutmaßlichen Mitglieder bereiteten sich auf den so genannten "Tag X" vor, an dem sie Anschläge in kleineren Einheiten durchführen wollten und somit laut Generalbundesanwalt daraufhin "bürgerkriegsartige Zustände" erreichen wollten. Der Tatplan habe vorgesehen, gleichzeitig mehrere Moscheen in kleineren Ortschaften anzugreifen, um ein "Massaker" ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder zu verüben. Werner S. soll dafür körperlich fitte Männer, insbesondere mit militärischer Erfahrung gesucht haben.

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 15.07.2020:

Dortmund: Mutmaßlicher Rechtsextremist im Gefängnis gestorben

15.07.2020 - 17.17 Uhr

Mutmaßlicher Terrorunterstützer im Dortmunder Gefängnis gestorben

46-jähriger wurde leblos in seiner Einzelzelle gefunden

Nach WDR-Informationen ist es Ulf R. aus dem Kreis Minden-Lübbecke

Ein mutmaßlicher Unterstützer der rechtsterroristischen Gruppe S. ist am Montag (13.07.2020) im Dortmunder Gefängnis gestorben. Nach WDR-Informationen handelt es sich dabei um Ulf R. aus dem Kreis Minden-Lübbecke. Der Mann sei leblos in seiner Einzelzelle gefunden worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Festnahme im Februar

Die Ermittlungen zur Todesursache laufen noch. Vieles spricht wohl für einen Selbstmord. Ulf R. war Mitte Februar festgenommen worden, weil er die rechtsterroristische Gruppe S. unterstützt haben soll. Insgesamt kamen damals 12 Personen in Untersuchungshaft. Auch Thorsten W., bis Februar 2020 Mitarbeiter der Polizeiverwaltung in Hamm, werden Kontakte zu der "Gruppe S." nachgesagt.

Noch keine Details bekannt

Mittlerweile bestätigt auch der Generalbundesanwalt den Tod des Mannes in der Dortmunder Justizvollzugsanstalt. Zu möglichen Hintergründen oder einem Abschiedsbrief könne man sich jetzt aber noch nicht äußern. All das sei im Stadium der Aufklärung. Die rechtsterroristische Gruppe S. soll Anschläge, unter anderem auf Politiker und Muslime in mehreren Bundesländern geplant haben.

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tagesschau.de, 15.07.2020:

"Gruppe S." / Terrorverdächtiger tot in JVA aufgefunden

15.07.2020 - 16.35 Uhr

Anfang Februar nahmen baden-württembergische Ermittler zwölf Personen wegen des Verdachts auf eine rechtsterroristische Vereinigung fest. Nach Informationen des SWR wurde nun einer der Verdächtigen tot in seiner Zelle aufgefunden.

In Dortmund ist ein 46-Jähriger, dem der Generalbundesanwalt die Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung vorgeworfen hat, tot in der Justizvollzugsanstalt aufgefunden worden. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund bestätigte das dem SWR auf Nachfrage. Der Mann sei zur Mittagszeit leblos in seiner Einzelzelle gefunden worden.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund habe ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion des Mannes angeordnet. Auch der Generalbundesanwalt bestätigte den Todesfall gegenüber dem SWR, wollte sich jedoch nicht weiter zu dem Vorgang äußern.

Unterstützung bei Waffenkauf der Gruppe S.?

Dem Mann aus Nordrhein-Westfalen hatte die Bundesanwaltschaft die Unterstützung der rechtsterroristischen "Gruppe S." vorgeworfen. Er soll zugesagt haben, die Gruppe finanziell beim Waffenkauf unterstützt und deren Ziele geteilt haben.

Auf diese Gruppe waren baden-württembergische Ermittler nach dem Hinweis eines V-Mannes aufmerksam geworden, der von rechtsterroristischen Anschlagsplänen berichtete. Nach mehreren Monaten Ermittlungsarbeit wurden Anfang Februar 2020 zwölf Personen vorläufig festgenommen. Sie kamen in Untersuchungshaft, darunter auch der nun Verstorbene.

Schießübungen bei Treffen

Nach Informationen des SWR nahmen an dem Gründungstreffen der "Gruppe S." Ende September 2019 15 Männer und eine Frau teil. Sieben Teilnehmer stammten aus dem östlichen Baden-Württemberg. Darunter so genannte Prepper, aber auch unauffällige Familienväter und ein Informant der Polizei.

Bei dem Treffen wurden den Recherchen nach von Anschlägen auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter gesprochen sowie auf Moscheen. Das Hauptziel sei gewesen, einen Bürgerkrieg zu provozieren. Bei dem Treffen der Gruppe sollen Schieß- und Wurfübungen absolviert und teils geladene Pistolen gezeigt worden sein.

Mit Informationen von Holger Schmidt, ARD-Terrorismus-Experte.

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Mindener Tageblatt, 15.06.2020:

Zeichen gegen Rechts

Die mutmaßliche Terror-Zelle "Gruppe S." ist zerschlagen / Dennoch sind in Kleinenbremen viele Menschen verunsichert / Der Bezirksausschuss will etwas dagegen tun

Stefan Lyrath

Porta Westfalica-Kleinenbremen. Nach zwei großen Polizeieinsätzen in Kleinenbremen, die jeweils im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen rechten Terror-Zelle standen, hat der Bezirksausschuss ein Bekenntnis "gegen jegliche rechtsradikale Gewalt" abgelegt. Das soll jedoch nur der Anfang sein. Allein in Kleinenbremen ist an mehrere Veranstaltungen gegen Rechts gedacht, für die nun die örtlichen Vereine gewonnen werden sollen.

"Wir wollen auf jeden Fall etwas machen. Den Rat möchten wir mit ins Boot holen", erklärt Jörg Achilles (SPD), der Vorsitzende des Bezirksausschusses. "Wir wollen das größer aufhängen", fügt sein Stellvertreter Florian Staab (CDU) hinzu. Ganz Porta soll Zeichen setzen.

Nach dem Willen des Ausschusses könnte der Rat beispielsweise Kontakt mit benachbarten Kommunen aufnehmen, um herauszufinden, wie diese sich gegen Rechts aufgestellt haben. Denkbar wäre auch eine Resolution. Die Portaner Verwaltung soll prüfen, welche Programme und Maßnahmen für Portaner Schulen infrage kommen.

"Einige Schulen sind ja schon ganz stark dabei", stellt Achilles fest. Gesamtschule, Gymnasium und Realschule engagieren sich bei der Verlegung von Stolpersteinen, eine Gesamtschul-AG pflegt den jüdischen Friedhof.

Kleinenbremen stand bei zwei Polizeieinsätzen im Blickpunkt

Dennoch: Die jüngsten Ereignisse geben Anlass zur Sorge. So soll in der Terror-Zelle "Gruppe S.", benannt nach ihrem mutmaßlichen Gründer Werner S. (Landkreis Augsburg), bei einem Treffen in Minden über bewaffnete Angriffe auf Moscheen in Deutschland gesprochen worden sein.

Eine Woche später holte die Bundesanwaltschaft am 14. Februar zu einem konzertierten Schlag gegen die mutmaßliche Terror-Zelle aus. Durchsucht wurden auch Häuser in Kleinenbremen und Minden, wo die Ermittler jeweils Waffen fanden. An 13 Orten, verteilt über sechs Bundesländer, waren Beamte der Bundes- und Landespolizei im Einsatz, darunter auch Spezialeinsatzkommandos. Zwölf Tatverdächtige wurden vorläufig festgenommen, unter ihnen ein Kleinenbremer. Er gilt als Unterstützer der Zelle, während einer von zwei inhaftierten Mindenern zu den Hauptverdächtigen gezählt wird.

Mitte Mai folgte ein zweiter Großeinsatz, bei dem Polizisten in der Nähe des Kleinenbremer Sportplatzes im Wald ein Lebensmitteldepot der Rechten ausgehoben haben sollen. Möglicherweise hatten sie es vor allem auf Waffen abgesehen. Federführend war auch bei diesem Einsatz das Landeskriminalamt Baden-Württemberg.

Dass eine Spur nach Kleinenbremen führte, hat bei vielen Einwohnern Befürchtungen ausgelöst. "Mich beschleicht ein ganz großes Unwohlsein", sagt Angelika Heine vom Heimatverein. Claudia Vogt, die sich als Flüchtlingshelferin engagiert, machen die Berichte "natürlich Angst, weil wir ein großes Flüchtlingsheim im Dorf haben". Ihr Engagement beenden will Vogt jedoch auf keinen Fall, denn: "Ich bin von Beruf Diakonin, eingesegnet im Dienst der Kirche."

Einen "Brückenschlag zu heute" verspricht sich Angelika Heine von der Feier zum 125-jährigen Bestehen der Kleinenbremer Kirche im kommenden Jahr: Mit einem Theaterstück will die Gemeinde dann an den 1945 gestorbenen Widerstandskämpfer Kurt Freiherr von Plettenberg erinnern - und gleichzeitig vor dem Erstarken des Rechtspopulismus in Deutschland warnen.

Bildunterschrift: Nicht braun, sondern bunt: Bei Festen wie dem Kleinenbremer Dorfmarkt (hier ein Archivfoto) feiern Einheimische und Flüchtlinge miteinander. Nachdem der Ort im Zusammenhang mit einer Terror-Zelle genannt wurde, hat der Bezirksausschuss ein Bekenntnis gegen rechte Gewalt abgelegt.

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Blick nach Rechts, 02.04.2020:

Schlag gegen rechte "Bruderschaft"

Ermittler des Polizeilichen Staatsschutzes haben am 1. April Hausdurchsuchungen gegen drei Beschuldigte aus dem Spektrum der "Bruderschaft Deutschland" in Düsseldorf, Neuss und Herne durchgeführt. Betroffen davon war auch der Kopf der Gruppierung.

Laut Staatsanwaltschaft und Polizei habe es zuvor Hinweise gegeben, dass drei Männer im Alter von 42, 43 und 49 Jahren illegale Waffen und Rauschgift besitzen sollen. Einer der Beschuldigten ist Ralf N., der Quasi-Anführer der"Bruderschaft Deutschland". N. ist in Nordrhein-Westfaleneiner der bekanntesten Köpfe jener Gruppen, in denen Rechtsextremisten, Hooligans, Rocker und Kampfsportler gemeinsam aktiv sind. Er wurde laut WDR und "Rheinische Post" wegen Körperverletzung verurteilt, weil er bei einer rechtsextremen Kundgebung 2018 in Düsseldorf an einem Angriff auf Gegendemonstranten beteiligt war. Es gibt zudem Hinweise auf Kontakte zu einem Verdächtigen aus der mutmaßlich terroristischen "Gruppe S." (Blick nach Rechts berichtete am 27.02.2020).

Nach der Razzia teilten die Ermittler gestern am frühen Abend mit, es seien bei einem Beschuldigten Gegenstände sicher gestellt worden, welche den Verdacht begründen, dass diese ohne waffenrechtliche Erlaubnis besessen wurden. Zwar sei der Mann - laut WDR handelt es sich um N. - im Besitz waffenrechtlicher Erlaubnisse, jedoch dürfe er ein aufgefundenes Messer und einen Elektroschocker trotzdem nicht führen. Zudem wurden laut Ermittler Verstöße gegen die Aufbewahrungspflichten von Waffen und Munition festgestellt. Bei einem der Beschuldigten sei zudem eine Substanz sichergestellt worden, bei der es sich mutmaßlich um Betäubungsmittel handelte.

"Bundesweites aktives Geflecht aus Gruppen"

Die teils bundesweit miteinander vernetzten "Bürgerwehren" und "Bruderschaften" aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet werden dem rechten und fremdenfeindlichen Spektrum zugeordnet. Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) sagte dazu gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im Herbst 2019: "Durch ihre regelmäßige Präsenz wollen solche Gruppierungen ( ... ) den Eindruck erwecken, dass Flüchtlinge generell eine Bedrohung darstellen und der demokratische Rechtsstaat gegenüber Kriminellen das Gewaltmonopol verloren habe." So patrouillierten oder "spazierten" Vertreter der Gruppen durch Innenstädte, angeblich zum Schutz der Menschen. Als das Rheinbad in Düsseldorf im Sommer in die Schlagzeilen geriet, weil angeblich Migranten randaliert hätten, marschierten die "Brüder" dort auf und meinten, sie wollten nun den Schutz der Besucher gewährleisten.

Führend und prägend in diesem Geflecht aus Gruppen ist die "Bruderschaft Deutschland", die von Düsseldorf ausgehend unterdessen mit verschiedenen Ortsgruppen und Ansprechpartnern in Teilen des Rheinlands, teils auch bundesweit und in der Schweiz aktiv sein will. Ähnliche Ableger gibt es auch in anderen Städten NRWs, zuweilen firmieren diese Gruppen unter anderen Namen ,etwa als "Bruderschaft Ruhrpott", als "Steeler Jungs" (Essen) und als "Kölsche Mitte" (Köln). Unterdessen wurde auch eine "Schwesternschaft Deutschland" aktiv, geprägt von Frauen und Freundinnen der "Brüder".

Durch radikales Auftreten in die Schlagzeilen geraten

In NRW beobachtet der Verfassungsschutz die Gruppen (Blick nach Rechts berichtete am 08.10.2019). Deren Teilnehmer gerieten 2019 durch radikales und gewaltbereites Auftreten etwa bei Aufmärschen in Berlin (Blick nach Rechts berichtete am 08.10.2019) und Mönchengladbach (Blick nach Rechts berichtete am 09.09.2019) in die Schlagzeilen. N. soll laut WDR etwa zum Aufmarsch in Berlin Anfang Oktober die gemeinsame Anreise per Bus aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet mitorganisiert haben. Er hatte laut dem Sender zudem auf Fotos mit Tony E. posiert, den die Ermittler zum inneren Kreis der mutmaßlich rechtsterroristischen "Gruppe S." zählen. Letzterer trug T-Shirts der"Bruderschaft Deutschland - Sektion Süd".

Laut NRW-Innenministerium standen die Durchsuchungen daher auch in einem Zusammenhang mit den Ermittlungen des Generalbundesanwalts zur "Gruppe S.". Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) sagte, von der Razzia seien Personen betroffen gewesen, die der "Bruderschaft Deutschland" oder deren Umfeld angehörten. Rechtsextreme Gruppen wie "Mönchengladbach steht auf", "NRW stellt sich quer" oder "Pegida NRW" unterhalten teils enge Kontakte zur "Bruderschaft Deutschland". (mik)

Bildunterschrift: Rechtsorientierte "Brüder" in Aktion.

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 01.04.2020:

Durchsuchungen bei der rechtsextremen Bruderschaft Deutschland

01.04.2020 - 21.56 Uhr

Von Tobias Dammers und Felix Mannheim

Durchsuchungen in Düsseldorf, Herne und Neuss

Alle haben Verbindungen zur rechtsextremen "Bruderschaft Deutschland"

Verdacht auf unerlaubten Waffen- und Drogenbesitz

Auch die Wohnung des Anführers wurde durchsucht

Es ist kurz nach 9.00 Uhr am Mittwoch (01.04.2020) als Staatsschützer in Düsseldorf-Holthausen zugreifen. Auf der Straße vor seiner Wohnung nehmen sie Ralf Nieland in Empfang. Er gilt als Anführer der "Bruderschaft Deutschland", einer als rechtsextrem eingestuften, selbst ernannten "Bürgerwehr".

Die Beamten begleiten Nieland in seine Wohnung. Laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf war die Durchsuchung Teil einer laufenden Ermittlung wegen "waffenrechtlicher Verstöße". Vermutet wurde, dass Nieland unerlaubt Waffen in seiner Wohnung lagere.

Zeitgleich fanden vier weitere Durchsuchungen in Düsseldorf, Neuss und in Herne statt - laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei "Menschen, die im Umfeld der Bruderschaft Deutschland unterwegs sind". Deren Verbindung zur Bürgerwehr habe bei den Durchsuchungen eine "zentrale Rolle" gespielt.

Spürhund im Einsatz

Bei der Durchsuchung in Düsseldorf-Holthausen setzen die Beamten auch einen Spürhund ein. Nach zwei Stunden laden sie mehrere blaue Müllsäcke mit möglichem Beweismaterial in ein Auto und beenden die Durchsuchung. Gefunden wurde unter anderem ein Elektroschocker und ein Messer gefunden.

Ein Haftbefehl gegen Nieland liegt laut Staatsanwaltschaft und NRW-Innenministerium nicht vor. Nieland äußert sich auf gegenüber den WDR-Reportern vor Ort nicht zu den Vorgängen. Auf eine anschließende schriftliche Anfrage liegt bislang noch keine Reaktion vor.

Ralf Nieland - wer ist das?

Das WDR-Magazin Westpol hatte mehrfach über Ralf Nieland berichtet. Ermittlern gilt er bundesweit als wichtige Führungsfigur der rechten Szene. Ursprünglich entstammt Nieland dem Hooligan-Milieu von Fortuna Düsseldorf. In der "Bruderschaft Deutschland" vernetzt er Hooligans, Rocker und Rechtsextreme.

Im aktuellen NRW-Verfassungsschutzbericht steht, dass die Mitglieder der "Bruderschaft Deutschland" vornehmlich "aus der rechtsaffinen Hooligan-Szene" sowie "aus dem subkulturellen Rechtsextremismus" stammen. Im vergangenen Jahr (03.10.2019) beobachtete der WDR, wie Nieland rechte und rechtsextreme Akteure aus ganz NRW bei einer großen Demonstration in Berlin zusammenbrachte. Diese Demonstration zum Tag der Deutschen Einheit gilt Ermittlern als Schlüsseltreffen der gewaltaffinen, rechten Szene.

Bereits zuvor war Ralf Nieland wegen Körperverletzung verurteilt worden - nach einem gewalttätigen Angriff auf einen Gegendemonstranten bei einer Kundgebung 2018 in Düsseldorf.

Hinweise auf rechtsterroristische Kontakte

Zuletzt gab es Hinweise darauf, dass Nieland noch gefährlicher ist, als bis dahin angenommen. Nach der Verhaftung der mutmaßlichen rechtsextremen "Terror-Gruppe S." im Februar 2020 gab es mehrere Hinweise auf eine Nähe Nielands zu dieser Gruppe. Ein Informant, der mit den Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Rechtsterroristen vertraut ist, berichtete WDR-Westpol von engen Verbindungen der "Gruppe S." zu Nieland.

Außerdem posierte Nieland auf Fotos mit Tony E., den die Ermittler zum inneren Kreis der "Gruppe S." zählen. Tony E. trug T-Shirts der "Bruderschaft Deutschland - Sektion Süd", einem Ableger von Nielands Gruppe. Nieland bestätigte auf WDR-Anfrage, Tony E. zwei Mal getroffen zu haben, distanzierte sich aber von jeglichen Terror-Plänen.

Laut NRW-Innenministerium stehen die heutigen Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in einem Zusammenhang mit den Ermittlungen des Generalbundesanwalts zur "Gruppe S.".

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Neues Deutschland Online, 29.03.2020:

Rechter Terror / Staatsversagen ohne Ende?

29.03.2020 - 18.44 Uhr

Rechtsterroristische "Gruppe S.": Keine Ermittlungen im Umfeld / 20 Neonazis in Hessen jahrelang unbeobachtet

Von Jana Frielinghaus

Wir erinnern uns: Am 14. Februar wurden bei Razzien in sechs Bundesländern zwölf Männer festgenommen, ein weiterer blieb auf freiem Fuß. Der Generalbundesanwalt gab bekannt, gegen alle 13 werde wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung ermittelt. Die Mitglieder der von den Ermittlern "Gruppe S." genannten Terror-Zelle sollen unter anderem Anschläge auf Betende in Moscheen, auf Geflüchtete und Politiker in zehn Bundesländern geplant haben. Sie selbst haben sich demnach als "Der harte Kern" bezeichnet.

Was die Karlsruher Behörde seither herausgefunden und unternommen hat, wollten die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner und Fraktionskollegen von der Bundesregierung wissen. Das Justizministerium ließ jedoch viele Fragen unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen unbeantwortet. In dem Regierungsschreiben, das "nd" vorliegt, heißt es, es werde weiter nur gegen 13 Personen ermittelt. Keiner der Verdächtigen sei den Strafverfolgern als so genannter Gefährder bekannt. Nach den Verhaftungen hatte der "Spiegel" jedoch berichtet, der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Werner S., sei vor mehreren Monaten als rechter Gefährder eingestuft worden.

Auf die Frage, ob die Gruppe S. Listen mit Angaben zu potenziellen Opfern geführt haben, antwortet das Ministerium, "aktuelle Sichtungen" hätten "einzelne Namensnennungen" von Politikerinnen und Politikern offenbart. Auskünfte über deren Zahl seien derzeit nicht möglich. Die Namen der bekannten Zielpersonen der Terror-Zelle seien an die zuständigen Behörden "zur Prüfung der Durchführung etwaiger Maßnahmen in eigener Zuständigkeit weitergeleitet" worden. Einige Betroffene seien bereits über ihre Nennung auf Listen der Gruppe S. informiert worden.

Martina Renner sagte dem "nd", es gehöre zu den "zwingenden Lehren" aus den Ermittlungen zum NSU-Terror, dass potenzielle Opfer "sofort und konsequent informiert werden müssen". Für die Linke-Politikerin ist es indes "verwunderlich", dass die Zahl der weiteren an den Treffen der Terror-Zelle und ihrer "informellen Struktur" Beteiligten immer noch unklar sei. Es dürfe sich "nicht wiederholen", dass die Ermittlungen zu Unterstützern wie im Fall des NSU "eine Blackbox ohne Ergebnis" blieben, fordert Renner.

Laut "Spiegel" hat einer der mutmaßlichen Unterstützer der "Gruppe S.", Markus K., am 1. Mai 2009 an einem rechten Aufmarsch in Dortmund teilgenommen, bei dem mehrere Hundert Neonazis eine Gewerkschafts-Demo angriffen. Unter den von der Polizei damals festgesetzten Rechtsradikalen befanden sich auch Stephan E., der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, sowie Markus H., dem Beihilfe zum Mord an dem CDU-Politiker vorgeworfen wird.

E., der offenbar Verbindungen zum NSU-Umfeld hatte, war vom hessischen Verfassungsschutz seit 2014 als "abgekühlt" und damit als nicht mehr beobachtungswürdig eingestuft worden. Die Begründung: Er habe sich nicht mehr entsprechend betätigt - was, wie Recherchen von Journalisten ergaben, nicht stimmt. Am vergangenen Mittwoch wurde zudem bekannt, dass E. inzwischen auch eine Messerattacke auf einen Iraker im Januar 2016 zur Last gelegt wird, die das Opfer nur knapp überlebte. Ein bei E. sichergestelltes Messer soll als Tatwaffe identifiziert worden sein.

Derweil ergab eine Anfrage der Linken in Hessen, dass der dortige Verfassungsschutz insgesamt rund 20 Neonazis fälschlich als "abgekühlt" eingestuft hat. Dies habe das Amt bei einer internen Prüfung selbst festgestellt, berichtete die Linksfraktion im Wiesbadener Landtag am Donnerstag. Innenminister Peter Beuth (CDU) habe dies bestätigt. Nach Angaben des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Hermann Schaus, wird bei 150 weiteren Personen überprüft, ob sie "vor, während und nach der Akten-Sperrung weiter in der Neonazi-Szene aktiv" waren. Bei 1.400 weiteren Personen sei dies nicht mehr überprüfbar, "weil die Akten vor Juli 2012 gänzlich gelöscht und geschreddert" worden seien. Dies, obwohl die Behörden seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 angeblich alle Akten mehrfach geprüft haben.

Bildunterschrift: Einer der im Februar Verhafteten - Gefährder oder nicht?

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Neue Westfälische Online, 23.03.2020:

Weiterer Polizist aus Hamm wegen möglicher Volksverhetzung im Fokus

23.03.2020 - 17.43 Uhr

Rechte Gesinnung?

Erst vor wenigen Wochen sorgte die Polizei in Hamm bundesweit für Aufsehen. Ein Mitarbeiter soll eine mutmaßlich rechte Terror-Zelle unterstützt haben. Ein Zusammenhang zum aktuellen Fall bestehe jedoch nicht.

Lukas Brekenkamp

Selm / Hamm. Ein Polizeibeamter des Präsidiums in Hamm, gegen den wegen Verdachts der Volksverhetzung ermittelt wird, ist vorläufig des Diensts enthoben worden. Wegen des dringenden Verdachts auf Dienstpflichtverletzungen auf Grund mehrerer "Sachverhalte" bestünden erhebliche Zweifel an der Eignung des Manns für die Ausübung des Polizeiberufs, teilte das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) NRW mit.

Einzelheiten zu den aktuell laufenden straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegen den Mann nannte das Landesamt nicht. Auch Angaben zu der Person wolle man derzeit nicht machen.

Anderer Hammer Polizist soll Rechtsextreme unterstützt haben

Ein Fall, der für Aufsehen sorgt. Immerhin geriet ein anderer Polizist im Fall der mutmaßlich terroristischen "Gruppe S." in den Fokus der Ermittler. Der Mann soll Unterstützer der rechten Zelle mit Verbindungen nach OWL sein und sei laut Angaben der Behörde bereits zuvor mit verfassungsfeindlichen Gedanken aufgefallen. Der Polizeipräsident Erich Sievert räumte Ende Februar bei einer Pressekonferenz Fehler ein. So sei etwa vor wenigen Jahren auf dem Balkon des Mannes eine Reichskriegsflagge aufgefallen.

Bei der Pressekonferenz wurde auch klar, dass die Polizei im Rahmen der Ermittlungen auf zwei weitere Hammer Mitarbeiter gestoßen sei, die möglicherweise eine rechte Gesinnung aufwiesen und nun zu "Prüffällen" geworden seien. Ein Zusammenhang zur der mutmaßlich rechten Terrorzelle "Gruppe S." bestehe jedoch nicht.

Einer der "Prüffälle" soll AfD-Sprecher gewesen sein

Wie der WDR kurz nach der Pressekonferenz berichtete, sei einer der beiden "Prüffälle" zumindest zeitweise Sprecher des AfD-Kreisverbandes Hamm gewesen. Der Kreisverband soll laut Bericht den "Flügel" der Partei unterstützen. Ob es sich bei dem vom Dienst enthobenen Polizisten um diesen AfD-Kreissprecher handelt, bleibt zunächst unklar - ein LAFP-Sprecher wollte das auf Anfrage von nw.de zumindest nicht bestätigen, jedoch auch nicht dementieren. Er bestätigte aber, dass es sich bei dem Polizisten um einen der beiden "Prüffälle" handele.

Der Sprecher bestätigte zudem, dass bereits kurz nach der Pressekonferenz strafrechtliche Ermittlungen geführt wurden, diese jedoch kurz darauf von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden. In der Zeit danach seien jedoch weitere Sachverhalte bekannt geworden, so der Sprecher. Diese seien letztendlich ausschlaggebend für die aktuellen Maßnahmen gewesen.

Ziel ist die Entlassung des Beamten

Zudem teilte das LAFP mit, gegen den Mann sei nun ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Dortmund wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet worden. Das Disziplinarverfahren gegen den Hammer Polizisten werde mit dem Ziel der Entlassung betrieben.

Der LAFP-Direktor Michael Frücht erklärte, wer "rassistische, fremden- oder ausländerfeindliche Auffassungen vertritt oder sich zu eigen macht, hat in einer bürgerorientierten und konsequent der Demokratie und dem Rechtsstaat verpflichteten Polizei keinen Platz".

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Nordbayern.de, 12.03.2020:

Mutmaßlich rechte "Gruppe S." hatte Kontakt nach Mittelfranken

Frau aus dem Nürnberger Land soll Chat-Gruppe gegründet haben

Nürnberger Land. Die mutmaßlich rechtsterroristische "Gruppe S." hat offenbar enge Verbindungen nach Mittelfranken. Eine Frau aus dem Nürnberger Land steht dabei im Fokus. Sie ist keine Unbekannte in der Szene.

Wie eng sind die Verbindungen der mutmaßlich rechtsterroristischen "Gruppe S." nach Mittelfranken? Wie Recherchen des BR und SWR belegen, gründete Inge P. (Name geändert) aus dem Landkreis Nürnberger Land eine Chat-Gruppe zur Vernetzung ihrer Mitglieder. Einer der Teilnehmer sei Werner S. gewesen, bei dem es sich um den Anführer der nach ihm benannten "Gruppe S." handeln soll.

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sei das Ziel der Gruppierung gewesen, "die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Auch Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime seien geplant gewesen, um "bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen". Bei einem Treffen der Gruppe Mitte Februar sei es darum gegangen, eine Moschee anzuzünden, damit Muslime das Land verlassen.

Gründungstreffen im Spätsommer

In den Ermittlungsakten der Bundesanwaltschaft finden sich Fotografien von Inge P., Werner S. und vierzehn anderen Mitgliedern der Gruppe. Laut den Ermittlern handelt es sich bei der Aufnahme um das Gründungstreffen der "Gruppe S." aus dem Spätsommer.

Die genaue Rolle von Inge P. innerhalb der mutmaßlich rechtsradikalen Gruppe ist noch unklar. Eine aktive Beteiligung an den mutmaßlichen Anschlagsplänen bestreitet sie, auch über Waffen will sie sich weder mit Werner S. noch mit anderen Mitgliedern ausgetauscht haben.

Bestens vernetzt in der rechten Szene

Jedoch ist sie keine unbekannte in der rechtsextremen Szene, sie gilt als bestens vernetzt. Laut den Recherchen des Bayerischen Rundfunks war Inge P. eine der Hauptakteurinnen der "Gelbwesten"-Gruppe im Raum Nürnberg. Bei der Gruppierung handelt es sich um das deutsche Pendant der militanten Bewegung in Frankreich, bei der es seit Ende 2018 regelmäßig zu gewalttätigen Krawallen während der Demonstrationen kommt.

Während die politische Ausrichtung der französischen Anhänger uneinheitlich und von extremen Nationalisten bis zu anarchistischen Aktivisten reicht, ist die deutsche Gruppe eher dem rechten Spektrum zuzuordnen.

Im vergangenen Jahr trat Inge P. bei einer unangemeldeten Demonstration der "Gelbwesten" im Nürnberger Land als Rednerin und Wortführerin auf. Auch Werner S. und bekannte Neonazis, die sich beim rechtsextremen Fackelmarsch am ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände beteiligten, waren bei dieser Demonstration anwesend.

Nach einer bundesweiten Razzia gegen die mutmaßlich rechte Terrorzelle Mitte Februar nahm die Polizei zwölf Beschuldigte in Gewahrsam, die seitdem in Untersuchungshaft sitzen. Vier davon seien mutmaßliche Mitglieder, acht mutmaßliche Unterstützer der "Gruppe S.".

Bildunterschrift: Nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terror-Zelle sind am 15. Februar die ersten Festgenommenen in Karlsruhe zu Haftrichtern des Bundesgerichtshofs gebracht worden.

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tagesschau.de, 11.03.2020:

Gründungstreffen "Gruppe S." / Hauptziel Bürgerkrieg

11.03.2020 - 12.47 Uhr

Beim Gründungstreffen der mutmaßlichen rechtsterroristischen "Gruppe S." wurde laut SWR-Recherchen über konkrete Anschläge gesprochen. Zudem habe es Waffenübungen gegeben.

Von Judith Brosel, Kai Laufen und Holger Schmidt, SWR

Bei dem Gründungstreffen der mutmaßlichen rechtsterroristischen "Gruppe S." Ende September 2019 waren 15 Männer und eine Frau dabei - deutlich mehr als bisher bekannt. Das haben Recherchen des SWR ergeben. Sieben Teilnehmer stammen aus dem östlichen Baden-Württemberg. Darunter so genannte Prepper - also Leute, die sich hobbymäßig auf mögliche Katastrophen vorbereiten und Überlebenstrainings im Wald absolvieren -, aber auch unauffällige Familienväter.

Sechs der Teilnehmer dieses ersten Treffens wurden Mitte Februar verhaftet, darunter vier der fünf Hauptbeschuldigten, denen der Generalbundesanwalt die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorwirft. Bei dem fünften Hauptbeschuldigten handelt es sich um den Informanten der Polizei, der nicht festgenommen wurde. Auch er war bei dem Gründungstreffen dabei.

Anschläge auf Habeck und Hofreiter geplant?

Anders als bisher öffentlich bekannt, wurde offenbar schon auf diesem ersten Treffen von Anschlägen auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter gesprochen sowie auf Moscheen. Das Hauptziel sei gewesen, einen Bürgerkrieg zu provozieren.

Bei dem Treffen der Gruppe waren rechte Aktivisten unter anderem aus Niefern-Öschelbronn, Marbach, Mosbach, Nürtingen, Kirchheim, Alfdorf und Ellwangen anwesend. Dabei sollen Schieß- und Wurfübungen absolviert und teils geladene Pistolen gezeigt worden sein. Auch ein Familienvater aus Marbach am Neckar zeigte offenbar seine russische Militärpistole, wurde nach den Razzien bei mehreren Mitgliedern und Unterstützern der "Gruppe S." im Februar aber nicht festgenommen. Ein weiterer Familienvater aus Kirchheim unter Teck sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er soll eine Schusswaffe selbst gebaut und zum gewaltbereiten Kern der Gruppe gehört haben.

Übungen mit Waffen

Ein in Nürtingen lebender Freund dieses Mannes bestätigte dem SWR, dass bei dem Treffen am Grillplatz Hummelgautsche bei Alfdorf mit verschiedenen Waffen geübt wurde. Er sei bei dem Treffen dabei gewesen, weil es seiner Einschätzung nach eine Versammlung von Preppern gewesen sei. Mit seinem mittlerweile verhafteten Freund habe er an vielen Prepper-Treffen teilgenommen. Dieser habe eine große Ausrüstung für den Katastrophenfall zu Hause, einschließlich eines Stromgenerators. Das Treffen an dem Grillplatz will der Mann nur als ein weiteres Prepper-Treffen wahrgenommen haben. Von Anschlagsplänen habe er nichts mitbekommen.

Dem SWR liegen Fotos vor, die Teilnehmer des Treffens mit Streitäxten und Messern bewaffnet zeigen. Die meisten von ihnen trugen Kleidung mit Symbolen der rechten Szene. Auf einem dieser Fotos posiert auch eine Teilnehmerin aus dem Landkreis Nürnberg, die das Treffen ebenfalls als reines Prepper-Treffen wahrgenommen haben will. Im Gespräch mit dem SWR sagte sie, auch sie habe an Schießübungen mit Pfeil und Bogen teilgenommen. Wenn ein Pfeil sein Ziel nicht erreichte, hätten sich die anderen über sie lustig gemacht. Von Andeutungen zu möglichen Terroranschlägen habe sie eigenen Angaben zufolge ebenfalls nichts mitbekommen.

Austausch in Chat-Gruppen

Die 55-Jährige soll die Administratorin der Chat-Gruppe "Der harte Kern" gewesen sein, über die sich die Mitglieder der mutmaßlichen Terror-Zelle "Gruppe S." vernetzt haben sollen. Die Mitglieder hätten sich jedoch immer wieder in weiteren Untergruppen ausgetauscht. Der mutmaßliche Anführer der "Gruppe S.", Werner S., habe ihr erklärt, diese Gruppen seien "nichts für Frauen", sagte sie. Dennoch habe sie zu dem jetzt in Untersuchungshaft sitzenden Werner S. ein gutes Verhältnis gehabt, er sei "wie ein großer Bruder" für sie gewesen.

Den Teilnehmer, der kurz nach dem Gründungstreffen mit der Polizei sprach, belastet die Frau hingegen schwer. Ihren Angaben zufolge war der Mann, der Informationen an die Polizei weitergab und selbst schon viele Jahre im Gefängnis saß, der Antreiber der Gruppe. Er soll die Gruppe angestachelt haben - auf dem Treffen selbst, aber auch in Chat-Gruppen. Er habe immer wieder gesagt: "Wenn’s Krieg gibt, steh` ich in der ersten Reihe" und "Ich gehe nicht mehr in den Knast".

Vorwurf: Bildung einer terroristischen Vereinigung

Unter den 15 Männern und einer Frau, die an dem Gründungstreffen in Baden-Württemberg teilnahmen, waren alle fünf Männer, denen der Generalbundesanwalt die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorwirft, sowie weitere zwei, die wegen entsprechender Unterstützungshandlungen in Untersuchungshaft sitzen.

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Südwestrundfunk, 11.03.2020:

Gründung der "Gruppe S." - mehr Baden-Württemberger dabei als bisher bekannt

11.03.2020 - 06.34 Uhr

Rechtsextremismus im Land

Von Judith Brosel, Kai Laufen, Holger Schmidt

Beim Gründungstreffen der mutmaßlichen rechtsterroristischen "Gruppe S." waren deutlich mehr Württemberger anwesend als bisher bekannt. Das haben Recherchen des SWR ergeben.

Zum Gründungstreffen der mutmaßlichen rechtsterroristischen "Gruppe S." Ende September kamen 15 Männer und eine Frau und damit deutlich mehr Personen als bisher bekannt. Das belegen Recherchen des SWR.

Sieben Teilnehmer stammen aus dem östlichen Baden-Württemberg. Darunter sind Prepper (Personen, die sich hobbymäßig auf mögliche Katastrophen vorbereiten und Überlebenstraining im Wald absolvieren), aber auch unauffällige Familienväter.

Anschläge auf Grünen-Politiker diskutiert

Sechs der Teilnehmer dieses ersten Treffens wurden Mitte Februar verhaftet. Darunter befinden sich vier der fünf Hauptbeschuldigten, denen der Generalbundesanwalt die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorwirft. Bei dem fünften Hauptbeschuldigten handelt es sich um den Informanten der Polizei, der nicht festgenommen wurde. Auch er war bei dem Gründungstreffen dabei.

Anders als bisher öffentlich bekannt, wurde offenbar schon auf diesem ersten Treffen von Anschlägen auf die Politiker Robert Habeck (Grüne) und Anton Hofreiter (Grüne) gesprochen, sowie auf Moscheen. Das Hauptziel sei gewesen, einen Bürgerkrieg zu provozieren.

Mann seit Februar in U-Haft

Bei dem Treffen der Gruppe im September vergangenen Jahres waren rechte Aktivisten unter anderem aus Niefern-Öschelbronn (Enzkreis), Marbach am Neckar (Kreis Ludwigsburg), Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis), Nürtingen, Kirchheim unter Teck (beide Kreis Esslingen), Alfdorf (Rems-Murr-Kreis) und Ellwangen (Ostalbkreis) dabei. Auf dem Treffen sollen Schieß- und Wurfübungen absolviert und teils geladene Pistolen gezeigt worden sein. Ein Familienvater aus Marbach am Neckar zeigte offenbar seine russische Militärpistole, wurde aber später nicht festgenommen. Ein weiterer Familienvater aus Kirchheim unter Teck sitzt seit Februar in Untersuchungshaft. Er soll eine Schusswaffe selbst gebaut und zum gewaltbereiten Kern der Gruppe gehört haben.

Ein in Nürtingen lebender Freund dieses Mannes bestätigte dem SWR, dass bei dem Treffen am Grillplatz "Hummelgautsche" bei Alfdorf mit verschiedenen Waffen geübt wurde. Er sei bei dem Treffen dabei gewesen, weil es seiner Einschätzung nach eine Versammlung von Preppern gewesen sei. Auch mit seinem mittlerweile verhafteten Freund habe er an vielen Prepper-Treffen teilgenommen. Dieser habe eine große Ausrüstung für den Katastrophenfall zu Hause, einschließlich eines Stromgenerators.

Nur ein weiteres Prepper-Treffen?

Das Treffen an dem Grillplatz will der Mann nur als ein weiteres Prepper-Treffen wahrgenommen haben. Von Anschlagsplänen habe er nichts mitbekommen. Allerdings liegen dem SWR Fotos vor, die Teilnehmer mit Streitäxten und Messern bewaffnet zeigen. Die meisten Teilnehmer trugen Kleidung mit Symbolen der rechten Szene.

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General-Anzeiger Online, 10.03.2020:

"Gruppe S." / Behörden ermitteln über Reichweite von Terror-Zelle

10.03.2020 - 07.56 Uhr

Berlin. Die vor einem Monat gefassten mutmaßlichen Rechtsterroristen der "Gruppe S." waren schnell im Visier der Behörden. Wie weit ihre Netzwerke reichen, muss nach wie vor ermittelt werden.

Von Gregor Mayntz

Intelligent sollten sie sein, dazu "hart", "brutal" und "schnell". Jene Männer, die der 53-jährige Werner S. nach dieser, in abgehörten Gesprächen geäußerten Qualifikation um sich scharte, um nicht länger Hass und Hetze nur schriftlich und mündlich zu verbreiten. Sie sollten töten: In kleinen Teams Moscheen an kleineren Orten in zehn Bundesländern stürmen und mit Pistolen und Granaten überall Blutbäder anrichten. Wie weit war es von dieser Theorie zur Tat?

Armin Schuster (CDU), als Chef des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums einer der bestinformierten Politiker Deutschlands auf dem Gebiet drohender Gefahren, kommt zu einer doppelten Einschätzung. Einerseits seien der mutmaßliche Anführer und seine "Gruppe S." sehr früh unter Behörden-Kontrolle gewesen. Deshalb habe auch nicht die Gefahr eines kurz bevorstehenden Anschlages bestanden. Auf der anderen Seite gelte inzwischen aber eines als gesichert: "Prinzipiell muss man die Gruppe als brandgefährlich einschätzen", so Schuster.

Offenbar kamen die Behörden dem immer größer werdenden Terror-Risiko von zwei Seiten mehr oder weniger gleichzeitig auf die Spur. Als ein erstes Treffen im September vergangenen Jahres an der Hummelgautsche, einem Freizeittreffpunkt neben einer alten Mühle rund 50 Kilometer von Stuttgart, begann, standen die Männer bereits unter Beobachtung. Denn einer von ihnen soll von den Behörden bereits als "Gefährder" geführt worden sein, also als ein besonders gefährlicher Extremist, dem jederzeit eine Anschlagsplanung zugetraut wurde.

Bis zu diesem Herbsttag sollen die Männer sich vor allem aus dem Internet und nicht persönlich gekannt haben. Sie seien sich, so die Ermittler, aber schnell einig gewesen, gegen die Demokratie aktiv zu werden und sich dafür, jeder für sich, in Schießübungen fit zu machen.

Wenig später meldete sich einer der Internet-Chat-Partner bei den Behörden, weil ihm die Radikalisierung doch zu heftig ausfiel. Das mag die Erklärung dafür sein, dass der Generalbundesanwalt gegen 13 Personen wegen Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelte, aber nur für zwölf von ihnen Haftbefehle beantragte. Mit dem 13. soll schon früh über ein Zeugenschutzprogramm gesprochen worden sein.

Ermittler fahnden im Umfeld der Festgenommenen

Der Anwalt von Werner S. bestreitet dessen Rädelsführerschaft. Und er verstärkt auch Zweifel, wie konkret Tatortplanungen bereits waren und wie weit die Gruppe mit ihrer Bewaffnung gekommen war. Das hatte der Generalbundesanwalt aufklären wollen, als er Mitte Februar die zwölf Männer festnehmen und ihre Wohnungen durchsuchen ließ. Es war von selbst gebauten Handgranaten, einer scharfen Pistole vom Kaliber 9 Millimeter, von Messern, Dolchen und einer Armbrust die Rede. Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach mit Bezug auf Durchsuchungen von Handgranaten, Sprengstoff, Kalaschnikows, die sich Rechtsextremisten in verblüffend kurzer Zeit zugelegt hätten.

Die Ermittler fahnden nun vor allem im Umfeld der Festgenommenen, in der Prepper- und Reichsbürger-Szene, aber auch in den Behörden selbst. Einer der Inhaftierten arbeitete als Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Hamm. Derzeit prüfen die Behörden, ob es unter seinem Einfluss Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Waffenerlaubnissen gab. Die größte "Unregelmäßigkeit" besteht offenkundig schon darin, dass er mehrfach mit rechtsextremistischen Signalen auffiel, ohne dass dies zu schwereren Konsequenzen als Ermahnungen führte.

Bei Recherchen fanden sich nun sogar einschlägige Aufforderungen, die der Polizei-Mitarbeiter geteilt haben soll. Darunter der Appell an Polizisten, ihre Waffe gegen "Gesindel" einzusetzen, und die Aussage, man müsse von Zeit zu Zeit Terroranschläge verüben.

Aus den abgehörten Gesprächen ergibt sich das Bild einer von Gewaltphantasien getragenen Stimmung innerhalb der Gruppe. Die Mitglieder sollen sich gegenseitig versichert haben, Hunderte, wenn nicht gar Tausende bewaffneter Gesinnungsgenossen mobilisieren zu können. Das hing mit ihrem Plan zusammen, mit den Massenmorden in Moscheen gewaltsame Reaktionen von Muslimen auszulösen, diese wieder zu rechtsterroristischen Antworten zu nutzen, um so einen Bürgerkrieg in Deutschland auszulösen. In einzelnen Gesprächen sollen Gruppenmitglieder, die selbst Väter waren, keine Skrupel beim Töten von muslimischen Kindern geäußert und auch das Szenario von Selbstmordfeldzügen entwickelt haben.

Auch Schuster spricht von "extrem rassistischer Kommunikation" sowie von "bürgerkriegsähnlichen Gewaltphantasien bis hin zur märtyrerhaften Opferbereitschaft", die die besondere Gefahr der Gruppe ausgemacht hätten. Insofern könne man bei der Gefährlichkeit dieser Personen kaum einen Unterschied zu islamistischen Gefährdern erkennen. Als wichtige Aufgabe sieht es Schuster nun an, die Verbindungen in weitere Netzwerke konkret zu ermitteln. S. - im Netz auch als "Teutonico" bekannt - soll über eine Chat-Gruppe namens "Freikorps Heimat" viele Kontakte gesammelt haben.

In Freikorps hatten sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ehemalige Frontsoldaten gesammelt. Sie schlugen revolutionäre Aufstände blutig nieder und machten aus ihrer völkischen Gesinnung keinen Hehl. Sie beteiligten sich am Kapp-Lüttwitz-Putsch, gingen zu einem Teil auch in eine geheime Organisation, die demokratische Politiker der Weimarer Republik ermordete. Somit kommt auch durch diese Namensgebung zum Ausdruck, was der Gruppe S. vorschwebte und wie gefährlich sie war.

Terrorfantasien hinter bürgerlicher Fassade / Mitglieder sollen Gelder zugesagt haben

Die Beschuldigten kommen aus 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sie sind alle deutsche Staatsangehörige. Die Haftbefehle ergingen gegen Werner S., Michael B., Thomas N., Tony E., Thorsten W., Ulf R. Wolfgang W., Markus K. Frank H. Marcel W. Stefan K. und Steffen B.

Treffen gab es außer auf dem Grillplatz in Alfdorf (Baden-Württemberg) auch in Minden (NRW). Hinter bürgerlicher Fassade und bei Kartoffelsalat mit Würstchen sollen die Mitglieder ihre Terrorfantasien entwickelt haben. Sie gingen dabei offenbar auch schon konspirativ vor, indem sie sich darauf verständigten, ihre Handys außerhalb des Raumes zu deponieren, um nicht abgehört werden zu können.

Geldsammlungen für die Waffenbeschaffung waren offenbar im Gange. Etliche Mitglieder sollen Beiträge von 5.000 Euro zugesagt haben, um die ersten Attentate vorbereiten zu können.

Die potenziellen Tatorte waren möglicherweise noch nicht ausgekundschaftet. Mehrere Mitglieder sollen sich auch in Berlin zusammen umgesehen haben. Es war davon die Rede, sich in kleineren Orten Moscheen zu suchen, um Anschläge wie in Christchurch zu begehen. In der neuseeländischen Stadt hatte im März 2019 ein Rechtsterrorist in zwei Moscheen 51 Menschen getötet.

Bildunterschrift: Festnahme Mitte Februar: Polizisten bringen einen Verdächtigen zum Bundesgerichtshof.

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Westfalen-Blatt, 09.03.2020:

"Brandgefährlich"

Vor einem Monat wurde die "Gruppe S." festgenommen - Wie weit reichen ihre Verbindungen?

Von Gregor Mayntz

Berlin / Minden (WB). Intelligent sollten sie sein, dazu "hart", "brutal" und "schnell". Jene Männer, die der 53-jährige Werner S. nach dieser, in abgehörten Gesprächen geäußerten Qualifikation um sich scharte, um nicht länger nur Hass und Hetze schriftlich und mündlich zu verbreiten. Sie sollten töten: In kleinen Teams Moscheen an kleineren Orten in zehn Bundesländern stürmen und mit Pistolen und Granaten überall Blutbäder anrichten. Wie weit war es von dieser Theorie zur Tat?

Armin Schuster (CDU), als Chef des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums einer der bestinformierten Politiker Deutschlands auf dem Gebiet drohender Gefahren, kommt zu einer doppelten Einschätzung. Einerseits seien der mutmaßliche Anführer und seine "Gruppe S." sehr früh unter Behörden-Kontrolle gewesen. Deshalb habe auch nicht die Gefahr eines kurz bevorstehenden Anschlages bestanden. Auf der anderen Seite gelte inzwischen aber auch eines als gesichert: "Prinzipiell muss man die Gruppe als brandgefährlich einschätzen", so Schuster.

Offenbar kamen die Behörden dem immer größer werdenden Terror-Risiko von zwei Seiten mehr oder weniger gleichzeitig auf die Spur. Als ein erstes Treffen im September vergangenen Jahres an der Hummelgautsche, einem Freizeittreffpunkt neben einer alten Mühle rund 50 Kilometer von Stuttgart, begann, standen die Männer bereits unter Beobachtung. Denn einer von ihnen soll von den Behörden bereits als "Gefährder" geführt worden sein, also als ein besonders gefährlicher Extremist, dem jederzeit eine Anschlagsplanung zugetraut wurde.

Bis zu diesem Herbsttag sollen die Männer sich vor allem aus dem Internet und nicht persönlich gekannt haben. Sie seien sich, so die Ermittler, aber schnell einig gewesen, gegen die Demokratie aktiv zu werden und sich dafür - jeder für sich - in Schießübungen fit zu machen.

Wenig später meldete sich einer der Internet-Chat-Partner bei den Behörden, weil ihm die Radikalisierung doch zu heftig ausfiel. Das mag die Erklärung dafür sein, dass der Generalbundesanwalt gegen 13 Personen wegen Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelte, aber nur für zwölf von ihnen Haftbefehle beantragte. Mit dem 13. soll schon früh über ein Zeugenschutzprogramm gesprochen worden sein.

Der Anwalt von Werner S. bestreitet dessen Rädelsführerschaft. Und er verstärkt auch Zweifel, wie konkret Tatort-Planungen bereits waren und wie weit die Gruppe mit ihrer Bewaffnung gekommen war. Genau das hatte der Generalbundesanwalt aufklären wollen, als er Mitte Februar die zwölf Männer festnehmen und ihre Wohnungen durchsuchen ließ. Es war von selbst gebauten Handgranaten, einer scharfen Pistole vom Kaliber 9 Millimeter, von Messern, Dolchen und einer Armbrust die Rede. Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach mit Bezug auf Durchsuchungen von Handgranaten, Sprengstoff und Kalaschnikows.

Die Ermittler fahnden nun vor allem im Umfeld der Festgenommenen, in der Prepper- und Reichsbürger-Szene, aber auch in den Behörden selbst. Einer der Inhaftierten arbeitete als Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Hamm. Derzeit prüfen die Behörden, ob es unter seinem Einfluss Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Waffenerlaubnissen gab. Die größte "Unregelmäßigkeit" besteht offenkundig schon darin, dass er mehrfach mit rechtsextremistischen Signalen auffiel, ohne dass dies zu schwereren Konsequenzen als Ermahnungen führte. Bei Recherchen fanden sich nun sogar einschlägige Aufforderungen, die der Polizei-Mitarbeiter geteilt haben soll - darunter die Aussage, man müsse von Zeit zu Zeit Terror-Anschläge verüben.

Aus den abgehörten Gesprächen ergibt sich das Bild einer von Gewaltphantasien getragenen Stimmung innerhalb der Gruppe. Die Mitglieder sollen sich gegenseitig versichert haben, Hunderte, wenn nicht gar Tausende bewaffneter Gesinnungsgenossen mobilisieren zu können. Das hing mit ihrem Plan zusammen, mit den Massenmorden in Moscheen gewaltsame Reaktionen von Muslimen loszutreten, diese wieder zu rechtsterroristischen Antworten zu nutzen, um so einen Bürgerkrieg in Deutschland auszulösen. In einzelnen Gesprächen sollen Gruppenmitglieder, die selbst Väter waren, keine Skrupel beim Töten von muslimischen Kindern geäußert und auch das Szenario von Selbstmord-Feldzügen entwickelt haben.

Auch Schuster spricht von "ex­trem rassistischer Kommunikation" sowie von "bürgerkriegsähnlichen Gewaltphantasien bis hin zur märtyrerhaften Opferbereitschaft", die die besondere Gefahr der Gruppe ausgemacht hätten. Insofern könne man bei der Gefährlichkeit dieser Personen kaum einen Unterschied zu islamistischen Gefährdern erkennen. Als wichtige Aufgabe sieht es Schuster nun an, die Verbindungen in weitere Netzwerke zu ermitteln. S. - im Netz auch als "Teutonico" bekannt - soll über eine Chat-Gruppe namens "Freikorps Heimat" viele Kontakte gesammelt haben.

In Freikorps hatten sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ehemalige Frontsoldaten gesammelt. Sie schlugen revolutionäre Aufstände blutig nieder und machten aus ihrer völkischen Gesinnung keinen Hehl. Sie beteiligten sich am Kapp-Lüttwitz-Putsch, gingen zu einem Teil auch in eine geheime Organisation, die demokratische Politiker der Weimarer Republik ermordete. Somit kommt auch durch diese Namensgebung zum Ausdruck, was der Gruppe S. vorschwebte und wie gefährlich sie war.

Beschuldigte kommen aus sechs Bundesländern

Die Beschuldigten kommen aus 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sie sind alle deutsche Staatsangehörige. Treffen gab es außer auf dem Grillplatz in Alfdorf (Baden-Württemberg) auch in Minden. Hinter bürgerlicher Fassade und bei Kartoffelsalat mit Würstchen sollen die Mitglieder ihre Terror-Fantasien entwickelt haben. Sie gingen dabei offenbar auch schon konspirativ vor, indem sie sich darauf verständigten, ihre Handys außerhalb des Raumes zu deponieren, um nicht abgehört werden zu können.

Geldsammlungen für die Waffenbeschaffung waren offenbar im Gange. Etliche Mitglieder sollen Beiträge von 5.000 Euro zugesagt haben, um die ersten Attentate vorbereiten zu können.

Die potenziellen Tatorte waren möglicherweise noch nicht ausgekundschaftet. Mehrere Mitglieder sollen sich auch in Berlin zusammen umgesehen haben. Es war davon die Rede, sich in kleineren Orten Moscheen zu suchen, um Anschläge wie in Christchurch zu begehen. In der neuseeländischen Stadt hatte im März 2019 ein Rechtsterrorist in zwei Moscheen 51 Menschen getötet.

Bildunterschrift: In Minden wurde im Februar ein Mitglied (mit Handtuch über dem Kopf) der als extrem gefährlich eingestuften "Gruppe S." festgenommen.

Bildunterschrift: Einer der Festgenommenen wird in Karlsruhe zu einem Haftrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) gebracht.

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junge Welt, 07./08.03.2020:

Vorbild Freikorps / Rechte Terror-Zelle

Rechte "Gruppe S." plante Massaker an Muslimen und Schwarzen, um einen Bürgerkrieg zu provozieren

Von Ulla Jelpke

Am 14. Februar 2020 schlug die Polizei zu. In mehreren Bundesländern wurden zwölf Männer festgenommen, denen vorgeworfen wird, einen "Zusammenschluss zur Beseitigung der staatlichen Ordnung" gebildet und zu diesem Ziel Anschläge auf Politiker, Muslime und Schwarze geplant zu haben. Die "Gruppe S." - so der vom mutmaßlichen Anführer Werner S. abgeleitete behördeninterne Name der rechten Terror-Gruppe - war am Mittwoch auch Thema im Innenausschuss des Bundestages. Die Ermittlungsleiterin der Generalbundesanwaltschaft, Cornelia Zacharias, berichtete dort über den Stand der Ermittlungen.

Gebildet hatte sich die "Gruppe S." nach Ansicht der Ermittler am 28. September 2019. Damals trafen sich fünf Männer auf einer Grillwiese im baden-württembergischen Alfdorf. Die Beschaffung von Waffen soll bereits dort Thema gewesen sein. Seit November 2019 liefen die polizeilichen Ermittlungen gegen die fünf Personen, die sich selbst in einer Chat-Gruppe als der "harte Kern" bezeichneten. Auf die Spur gekommen waren die Ermittler der Gruppe bereits während anderer verdeckter Ermittlungen im Neonazi-Milieu. Durch einen Informanten aus der Zelle, der sich an das LKA Baden-Württemberg und das Bundesamt für Verfassungsschutz gewandt hatte, bekamen sie auch Einblick in die Kommunikationsstrukturen der Gruppe.

Aus der abgefangenen Kommunikation einer internen Chat-Gruppe wird deutlich, dass Werner S. den Aufbau eines "Freiwilligenverbandes zur Kräftemobilisierung" anstrebte. Dafür suchte er Männer zu gewinnen, die "intelligent, hart, schnell" seien und sich "etwas mehr als die Teilnahme an Demonstrationen und dergleichen" zutrauen. Um eine "Ausbildung im militärischen Sinne" werde sich gekümmert, "Verrat" werde "strengstens geahndet". Vorbild für die geplante Schattenarmee waren offenbar die protofaschistischen Freikorpsverbände, die nach der Novemberrevolution gebildet worden waren und blutig gegen die politische Linke vorgingen.

Am 8. Februar 2020 traf sich der "harte Kern" mit acht Unterstützern im westfälischen Minden. Obwohl die Anwesenden konspirativ agierten und ihre Mobiltelefone im Auto gelassen hatten, wurde das Treffen vom Staatsschutz abgehört. Werner S. enthüllte dort seinen Plan. Durch gleichzeitige Massaker von "Kommandos" an Betenden in Moscheen in kleineren Städten von zehn Bundesländern sollten gewaltsame Reaktionen von Muslimen hervorgerufen werden, um so einen Bürgerkrieg zu provozieren. Inzwischen wurde bekannt, dass die "Gruppe S." auch Anschläge auf Politiker wie den Grünen-Bundes-Ko-Vorsitzenden Robert Habeck und Grünen-Ko-Fraktionschef Anton Hofreiter geplant hatte. Todeslisten mit zahlreichen Namen von politischen Gegnern, wie sie bei anderen in letzter Zeit entlarvten extrem rechten Zellen gefunden wurden, hatte die "Gruppe S." aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht geführt. Statt dessen plante die Gruppe neben den wohl wegen ihres Personenschutzes als "harte Ziele" eingestuften Politikern auch Anschläge auf "weiche Ziele", zu denen etwa willkürlich ausgewählte Bürger mit schwarzer Hautfarbe gezählt wurden. Für die Waffenbeschaffung wurden auf dem Treffen in Minden zwei Männer bestimmt, das dafür benötigte Geld in Höhe von 50.000 Euro sollten alle Gruppenmitglieder gemeinsam aufbringen.

Obwohl die Ermittler die Gruppe gerne noch länger beobachtet hätten, ordnete die Generalbundesanwaltschaft aus der Befürchtung, es könnten Beweise vernichtet werden, am 14. Februar den Zugriff an. 13 Personen wurden vorläufig festgenommen. Im Haus von Werner S. im bayerischen Mickhausen bei Augsburg stellte die Polizei eine geladene 9-Millimeter-Pistole und weitere Munition sicher. Auch bei anderen Gruppenmitgliedern wurden Waffen sichergestellt. Darunter befanden sich neben Messern, Äxten, Morgensternen auch eine Armbrust und selbstgebaute Handgranaten. Angesichts der Waffenfunde ergingen am folgenden Tag Haftbefehle wegen dringenden Tatverdachts gegen die Festgenommenen - nur der Informant bleibt in Freiheit, gilt aber weiterhin als Beschuldigter.

Sollten die Anschuldigungen gegen die "Gruppe S." zutreffen, dann handelt es sich um die mitgliederstärkste rechtsterroristische Gruppierung, die in der jüngeren deutschen Geschichte aufgedeckt wurde - glücklicherweise noch bevor sie ihre blutigen Pläne in die Tat umsetzten konnte. Das Massaker eines Faschisten an neun Besuchern einer Shisha-Bar und eines Café-Kiosks in Hanau nur sechs Tage nach dem Schlag gegen die "Gruppe S." zeigt indessen, dass es sich nur um die Spitze des Eisberges handelt und womöglich noch eine Vielzahl solcher tickender Zeitbomben existieren.

Bildunterschrift: Auf diesem Grillplatz bei Alfdorf sollen sich Mitglieder der "Gruppe S." getroffen haben.

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Süddeutsche Zeitung Online, 06.03.2020

Rechtsextremismus / Der Traum vom Krieg

06.03.2020 - 11.28 Uhr

Bei Kartoffelsalat und Bockwurst besprachen die Mitglieder der Terror-Gruppe S. offenbar, wie man Deutschland in den Abgrund stürzen könnte. Von Wutbürgern, die zu Terroristen werden.

Von Florian Flade, Lena Kampf, Georg Mascolo und Nicolas Richter

Die Planungen für den Untergang begannen an einem Tag im Februar. Drei Männer trafen sich im ostwestfälischen Minden und gingen erst mal zur Imbissbude. Einer nahm wohl Currywurst, der nächste Currywurst mit Pommes, der dritte Bratwurst. Besonders die Currywurst soll gut gewesen sein, sagte einer der Beteiligten später der Polizei.

Den Erzählungen des Zeugen zufolge soll einer der drei Männer dann zu sich nach Hause eingeladen haben. Sie wurden von der Frau des Gastgebers herzlich begrüßt. Drinnen setzten sie sich an einen Tisch und tranken eine beachtliche Auswahl an Met, einem Honigwein, den manche mit germanischen Göttern in Verbindung bringen, sagte der Zeuge. Der Gastgeber soll dann noch eine Sammlung alter Äxte vorgeführt haben, Äxte, wie die Germanen sie angeblich benutzten, mit kurzen und langen Stielen, höllisch scharf. Dann gab es selbstgemachten Kartoffelsalat und Bockwürstchen, von der Ehefrau serviert.

Das konspirative Treffen, das offenbar eine Welle der Gewalt und den Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung Deutschlands einläuten sollte, fand dann am späten Vormittag des nächsten Tages statt. Der Gastgeber, Inhaber einer Fliesenlegerfirma, führte zwei liebevoll restaurierte Oldtimer vor. Und seine Frau holte Brötchen.

Zu dem Treffen waren ein Dutzend Männer aus ganz Deutschland angereist. Einer soll sich als Sergeant-at-arms vorgestellt haben, ein anderer gehörte offenbar der Bürgerwehr "Wodans Erben" an. Auch der mutmaßliche Rädelsführer war dabei, ein Mann, der sich "Teutonico" nannte. Die Verschwörer sollen sich zunächst darauf geeinigt haben, ihre Handys in einem anderen Zimmer abzulegen, damit niemand sie abhören konnte. Dann schmiedeten sie offenbar den Plan, eine Anschlagsserie auf Moscheen zu verüben, um einen Bürgerkrieg auszulösen.

In Chat-Gruppen sehnen sie sich nach dem "Tag X" und einem Bürgerkrieg

Die Beteiligten flogen auf, die Bundesanwaltschaft ließ am frühen Morgen des 14. Februar zwölf Männer im Alter zwischen 31 und 60 Jahren festnehmen, kurz darauf hat der Bundesgerichtshof Haftbefehle erlassen wegen Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung.

Seitdem sitzen die Männer um "Teutonico" in Untersuchungshaft. Im Haftbefehl heißt es, sie hätten die Bevölkerung und deren demokratisch gewählte Vertreter erheblich einschüchtern und die Bundesrepublik schwer schädigen wollen.

Ob die "Gruppe S.", wie dieser Terror-Zirkel in Anlehnung an den mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. genannt wird, jemals einen Anschlag verübt hätte, ist unklar. Bei den Durchsuchungen wurden, neben zahlreichen Schwertern, Äxten und Wurfsternen, eine scharfe 9-mm-Pistole und eine selbstgebaute Waffe gefunden. Aber allein die Vorgespräche, überliefert durch eine Zeugenaussage, durch abgehörte Telefonate sowie Internet-Chats, klangen so beunruhigend, dass sich die Sicherheitsbehörden für einen schnellen Zugriff entschieden. Wie entschlossen die potenziellen Terroristen waren, zeigt sich daran, dass die Gruppe offenbar genug Kapital für eine Anschlagsserie in Höhe von 50.000 Euro zusammenbekommen hätte: Etliche Mitglieder der mutmaßlichen Terror-Zelle sollen dem Zeugen zufolge ohne Zögern je einen Beitrag von 5.000 Euro für die Kriegskasse versprochen haben. Damit wollten sie demnach Waffen kaufen. Pistolen vom Typ "Tokarev" etwa in Tschechien. In überwachten Telefonaten sollen die mutmaßlichen Rechtsterroristen dafür Codewörter benutzt haben. Sie sprachen von "Elektroroller" oder "Akku".

Kartoffelsalat, Oldtimer, 5.000-Euro-Zuschüsse: Die Gruppe S. war jedenfalls nicht das Projekt eines rassistischen und womöglich psychisch gestörten, allein handelnden Täters wie das von jenem, der jüngst in Hanau elf Menschen ermordet hat, und es war auch nicht das Projekt von mittellosen Randfiguren. Vielmehr wirkt die Gruppe S. wie die sehr gefährliche Gewaltfantasie deutscher Kleinbürger. Es ist ein Terror, der nicht vom Rand der Gesellschaft ausgeht, sondern aus ihrer Mitte kommt.

Wer mit Menschen redet, die das Land vor rechtem Terror schützen sollen, hört die Sorge heraus. Und die Ratlosigkeit. Die rechte Szene sei gewaltbereit wie selten zuvor, heißt es, und sie sei inzwischen aufgewühlt und unübersichtlich. Man habe es, grob gesagt, mit drei unterschiedlichen Tätertypen zu tun.

Da sind die Mörder von Christchurch, Halle oder Hanau. Sie handeln allein, ihr krudes Weltbild entspringt oft den Untiefen des Internets. Sie basteln sich eine eigene Ideologie zusammen, aus Rassismus, Antisemitismus, häufig auch aus Hass auf Frauen. Und fast immer glauben sie an die Verschwörungstheorie vom großen Bevölkerungsaustausch, wie sie auch die AfD verbreitet.

Dann gebe es, warnen Staatsschützer, auch noch organisierte Gruppen, die rechten Terror propagieren. Etwa die jüngst durch das Bundesinnenministerium verbotene Vereinigung Combat 18, oder neue Terror-Zellen wie die "Atomwaffen Division" und "Feuerkrieg Division".

Und dann sind da Typen wie in der Gruppe S., ein schwer zu greifendes Milieu aus "Reichsbürgern", Rockern, selbsternannten Germanen, Preppern und Angehörigen von Bürgerwehren. Aus Wutbürgern werden Terroristen. Sie tauschen sich vor allem über das Internet aus, bilden Chat-Gruppen, sehnen sich den "Tag X" und einen Bürgerkrieg herbei. Und bestärken sich gegenseitig in der Überzeugung, endlich handeln zu müssen. Eine mörderische Agenda, wie sie einst der NSU proklamierte: Taten statt Worte.

Das erste Treffen der Gruppe S. soll Ende September vergangenen Jahres im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald stattgefunden haben, an der Hummelgautsche, einer alten Sägemühle. Was einer der Anwesenden später der Polizei erzählte, klang so, als hätte sich ein heterogener Zirkel aus harten Jungs und martialisch veranlagten Kleinbürgern zu einem Abenteuer-Wochenende verabredet. Einer kam demnach in einem schwarzen Pick-up und brachte einen Jagdhund mit, andere sollen bewaffnet gewesen sein. Ein früherer Fallschirmjäger hatte eine schusssichere Weste dabei, ein anderer soll seine Kinder dabeigehabt haben, sie sollen etwas abseits am Grillfeuer gestanden haben.

S. soll einen weißen Pitbull haben, der auf alles losgeht, sobald er "Schwarz" sagt

Dem Zeugen zufolge schossen die Männer mit Pfeilen auf eine Holzhütte und schleuderten Äxte auf Baumstämme. Der mutmaßliche Anführer, der 53-jährige Werner S., der aus einem Dorf bei Augsburg kommt und den alle "Teutonico" nannten, erklärte offenbar, dass jeder in der Gruppe künftig selbständig den Umgang mit verschiedensten Waffen üben müsse. Man merke S. seine militärische Ausbildung an, sagte der Zeuge über ihn. S. soll einen weißen Pitbull abgerichtet haben, der auf alles losgehe, sobald S. das Wort "Schwarz" sage.

Die Bundesanwaltschaft hält Werner S. für den Kopf der mutmaßlichen Terror-Zelle. Er soll in allen Fragen das letzte Wort gehabt haben und fiel vor allem durch seine vielen Kontakte im rechtsextremistischen Milieu auf. Sein Anwalt hingegen, der Strafverteidiger Felix Dimpfl, sieht keine Rädelsführerschaft. Im Umfeld von S. heißt es, er sei nicht rechtsextrem, es habe keine ernsthafte Bewaffnung der Gruppe oder konkrete Anschlagsziele gegeben. Nach Erkenntnissen der Ermittler konnte S. jedoch mit Hilfe unterschiedlicher Chat-Gruppen im Netz schnell Kontakt zu Gleichgesinnten in ganz Deutschland herstellen. Eine Chat-Gruppe, die er Ende 2019 gründete, hieß "Freikorps Heimat", andere "Der harte Kern" oder "Besprechungszimmer". Die Ermittler vermuten, S. hätte durch seine Vernetzung eine große Zahl von Personen mobilisieren können. Beim ersten Treffen an der Hummelgautsche soll ein Vertrauter von S. gesagt haben, über einen Aufruf per E-Mail ließen sich 2.500 teils bewaffnete Personen erreichen.

In dem Chat "Freikorps Heimat", der später in "I.-ZUG-HEIMAT" umbenannt wurde, ließ S. erkennen, dass er nicht nur extremistisch dachte, sondern auch zu Taten übergehen wollte. Er suchte offensichtlich Männer, die körperlich fit und militärisch erfahren waren, und er wollte mit ihnen ausdrücklich nicht nur an Demos teilnehmen, sondern, wie er düster formulierte, bevorstehende Anforderungen bewältigen. In diesem Jahr, schrieb er Anfang Februar, gebe es keine Ausreden mehr, es werde nun gehandelt.

Seine Rekruten, die er in den Chats oft "Kameraden" nannte, stammten aus einem einschlägigen Milieu. Beim Treffen an der Hummelgautsche erschienen, sagte der Zeuge später, mehrere Männer aus "Freikorps" in Niedersachsen, Bayern, Sachsen oder etwa aus der Gruppe "Wodans Erben", einer Bürgerwehr, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Ein Anwesender soll gesagt haben, er sei zu allem bereit, um das "Deutsche Reich" zu schützen. Die "Bundesrepublik" gebe es für ihn nicht.

Niemand weiß, ob die Gruppe jemals einen Anschlag verübt hätte. Aber bei den Durchsuchungen fanden die Beamten eine 9mm-Pistole, Schwerter, Äxte.

Den Ermittlern bot sich ein diffuses Bild: Die Clique, die sich offenbar für einen Bürgerkrieg rüstete, den sie selbst auslösen wollte, bestand aus Rechtsextremen, die immer wieder mal in den Fokus der Behörden geraten waren. Bei rechten Aufmärschen, durch Gewaltdelikte oder durch ihre Verbindungen zu Neonazi-Gruppierungen. Manche aber waren unbekannt, unbescholtene Bürger. Sogar ein Mitarbeiter der Polizei in Hamm war mit dabei.

Seinen Kollegen war der Beamte immer wieder aufgefallen. Er posierte gerne in Germanenkluft, mit Fellmütze und Schwert. Aber das alles war wohl nicht nur harmlose Spielerei. Im Internet soll der Verwaltungsbeamte, der zeitweise auch in einer Abteilung für die Vergabe von Waffenscheinen tätig war, Polizisten dazu aufgerufen haben, endlich ihre Dienstwaffen zu benutzen oder weiterzugeben, damit man diese gegen "Gesindel" einsetzen könne.

Eine der wichtigsten Figuren im Fall der Gruppe S. ist ein weiterer Mann, der wohl keine Führungsfigur war, sondern eher braver Fußsoldat. Und gleichzeitig ein Informant der Polizei. Da er bei allen Treffen der Gruppe S. dabei war, sind es vor allem seine Berichte, die ein Bild der Verschwörer und ihrer Pläne zeichnen. Die Gruppe traf sich demnach nicht noch mal an der Hummelgautsche, weil sie sich dort gestört fühlte durch Spaziergänger, Pfadfinder, Senioren. Stattdessen kam es Anfang Februar zu einem Treffen von 13 bis 15 Männern im ostwestfälischen Minden, wo einer der Beschuldigten sein Haus zur Verfügung stellte.

Der Zeuge hat der Polizei später ausführlich geschildert, welcher Plan dort beredet wurde. Demnach hatten die mutmaßlichen Terroristen vor, verschiedene Moscheen in kleineren Orten anzugreifen. Sie hätten mit Schusswaffen und Granaten in die Gebetshäuser eindringen und richtige Massaker anrichten wollen, ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder. Sie hätten Dutzende, vielleicht Hunderte Tote und Verstümmelte zurückgelassen. Die Gräueltaten, soll Rädelsführer S. gesagt haben, sollten etwas auslösen, nämlich offenbar organisierte Gegengewalt durch Muslime in Deutschland. Dies wiederum hätte eine Gegenreaktion der Nicht-Muslime entfesseln und letztlich zu einem Bürgerkrieg führen sollen. Von "fanalartigen Straftaten" sprechen die Ermittler.

Es sind Fantasien von suizidalem Terrorismus. Das kannte man bislang nur von Islamisten

Dem Zeugen zufolge sollte sich die Rolle der Gruppe S. darauf beschränken, die Kettenreaktion auszulösen. Die Vorgabe von S. sei es gewesen, etwas anzustoßen, den Boden zu bereiten für einen Notstand, in dem irgendwann das Militär eingreifen müsse. Was genau passieren sollte, konnte auch der Zeuge nicht erklären. Werner S. habe gesagt, man solle sich nicht zu viele Gedanken über die Zukunft machen.

Der Zeuge wirkte bei seinen Vernehmungen, die teilweise auf Video aufgenommen wurden, gesundheitlich labil und in seinen Schilderungen zeitweise konfus. Nicht alles, was er sagt, muss stimmen, es könnte sein, dass er sich wichtig macht. Er ist vorbestraft, verbrachte Jahre in Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken - wegen räuberischer Erpressung und weil er einen Polizisten als Geisel genommen hatte. Als Kind lebte der Mann in Heimen, soll sexuell missbraucht worden sein, landete zeitweise auf dem Straßenstrich.

"Es muss untersucht werden, ob er als Agent Provocateur aufgetreten ist", sagt der Anwalt von Werner S. über den Polizeispitzel. Aber viele seiner Aussagen konnten die Ermittler überprüfen, und zum Teil decken sich seine Schilderungen auch mit dem Inhalt von abgehörten Telefonaten oder überwachten Internet-Chats. In einem Chat schwärmt einer der Verschwörer, dessen Weltbild um "Reichsbürgertum" und germanische Mythologie kreist, wie sehr er sich mit dem mutmaßlichen Rädelsführer S. verbunden fühle. Und er deutet an, dass er durchaus bereit sei, für die gemeinsamen Ziele zu sterben. Er sei ein Heide, der nach Walhall wolle. Walhall ist in der nordischen Mythologie die Ruhestätte für gefallene Helden. Im Chat antwortet Werner S., er werde sein Ziel vermutlich schneller erreichen, als es ihm lieb sei.

Es sind Fantasien von suizidalem Terrorismus, wie man ihn sonst vor allem von Islamisten kannte. Rassen-Krieg statt Dschihad, Walhall statt Paradies, Odin statt Allah. Auch diese augenscheinliche Opferbereitschaft der Rechten war es, die die Ermittler aufhorchen ließ. Die Sorge war groß, dass es sehr schnell gehen könnte mit dem Terror: Vielleicht gelingt der Gruppe keine Anschlagsserie, was aber, wenn einer trotzdem allein zuschlagen will? Einer, der so weit radikalisiert ist, dass er sich den eigenen Tod bei einer solchen Tat geradezu herbeisehnt? Es soll auch das Wort "Sprengstoffweste" gefallen sein in einem abgehörten Telefonat.

In der Gruppe S. soll es eine kontroverse Debatte gegeben haben über das, was nach den Anschlägen auf die Moscheen passieren würde. Der Zeuge sagte später der Polizei, man habe sich über Fluchtwege unterhalten, um sich nach den Gewalttaten selbst in Sicherheit zu bringen. Manche hätten sich weniger Sorgen um die eigene Sicherheit gemacht als um die ihrer Frauen und Kinder. Werner S. soll deswegen "grantig" geworden sein und habe darauf gedrungen, dass es jetzt passieren müsse. Was danach komme, sei weniger wichtig, Hauptsache, der Stein komme ins Rollen. Wenn sich die Gruppe nicht einigen könne, mache er es eben alleine.

Ihre eigenen Kinder wollten sie schützen, die Kinder der anderen wollten sie töten, sagt der Zeuge

In den Vernehmungen durch die Polizei sprach der Zeuge auch darüber, warum er sich als Informant zur Verfügung gestellt hatte. Er litt offenbar darunter, ein Verräter zu sein, die Mitglieder der Gruppe seien ja auch nur Menschen mit Frauen und Kindern, zu denen er eine Beziehung aufgebaut habe. Menschen, die ihn herzlich aufgenommen und bewirtet hätten, und denen er nun in den Rücken falle.

Doch offenbar war der Abscheu vor den geplanten Gräueltaten der Gruppe S. größer als das Unbehagen über den Verrat.

Dem Zeugen zufolge war die Widersprüchlichkeit der Figuren in der Gruppe S. augenfällig. Er sagte, sie seien ja keine Psychopathen gewesen, sondern Menschen mit Familien, die auch Gefühle hätten. Aber sie hätten eben andererseits auch diese Meinung über Fremde oder Andersgläubige, und da seien sie in ihrer Ablehnung eben knallhart. Der Zeuge wirkte verwundert, fast verstört darüber, wie die Männer in der Gruppe umschalten konnten zwischen Menschenfreund und Menschenfeind. Wie sie einerseits Kleinkinder zu Hause hatten und diese beschützen wollen, und wie sie andererseits darüber fantasiert hätten, in eine Moschee zu stürmen und die Kinder anderer umzubringen.

Und vielleicht liegt genau hier auch das Problem mit dem neuen Extremismus, dass er aus einem scheinbar heilen Milieu stammt, aus dem Milieu gewöhnlicher Bürger mit Familien, aus dem Milieu von Männern, die sich von der Ehefrau Kartoffelsalat mit Bockwürstchen servieren lassen und wenig später über Massenmord, Umsturz und Bürgerkrieg schwadronieren.

Sie trafen sich und tranken Met und irgendwann soll der Gastgeber seine Äxte vorgeführt haben, mit kurzen Stielen, mit langen Stielen. So sagt es der Zeuge.

Die rechte Szene, warnte vor Kurzem BKA-Präsident Holger Münch, finde heute Anknüpfungspunkte und sogar Akzeptanz in der Mitte der Gesellschaft, "wo früher Springerstiefel und Glatze eher abschreckend gewirkt haben". Es gebe im Internet einen "gewaltigen Resonanzraum" für Hass, Hetze und krudeste Verschwörungstheorien. Gleichzeitig würden Rechtsextremisten heute neue Kommunikationsformen nutzen und sich wesentlich schneller radikalisieren. Es gebe oft nur "lose Kennverhältnisse" und "lockere, teilweise auch virtuelle Netzwerke". So entstehe ein "blinder Fleck" für die Sicherheitsbehörden.

Sowohl das BKA als auch der Verfassungsschutz haben Konzepte vorgelegt, wie der Rechtsextremismus effektiver bekämpft werden soll. Dazu gehört auch eine umfangreichere Internet-Auswertung, um Radikalisierungsfaktoren und Netzwerke besser zu erkennen. Dabei sollen verstärkt "virtuelle verdeckte Ermittler" eingesetzt werden, Verfassungsschützer und Polizisten, die sich unter falscher Identität in den rechten Foren und Chat-Gruppen aufhalten, um dort mögliche Attentäter ausfindig zu machen. Auch die so genannten Mischszenen sollen stärker in den Blick genommen werden, also Szenen, in denen sich auch Rechtsextremisten sammeln, etwa bei Rocker-Klubs oder beim Kampfsport. Wichtig sei auch, das Umfeld solcher Personen zu sensibilisieren, sagt BKA-Chef Münch. Nur so könne eine Radikalisierung frühzeitig erkannt werden.

Innenminister Seehofer sprach am Donnerstag von einer "sehr hohen" Bedrohungslage durch Rechtsextremismus im Land, die durch nichts relativiert werden könne.

Der Zeuge aus der Gruppe S. sagte der Polizei, warum sich seiner Meinung nach so viele Deutsche radikalisieren. Es seien ja eigentlich normale Menschen aus der Mittelschicht, die arbeiten gingen und sich um ihre Familien kümmerten, und die seit der Flüchtlingskrise eben besorgt seien, sich alleingelassen fühlten von der Regierung, und die wegen ihrer Kritik an der Einwanderungspolitik oder wegen ihrer Sympathie für die AfD als Nazis oder Bürger zweiter Klasse abgestempelt würden.

Der Zeuge, der selbst aus Überzeugung zur rechten Szene gestoßen ist, hat der Polizei auch erzählt, warum der Extremismus ihn überzeugt habe. Er sei damals enttäuscht gewesen und zornig, und dann tue sich da eine Gruppe auf mit Gleichgesinnten, in der sich alles Mögliche hochschaukle. Und dann baue man sich eine Welt auf, mit Bruderschaften und dem mythologischen Gott Odin, die es zu verteidigen gelte gegen Feinde. Diese Welt, so schräg sie auf Außenstehende wirken mag, diese Welt, sagt der Zeuge, sie werde in diesem Augenblick Wirklichkeit.

Bildunterschrift: Die abgehörten Telefonate, die Chats, das alles klang so beunruhigend, dass sich die Sicherheitsbehörden für einen schnellen Zugriff entschieden.

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Neue Westfälsche, 06.03.2020:

NRW korrigiert Einschätzung zu rechtem Terrorismus

Während der schwarz-gelben Landesregierung noch vor kurzem keine Erkenntnisse zu rechtsterroristischen Strukturen vorlagen, wird die tödliche Gefahr heute ernster genommen - eine Lehre der vergangenen Monate

Florian Pfitzner

Düsseldorf. Es kommt nicht allzu häufig vor, dass sich der Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags in einer Sitzung durchgehend mit rechtem Extremismus befasst. Vor dem Hintergrund des Anschlags in Hanau und der Enttarnung der Terror-Zelle um den Neonazi Werner S. hat die Opposition drängende Fragen an die Landesregierung. Die untergeordneten Sicherheitsbehörden nutzen die Gelegenheit, um eine frühere Einschätzung zu korrigieren.

Halle, Hanau, der Mordfall Walter Lübcke - die dichte Chronologie der Gewalttaten wühlt NRW-Innenminister Herbert Reul glaubhaft auf. Er habe eine "rechtsextremistische Grundstimmung" ausgemacht, eine blindwütige Ideologie, die Freiheit und Demokratie gefährde, sagt der CDU-Politiker in der Sondersitzung. Es sei "verdammt was aus den Fugen geraten".

In der Tat hat sich ein neues Phänomen im rechten Terrorismus gebildet: heterogene Verbindungen aus Bürgerwehren, so genannten Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern und AfD-Anhängern. Als Beleg dafür sehen Fachleute die enttarnte Zelle "Gruppe S.", eine mutmaßliche Terror-Organisation mit Mitgliedern aus ganz Deutschland; vier Tatverdächtige stammen aus NRW. Ihr Ziel laut dem Generalbundesanwalt: Anschläge auf Moscheen, Politiker und Migranten, um so "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Ein Beschuldigter, Thorsten W., ein Verwaltungsbeamter im Verkehrskommissariat des Polizeipräsidiums Hamm, war früher unter anderem für die Vergabe von Waffenscheinen zuständig. Er trug Klamotten der bei Neonazis beliebten Marke Thor Steinar, auf seinem Balkon wehten Reichskriegsflaggen. Diese "Warnsignale" seien "lange Zeit nicht ernsthaft gewürdigt" worden, kritisiert Reul. Das habe das Polizeipräsidium Hamm ja schon selbstkritisch festgestellt.

Noch vorigen Sommer erklärte Reuls Haus in einem Bericht zu möglichen Verbindungen des Tatverdächtigen im Mordfall Walter Lübcke nach NRW, dass ihm "keine Erkenntnisse zu bestehenden rechtsterroristischen Strukturen" vorlägen. Davon rückt der Leiter des Landesverfassungsschutzes, Burkhard Freier, in der Sondersitzung ab. Derzeit würden Gefahrenzusammenhänge rechtsterroristischer Netzwerke geprüft.

Im Landtag kritisieren SPD und Grüne, dass die schwarz-gelbe Landesregierung die Lehren aus dem NSU-Untersuchungsausschuss vernachlässige. Reul tritt dem entgegen, lediglich die Erhöhung der regelmäßigen Fortbildungsangebote für Opferschützer bei der Polizei stehe noch aus. In der Forschung gibt es indes Zweifel. Zu den wichtigsten Erkenntnissen der NSU-Aufklärung gehöre die Tatsache, "dass die Ermittlungen von einem institutionellen Rassismus geprägt waren", sagt der Rechtsextremismus-Forscher Hendrik Puls im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Polizei verweigere jedoch die Aufarbeitung.

Als Beleg führt Puls die unrechtmäßige Inhaftierung des Syrers Amad A. und dessen Tod in Kleve an. Die Landesregierung trage nicht zu einer konstruktiven Fehlerkultur bei. "Im Gegenteil", sagt der Soziologe. Schon durch die Ausweitung verdachtsunabhängiger Kontrollen werde die Polizei ermutigt, Menschen ob ihrer Hautfarbe zu verdächtigen.

Bildunterschrift: Ein Terror-Verdächtiger auf dem Weg zum Haftrichter.

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Radio Westfalica, 05.03.2020:

Innenausschuss beschäftigt sich mit mutmaßlicher Mindener Terror-Zelle

Als Konsequenz aus der zerschlagenen rechten Terror-Zelle unter anderem in Minden, Porta Westfalica und Hamm soll die Polizei künftig besser auf extremistische Tendenzen in den eigenen Reihen achten. In allen Polizeibehörden NRWs werden deshalb eigene Extremismus-Beauftragte ernannt. Das gab Innenminister Reul am Donnerstag bei einer Sondersitzung im Landtag bekannt.

Neben den drei Terror-Verdächtigen aus Minden und Porta Westfalica war auch ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei aus Hamm verhaftet worden. Das dortige Präsidium hatte eingeräumt, dass es diverse Hinweise auf eine rechtsextreme Einstellung des Mannes gegeben habe. Konsequenzen hatten die aber nicht. Die werden jetzt gezogen. Inzwischen seien drei weitere Verdachtsfälle für eine rechte Einstellung im Bereich des Hammer Polizeipräsidiums bekannt geworden, sagte Reul heute. Das werde nun geprüft.

Die Männer aus Minden, Porta und Hamm sollen mit weiteren Verdächtigen Anschläge auf Politiker, Muslime und Asylbewerber geplant haben.

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Radio Westfalica, 05.03.2020:

Innenausschuss beschäftigt sich mit mutmaßlicher Terror-Zelle

Die mutmaßlichen Mitglieder der zerschlagenen rechten Terror-Zelle aus Minden, Porta Westfalica und Hamm sind heute Vormittag Thema im NRW-Landtag. Innenminister Reul soll in einer Sondersitzung des Innenausschusses Fragen zu den Rechtsextremisten aus NRW beantworten. Die SPD will unter anderem wissen, ob der Polizei-Mitarbeiter auf Daten von potenziellen Opfern zugreifen konnte, die dadurch gefährdet wurden. Die Gruppe soll Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime geplant haben. Neben den Terror-Verdächtigen aus Minden, Porta und Hamm wurden bei einer bundesweiten Razzia vor drei Wochen acht weitere Verdächtige festgenommen.

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tagesschau.de, 28.02.2020:

"Gruppe S." / Polizei-Mitarbeiter rief offenbar zu Terror auf

28.02.2020 - 19.02 Uhr

Ein Unterstützer der "Gruppe S." hat nach SWR-Recherchen Terror-Aufrufe gepostet und Polizisten aufgefordert, ihre Dienstwaffe gegen "Gesindel" einzusetzen. Dabei war der Mann, der in U-Haft sitzt, selbst Polizei-Mitarbeiter.

Von Judith Brosel, SWR

Der vor zwei Wochen festgenommene mutmaßliche Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung aus Hamm machte in einem Sozialen Netzwerk keinen Hehl aus seiner Gesinnung. SWR-Recherchen zeigen: Der ehemalige Polizei-Mitarbeiter teilte im bei Rechten beliebten Netzwerk "VK" Posts, in denen mit Terror-Anschlägen sympathisiert wird und Polizisten dazu aufgefordert werden, ihre Dienstwaffe gegen "Gesindel" einzusetzen.

So verbreitete der ehemalige Mitarbeiter der Verkehrsdirektion im nordrhein-westfälischen Hamm im Oktober 2019 ein Zitat, in dem es wörtlich heißt: "Wir müssen von Zeit zu Zeit Terror-Anschläge verüben." Denn durch das Sterben unbeteiligter Menschen ließen sich Staat und Bevölkerung beeinflussen und lenken. Nur wenige Wochen zuvor soll sich die Terror-Zelle "Gruppe S.", als deren Unterstützer Thorsten W. gilt, gegründet haben.

Aufruf an Polizisten

Außerdem teilte der ehemalige Polizei-Mitarbeiter im März 2018 eine Zitattafel auf der eine Pistole zu sehen ist. Wörtlich heißt es dazu in altdeutscher Schrift: "Lieber Polizist, das da ist deine Dienstwaffe!" Diese sei nicht nur "zum angucken" da, sondern solle "uns und dich beschützen". Es folgt die Aufforderung, die Waffe auch zu benutzen, oder aber weiterzugeben - man würde sie dann selbst gegen "Gesindel" einsetzen. Der Post schließt mit den Worten: "Schönen Gruß, dein Volk und Dienstherr!"

Das nordrhein-westfälische Innenministerium erklärte auf Anfrage, dass diese Posts dort bisher nicht bekannt waren. Man verurteile die zum Ausdruck gebrachte menschenverachtende und verfassungsfeindliche Gesinnung auf das Schärfste, erklärte eine Sprecherin. Diese sei mit den Werten der nordrhein-westfälischen Polizei unvereinbar.

Mann soll Waffenscheine ausgegeben haben

Brisant ist dieses Zitat vor dem Hintergrund, dass Thorsten W. nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" in den Jahren 2013 und 2014 im Polizeipräsidium Hamm als Verwaltungsmitarbeiter an der Prüfung und Vergabe von Waffenscheinen beteiligt gewesen sein soll.

Das Polizeipräsidium hat nach der Berichterstattung eine interne Untersuchung angekündigt, um zu prüfen, ob es während dieser Zeit zu Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Waffenscheinen kam. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Hamm und des nordrhein-westfälischen Innenministeriums dauern diese Prüfungen weiter an: Hierfür seien mehr als 8.000 Akten zu sichten. Zu den Posts des ehemaligen Mitarbeiters wollte sich ein Sprecher der Polizei mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern.

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tagesschau.de, 27.02.2020:

Rechter Terror / Die Radikalität der "Gruppe S."

27.02.2020 - 19.58 Uhr

Die "Gruppe S." soll Anschläge auf Muslime geplant haben. Offenbar hofften die Rechtsextremisten, damit einen Bürgerkrieg auslösen zu können. Die Ermittler prüfen jetzt mögliche Kontakte der Gruppe in Polizei und Bundeswehr.

Von Florian Flade, WDR, Lena Kampf, WDR, und Georg Mascolo, WDR / NDR

Werner S. suchte offenbar Männer, die bereit waren zu töten. Und notfalls auch selbst zu sterben. Sie sollten "intelligent, hart, brutal, schnell, zügig" sein, und sich "etwas mehr als die Teilnahme an Demonstrationen" zutrauen, so die Ansage des 53-Jährigen in abgehörten Telefonaten und Chat-Gruppen. Das Jahr 2020 werde das Jahr, in dem es "keine Ausreden mehr" gebe, da werde "gehandelt". Und offensichtlich fand er diese Männer.

Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass Werner S. eine rechtsextreme Terror-Gruppe gegründet hat und Rechtsextremisten für den "bewaffneten Kampf" rekrutiert hat. Die "Gruppe S.", deren Rädelsführer er sein soll, soll Anschläge auf Muslime geplant haben. Am 14. Februar wurden Werner S., der aus einem kleinen Dorf in Bayern stammt, und elf weitere Männer festgenommen.

Aber es laufen auch noch Ermittlungen zu weiteren möglichen Unterstützern der Gruppe. Es soll Hinweise geben, dass die mutmaßlichen Rechtsterroristen womöglich sogar über Kontakte zu ehemaligen oder aktiven Polizisten und Soldaten verfügen.

Neue Qualität bei Terror-Zelle

In den vergangenen Jahren wurden immer wieder rechte Terror-Zellen aufgedeckt. Der Generalbundesanwalt hatte die Verfahren frühzeitig an sich gezogen - so auch jetzt im Fall der "Gruppe S.". In ihr fanden sich offenbar in kürzester Zeit Personen zusammen, die sich nur teilweise oder eben gar nicht im realen Leben kannten, darunter Leute, die den Behörden nie zuvor als Extremisten aufgefallen waren.

Bei der "Gruppe S." beunruhigte die Ermittler aber auch die Radikalität und die augenscheinliche Opferbereitschaft, die in abgehörten Telefonaten und Chats deutlich wurde: eine Mischung aus Reichsbürgertum, germanischer Kriegermythologie und blankem Rassismus und Ausländer-Hass.

Ähnliche Fantasien wie bei Islamisten

Da war die Rede von "Sprengstoffweste", einer soll gesagt haben, er sei bereit, "sein Leben liegen zu lassen". Ein anderer: "Ich bin ein Heide, der gerne nach Valhall möchte!" - selbstmörderische Anschlagsfantasien, wie man sie sonst eher bei islamistischen Terroristen kennt.

Und noch etwas erstaunte die Sicherheitsbehörden: In der "Gruppe S." erfolgte eine Vernetzung über Soziale Medien, dann der weitere, konspirative Austausch in geheimen Chat-Gruppen - und schließlich offenbar die Verabredung zu schwersten Straftaten.

Informant meldete sich 2019

Ausgangspunkt für die Ermittlungen war ein Hinweis, der direkt aus der Gruppe kam: Im Spätsommer 2019 meldete sich ein Informant zunächst beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Etwas Gefährliches sei da im Gange, warnte der Mann. Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet würden sich gerade vernetzen, um gewaltsame Aktionen durchzuführen.

Es gab erste Treffen mit dem Mann, schließlich übernahm das baden-württembergische Landeskriminalamt (LKA), das die Besondere Aufbauorganisation (BAO) "Valenz" ins Leben rief.

Rekrutierung in unterschiedlichen Milieus

Den LKA-Ermittlern bot sich ein diffuses und zeitgleich besorgniserregendes Bild: Werner S., den sie in der Szene "Teutonico" nennen sollen, rekrutierte offenbar Mitstreiter aus verschiedensten Milieus, Facebook- und Telegram-Gruppen: Bürgerwehren, Rocker-Clubs, Reichsbürger, selbsternannte Germanen, geeint im Hass auf Ausländer, Flüchtlinge, Muslime - und offenbar im Willen, Gewalt zu verüben.

Schon erstes reales Treffen unter Polizei-Beobachtung

Am 28. September 2019 soll es zu einem ersten Treffen von angeworbenen Rechtsextremisten an der Sägemühle Hummelgautsche gekommen sein, im baden-württembergischen Alfdorf - laut Ermittlern das Gründungstreffen der "Gruppe S." - beobachtet von einem mobilen Einsatzkommando. Schon an diesem Tag soll S. suggeriert haben, dass es Kontakte in Behörden gebe, auch in die Polizei, und man Möglichkeiten habe, Mitglieder der Gruppe zu überprüfen.

Unterstützt von Tony E., der als rechte Hand von Werner S. gilt, sollen in den nachfolgenden Wochen noch weitere Personen angesprochen worden sein, sich der Gruppe anzuschließen - darunter auch Mitglieder der vor allem in Nordrhein-Westfalen aktiven rechten Gruppierung "Bruderschaft Deutschland".

Werner S. mit Quarzhandschuhen erwischt

Am 3. Oktober 2019 fuhren einige Mitglieder der "Gruppe S." zu einem weiteren Treffen nach Berlin, darunter Werner S., Tony E., Thomas N. und Steffen B. Ein Gruppenfoto soll dabei vor dem Brandenburger Tor entstanden sein. Werner S. wiederum kam offenbar in eine Polizei-Kontrolle und führte verbotenerweise Quarzhandschuhe mit sich.

Ein zweites Treffen der Gruppe fand am 7. und 8. Februar dieses Jahres in Minden, in der Wohnung von Thomas N., statt. Diesmal soll auch Thorsten W. dabei gewesen sein, der bis zu seiner Verhaftung als Verwaltungsbeamter bei der Polizei in Hamm tätig war. Bei dieser ebenfalls observierten Zusammenkunft soll erstmals konkreter über Anschlagspläne und Ziele gesprochen worden sein.

Bürgerkrieg durch Anschläge

So habe Werner S. angekündigt, man solle Muslime in fünf oder sechs Moscheen in mehreren Bundesländern mit Waffen angreifen. Solche Attentate würden dann Gegenreaktionen der muslimischen Seite auslösen, ein "Dominoeffekt" würde einsetzen und schließlich würde es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen.

Es sollen auch so genannten "Feindeslisten" mit Tausenden Namen und Adressen angeblicher Antifa-Aktivisten angelegt worden sein, die man neben Muslimen angreifen wollte. Wie die "Zeit" berichtet, sollen darunter auch Politiker, etwa der Grünen-Parteivorsitzende Robert Habeck, gewesen sein.

Verschiedene Pläne zur Waffenbeschaffung

Beim Treffen in Minden sei verabredet worden, dass jedes Gruppenmitglied nach Möglichkeit 5.000 Euro zur Waffenbeschaffung einzahlen solle, berichtete der Informant der Polizei. Der Beschuldigte Frank H. soll erklärt haben, er kenne durch seine Motorradreisen zwei Routen durch Tschechien, auf denen man nicht von der Polizei kontrolliert würde. Er könne daher die Kurzwaffen besorgen. Wolfgang W., der über Kontakte in die Bundeswehr verfügen soll, soll angeboten haben kugelsichere Westen zu beschaffen.

Auch soll in der "Gruppe S." darüber gesprochen worden sein, selbstgebaute Waffen, so genannte "Slam Guns" zu verwenden, wie sie auch der Attentäter von Halle bei seinem Anschlag auf die Synagoge verwendet hat. Bei den Durchsuchungen wurde eine solche "Slam Gun" auch tatsächlich entdeckt.

Reale Bedrohung schwer einzuschätzen

Mittlerweile gehen die Ermittler davon aus, dass die Anschlagsplanungen der ""Gruppe S." noch nicht sehr konkret gewesen seien. Genaue Orte etwa hätten noch nicht festgestanden, heißt es. Manches von dem, was Werner S. erzählt haben soll, gilt als bloße Prahlerei - etwa die Behauptung, man könne notfalls Tausende bewaffnete Kämpfer aktivieren.

Dennoch sind sich auch die Ermittler sicher: Das Unterstützerumfeld der Zelle war wohl größer. Einige Personen, deren Namen in Chats und Telefonaten auftauchten, konnten noch nicht identifiziert werden. Darunter sind Personen, die militärisch angeblich "hervorragend" ausgebildet sein sollen. Anwälte der Beschuldigten hinterfragen allerdings die Rolle des Informanten. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass erst dieser Anschläge auf Moscheen als Ziele eingebracht hätte.

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Blick nach Rechts, 27.02.2020:

Planung von terroristischen Gewalttaten

Von Armin Pfahl-Traughber

Besonderheiten der "Gruppe S." - ein vergleichender Blick auf den aufgeflogenen rechtsterroristischen Personenzusammenschluss.

Auch nach der Entdeckung des NSU sind immer wieder rechtsterroristische Gruppierungen entstanden, die aber meist in einem frühen Entwicklungsstadium von den Sicherheitsbehörden erkannt werden konnten. Da es insofern zu keinen größeren Anschlägen kam, entschwand deren Existenz schnell wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung. Dafür finden Attentate von Einzeltätern größeres Interesse, da diese wie etwa in Halle und Hanau mehrere Menschen ermordeten.

Eine jüngere mutmaßliche Terror-Gruppierung von zwölf Personen war vor kurzer Zeit auf aufgeflogen. Am 14. Februar führte die Polizei mehrere Hausdurchsuchungen auf Grund eines einschlägigen Vorwurfs durch, nämlich die Gründung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Zwölf Haftbefehle ergingen am nächsten Tag. Die Gruppe bezeichnete sich zumindest teilweise als "Der harte Kern", soll hier aber nach ihrer Führungsperson "Gruppe S." genannt werden. Deren Besonderheiten ergeben sich, wenn der vergleichende Blick auf ähnliche Gruppen vor und nach dem NSU fällt.

Relativ große Personenzahl

Zunächst sollen einige Eckdaten zu deren Mitglieder genannt werden: Es handelte sich durchweg um Männer, was für den Rechtsterrorismus nicht untypisch ist. Auch wenn es immer wieder einige Frauen als Mitglieder gab, bestanden die Gruppen hauptsächlich aus Männern. Vier werden als Gründer, acht als Unterstützer eingeschätzt. Somit hat man es in der Gesamtschau mit einer relativ großen Personenzahl zu tun. Neure Gruppen bestehen aus bedeutend weniger Rechtsextremisten, birgt doch eine hohe Anzahl auch ein hohes Entdeckungsrisiko. Dem war auch in diesem Fall so, wobei die Sicherheitsbehörden in einem sehr frühen Stadium zuschlugen. Es gab dabei wohl einen Informanten aus der Gruppe selbst, wobei noch unklar ist, ob es sich hier um einen eigenständigen Akteur oder eine V-Person der Sicherheitsbehörden handelte. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die erwähnten Durchsuchungen in sechs Bundesländern stattfanden. Dazu gehörte nur ein ostdeutsches Land, womit es sich hier nicht um ein ostdeutsches Phänomen handelt.

Demnach wohnten die Akteure durchaus verstreut in der Bundesrepublik, was eher ungewöhnlich für eine terroristische Gruppierung ist. Diese Besonderheit erklärt sich wohl mit durch die Entstehungsgeschichte, die wiederum für neue Formen der Rekrutierung von Terroristen steht. Sie kamen anfänglich über das Internet und nicht in der Realwelt zusammen.

Aufbau einer "Untergrundarmee"

Zunächst fand über Chats eine verdeckte Kommunikation statt, wobei man sich über gemeinsame Auffassungen und geplante Vorgehensweisen verständigte. Offenbar gab es schon in dieser Entwicklungsphase einen Konsens darüber, dass mit Gewalttaten gegen Flüchtlinge und Muslime vorgegangen werden sollte. Daraufhin setzten die entsprechenden Planungen ein, wozu etwa der Bau oder Erwerb von Waffen gehörte. Später wurden Dolche, Handgranaten, Messer, eine Pistole und eine Schrotflinte gefunden. Erst nach dem erwähnten Internet-Kontakt kam es dann zu einem persönlichen Treffen, wobei es offenbar um die Auswahl von Anschlagsobjekten, aber wohl auch die Frage der Finanzierung ging.

Spätestens dann kann von einer festen Gruppe mit klarer Planung gesprochen werden. Deren Anführer war der 53-jährige Werner S., der als rechtsextremistischer "Gefährder" galt und demnach von den Sicherheitsbehörden als potenzieller Terrorist angesehen wurde. Er hatte darüber hinaus erfolglos versucht, noch weitere Männer online zu rekrutieren. Ähnlich der "Freikorps" in der Weimarer Republik sollte eine "Untergrundarmee" aufgebaut werden. Über die anderen Personen, die zwischen 31 und 60 Jahre alt waren, liegen nur wenige Erkenntnisse vor. Blickt man auf politische Kontexte, so handelt es sich hier um eine "Mischszene". Gemeint ist mit diesem Begriff, dass sich Personen aus unterschiedlichen Zusammenhängen zusammentun. Dabei müssen zwischen den gemeinten Kontexten nicht notwendigerweise Verbindungen bestanden haben. Die Angehörigen kamen etwa aus "Bürgerwehren", von den "Reichsbürgern" oder aus der "Prepper"-Szene. Damit belegt dieses Beispiel erneut für die Bereiche eine zunehmende Vermischung.

Argumentationsmuster des "Großer Austausch"-Diskurses

Von einer entwickelten Ideologie kann nicht gesprochen werden, was aber ohnehin für rechtsterroristische Gruppen eher selten ist. Blickt man auf die genutzten Bilder und Slogans, so bewegten sich die Akteure geistig mehr im traditionellen Rechtsextremismus. Dafür stehen insbesondere die Beispiele für eine Germanen- und Wikinger-Verehrung. Ansonsten fanden sich die bekannten Feindbilder in der Kommunikation untereinander: Asylbewerber, Flüchtlinge, Juden, Linke und Muslime, aber auch Klima-Aktivisten, Politiker und Polizisten.

Insbesondere die Migration bildete ein bedeutsames Thema, wobei hier Argumentationsmuster des "Großer Austausch"-Diskurses auszumachen waren. Gerade dieser spielte für viele "Lone Actors" im Rechtsterrorismus eine wichtige Rolle. Es dürfte sich dabei aktuell um einen bedeutsamen inhaltlichen Radikalisierungsfaktor handeln, wobei die behauptete existenzielle Gefahr als Legitimationsmuster für Massenmorde dienen kann, was viele Beispiele aus anderen Ländern wie etwa selbst im fernen Neuseeland belegen.

Strategische Überlegungen zur Ermordung betender Muslime

In der erwähnten Kommunikation tauschte man sich auch zu strategischen Überlegungen aus. Nach den dortigen Ausführungen waren zeitgleiche Anschläge auf mehrere Moscheen an unterschiedlichen Orten geplant. Diese sollten wohl von kleineren Kommandos in kleineren Städten durchgeführt werden, wobei die bewusste Ermordung der dort betenden Muslimen in die Strategie eingebettet war. Denn das damit einhergehende Fanal würde auf die Opfer-Gruppe wirken, gingen diese dann doch zum Gegenangriff auf die Mehrheitsgesellschaft über. So solle ein "Bürgerkrieg" ausgelöst werden, welcher auf die Vernichtung oder Vertreibung hinauslaufen würde. Derartige Absichten hatten auch Einzeltäter in Geschichte und Gegenwart des Rechtsterrorismus, etwa wenn sie einen "Rassenkrieg" forcieren wollten. Auch wenn es kein entwickeltes Konzept etwa als Plan gab, lässt sich somit durchaus ein Kalkül für die Umsetzung konstatieren. Genau dieses unterscheidet nicht allein, aber mit die spontane von der terroristischen Gewalttat.

Bilanzierend betrachtet gibt es in dieser Gruppe einige Spezifika, die für die frühzeitige Erkennung von rechtsterroristischen Zusammenschlüssen relevant sind: Dazu gehört erstens, dass die frühen Kontakte über das Internet und nicht die Realwelt erfolgten. Demnach geht es bei der Inter-Netnutzung nicht nur um eine Radikalisierung, sondern auch um eine Zusammenführung. Zweitens wird so auch eine ortsunabhängige Rekrutierung möglich, kamen doch die Akteure der Gruppe aus sechs unterschiedlichen Ländern. Dies macht die Entstehung terroristischer Personenzusammenschlüsse noch einfacher und wahrscheinlicher. Drittens ließ sich bei den Akteuren eine erkennbare Strategie konstatieren, welche auf die Auslösung eines "Bürgerkriegs" hinauslief. Dabei offenbarte sich ein Bewusstsein für ein bedachtes Kalkül für mögliche Wirkungszusammenhänge. Und viertens gehörte zu den zwölf Akteuren auch ein Polizei-Verwaltungsmitarbeiter, der berufsbedingt an sensiblen Daten über Personen herankommen kann. Dies steht für ein besonderes Gefahrenmoment.

Bildunterschrift: Die Akteure der "Gruppe S." bewegten sich geistig mehr im traditionellen Rechtsextremismus (Foto: Symbol, Archiv).

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Zeit Online, 26.02.2020:

Rechter Terror: Gruppe S. erwog offenbar Anschläge auf Habeck und Hofreiter

26.02.2020 - 18.17 Uhr

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen diskutierten Informationen der Zeit zufolge auch Anschläge auf Politiker. Namentlich erwähnten sie demnach zwei prominente Grüne.

Die kürzlich festgenommenen mutmaßlichen Rechtsterroristen der Gruppe S. haben nach Recherchen der Zeit Anschläge auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter erwogen. Das haben die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft ergeben. Demnach diskutierten die Beschuldigten über "weiche" und "harte" Ziele. Als "weiche Ziele" seien etwa Schwarzafrikaner genannt worden, als "harte Ziele" hätten intern deutsche Politiker gegolten. Namentlich erwähnten die Rechtsextremisten den Ermittlungen zufolge Habeck und Hofreiter.

Einer der Hauptverdächtigen habe in einem Gespräch behauptet, die Zeiten von Bürgerwehren seien vorbei, sie seien viel weiter, er sei bereit, sein "Leben liegen zu lassen". Der mutmaßliche Rädelsführer Werner S. beschrieb in einem abgehörten Gespräch die mutmaßlichen Anschlagspläne so: "Zehn Männer, zehn Bundesländer, fertig. Oder meinetwegen nur fünf, wenn’s Zweiergruppen sind."

Mitte Februar waren bei einer Razzia gegen eine mutmaßlich rechte Terror-Zelle zwölf Menschen festgenommen worden. Die Gruppe hatte laut Bundesanwaltschaft die Absicht, durch Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Bildunterschrift: Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe S. vor, dass sie durch Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeiführen wollte.

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Radio Westfalica, 26.02.2020:

NRW-Landtag befasst sich mit rechter Terror-Zelle aus Minden und Porta

Die Mitglieder der mutmaßlichen rechten Terror-Zelle aus Minden, Porta Westfalica und Hamm werden nächste Woche den NRW-Landtag beschäftigen. Die SPD hat eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt, in der Innenminister Reul Fragen zu den Verdächtigen aus NRW beantworten soll. Die SPD will unter anderem wissen, ob der tatverdächtige Polizeimitarbeiter aus Hamm auf Daten von potentiellen Opfern zugreifen konnte.

Neben den vier Männern aus Minden, Porta und Hamm waren vor knapp zwei Wochen acht weitere Terror-Verdächtige festgenommen worden. Sie sollen unter anderem Anschläge auf Moscheen geplant haben.

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Westfalen-Blatt, 26.02.2020:

Sondersitzung zu Terror-Zelle

Düsseldorf (dpa). Der Innenausschuss des Landtags kommt am 5. März zu einer Sondersitzung wegen der mutmaßlichen rechten Terror-Zelle und ihrer Bezüge zu NRW zusammen. Das hat der Ausschussvorsitzende, Daniel Sieveke (CDU), den zuständigen Obleuten mitgeteilt. Die SPD hatte den Sondertermin beantragt, in der Innenminister Herbert Reul (CDU) unter anderem einen Fragenkatalog zu der Gruppe um Werner S. beantworten soll.

Zu der rechten Terrorzelle sollen neben einem verhafteten Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Hamm weitere Verdächtige aus NRW angehören. Die SPD will im Ausschuss unter anderem wissen, ob der tatverdächtige Polizei­-Mitarbeiter auf "Daten von potenziellen Opfern zugreifen konnte, die dadurch gefährdet wurden". Zudem solle Reul erklären, wie rechtsextreme Umtriebe innerhalb der Polizei erkannt, gesammelt und behandelt werden. In der Sondersitzung soll nach dem Willen der SPD auch der Anschlag mit zehn Todesopfern im hessischen Hanau thematisiert werden.

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WDR-Nachrichten aus Westfalen-Lippe, 24.02.2020:

Rechtes Terror-Netzwerk größer als vermutet

24.02.2020 - 19.52 Uhr

WDR hat Hinweise auf weitläufiges Terror-Netz

Mehr als 1.000 gewaltbereite Rechtsextremisten

Offenbar auch Kontakte zur Bürgerwehr-Szene

Das rechte Terror-Netzwerk in Deutschland ist offenbar größer als bislang bekannt. Nach Informationen des WDR aus dem behördlichen Umfeld gibt es Hinweise auf ein weitläufiges Netz gewaltbereiter Rechtsextremisten.

Mehr als 1.000 gewaltbereite Rechtsextremisten vermutet

Ein V-Mann hatte den Sicherheitsbehörden über Monate Informationen über die Terror-Gruppe von Werner S. geliefert - sie war vor knapp zwei Wochen aufgeflogen. Der Spitzel war bei mehreren Treffen der Terror-Zelle dabei. Nach WDR-Informationen liegen den Behörden Anhaltspunkte darüber vor, dass es mehr als 1.000 gewaltbereite Rechtsextremisten in ganz Deutschland und im nahen Ausland gibt, die sofort zu einem bewaffneten Kampf bereit wären. Auch die organisierte Bürgerwehr-Szene in Nordrhein-Westfalen soll enge Kontakte zur Terror-Gruppe um Werner S. gepflegt haben. Weitere Terror-Helfer sollten bei Großdemonstrationen geworben werden.

Festnahmen nach Treffen in Minden

Vor knapp zwei Wochen hatte der Generalbundesanwalt zwölf Männer der Gruppe S. in Haft genommen - wenige Tage nach einem konspirativen Treffen im westfälischen Minden. Die mutmaßlichen Terroristen hatten bei dem Treffen vereinbart, zeitgleich Anschläge auf bis zu sechs Moscheen in mittelgroßen Städten auszuüben. Die Waffen dafür sollten unter anderem in Tschechien gekauft werden. Ziel der Anschläge sei es gewesen, so viele Muslime und Migranten wie möglich zu töten. Dies sollte eine Gegenreaktion provozieren - und damit bürgerkriegsähnliche Verhältnisse.

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tagesschau.de, 24.02.2020:

Ein Sanitäter unter Attentätern?

24.02.2020 - 16.16 Uhr

V-Mann in rechter Terror-Zelle

Für die Ermittler war er Hinweisgeber, Auge und Ohr in der "Gruppe S." mutmaßlicher Rechtsterroristen. Das Leben des V-Manns in der "Gruppe S." war alles andere als gradlinig - und wirft Fragen auf.

Von Holger Schmidt, ARD-Terrorismus-Experte

Sein Leben sei nicht gut gelaufen, sagt Maik P. immer wieder zu den Ermittlern. Und er scheut sich nicht, zahlreiche Beispiele zu geben. Wie er als Erwachsener mehrfach ins Gefängnis kam - unter anderem wegen Geiselnahme. Wie er als Kind erst geschlagen und dann verstoßen wurde. Wie er Autos demolierte, Mercedessterne sammelte oder bei Baumaschinen mit Steinen die Scheiben zerstörte. Zurückhaltend ist er nicht. Ganz im Gegenteil, sein Mitteilungsbedürfnis ist bemerkenswert.

Nachdem er in einer rechtsextremen Chat-Gruppe im Internet Kontakt zu einem Mann mit dem Aliasnamen "Teutonico" bekommt, der immer radikalere Ansichten vertritt, sei ihm die Sache irgendwann unheimlich geworden, berichtet P. "Teutonico" habe kampfbereite Patrioten gesucht und scheine wild und zu allem entschlossen zu sein.

Der Generalbundesanwalt hält "Teutonico" inzwischen für den Anführer der "Gruppe S.". Sein Ermittlungsverfahren gegen eine mutmaßliche rechte Terrorgruppe basiert maßgeblich auf den Aussagen des Spitzels P. sowie auf Observationen und Telefonüberwachung, die durch die Hinweise von P. möglich wurden.

Vergebliche E-Mail an den Verfassungsschutz

Als ihm der Kontakt zu "Teutonico" im Herbst 2019 zu heiß wird, schreibt P. zunächst eine E-Mail an das Bundesamt für Verfassungsschutz, erzählt er später den Ermittlern. In der E-Mail habe er vor einer Gruppe gewarnt, die einen Anschlag plane. Doch er habe sechs Wochen lang keine Antwort bekommen.

Dann habe er versucht, auf verschiedenen Polizeirevieren seine Hinweise loszuwerden. In Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Erst im Ländle, auf einer schwäbischen Dienststelle, nimmt man ihn ernst - vielleicht auch, weil er seine E-Mail an den Verfassungsschutz erwähnt.

Das Polizeirevier vermittelt einen Kontakt zum Landeskriminalamt. Nun meldet sich auch der Verfassungsschutz telefonisch und entschuldigt sich - man sei erst jetzt dazu gekommen, die E-Mail zu lesen.

Currywurst mit Met

Der Kontakt zwischen P. und dem Landeskriminalamt wird sehr schnell sehr intensiv. Er bekommt einen persönlichen Ansprechpartner, mit dem er immer wieder telefoniert - oder heimlich trifft. Bei diesen Gelegenheiten erzählt er, was er in der Gruppe mitbekommt und wie er die Leute einschätzt. Es geht um Gewaltphantasien, Geldsammlungen, Waffenbeschaffung und Eierhandgranaten. Aber auch um Currywurst und selbstgebrauter Met - mittelalterlicher Wein auf Honigbasis.

Die Schilderungen von P. sind manchmal wirr, seine Gedankensprünge sind beachtlich. Die LKA-Ermittler versuchen, mit seinen Gedanken Schritt zu halten - wahrscheinlich schon mit Blick auf einen Prozess, werden die Gespräche auch auf Video aufgenommen. Oder für den Fall, dass P. dann nicht mehr am Leben ist.

Denn um seine Gesundheit steht es nicht gut, sagt er selbst. Immer wieder plagen ihn schwere Hustenanfälle, auch die Ermittler bekommen das mit. Teilweise seien sie so schlimm, dass er kurz das Bewusstsein verliere, sagt er selbst. Bei einem Treffen mit der Polizei erzählt er, dass er am gleichen Morgen schon eine Begegnung mit Notarzt und Rettungsdienst hatte. Mal wieder - in diesem Metier kennt er sich aus, früher war er selbst Sanitäter, dann in Haft, dann arbeitslos.

Sein Freund, der AfD-Polizist

Erstaunlich ist seine Begründung, warum er mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet. Denn eigentlich versteht er die Wut, die in der Gruppe über die politischen Verhältnisse in Deutschland herrscht - und teilt manche Positionen. Doch ein Politiker der AfD habe ihm die Augen geöffnet. Seitdem habe er einen anderen Eindruck von der Polizei.

Es geht um Nikolaus P., einen früheren Polizeihauptkommissar aus dem hessischen Landkreis Gießen. 2018 wurde er in das hessische Parlament gewählt, starb allerdings Anfang 2019 nach kurzer schwerer Krankheit noch vor der Konstituierung des Landtags.

Maik P. will ihn in dessen Zeit als Polizist im hessischen Grünberg kennengelernt haben. Er sei der erste gewesen, der ihn verstanden habe und durch den er Respekt für die Arbeit der Polizei bekommen habe, erzählt P. den Ermittlern. Dabei ergänzt er seine Geschichte mit einem persönlichen Detail aus der Familie P.: Er kenne auch dessen Sohn, der sei ebenfalls bei der Polizei und als erster Polizist am Tatort gewesen, als im Sommer 2019 ein psychisch kranker Eritreer ein Kind vor einen Zug stieß.

Wie glaubhaft ist der Spitzel?

Es sind Momente wie dieser, die die Erzählungen des V-Mannes wie ein Märchen klingen lassen. Doch eine ARD-Recherche ergab: Tatsächlich scheint der Sohn des Politikers in den damaligen Einsatz am Frankfurter Hauptbahnhof eingebunden gewesen zu sein. Ist der schillernde V-Mann also eine verlässliche Quelle?

Für die Ermittler klangen seine Angaben glaubhaft. Schon Wochen, bevor die "Gruppe S." von der Polizei ausgehoben wurde, sprach die Polizei mit ihm über Zeugenschutzmaßnahmen. Maik P. interessierte sich sehr dafür, ob ihm auch die zuständige Bundesanwältin glaube und er mit einer geringen Strafe rechnen könne. Die Ermittler erklärten ihm, zunächst werde der Generalbundesanwalt die umfangreiche Aussage prüfen. Das könne dauern.

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WDR-Nachrichten aus Westfalen-Lippe, 24.02.2020:

Informant verrät Details zu Treffen mutmaßlicher Rechtsterroristen in Minden

24.02.2020 - 06.21 Uhr

Treffen der Gruppe als Auftakt zu einer Terroraktion

Teilnehmer sollten selbst Anschläge durchführen

Informant soll Verfassungsschutz Informationen geliefert haben

Das Treffen mutmaßlicher Rechtsterroristen vor zwei Wochen in Minden sollte vermutlich der zentrale Auftakt zu einer Terroraktion sein. Das geht aus Aussagen eines Beteiligten hervor, die dem Westdeutschen Rundfunk vorliegen.

Der WDR konnte mit einem Informanten aus dem behördlichen Umfeld sprechen. Bei dem Gespräch ging es vor allem um die Aktivitäten des V-Manns, der bei dem Treffen in Minden dabei war. Mehrere Monate hatte er dem Verfassungsschutz bereits Informationen geliefert und gilt dort offenbar als glaubwürdig.

Treffen sollte Auftakt sein

Nach Aussagen des Informanten hatte der Kopf der Gruppe, Werner S. aus Süddeutschland, das Treffen in Minden als den Auftakt zum Losschlagen ausgerufen. Wer dabei sein durfte, hatte Werner S. vorher bestimmt. Alle Teilnehmer mussten sich klar dazu bekennen, dass sie tatsächlich selbst auch Attentate in Moscheen begehen würden und für den Waffenkauf 5.000 Euro pro Person geben würden.

Das Treffen der zentralen Gruppe dauerte nur gut vier Stunden. Danach informierte der Informant die Behörden und wenige Tage später flog die Gruppe dann auf.

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Zeit Online, 23.02.2020:

Gruppe S.: Der neue Wutbürger-Terrorismus

23.02.2020 - 11.41 Uhr

Die rechtsextreme Zelle Gruppe S. besteht aus Mitgliedern ganz unterschiedlicher rechter Strömungen. Eine toxische Mischung. Ist das eine neue Form des Terrorismus?

Von Christian Fuchs, Astrid Geisler, Anton Maegerle, Paul Middelhoff, Daniel Müller und Sascha Venohr

Als die Polizei am vorvergangenen Freitag im bayerischen Mickhausen ein in die Jahre gekommenes graues Haus stürmt, findet sie eine geladene Pistole im Kaliber neun Millimeter und weitere Munition. Werner S., der Mann, den die Polizisten festnehmen, soll der Anführer einer rechten Terror-Organisation sein, die in der Öffentlichkeit nun nach ihm benannt wird: Gruppe S.

Insgesamt 13 Personen sollen ihr angehören, Männer zwischen 31 und 60 Jahren. Bis auf einen sitzen sie alle in Untersuchungshaft. Vier Männer bildeten den Kern der Gruppe, glauben die Ermittler, neun weitere sollen geholfen haben, Waffen und Geld zu besorgen und zugesichert haben, bei Anschlägen mitzumachen. Den Kontakt untereinander hielten sie vor allem über Mails und über Telegram-Chats. Einige der Männer trafen sich aber auch mindestens zwei Mal konspirativ in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Ihr Ziel laut Generalbundesanwalt: Anschläge auf Moscheen, Politiker und Migranten in Deutschland, um so "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Sie wollten, lautet der Vorwurf, das politische System des Landes umstürzen.

Rechte Gruppen verbinden sich

Die Gruppe S. zeigt ein neues Phänomen im Rechtsterrorismus: die Verbindung verschiedener, bislang voneinander unabhängiger Strömungen. Nach Recherchen von Zeit Online sind unter den Mitgliedern stramme Neonazis und Aktive in rechtsextremen Bürgerwehren, aber auch so genannte Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker, die an Chemtrails glauben - und AfD-Sympathisanten. Jede dieser Szenen hat unterschiedliche ideologische Ausrichtungen. Eine terroristische Vereinigung mit so heterogenem Personal war bislang nicht bekannt.

Rechte Terror-Gruppen der vergangenen Jahre stammten meist aus einem bestimmten Milieu: Bei der Bamberger Gruppe, bei Revolution Chemnitz, der Gruppe Freital oder auch beim so genannten NSU fanden sich stets Neonazis mit homogenen Weltbild zusammen, die sich in einer rechten Kameradschaft oder in einem Freundeskreis kennengelernt hatten.

Bislang rekrutierten sich solche Gruppen aus derselben Stadt oder Region, die Mitglieder verbrachten meistens viel Zeit miteinander und radikalisierten sich gemeinsam. Sie begingen zuerst kleine Taten, später wurden daraus dann Planungen für Terror-Anschläge. Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt beispielsweise schändeten als Mitglieder einer Kameradschaft zuerst ein Denkmal, provozierten in einer KZ-Gedenkstätte und versteckten eine Bomben-Attrappe im Fußballstadion in Jena, bevor sie in den selbst ernannten Nationalsozialistischen Untergrund gingen und ihre Mord-Serie in ganz Deutschland starteten.

Chat-Gruppe namens "Der harte Kern"

Bei der Gruppe S. gibt es kein solches Muster mehr. Die Mitglieder tauschten sich zwar in der gemeinsamen Chat-Gruppe namens "Der harte Kern" aus, stammen aber aus ganz Deutschland: Vier leben in Nordrhein-Westfalen, drei in Bayern, drei in Baden-Württemberg, zwei in Sachsen-Anhalt und ein Mann kommt aus Niedersachsen. Sie leben in Städten wie Minden, Coswig, Kirchheim unter Teck und Rheinmünster. Einige sind Familienväter, haben Kinder. Andere leben als Single. Unter ihnen sind Aktive, die bereits vorbestraft sind oder als rechtsextreme "Gefährder" gelten, andere waren den Behörden bisher noch nicht aufgefallen. Ein Mann nennt sich auf Facebook "Germanischer Adler", ein anderer teilte dort ein gefälschtes Bild, dass Barack Obama feiernd mit Osama bin Laden zeigt. Ein mutmaßliches Mitglied aus Bayern postete ein Video der Band Asatru - der germanisch nordische Glaube, die Gruppe gilt als Vertreter des Nationalsozialistischen Black Metal.

Die Männer verdienen ihr Geld als angestellte Fliesenleger, Sanitärinstallateuren oder Lageristen. Aber auch Unternehmer wie ein Internethändler und der Besitzer einer kleinen Firma aus der Metallbranche sind dabei. Und ein Verkehrspolizist aus Hamm. Laut Spiegel soll der Polizist Thorsten W. früher zeitweise für die Vergabe von Waffenscheinen zuständig gewesen sein. In seiner Freizeit kleidete sich der 50-Jährige wie ein germanischer Krieger, mit Schwert und Schild, sein Profil in den Sozialen Medien zeigte Hakenkreuze und SS-Symbole. Nach Informationen von Zeit Online soll W. auch Gastkunde im Shop der NPD-Zeitung Deutsche Stimme gewesen sein.

Sucht man nach Gemeinsamkeiten unter den 13 Personen, dann fällt auf, dass etliche der Männer der Gruppe S. sich bei rechtsextremen Bürgerwehren engagierten oder in der Vergangenheit auf NPD-Demonstrationen aufgefallen sind. Doch unter den Mitgliedern sind nicht nur klassische Neonazis, sondern auch Männer, die sich in den vergangenen Jahren von der "alten" Rechten abgewandt und den "Neuen Rechten" zugewandt haben. So wie Werner S., der 53-jährige mutmaßliche Hauptverdächtige.

Der als rechtsextremer Gefährder eingestufte Mann tauchte im Jahr 2007 noch mit einer Münchner Adresse in der Interessentenliste der NPD auf. Zehn Jahre später scheint er sich jedoch von der neonazistischen Partei abgewandt zu haben und sandte eine Nachricht an die AfD. Darin bekundet er Interesse für die damals noch als rechtspopulistisch wahrgenommene Partei. Das bestätigte die AfD gegenüber Zeit Online.

Toxische Mischung aus politischer Enthemmung und Waffen

Wer sich die Äußerungen und öffentlich sichtbaren Profile der einzelnen Mitglieder anschaut, erkennt, dass die Gruppe Neonazis und Anhänger der Neuen Rechten umfasst. Ein Phänomen, das sich im nicht militanten Bereich schon länger beobachten lässt. Erst kürzlich besuchte die ehemalige Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel eine Kundgebung mit Neonazis in Dresden. In Nordrhein-Westfalen nahmen neurechte Identitäre in den vergangenen Monaten an Demonstrationen von Neonazis und "Bürgerwehren" teil - obwohl Identitäre sich zuvor offiziell stets von der Rassenideologie der Neonazis distanziert hatten. Die heterogene Zusammensetzung der Gruppe S. bestärkt nun die Befürchtung, dass aus diesem Mix eine neue Form der Militanz erwächst, eine Art Wutbürger-Terrorismus.

Für die Sicherheitsbehörden bedeutet eine Zusammensetzung wie die der Gruppe S. deshalb eine neuartige Herausforderung. Neben den bereits seit Längerem bekannten Ermittleralbtraum vom unauffälligen, unvernetzten Einzeltäter - wie zum Beispiel dem mutmaßlichen Attentäter von Hanau, Tobias R. - tritt nun das Problem kaum noch vorhersehbarer Zusammenschlüsse, bei denen die hergebrachten Identifizierungsansätze - räumliche Nähe, ideologische Kohärenz - nicht mehr ohne Weiteres greifen. Solche Gruppen zu entdecken, dürfte um Einiges schwieriger sein.

Bürgerwehren als Gemeinsamkeit

Im Falle der Radikalisierung der Protagonisten der Gruppe S. scheint noch am ehesten das Interesse an rechten Bürgerwehren eine verbindende Rolle gespielt zu haben. Einige Personen aus der Gruppierung sind zwar noch überhaupt nie in rechtsextremen Zusammenhängen aufgefallen. Andere jedoch besuchten in den vergangenen Jahren Demonstrationen der rechten Bürgerinitiative Magdeburg oder waren bei der rassistischen Bürgerwehr Soldiers of Odin aktiv, so etwa Steffen B. und Stefan K. aus Sachsen-Anhalt.

Ein Mann aus München-Laim, der ebenfalls der Gruppe S. zugerechnet wird, wurde überdies nach Informationen von Zeit Online noch vor einem Jahr bei einem Fackelmarsch von Rechtsextremen auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände von der Polizei kontrolliert. Er soll Präsident der bürgerwehrähnlichen Gruppe Wodans Erben Germanien in Bayern sein, die 2018 aus den Soldiers of Odin hervorgegangen ist.

Laut Burkhard Körner, dem Chef des bayerischen Verfassungsschutzes, organisiert sich die bayerische Division von Wodans Erben in kleinen Gruppen von drei bis fünf Personen und ist in der Vergangenheit in mehreren Orten in Bayern Patrouille gelaufen. Sie trugen dabei einheitliche Kleidung und wollten den Bürgern suggerieren, dass Flüchtlinge und Migranten deutsche Straßen unsicher machten und der Staat die Kontrolle verloren habe, sagte Körner zu Zeit Online. "Damit stellten sie das staatliche Gewalt- und Ordnungsmonopol grundsätzlich in Frage." Ihren Ursprung hat die Bewegung in Finnland. Im Freistaat liege ihre Mitgliederzahl "im unteren zweistelligen Bereich". Der Landesverfassungsschutz betrachtet die Gruppierung Wodans Erben Germanien in Bayern als rechtsextrem.

Dass einige Mitglieder dieser Gruppen nicht nur Streife laufen wollten, sondern mehr planten, mussten die Polizisten bei ihren Razzien gegen die Gruppe S. in der vorvergangenen Woche feststellen. Neben der Pistole, die sie beim mutmaßlichen Chef der Gruppierung fanden, beschlagnahmten sie bei anderen mutmaßlichen Komplizen auch diverse Messer, Äxte, Chemikalien, Morgensterne sowie eine Armbrust. Und eine so genannte Slam-Gun, eine selbst gebaute Schusswaffe, mit der Schrotpatronen abgefeuert werden können. Mit einer solchen Waffe hatte der Attentäter von Halle im vergangenen Jahr versucht, durch die Tür der Synagoge zu schießen.

Bildunterschrift: Mitglieder der selbst ernannten Bürgerwehr Wodans Erben, die der Verfassungsschutz Bayern als rechtsextrem betrachtet.

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Mindener Tageblatt, 22./23.02.2020:

Terror-Verdächtige entwaffnet

Bereits vor der Razzia im rechten Milieu mussten ein Fliesenleger und ein Lagerarbeiter ihre Waffen abgeben / Einer wehrte sich vor Gericht

Stefan Koch

Minden. In mehreren Fällen beschäftigten Waffenbesitzer in den vergangenen Jahren das Verwaltungsgericht Minden, weil sie sich gegen den Entzug ihrer Waffenbesitzkarte wehrten. Darunter war auch der 55-jährige Fliesenleger aus Minden, den die Polizei in der vergangenen Woche wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer rechtsradikalen Terror-Zelle festgenommen hatte. Der Beschuldigte gehört zum Kreis von bislang zwölf Personen, die Anschläge auf Moscheen geplant haben sollen.

Wie Richterin Theresa Grabitz vom Mindener Verwaltungsgericht auf MT-Anfrage bestätigte, hatte die Polizei schon vor zwei Jahren vorsorglich dem Fliesenleger verboten, erlaubnisfreie Waffen zu besitzen. Dabei handelte sich unter anderem um Schreckschusspistolen oder Messer, die sonst jeder ab einem Alter von 18 Jahren erwerben darf. Gegen dieses Waffenerwerbsverbot hatte sich der als Reichsbürger eingestufte 55-Jährige gerichtlich gewehrt. Bei der Verhandlung am 30. September vergangenen Jahres gaben die Richter der Mindener Polizei recht.

Am 8. Februar traf sich dann der harte Kern der rechtsradikalen Terrorgruppe bei dem Mindener Fliesenleger. Und am 14. Februar veranlasste der Generalbundesanwalt Razzien und Festnahmen von Mitgliedern des Netzwerkes. Dabei stellte die Polizei in Minden bei dem 55-Jährigen unter anderem eine Armbrust sicher. Nach Auskunft des Verwaltungsgerichts war diese Waffe nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, in dem er sich gegen die Auflagen zur Wehr gesetzt hatte.

Neben dem Fliesenleger hatte die Mindener Polizei vor zwei Jahren auch dem 47-jährigen Lagerarbeiter aus Porta Westfalica die Erlaubnis zum Führen einer Waffe entzogen, weil er als Reichsbürger eingestuft wurde und somit als unzuverlässig galt. Er besaß einen so genannten "Kleinen Waffenschein", der es erlaubt, mit Gas- und Schreckschusspistolen in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein. Gegen diese Maßnahme legte er keine Rechtsmittel ein und gab den Waffenschein zurück. Bei der bundesweiten Razzia am 14. Februar verhaftete ihn die Polizei an seinem Arbeitsplatz. Er befindet sich ebenso wie die anderen Mitglieder des Terror-Netzwerkes in Karlsruhe in Untersuchungshaft. Ihm legen die Ermittler zur Last, zum Unterstützerkreis zu gehören.

Mitunter erwiesen sich Überprüfung und Beschlagnahmung von Waffen als schwierig

Aber auch andere als nicht zuverlässig geltende Waffenbesitzer mussten in den vergangenen Jahren ihre Waffen abgeben. So unterlag im Oktober vergangenen Jahres ein 57-Jähriger aus Petershagen, der mit der AfD im Parlament des Kreises Minden-Lübbecke eine Fraktionsgemeinschaft bildet, vor dem Verwaltungsgericht Minden, als er seine Waffenbesitzkarte wiedererlangen wollte. Das Gericht wies seine Klage ab. Wie Thomas Bensch, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde, bestätigt, hatte die Polizei zusammen mit der Waffenbesitzkarte seine Gewehre eingezogen.

Die Vorgeschichte: Nach Hinweisen aus der Bevölkerung machten sich Mitarbeiter der Waffenbehörde im März 2018 ein Bild von dem Anwesen des 57-Jährigen aus Petershagen, der damals Inhaber eines Jagdscheins war und über Gewehre und Munition verfügte. Auf dem Grundstück des Hauses, in dem sich laut Waffenbesitzkarte die Gewehre befinden sollten, war zwar ein Briefkasten angebracht. Doch die Immobilie wirkte ungepflegt und unbewohnt, zudem war der Weg zur Haustür zugewachsen.

Nachdem es der zuständigen Behörde mehrere Tage nicht gelang, die ordnungsgemäße Lagerung der Waffen zu überprüfen, drohte sie dem Petershäger den Widerruf der Waffenbesitzkarte an und nahm sie ihm schließlich ab, weil er nicht kooperierte. Der Betroffene gab vor Gericht an, seit den 90er Jahren Waffen ohne Beanstandungen besessen zu haben.

Gleich 30 Pistolen, Revolver und Gewehre hatte ein Stemweder gehortet, den die Polizei nach entsprechenden Schreiben seinerseits als Reichsbürger einstufte. Er sollte 2016 seine Waffen abgeben und wehrte sich vor dem Verwaltungsgericht. Doch auch das Gericht sah eine Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers als nicht gegeben und bestätigte die Einschätzung der Polizei. Die Beschlagnahmung der Sammlung erwies sich als schwierig, weil bei der Wohnungsdurchsuchung zunächst nicht alle Waffen gefunden wurden und weitere auftauchten, die nicht angemeldet waren.

Der Autor ist erreichbar unter (0571) 882165 und Stefan.Koch@MT.de.

Bildunterschrift: Mit einem Kleinen Waffenschein sind zahlreiche Schreckschusswaffen zu bekommen, die wie ihre echten Vorbilder aussehen. Auch die durften Reichsbürger nicht besitzen.

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Mindener Tageblatt, 22./23.02.2020:

Panne bei Ermittlung

Die Polizei in Hamm räumt Fehler ein: Mehrere Hinweise auf verfassungsfeindliche Gedanken bei Mitarbeitern sind nicht zu einem Gesamtbild zusammengefügt worden

Lukas Brekenkamp

Bielefeld. Die Polizei gerät bei den Ermittlungen um die mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle unter Druck: Ein als mutmaßlicher Unterstützer der "Gruppe S." verhafteter Mitarbeiter der Polizei Hamm war schon oft im Visier der Kollegen. Allerdings seien in seiner Behörde beim Umgang mit den Hinweisen auf die rechtsextreme Gesinnung des Verwaltungsmitarbeiters Fehler unterlaufen, sagte der Hammer Polizeipräsident Erich Sievert auf einer einberufenen Pressekonferenz.

2018 seien auf dem Balkon des Mannes Reichskriegsflaggen aufgefallen. Zudem habe er Kleidermarken getragen, die in der rechten Szene beliebt sind. An seinem Klingelschild sei ein Aufkleber "Keine Lügenpresse einwerfen" angebracht gewesen. "All diese Punkte stellen im Detail allein keine strafbare Handlung dar", betonte Sievert. Aber: "Die einzelnen Sachverhalte hätten zusammengeführt werden müssen." Dann hätte frühzeitig ein Disziplinarverfahren gegen den Mann eingeleitet werden können. Im Rahmen der Ermittlungen ist das Polizeipräsidium Hamm auf zwei weitere Beamte mit möglicherweise rechter Gesinnung gestoßen.

Der verhaftete Mann war zuletzt für die Abrechnung von Ordnungswidrigkeiten im Verkehrsreferat zuständig. In seiner Laufbahn war er auch in der Abteilung für die Genehmigung von Waffenscheinen. Er selbst habe einen Kleinen Waffenschein besessen.

Anders als ein Mann aus Minden, der ebenfalls verhaftet wurde. Ihm wurde durch die zuständige Behörde der Kauf sowie der Besitz einer erlaubnisfreien Waffe verboten - dazu zählen zum Beispiel Reizgas oder Gaspistolen. Dagegen wehrte sich der Mann vor dem Mindener Verwaltungsgericht, wie eine Sprecherin bestätigte. Zwar gab das Gericht der Behörde recht, doch der Mann legte Berufung ein. Somit ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. Bei dem Mann soll es sich um einen Reichsbürger handeln.

Wie der Staatsschutz in Bielefeld auf Anfrage mitteilte, seien der Polizei insgesamt sechs Personen aus der Reichsbürger-Bewegung in OWL als gewaltbereit bekannt. Ob einer der Verhafteten aus dem Kreis Minden-Lübbecke dazugehört, ließ die Polizei offen. Insgesamt zählt der Staatsschutz in OWL 264 Personen, die der Reichsbürger-Bewegung zuzuordnen sind. Tendenz steigend: Mitte 2018 waren es noch 241. Laut Behörde seien die meisten Reichsbürger in den Kreisen Herford und Minden-Lübbecke ansässig, gefolgt von den Kreisen Lippe und Gütersloh. Im aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes wurden in NRW etwa 3.200 Reichsbürger gezählt.

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Zeit Online, 21.02.2020:

Gruppe S.: Die heikle Rolle des V-Manns in der rechten Zelle

21.02.2020 - 16.20 Uhr

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen der Gruppe S. flogen auf, weil die Ermittler einen V-Mann dabeihatten. Doch dessen Vergangenheit wird nun zum Problem.

Von Christian Fuchs, Astrid Geisler, Daniel Müller und Simon Schramm

Als Ernst Fäller* am 2. Oktober 2019 am Heidelberger Hauptbahnhof von der Bundespolizei kontrolliert wird, beginnt er zu schwitzen. Der Mann wirkt auf die Beamten nervös. Als die Polizisten ihn nach verbotenen Gegenständen fragen, gibt er zu, eine Schusswaffe mit sich zu führen. Es ist eine so genannte CO2-Pistole, durchgeladen und schussbereit, acht Schuss befinden sich im Magazin. Menschen kann man damit kaum töten, aber das Tragen der Waffe ist genehmigungspflichtig. Fäller hat keinen Waffenschein. Er ist auf Bewährung.

Als die Beamten die Waffe einkassieren, platzt es aus Fäller heraus: Er sei ein "Spitzel" des Landeskriminalamts. Sollen die Polizisten ihm das glauben? Sie konfiszieren die Waffe, lassen ihn aber seine Fahrt fortsetzen. Die Polizei leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz ein.

Der untersetzte, klein gewachsene Mann, der beim Anblick zweier Bundespolizisten ins Schwitzen gerät, soll ein "Spitzel" sein? Nach Informationen der Zeit ist Fäller nicht nur das - er ist der entscheidende Informant des LKA Baden-Württemberg in den Ermittlungen gegen die mutmaßlich rechtsextreme Vereinigung Gruppe S. Diese soll Anschläge auf Moscheen in Deutschland geplant haben. Mehrere Kommandos hätten offenbar gleichzeitig in zehn Bundesländern zuschlagen sollen. Doch die mutmaßlichen Terror-Pläne wurden in der vergangenen Woche durchkreuzt.

Fast das halbe Leben hinter Gittern

Insgesamt zwölf Männer zwischen 31 und 60 Jahren wurden am Freitag der vorigen Woche in sechs Bundesländern festgenommen, unter ihnen ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Vier von ihnen gelten der ermittelnden Bundesanwaltschaft als Mitglieder der rechten Zelle, die anderen acht als Unterstützer. Und dann zählen die Bundesanwälte noch einen weiteren Mann zu diesem Kreis: Ernst Fäller. Er ist der 13. Mann. Und der einzige, der nicht in Untersuchungshaft sitzt.

Fällers Rolle ist bislang nur in Umrissen bekannt - und birgt für die Ermittler ein Problem. Denn der Informant war nicht nur von Anfang an bei den mutmaßlichen Kriegsspielen der Rechtsradikalen dabei. Er soll auch auf Bildern in einer Art posiert haben, die man als Scharfmachen empfinden kann. Und er hat laut Gerichtsakten, die Die Zeit einsehen konnte, eine schwierige persönliche Vergangenheit, die daran zweifeln lässt, dass er ein guter Kronzeuge ist.

Fäller ist noch keine 50 Jahre alt und hat doch schon mehr als 20 Jahre in verschiedenen Gefängnissen, psychiatrischen Kliniken und Einrichtungen des Maßregelvollzugs verbracht. Die Hälfte seines Lebens. Das erste Mal wird er, der seinen Vater nie kennenlernte und von der Mutter an die Großeltern abgeschoben wurde, mit zwölf Jahren eingewiesen, nach seinem ersten Suizidversuch. Er sei damals sexuell missbraucht worden von einem Mann, der ihn dafür hin und wieder auch finanziell entlohnte, wie er später mehreren Gutachtern berichtete. So ist es in alten Gerichtsunterlagen dokumentiert.

Nach der Entlassung wird er von einem Heim ins nächste geschickt, zwischendurch wieder in die Psychiatrie eingewiesen, noch vor seinem 18. Geburtstag landet er auf dem Straßenstrich am Frankfurter Hauptbahnhof. Er bleibt dort fast sechs Jahre, nur unterbrochen von diversen Jugendstrafen, die er unter anderem in Wiesbaden absitzt.

Zwei Geiselnahmen in wenigen Jahren

Er bricht mehrere Ausbildungen ab, zum Maurer, zum Bäcker, zum Altenpfleger, einmal nach nur einer Woche. 1997, da ist er 25 Jahre alt, wird er wegen schwerer räuberischer Erpressung und der Geiselnahme eines Polizisten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Zugleich wird seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Bei der Geiselnahme hatte Fäller rund zwei Promille Alkohol im Blut. Ein Gutachter bescheinigt ihm eine schwere Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Fäller führt in den Folgejahren ein Drehtür-Leben. Es geht vom Maßregelvollzug in die reguläre Strafhaft und zurück, immer hin und her. Einmal bricht er einem Mitgefangenen das Nasenbein, ein andermal verrät er bei der Leitung Mitgefangene, die ausbrechen wollen. Das ist sein erster bekannter Auftritt als Informant. 2002 nimmt er in einer forensischen Psychiatrie wieder Geiseln, um sich den Weg in die Freiheit zu erpressen.

Diese Tat verrät viel über die Persönlichkeitsstruktur von Fäller. Er plant den Übergriff laut alten Gerichtsdokumenten akribisch, will es aber aussehen lassen wie eine Impulstat. Er ruft kurz vor der Geiselnahme verschiedene Personen an, um den Eindruck zu erwecken, er sei verwirrt und suizidal. Im Laufe des Tages lässt er es auch mindestens fünfmal bei der nächstgelegenen Polizeistation klingeln und legt sofort wieder auf, wenn jemand abhebt - so will er später zeigen, dass er gezögert habe, dass er schwankte, unsicher war. Es ist ein ausgefeilter Simulationstrick, den das Gericht, das ihm eine "hohe organisatorische und manipulative Planung" attestiert, aber durchschaut. Und ihn wegen erpresserischen Menschenraubs zu weiteren sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Obendrauf wird Jahre später noch ein pathologischer Narzissmus festgestellt. Fäller versickert im Maßregelvollzug.

Erst 2017 wird er entlassen, nachdem ein weiterer Gutachter die Diagnosen seiner Vorgänger kassiert hatte. Keinesfalls liege bei Fäller eine Borderline-Störung vor, nicht einmal die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung seien erfüllt. Gleichwohl bescheinigt der Gutachter ihm eine "akzentuierte Persönlichkeit mit emotional-instabilen Zügen und dissozialen Prägungen". Fäller sei ein durchaus differenzierter Mann, der allerdings zu starken Stimmungswechseln neige. Mal depressiv verstimmt, mal ungestüm, hin und wieder suizidal, dann mit einem gewissen Hang zur Hysterie. Ein Mann, der sich gern als Rebell wider das System inszeniert, etwas eitel und insbesondere geltungsbedürftig.

Bis 2017 ist er nie durch politisch motivierte Kriminalität aufgefallen. Wie kann so einer in den innersten Zirkel einer mutmaßlichen rechtsextremen Terrorzelle vordringen? Und wie wurde aus ihm der Spitzel, als den er sich selbst bezeichnete?

Warum der Informant ein Risiko für die Ermittlungsbehörden ist

Dazu gibt es derzeit eine Reihe offener Fragen: Es ist noch unklar, wann das baden-württembergische Landeskriminalamt Ernst Fäller angeworben hat - oder ob er sich selbst angeboten hat. Und wurde er umgedreht, als er schon Teil des "harten Kerns" war, wie die Rechten sich in einem Chat selbst nennen?

Fest steht: Am 28. September treffen sich die 13 Männer, die behördenintern nach dem Anführer Werner S. als Gruppe S. firmieren, auf einer Grillwiese an der Vaihinghöfer Sägmühle in dem kleinen Örtchen Alfdorf im Schwäbischen Wald. Dem Generalbundesanwalt gilt dies nach Informationen der Zeit als Gründungstag des "harten Kerns". Wie der SWR erfuhr, habe Fäller bei diesem Treffen vor dem Rest der Gruppe martialisch mit einem Messer posiert. Nur wenige Tage später packte Fäller über seine Kameraden aus. Und blieb mindestens viereinhalb Monate weiter in der Gruppe.

Als dann der Kontakt der Ermittler zu ihrer Quelle über mehrere Tage abriss, fürchtete das LKA Baden-Württemberg offenbar um die Sicherheit des Mannes, hatte andererseits aber auch Sorge vor spontanen Taten des "harten Kerns". So erklärt sich die kurzfristig vollzogene Durchsuchungsaktion am vergangenen Freitag.

Von Zivilpolizisten abgeholt?

Fest steht auch: Mit Fäller gehen die Ermittlungsbehörden ein großes Risiko ein. Ein massiv vorbestrafter Straftäter, der fast sein halbes Leben im Gefängnis verbracht hat, genießt nicht den besten Leumund. Ein Mann, dem mehrere Gutachter bescheinigt haben, "manipulativ" zu sein, der "zur Selbstinszenierung und Dramatisierung" neigt, "der dazu tendiert, seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen" - ist dem wirklich zu trauen? Absehbar ist, dass die Rolle des Informanten bei einer möglichen Gerichtsverhandlung eine zentrale Rolle einnehmen dürfte.

Zwölf Männer sitzen in Untersuchungshaft, einer ist frei. Am Rande einer typischen Kleinstadt irgendwo in Süddeutschland, direkt an einem grünen Hang, lebt dieser eine Mann seit Ende 2018. Einfamilienhaus reiht sich an Einfamilienhaus, gepflegte Gärten, beruhigende Stille. Ernst Fäller hat hier eine Wohnung im Erdgeschoss eines weiß-grau gestrichenen Gebäudes mit dunklen Fenstern bezogen. Ein kleines Messingschild neben dem Hauseingang weist darauf hin, dass hier besondere Bewohner leben. Menschen, die von Sozialarbeitern betreut werden. Es sind ehemalige Strafgefangene, auf dem Weg zurück in die Gesellschaft. Im Eingangsflur an der Wand hängt ein Müll-Plan. In der ersten Februar-Woche ist Fällers Name eingetragen, Verpackungs- und Papiertonne sollten in dieser Woche abgeholt werden. Auf dem Klingelschild steht sein Name schon nicht mehr. Neben der Eingangstür liegen zusammengefaltete Kartons. Die Wohnung wirkt verlassen. Die anderen aber sind noch bewohnt. Mit zwei jungen Männern konnte die Zeit sprechen.

Sie berichten von einem lustigen Menschen, der einen "schwarzen Humor" gehabt habe. Er habe gern erzählt, dass ihm damals nach der Entführung des Polizeibeamten eine Krankheit eingeredet worden sei. Einer sagt, er habe Fäller am Tag seiner Abreise noch gesehen, er soll von Zivilpolizisten abgeholt worden sein. Überprüfen lässt sich das aber nicht. Der andere bestätigt, dass Fäller in der vergangenen Woche noch da gewesen sei. Dieser habe ihm erzählt, dass er in den Urlaub fahre.

Auf Dauer wird er nicht untertauchen können. In den kommenden Wochen muss er sich wieder einmal vor Gericht verantworten - wegen der Luftpistole, die ihm die Polizeibeamten im vergangenen Oktober auf dem Bahnhof abnahmen.

*Die Identität des Informanten ist der Zeit bekannt. Aus Sicherheitsgründen haben wir uns entschieden, den Namen abzuändern.

Bildunterschrift: Gruppe S.: In Karlsruhe wird eine Person zu einem Haftrichter des Bundesgerichtshofs gebracht.

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Spiegel Online, 21.02.2020:

Terrorverdächtiger Polizei-Mitarbeiter war für Waffenscheine zuständig

21.02.2020 - 10.45 Uhr

Rechtsextreme Zelle "Gruppe S."

Sein Job war heikler als gedacht: Nach Spiegel-Informationen war ein mutmaßlicher Unterstützer der rechtsextremen "Gruppe S." als Verwaltungsmitarbeiter vor einigen Jahren an der Vergabe von Waffenscheinen beteiligt.

Von Roman Lehberger und Wolf Wiedmann-Schmidt

Ein Polizei-Verwaltungsmitarbeiter, der als Beschuldigter im Verfahren gegen die mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle "Gruppe S." geführt wird, war offenbar mit sensibleren Vorgängen an seinem Arbeitsplatz befasst als bisher bekannt. Nach Spiegel-Informationen war Thorsten W., 50, in den Jahren 2013 und 2014 im Polizeipräsidium Hamm im Bereich "waffenrechtliche Erlaubnisse" tätig.

Demnach soll er an Prüfvorgängen beteiligt gewesen sein, wer einen Waffenschein bekommt. Intern wird nun untersucht, ob es in dieser Zeit Unregelmäßigkeiten gegeben hat - ob Thorsten W. also womöglich Gesinnungsgenossen geholfen hat, legal an Schusswaffen zu gelangen. Zuletzt arbeitete W. bei der Hammer Polizei im Verkehrskommissariat. Das Polizeipräsidium ließ eine Spiegel-Anfrage hierzu unbeantwortet.

Chemikalien und Handgranaten

Nach der Festnahme von Thorsten W. am vergangenen Freitag wurde der Polizei-Mitarbeiter suspendiert. Er und elf weitere Tatverdächtige sitzen zur Zeit in Untersuchungshaft. Bei den bundesweiten Razzien hatte die Polizei am vergangenen Wochenende zahlreiche Waffen gefunden. Beim mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. stellten die Beamten eine schussbereite Pistole sicher. Bei einem angeblichen Unterstützer in Nordrhein-Westfalen fanden sie selbst konstruierte Handgranaten. Bei einem Beschuldigten aus Niedersachsen beschlagnahmte die Polizei nach Spiegel-Informationen auch verdächtige Chemikalien.

Nach Erkenntnissen der Ermittler wollte sich die Gruppe zudem mit so genannten Slam-Guns ausrüsten, wie sie auch der Synagogen-Angreifer von Halle verwendet hatte. Eine dieser großkalibrigen Schrotflinten wurde samt Munition bei einem mutmaßlichen Terrorhelfer in Sachsen-Anhalt gefunden.

Hakenkreuze und SS-Symbole

In seiner Freizeit kleidete sich der Polizei-Mitarbeiter Thorsten W. häufig wie ein germanischer Krieger. Fotos auf Facebook zeigen ihn mit Schwert und runenverziertem Schild. Mit seiner Meinung habe er auch am Arbeitsplatz nie hinterm Berg gehalten, heißt es aus dem Kollegenkreis. Die Polizei in Hamm räumt inzwischen ein, "die einzelnen Mosaiksteine seines Agierens" nicht ausreichend geprüft zu haben.

Im Nachhinein attestieren die Behörden dem Beamten in einem vertraulichen Vermerk, wie ein Reichsbürger zu denken. Gegen ihn wird nach Spiegel-Informationen nun auch wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen ermittelt. Bei der Auswertung eines seiner Profile in Sozialen Medien fanden sich zahlreiche Abbildungen von Hakenkreuzen und SS-Symbolen.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die "Gruppe S." wegen Terror-Verdachts. Vier Männer stufen die Karlsruher Fahnder als Mitglieder der Terror-Zelle ein, acht als Unterstützer - darunter Polizei-Mitarbeiter W. Er soll sich bereit erklärt haben, der Gruppe 5.000 Euro zur Verfügung zu stellen, wenn nötig auch noch mehr. Sein Verteidiger wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.

Spitzname "Teutonico"

Trifft der Verdacht zu, planten die Rechtsextremisten Anschläge auf Moscheen. Nach Spiegel-Informationen soll der mutmaßliche Anführer der Terror-Gruppe bei einem konspirativen Treffen am 8. Februar im nordrhein-westfälischen Minden seine Pläne skizziert haben, Muslime gezielt während des Gebets anzugreifen. In einem von den Behörden überwachten Gespräch wenige Tage nach dem Treffen war die Rede von "Kommandos", die angeblich in bis zu "zehn Bundesländern" zuschlagen sollten.

Die Gruppe wird von den Behörden intern als "Gruppe S." bezeichnet, nach dem Namen des mutmaßlichen Anführers Werner S. In der rechtsextremen Szene ist der 53-Jährige auch unter dem Spitznamen "Teutonico" bekannt.

Bildunterschrift: Einer der zwölf Verdächtigen wird zum Haftrichter in Karlsruhe gebracht.

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Radio Westfalica, 21.02.2020:

Rechte Terror-Zelle: Ulf R. und Thomas N. waren polizeibekannt

Eine Woche nach dem Schlag gegen eine mutmaßliche rechte Terror-Zelle sind weitere Einzelheiten zu den Verdächtigen aus Minden und Porta Westfalica bekannt geworden. Dem Mindener Thomas N. haben die Behörden vor zwei Jahren vorsorglich den Besitz von erlaubnisfreien Waffen verboten, weil er als Reichsbürger in den Akten stand. Auch Ulf R. aus Porta-Kleinenbremen war den Behörden als Reichsbürger bekannt und musste deshalb seinen Kleinen Waffenschein abgeben.

Außerdem berichtet das Westfalen-Blatt, dass es schwere Vorwürfe gegen das Polizeipräsidium Hamm gibt. Dort wurden Hinweise auf eine mögliche Radikalisierung eines Beamten offensichtlich nicht konsequent verfolgt. Der Verwaltungsbeamte zählt ebenfalls zu den insgesamt 13 Terror-Verdächtigen.

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Neue Westfälische, 21.02.2020:

Verbindung zur mutmaßlichen Terror-Zelle "Gruppe S." wird geprüft

Ein fremdenfeindliches Motiv des blutigen Anschlags in Hanau gilt als erwiesen / Doch gibt es auch Parallelen zur Reichsbürger-Bewegung? / Ein Experte analysiert das Bekennerschreiben und das Video des mutmaßlichen Schützen

Lukas Brekenkamp

Bielefeld / Hanau. Nach dem Blutbad in Hanau mit insgesamt elf Toten kursieren verschiedene Gerüchte und Informationen durchs Netz. So sollen etwa Parallelen zwischen dem Täter und der Reichsbürger-Bewegung erkennbar sein. Doch was ist dran an den Berichten?

Jan Rathje von der Amadeu Antonio Stiftung beschäftigt sich mit dem Thema Reichsbürger. Er hat sowohl das Bekennervideo als auch das Bekennerschreiben (liegt auch dieser Redaktion vor) ausgewertet. "Klar ist: Der mutmaßliche Täter hat ein verschwörungstheoretisches Weltbild", sagt Rathje. "Er glaubt etwa, er würde gegen eine Geheimorganisation vorgehen." Demnach schreibt er in seinem Bekennerschreiben von einer "Überwachung", die schuld daran sei, dass er nie mit einer Frau intim wurde.

Wie die Bild berichtet, soll sich der mutmaßliche Schütze wegen der "Überwachung" gar schriftlich an den Generalbundesanwalt gewendet haben. Er hätte demnach Informationen darüber, dass Tausende Deutsche überwacht würden.

Nur wenige Reichsbürger-Bezüge erkennbar

Der Experte Rathje sagt jedoch: "Für mich geht das nicht primär in Richtung Reichsbürger-Bewegung." Zwar seien solche Verschwörungstheorien ein typisches Element in der Szene. Andere Merkmale der Reichsbürger-Bewegung erkennt der Experte dagegen nicht. Der mutmaßliche Täter zweifele laut Rathje zum Beispiel nicht die Existenz der Bundesrepublik als Staat an.

Dass das Motiv jedoch besonders durch das Video sowie das Schreiben des mutmaßlichen Täters als fremdenfeindlich einzustufen ist, daran ließ auch die Bundesanwaltschaft in einer Mitteilung keine Zweifel: "Es liegen gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund der Tat vor." Auch Rathje ordnet den mutmaßlichen Todesschützen klar dem Rechtsextremismus zu.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte dieser Redaktion, dass nach der Tat in alle Richtungen ermittelt werde - etwa nach möglichen Unterstützern oder Mitwissern. Es werde auch eine mögliche Verbindung zwischen dem mutmaßlichen Schützen und der mutmaßlichen rechtsextremen Terrorzelle "Gruppe S." geprüft.

In der vergangenen Woche kam es in ganz Deutschland zu Durchsuchungen sowie Verhaftungen - auch im Kreis Minden-Lübbecke. Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang? "Das ist hochgradig spekulativ", sagt Rathje. Immerhin sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar, dass sich der mutmaßliche Schütze mit einschlägigen Organisationen vernetzt hätte.

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Westfalen-Blatt, 21.02.2020:

Terror-Verdacht: Schwere Pannen bei der Polizei in Hamm

Hinweise auf eigenen Kollegen nicht beachtet - Mindener wollte Waffe

Von Christian Althoff

Hamm / Minden (WB). Im Polizeipräsidium Hamm sind Hinweise auf einen Beamten, der sich möglicherweise radikalisiert hat, nicht ernstgenommen worden. Experten versuchen jetzt zu klären, welche Abfragen er in den polizeilichen Computersystemen gemacht hat.

Der 50-Jährige gehört zu den zwölf Verdächtigen, die seit Samstag wegen Terror-Verdachts in Untersuchungshaft sitzen. Ihm wird die Unterstützung einer rechtsterroristischen Gruppe vorgeworfen, die Morde an Politikern und Muslimen geplant haben soll.

Thorsten W. hatte in den 90ern eine Ausbildung zum Polizisten absolviert. Doch bevor er als Polizist verbeamtet und eingesetzt wurde, entschied er sich 1995, sich beruflich neu zu orientieren und machte eine Verwaltungsausbildung. Zuletzt arbeitete er im Polizeipräsidium Hamm als Verwaltungsbeamter in der Direktion Verkehr. Er sei mit der Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitsanzeigen beauftragt gewesen, heißt es bei der Polizei. In Sozialen Netzwerken begeisterte er sich vor allem für das Mittelalter.

2018 erfuhr die Polizei von Bürgern, dass Thorsten W. auf seinem Balkon zwei Reichskriegsflaggen aufgehängt hatte. Die Flagge hat ihren Ursprung im Kaiserreich, und das Zeigen ist erlaubt, soweit es sich um eine Version ohne Hakenkreuz handelt. Weil die Flagge aber bereits in der Weimarer Republik von rechtsextremen Organisationen als Identifikationssymbol benutzt wurde, wird sie bis heute mit rechtsradikalen Gruppen in Verbindung gebracht.

Kripobeamte machten Fotos von den Flaggen und vom Klingelschild ihres Kollegen. Seinen Namen hatte W. in einer Art Sütterlin geschrieben, und an seinem Briefkasten wies er darauf hin, dass er "keine Lügenpresse" und "keinen Flüchtlingsbericht der Stadt Hamm" haben wolle.

Die Kriminalbeamten kamen zu dem Schluss, dass sich Thorsten W. nicht strafbar gemacht hatte - und unternahmen nichts. Sie sollen nicht einmal ein Gespräch mit ihrem Kollegen geführt haben. Der Vorgang soll auch nicht schriftlich festgehalten worden sein.

Die Flaggen waren aber nicht die einzigen Auffälligkeiten. Der Beamte soll Aufkleber mit germanischen Runen an seinem Wagen gehabt haben, und später fiel einem Vorgesetzten in der Direktion Verkehr auf, dass Thorsten W. die Europa-Flagge an seinem Autokennzeichen überklebt hatte. Der Vorgesetzte wies Thorsten W. darauf hin, dass das nicht gehe, und der brachte das Kennzeichen wieder in Ordnung - das war’s. Niemand informierte den für politische Straftaten zuständigen Staatsschutz des Polizeipräsidiums Dortmund, um Thorsten W. durchleuchten zu lassen. "Das war sicherlich ein Fehler", gibt Polizeisprecher Hendrik Heine zu.

Auf Anweisung des NRW-Innenministeriums durchleuchten jetzt Mitarbeiter des Landeskriminalamts, des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste und des Landesamts für Aus- und Fortbildung der Polizei das Polizeipräsidium Hamm. Sie wollen nicht nur die Pannen aufklären, sondern herausfinden, welche Zugriffsmöglichkeiten Thorsten W. auf polizeiliche Datenbanken hatte, wie er sie genutzt hat und ob er Zugriff auf Waffen hatte. Hamms Polizeipräsident Erich Sievert hat eine Arbeitsgruppe aufgestellt, um den Fall aufzuarbeiten. Erstes Ergebnis soll sein, dass sich zwei weitere Verdachtsfälle rechtsextrem eingestellter Mitarbeiter ergeben haben, die jetzt vom Staatsschutz geprüft werden.

Auch im Fall zweier mutmaßlicher Komplizen von Thomas W. erfuhr das Westfalen-Blatt weitere Einzelheiten: Weil die Mindener Polizei Hinweise hatte, dass Fliesenleger Thomas N. (55) "Reichsbürger" sein könnte, verbot sie ihm 2018 vorsorglich Kauf und Besitz erlaubnisfreier Waffen wie Armbrüsten, Reizgas, Messern und Gaspistolen. Vor dem Verwaltungsgericht Minden wehrte sich N. gegen das Verbot, aber die Richter gaben der Polizei recht. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, weil Thomas N. die Zulassung der Berufung erreichen möchte. In seinem Haus soll bei der Razzia am Freitag eine Armbrust gefunden worden sein.

Sein mutmaßlicher Komplize Ulf R. (46) aus Porta Westfalica, der ebenfalls "Reichsbürger" sein soll, besaß einen so genannten Kleinen Waffenschein, den die Mindener Polizei aber 2018 widerrief. Der Lagerist nahm das hin und gab den Waffenschein zurück.

Bildunterschrift: Die Reichskriegsflagge, hier auf einer alten Postkarte, darf in dieser Version ohne Hakenkreuz gezeigt werden.

Bildunterschrift: Polizeipräsident Erich Sievert muss jetzt aufklären.

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Westfalen-Blatt, 21.02.2020:

Mindener hatte ein Waffenverbot

Mutmaßliche Terror-Gruppe: Pannen bei der Polizei Hamm

Minden / Hamm (WB/ca). Im Fall der mutmaßlich rechten Terror-Gruppe, die vor einer Woche aufgeflogen war, hatte die Mindener Polizei zwei der 13 Verdächtigen bereits seit Jahren als so genannte Reichsbürger in den Akten.

Die Behörde untersagte Thomas N. (55) aus Minden deshalb 2018 vorsorglich den Besitz von erlaubnisfreien Waffen wie Gaspistolen und größeren Stichwaffen. Thomas N. zog dagegen vor Gericht und unterlag in erster Instanz. Einem weiteren Terrorverdächtigen, Ulf R. (47) aus Porta Westfalica, nahm die Polizei einen bereits erteilten Kleinen Waffenschein ab, nachdem sie von dessen Nähe zur "Reichsbürger"-Szene erfahren hatte. Unterdessen wurde bekannt, dass im Polizeipräsidium Hamm Hinweise auf eine mögliche Radikalisierung eines Beamten 2018 nicht konsequent verfolgt wurden. Der Beamte zählt ebenfalls zu den 13 Terrorverdächtigen. Das NRW-Innenministerium hat eine umfassende Untersuchung angeordnet.

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Bildunterschrift: In Handschellen und mit einem weißen Handtuch über dem Kopf wird Ulf R. aus Porta Westfalica abgeführt.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 20.02.2020:

Das sind die drei Terrorverdächtigen aus OWL

20.02.2020 - 06.26 Uhr

Drei Verdächtige aus Minden und Porta Westfalica

Hauptverdächtiger: Thomas N. aus Minden

Er war schon länger im Visier der Behörden

Zwölf mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremen Terrorzelle sitzen seit dem Wochenende in Untersuchungshaft. Sie nannten sich "Der harte Kern" und sollen Anschläge auf Politiker und Ausländer geplant haben. Drei von ihnen kommen aus Minden und Porta Westfalica. Wer sind die drei Verdächtigen aus OWL?

Thomas N. aus Minden

Fliesenleger Thomas N. aus Minden gehört zu den vier Hauptverdächtigen. Bei dem 55-Jährigen sollen sich Anfang Februar etwa zehn Personen der mutmaßlichen Terrorzelle getroffen haben - observiert von Ermittlern. N. war lange auf Facebook aktiv. Er teilte dort unter anderem rassistische und antisemitische Bilder, Texte und Videos, in denen auch der Staat abgelehnt wird.

Die Kreispolizei Minden-Lübbecke hatte ihn bereits seit zwei Jahren auf dem Schirm. 2018 wurde dem 55-Jährigen ein Waffenverbot ausgesprochen. Nach Angaben des Verwaltungsgerichts Minden hatte er dagegen geklagt und in erster Instanz verloren. Gegen das Urteil legte er Rechtsmittel ein. Noch ist unklar, ob darüber verhandelt wird.

Warum Thomas N. keine Waffen besitzen durfte, sagt das Verwaltungsgericht nicht. Die Polizei fand in seinem Haus unter anderem einen Revolver, ein Gewehr und 50 Stichwaffen. Außerdem mehrere Gold- und Silberbarren.

Ulf R. aus Porta Westfalica

Der Mindener Thomas N. ist ein Facebook-Freund von Ulf R. aus Porta Westfalica, dem zweiten Verdächtigen aus OWL. Die Beamten fanden bei der Razzia vergangene Woche bei dem 46-jährigen Lageristen scharfe Waffen, unter anderem mehrere selbstgebaute Handgranaten. Die waren so instabil, dass Spezialkräfte kommen mussten, um sie zu sichern.

Markus K. aus Minden

Der dritte Verdächtige aus OWL ist Markus K. aus Minden, der lange in der Neonazi-Szene unterwegs gewesen sein soll. Der 35-Jährige soll zum Beispiel zum Organisationsteam mehrerer rechtsextremer Demonstrationen im niedersächsischen Bad Nenndorf gehört haben. 2009 soll er an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund beteiligt gewesen sein.

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Neue Westfälische, 20.02.2020:

Der dreizehnte Mann der Terrorzelle

Kommissar Zufall half den Behörden, ein Mitglied aus dem Führungszirkel der rechtsterroristischen "Gruppe S." als V-Mann anzuwerben / Kurz vor den Razzien gegen die Zelle ist der Mann verschwunden

Jörg Köpke

Stuttgart. Ein kleiner Ort irgendwo in Baden-Württemberg. Am Ende eines mit Kies befestigten Weges liegt hinter einem braunen Bretterzaun ein Tierheim. Wo sonst ausgezehrte, alte und vernachlässigte Vierbeiner ihr Gnadenbrot fristen, kam im vergangenen Jahr regelmäßig eine Neonazi-Gruppe mit dem Namen "Wodans Erben Germania" zusammen.

Die Besitzerin des Tierheimes will von den konspirativen Treffen angeblich nichts wissen. Auch nichts davon, dass ein mutmaßlicher Neonazi aus dem Nachbarhaus ebenfalls regelmäßig an den Runden teilnahm. Was einzelne Wodan-Jünger neben dem Versand von NS-Devotionalien sonst noch so trieben, lag lange im Dunkeln. Bis zum vergangenen Freitag, als die Bundesanwaltschaft gegen eine mutmaßlich rechtsterroristische Zelle mit dem Namen "Gruppe S." vorging. Zwölf Mitglieder und Unterstützer dieser Zelle sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Nur das dreizehnte nicht: der mutmaßliche Neonazi aus dem Nachbarhaus des Tierheimes. Denn auch dieser Mann soll nach Informationen dieser Zeitung dem Kern der Zelle angehören. Doch der Reihe nach.

Angriffe auf Moscheen als Auftakt für den Umsturz

Nach Erkenntnissen der Ermittler hatte sich die Gruppe im vergangenen September um Namensgeber Werner S. alias "Teutonico" gebildet. Über Messenger-Dienste rekrutierte der Kopf der Truppe von seinem Wohnsitz unweit von Augsburg aus Gleichgesinnte für den Kampf gegen das System der Bundesrepublik. Auftakt zu einem Bürgerkrieg sollten an Muslimen verübte Massaker in mindestens sechs deutschen Moscheen bilden. Morde an Politikern sollten folgen. Dafür soll Werner S. Waffen und Munition gesammelt haben.

Auch der mutmaßliche Neonazi aus Baden-Württemberg, dessen Name der Redaktion bekannt ist, wollte offenbar etwas beisteuern. Als er Anfang Oktober zufällig in eine Kontrolle der Bundespolizei geriet, fanden die Beamten eine Schusswaffe bei ihm - angeblich eine Gasdruckwaffe, die er nicht hätte besitzen dürfen.

Vermutlich ist es allein diesem Kommissar Zufall zu verdanken, dass Deutschland vor einem weiteren rechtsterroristischen Anschlag verschont blieb. In mehreren Vernehmungen soll es den Beamten gelungen sein, den Mann aus Baden-Württemberg davon zu überzeugen, den Sicherheitsbehörden als Informant zu dienen. Seitdem verfügte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg über eine Quelle im Herzen der Gruppe.

Und der Mann lieferte tatsächlich. Er gewährte Einblick in die WhatsApp-Chats der Zelle. Dort stießen die Fahnder zwischenzeitlich auf mindestens 15 Namen. Fünf von ihnen bildeten den "harten Kern", wie sie sich selbst nannten. Hinzu kamen acht Unterstützer, darunter ein Verwaltungsbeamter der Polizei NRW. Zwei weitere Männer aus Thüringen sollen die Gruppe nach kurzer Zeit wieder verlassen haben.

Sorge um Sicherheit des Informanten

Dass es den Sicherheitsbehörden gelang, ein aktives Mitglied aus der mutmaßlichen Terrorzelle anzuwerben, und sie nicht etwa einen eigenen Beamten einschleusten, könnte nicht ganz unerheblich für das weitere Vorgehen der Bundesanwaltschaft sein.

Denn wäre der V-Mann maßgeblich an Planungen zu strafbaren Handlungen beteiligt gewesen, und hätte er als "Agent provocateur" zu Straftaten aufgerufen, wäre möglicherweise die gesamte Anklage zusammengestürzt. Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden dürfen zwar Informationen liefern, aber keine Straftaten initiieren. Als Gegenleistung für Zuträgerleistungen wird V-Leuten in der Regel Straffreiheit zugesichert - und eine finanzielle Entschädigung.

Bei einem Treffen der Zelle auf einem Grillplatz 50 Kilometer östlich von Stuttgart soll der dreizehnte Mann vor wenigen Wochen noch dabei gewesen sein und ein Messer präsentiert haben. Dann riss der Kontakt der Ermittler zu ihm in der vergangenen Woche plötzlich ab.

Das LKA fürchtet seither nach Informationen dieser Redaktion um die Sicherheit des Informanten. In einschlägigen Internet-Foren wird ihm bereits gedroht. Ehemalige Mitstreiter bezeichnen ihn dort unter anderem als "Verräter". Deswegen seien die Razzien am vergangenen Freitag spontan eingeleitet worden, hieß es aus Ermittlerkreisen.

Bildunterschrift: Abgeführt: Zwölf Mitglieder der Terrorzelle sitzen in Haft, einer nicht.

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Neue Westfälische, 20.02.2020:

Kommissar Zufall kämpft gegen Terror

Stuttgart. Die Behörden konnten ein Mitglied aus dem Führungszirkel der rechtsterroristischen "Gruppe S." als V-Mann anwerben. Kurz vor den Razzien verschwindet dieser.

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Mindener Tageblatt Online, 19.02.2020:

Minden gegen Rechts: Organisatoren erwarten mindestens 300 Teilnehmer zur Mahnwache

19.02.2020 - 16.26 Uhr

Anja Peper

Minden. Minden setzt ein Zeichen gegen den Rechtsruck: Das Bündnis "Minden gegen Rechts" lädt für Samstag, 22. Februar, um 12 Uhr auf den Kleinen Domhof zur Mahnwache ein. Damit reagieren die Organisatoren auf die Festnahme von Männern aus der Mindener Region, die an einem rechtsextremen Terror-Netzwerk beteiligt sein sollen. Die Razzien und Festnahmen liefen am vergangenen Freitag. Zweiter aktueller Anlass für die Mahnwache ist die Regierungskrise in Thüringen.

In dem Aufruf zur Mahnwache heißt es: "Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es jeden Tag Meldungen von rechter Gewalt gibt. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass eine rechtsradikale Partei in unseren Parlamenten sitzt." Darum soll gemeinsam ein Zeichen gesetzt werden. Jannes Tilicke, Sprecher des Bündnisses, hat die Demonstration angemeldet. Er geht - auch wegen der aktuellen Schlagzeilen zur Terrorzelle - von mindestens 300 Teilnehmern aus. Etwa 200 hätten ihre Teilnahme per Facebook zugesagt, so Jannes Tilicke.

Das Bündnis "Minden gegen Rechts" ist 2012 entstanden. Die Initiative ergriffen damals Mitglieder der freien Kulturszene, die sich im "Papagei" traf und die Jusos Minden-Lübbecke. Deren Vorsitzender Jannes Tilicke ist heute auch Sprecher des Bündnisses. Etwa 50 Menschen zwischen Anfang 20 und Anfang 40 sind aktiv.

"Minden gegen Rechts" ist kein Verein, sondern ein lockeres Bündnis. Die Gruppe organisiert sich meist über Facebook und versteht sich als basisdemokratisch. "Uns war wichtig, dass auch andere Gruppen einfach und unkompliziert mitarbeiten können. Darum kein Verein", sagt Jannes Tilicke. Er hofft auf so viele Unterstützer wie möglich.

Inzwischen stehen auch die Redner fest: Bürgermeister Michael Jäcke (SPD), Pfarrer Frieder Küppers (Mariengemeinde) sowie eine Schülern der Initiative "Fridays for Future". Die Klima-Aktivisten unterstützen die Mahnwache auch mit technischem Equipment.

Auch über die Mahnwache hinaus engagiert sich "Minden gegen Rechts" gegen Alltagsrassismus. Einen regelmäßigen Treffpunkt namens "Café der Kulturen" organisiert das Bündnis ebenfalls.

Bildunterschrift: Jannes Tilicke (Minden gegen Rechts) rechnet mit mindestens 300 Teilnehmern.

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Deister- und Weserzeitung, 19.02.2020:

Spur der rechten Terrorzelle führt auch nach Hameln

34-Jähriger Unterstützer der Gruppe war in lokaler Neonazi-Szene aktiv

Von Philipp Killmann

Einer der mutmaßlichen Rechtsextremisten, die in Verdacht stehen, eine Terrorzelle gegründet zu haben, hat offenbar auch einen Bezug zu Hameln. Demnach soll der heute 34-Jährige schon 2008 in Hameln als "junger Nationaldemokrat" aufgefallen sein.

Hameln / MINDEN. Am Freitag hatte der Generalbundesanwalt, wie berichtet, von der Polizei vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer der Terrorzelle festnehmen lassen. Ihnen wird zur Last gelegt, eine Terrorzelle gegründet und Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst zu haben. Auch in Minden und Kleinenbremen bei Bückeburg war es in diesem Zusammenhang zu Razzien und Festnahmen gekommen. Wie das Mindener Tageblatt (MT) berichtete, hat einer der in Minden Festgenommenen einen Bezug zu Hameln und Rinteln sowie "eine polizeibekannte Vorgeschichte".

Demnach soll der heute 34-Jährige schon im Jahr 2008 "als junger Nationaldemokrat in Hameln" in Erscheinung getreten sein. Nach Dewezet-Informationen wohnte der Mann damals in Hameln und nahm an einer Kundgebung der NPD teil, die vor dem ehemaligen Kino an der Deisterstraße stattfand. Das Hamelner Kino gehörte seinerzeit dem damaligen NPD-Landesvorsitzenden und inzwischen verstorbenen Jürgen Rieger.

"Der Rechtsradikale galt in der Szene des Landkreises Hameln-Pyrmont viele Jahre als gut vernetzt", schreibt das Mindener Tageblatt über den nun festgenommenen heutigen Mindener. Aber auch über die Kreisgrenzen hinaus war der 34-Jährige in der rechten Szene offenbar aktiv. So hat er dem MT zufolge dem rechtsextremen Organisationsteam angehört, das von 2006 bis 2015 jährlich einen Trauermarsch zum Wincklerbad in Bad Nenndorf veranstaltete. Dort befand sich nach dem Krieg ein britisches Internierungslager, in dem Nazis verhört wurden.

Vor neun Jahren soll er dann von seinem damaligen Wohnort Rinteln nach Minden gezogen sein. Nach MT-Informationen war der Rechtsextremist am 1. Mai 2009 gemeinsam "mit einem weiteren bekannten Mindener Alt-Neonazi" an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund beteiligt.

Der 34-Jährige soll in den Jahren 2013 und 2014 besonders aktiv gewesen sein. In dieser Zeit soll er Ordnerfunktionen bei Neonazi-Aufmärschen übernommen haben. In dem ehemaligen Netzwerk "Westfalen Nord", das sich dem Mindener Tageblatt zufolge "um einen stadtbekannten Mindener Neonazi gebildet hatte", soll er außerdem aktiv gewesen sein. Inzwischen soll er zudem der Reichsbürger-Szene nahegestanden haben.

Die mutmaßlich terroristische "Gruppe S.", die nun im Zentrum der Ermittlungen steht, soll der Deutschen Presseagentur zufolge im September 2019 gegründet worden sein. Einer der Beschuldigten, Anführer Werner S. - daher die Bezeichnung "Gruppe S." -, soll mehrere Treffen der Gruppe anberaumt und koordiniert haben.

Die acht mutmaßlichen Unterstützer, darunter der 34-jährige Ex-Hamelner, sollen zugesagt haben, die Gruppe finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Männer mit ihren Anschlägen bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen wollten - mit dem Ziel, "die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden".

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Mindener Tageblatt, 19.02.2020:

Bündnis plant Mahnwache

Minden (mt/mre). Eine Mahnwache unter dem Motto "Minden setzt ein Zeichen gegen den Rechtsruck" veranstaltet das Bündnis "Minden gegen Rechts" am Samstag, 22. Februar, um 12 Uhr auf dem Kleinen Domhof. Die Festnahme dreier mutmaßlicher Mitglieder einer rechten Terrorgruppe in Minden und Porta Westfalica sowie die Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen seien Anlässe für die Mahnwache, heißt es in einer Mitteilung der Veranstalter. Das Bündnis "Minden gegen Rechts" könne noch keine genauen Angaben über die Rednerinnen und Redner machen. Es sollen wenige Personen sprechen, die aber eine breite Gruppen der Stadt repräsentieren, heißt es. Bürgermeister Michael Jäcke (SPD) habe einen Redebeitrag fest zugesagt.

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Westfalen-Blatt, 19.02.2020:

Mahnwache nach Terror-Razzia

Minden (WB). Vor dem Hintergrund der Festnahme dreier mutmaßlicher Rechtsterroristen im Kreis Minden-Lübbecke veranstaltet das Bündnis "Minden gegen Rechts" eine Mahnwache. Sie findet am Samstag, 22. Februar, ab 12 Uhr auf dem Kleinen Domhof statt. Nach Angaben der Veranstalter hat Bürgermeister Michael Jäcke (SPD) bereits eine Rede zugesagt. Weitere Redebeiträge, die breite Gruppen der Stadt repräsentieren sollten, würden erwartet.

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Westfalen-Blatt, 19.02.2020:

Einsatzpläne an Terrorzelle verraten?

Nach Razzien: SPD alarmiert über Verdacht gegen Polizeimitarbeiter

Von Hilmar Riemenschneider

Düsseldorf (WB). Die bundesweiten Razzien in der vergangenen Woche gegen eine mutmaßlich rechtsextremistische Terrorzelle haben bei der SPD-Fraktion im Landtag starke Beunruhigung ausgelöst. "Meine Befürchtung ist, dass dieses Netzwerk nur an der Oberfläche enttarnt worden ist", sagte Fraktionsvize Sven Wolf am Dienstag in Düsseldorf. Die Gruppe der 13 Tatverdächtigen sei eher durch einen Zufall aufgeflogen.

Das zeige sich vor allem an der Tatsache, dass die Ermittler von einem entdeckten Waffenlager mit Handgranaten und selbst gebauten Schusswaffen überrascht gewesen seien. "Unsere Demokratie ist aktuell in einer besonders verletzlichen Phase", mahnte Wolf. Das könnten rechtsextreme Gruppierungen nutzen.

Vier der am vergangenen Freitag in sechs Bundesländern durchsuchten Objekte lagen in NRW - in Hamm, Minden und Porta Westfalica. Der Generalbundesanwalt wirft bislang 13 Tatverdächtigen vor, dass sie aus ihrer rechtsextremistischen Gesinnung heraus Terroranschläge gegen Politiker, Muslime und Asylbewerber geplant hätten, um so die öffentliche Ordnung zu destabilisieren. Gegen zwölf Männer hat der Bundesgerichtshof Haftbefehl erlassen. Ihnen wird Gründung einer terroristischen Vereinigung oder deren Unterstützung vorgeworfen.

Als alarmierend bewertete Wolf die Tatsache, dass ein in Hamm festgenommener Beschuldigter als Verwaltungsbeamter bei der Polizei beschäftigt war. Innenminister Herbert Reul (CDU) müsse nun aufklären, ob dieser Beamte sensible Informationen weitergegeben hat. "Man stelle sich nur vor, die Einsatzpläne unserer Polizei wären schon im Darknet", sagte Wolf. Deshalb müsse der Minister zügig aufklären, worauf der Verdächtige zugreifen konnte. "Er hatte ziemlich sicher Zugriff auf Einsatzpläne und Führungsbesprechungen", mutmaßte der SPD-Politiker. Für die NRW-Polizei bedeute dies, dass sie ihre Einsatzpläne neu aufstellen müsse. Der norwegische Attentäter Anders Breivik, der 2011 insgesamt 77 Menschen getötet hatte, habe beispielsweise die Einsatztaktik der Polizei in seine Pläne einkalkuliert. Wolf forderte von Reul Aufklärung darüber, ob der Beamte Daten möglicher Opfer ausspioniert habe. Für den SPD-Politiker geht es zudem um die Frage, ob der Verdächtige gezielt angeworben worden sei. Die Antworten müsse der Minister "unverzüglich" vorlegen und nicht erst in vier Wochen zur nächsten Innenausschusssitzung.

Die Razzia offenbart aus Sicht des SPD-Politikers, dass Handlungsempfehlungen des Untersuchungsausschusses zu den Taten der rechtsextremen Terrorgruppe NSU nicht umgesetzt seien. So müssten die Kriminalbeamten stärker dafür sensibilisiert werden, auch mögliche rechtsextremistische Motive einzubeziehen. Zudem sollten Altfälle auf diese Zusammenhänge hin untersucht werden. "Mir sind zumindest keine Ergebnisse bekannt", sagte Wolf.

Innenminister Reul hatte erst vor zwei Wochen in dieser Zeitung angekündigt, dass sich künftig eine neue Einheit von Verfassungsschutz und Landeskriminalamt gezielt um rechtsextremistische Gefährder kümmern werde. Nach den Razzien zählen jetzt 17 Personen in diese Kategorie, darunter auch Werner S., der als mutmaßlicher Kopf der jetzt aufgedeckten Terrorzelle gilt.

Bildunterschrift: Nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle sind Festgenommene in Karlsruhe zu Haftrichtern des Bundesgerichtshofs (BGH) gebracht worden.

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Neue Westfälische, 19.02.2020:

Mindener in Neonazi-Szene aktiv

Rechter Terror: Die Beschuldigten aus der Region befinden sich in Untersuchungshaft / Sie waren politisch aktiv, polizeibekannt und hatten eine längere Vorgeschichte

Stefan Koch

Minden. Unauffällig und politisch aktiv: So lassen sich die drei Beschuldigten aus der Mindener Region charakterisieren, denen die Bundesanwaltschaft die Beteiligung an einem rechtsextremen Terror-Netzwerk zur Last legt. Zur Zeit sitzen sie mit neun weiteren Männern in Untersuchungshaft. Ermittler legen ihnen die Planung von Anschlägen auf Moscheen, Flüchtlingsunterkünften und Politiker zur Last.

Ein 34-Jähriger, der bislang mit seiner Familie in Minden wohnte, hat eine polizeibekannte Vorgeschichte. Im Jahr 2008 soll er bereits als junger Nationaldemokrat in Hameln aufgefallen sein und dem Organisationsteam Bad Nenndorf angehört haben - jener Gruppierung, die jährlich am 6. August einen Trauermarsch für angebliche Opfer der britischen Besatzung inszenierte, was mittlerweile auf Grund von Bürger-Protesten gescheitert ist. Der Rechtsradikale galt in der Szene des Landkreises Hameln-Pyrmont viele Jahre als gut vernetzt. Am 1. Mai 2009 war er an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund zusammen mit einem weiteren bekannten Mindener Neonazi beteiligt. 17 Personen allein aus Ostwestfalen-Lippe hatte die Polizei damals erfasst.

Vor allem in den Jahren 2013 und 2014 soll der 34-Jährige sehr aktiv gewesen sein. Beobachter der Szene registrierten ihn bei Kameradschaften. Er übernahm Ordner-Funktionen bei Neonazi-Aufmärschen in mehreren deutschen Städten. Und er war in dem ehemaligen Netzwerk "Westfalen Nord", das sich um einen stadtbekannten Mindener Neonazi gebildet hatte, aktiv. Das Klingelschild seines Hauses weist den Beschuldigten auf Grund entsprechender Formulierungen als der Reichsbürger-Szene Nahestehenden aus.

Der 35-Jährige aus dem Mindener Norden, der zum harten Kern des Terror-Netzwerkes gehören soll, hat dagegen eine kürzere Vorgeschichte und trat erst vor drei Jahren als Reichsbürger in Erscheinung. Bislang ließen sich bei dem Handwerker, der mit entsprechenden Aufklebern an seinem Firmenfahrzeug aus seiner Einstellung keinen Hehl machte, keine klassischen Verbindungen zu einschlägig agierenden Neonazis nachweisen. Auf seiner mehr als 4.600 Freunde zählenden Facebook-Seite ist auch der verhaftete 47-Jährige aus Porta zu finden. Ihn nahm die Polizei an seiner Arbeitsstelle fest.

Die Internetpräsenz des 35-jährigen Terror-Drahtziehers strotzt vor kruden Darstellungen und endet mit dem Bekenntnis zur altgermanischen Mythologie. Etliche Fans des 35-Jährigen äußern sich in ähnlicher Weise - einige stammen aus der Mitte der Mindener Gesellschaft.

Bildunterschrift: Seit dem Wochenende sitzen zwölf Männer in Untersuchungshaft. Drei davon sind aus dem Raum Minden.

Bildunterschrift: Der Mindener machte keinen Hehl aus seiner Einstellung und plakatierte sein Fahrzeug entsprechend.

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Neue Westfälische, 19.02.2020:

So vernetzt sich die rechte Szene in OWL

Das entdeckte Terror-Netzwerk zeigt, wie gewaltbereite Neonazis zueinander finden

Jan-Henrik Gerdener

Minden. Ironischerweise ist die vermeintliche rechte Terrorgruppe, die von Polizei und Bundeslandschaft ausgehoben wurde, ein sehr bunter Haufen. Gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Terrorzelle und acht Unterstützer wird ermittelt. Sie kommen aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt - vor allem aber auch aus dem Altkreis Minden. Einige von ihnen sind waschechte Neonazis, einige sind Reichsbürger. Manche sind Beobachtern der Szene seit Jahren bekannt, manche vorher nicht politisch aktiv geworden. Was verbindet also diese zwölf Männer?

Am wahrscheinlichsten ist, dass sich die Verdächtigen über das Internet kennengelernt haben. "Das ist der Ort, wo mittlerweile ein Großteil der Kommunikation von Rechtsextremen abläuft. Wenn jemand schon eine politische Veranlagung in diese Richtung hat, kann er sich dort mit Gleichdenkenden vernetzen und austauschen", sagt Leroy Böthel von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Dort ist er zuständig für den Regierungsbezirk Arnsberg.

Tatsächlich sind viele der Verdächtigen im Internet sehr aktiv, sind auf Facebook mit ihren Klarnamen unterwegs und stehen über die Plattform auch miteinander in Kontakt. Miro Dittrich von der Amadeu Antonio Stiftung hat begonnen, die öffentlich zugänglichen Profile der Mitglieder auszuwerten. Die Stiftung engagiert sich mit diversen Projekten gegen Rechtsextremismus. "Das verbindende Element bei den Verdächtigen ist das Engagement in Bürgerwehren", sagt er. Deswegen hält er es auch für möglich, dass der Kontakt zwischen den Mitgliedern auch offline bei Bürgerwehr-Treffen zustande gekommen sein kann. "Das Engagement in einer Bürgerwehr stellt auch einen nächsten Schritt in der rechten Radikalisierung dar. Man bereitet sich auf einen kommenden Krieg vor. Die Mitglieder der Gruppe gehen dann noch weiter und wollen diesen Krieg auch auslösen." Deswegen warnt Dittrich ausdrücklich vor Bürgerwehren. Diese seien "ein Pool radikaler Menschen für potenzielle rechte Terrorgruppen".

Zudem kommen die NRW-Verdächtigen auch alle aus Städten mit gefestigten rechten Szenen. Hamm, die Stadt aus der der verdächtige Polizei-Verwaltungsmitarbeiter Thorsten W. stammt, habe eine Neonazi-Subkultur, so Böthel. Bekannt seien hier der Treffpunkt "Nationales Zentrum" und einige Kneipen. Böthel schätzt diese Gruppe auf 20 bis 30 Personen. "Auch Porta Westfalica und Minden sind als Orte bekannt, in denen es immer wieder Probleme mit Neonazis gibt. Die geschichtsrevisionistischen Bad Nenndorfer Trauermärsche wurden zum Beispiel von Minden aus organisiert. In Porta gab es in den letzten zwei Jahren zudem zwei Rechtsrock-Konzerte", sagt Janine Tappe. Sie ist bei der Mobilen Beratung gegen Rechts für den Regierungsbezirk Detmold zuständig. "In Porta Westfalica sind aktuell auch 20 Reichsbürger polizeibekannt."

"Fast alle Mitglieder hatten mehrere AfD-Seiten geliked"

Die Zusammenarbeit von Nazis und Reichsbürgern überrascht Tappe nicht. "Da gibt es inhaltliche Überschneidungen, wie ein Glaube an Verschwörungstheorien, ein überwinden wollen des derzeitigen politischen Systems sowie Antisemitismus und Rassismus." Ideologische Anknüpfungspunkte gibt es auch beim Rechtspopulismus. "Fast alle Mitglieder hatten mehrere AfD-Persönlichkeiten und Seiten geliked", sagt Dittrich.

Der Experte warnt auch davor, in der Aushebung des vermeintlichen Terror-Netzwerks einen Sieg zu sehen. "Eine Gruppe, von der viele bei Facebook unter Klarnamen strafbares teilen und deren Verbindungen über Freundeslisten nachvollziehbar ist, sollte für unsere Sicherheitsbehörden eigentlich keine Herausforderung sein. Ich habe mehr Angst vor den Leuten, die nicht so leicht geschnappt werden können."

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Neue Westfälische, 19.02.2020:

Kritik nach Razzia gegen Rechte

NRW-SPD wirft Innenminister Reul vor, er habe mit den Zugriffen vorige Woche Glück gehabt / Der Kampf gegen Terror habe zu wenig System

Düsseldorf (lnw). Eine mutmaßliche rechte Terrorzelle ist in der vergangenen Woche aus Sicht der SPD in NRW eher durch Zufall als durch systematische Fahndung zerschlagen worden. Der Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Sven Wolf, warf NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) vor, zu wenige Konsequenzen aus der Mordserie der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gezogen zu haben. Vor allem müsse geklärt werden, welche Rolle ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei bei dem neuerlichen Fall gespielt habe, forderte Wolf am Dienstag.

Der Generalbundesanwalt war am vergangenen Freitag mit Razzien in sechs Bundesländern gegen die Gruppe vorgegangen.

Polizist soll Unterstützer sein

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen. Am Bundesgerichtshof waren Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen worden.

Reul hatte nach den Durchsuchungen bekanntgegeben, dass ein Mitarbeiter der Polizei suspendiert worden sei. Dieser soll einer der mutmaßlichen Unterstützer sein. Reul müsse darlegen, auf welche Informationen der Mitarbeiter Zugriff hatte und ob er etwa Einsatzpläne der Polizei weitergeleitet haben könnte, forderte Wolf. Es müsse geklärt werden, ob er auf Daten möglicher Opfer zugegriffen habe.

Die Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses der vergangenen Legislaturperiode seien nicht umgesetzt worden, so Wolf.

Zwischen Weser und Rhein

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Deister- und Weserzeitung Online, 18.02.2020:

Spur der rechten Terrorzelle führt auch nach Hameln

18.02.2020 - 20.30 Uhr

34-Jähriger soll in Hameln-Pyrmont gut vernetzt gewesen sein

Hameln / Minden. Einer der mutmaßlichen Rechtsextremisten, die in Verdacht stehen, eine Terrorzelle gegründet zu haben, hat nach Informationen des Mindener Tageblattes einen Bezug zu Hameln. Demnach soll der heute 34-Jährige schon 2008 in Hameln als "junger Nationaldemokrat" aufgefallen sein.

Philipp Killmann

Am Freitag hatte der Generalbundesanwalt, wie berichtet, von der Polizei vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer der Terrorzelle festnehmen lassen. Ihnen wird zur Last gelegt, eine Terrorzelle gegründet und Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst zu haben. Auch in Minden und Kleinenbremen bei Bückeburg war es in diesem Zusammenhang zu Razzien und Festnahmen gekommen. Wie das Mindener Tageblatt (MT) berichtete, hat einer der in Minden Festgenommenen einen Bezug zu Hameln und Rinteln sowie "eine polizeibekannte Vorgeschichte".

Demnach soll der heute 34-Jährige schon im Jahr 2008 "als junger Nationaldemokrat in Hameln" in Erscheinung getreten sein. Nach Dewezet-Informationen wohnte der Mann damals in Hameln und nahm an einer Kundgebung der NPD teil, die vor dem ehemaligen Kino an der Deisterstraße stattfand. Das Hamelner Kino gehörte seinerzeit dem damaligen NPD-Landesvorsitzenden und inzwischen verstorbenen Jürgen Rieger.

"Der Rechtsradikale galt in der Szene des Landkreises Hameln-Pyrmont viele Jahre als gut vernetzt", schreibt das Mindener Tageblatt über den nun festgenommenen heutigen Mindener. Aber auch über die Kreisgrenzen hinaus war der 34-Jährige in der rechten Szene offenbar aktiv. So hat er dem MT zufolge dem rechtsextremen Organisationsteam angehört, das von 2006 bis 2015 jährlich einen Trauermarsch zum Wincklerbad in Bad Nenndorf veranstaltete. Dort befand sich nach dem Krieg ein britisches Internierungslager, in dem Nazis verhört wurden.

Vor neun Jahren soll er dann von seinem damaligen Wohnort Rinteln nach Minden gezogen sein. Nach MT-Informationen war der Rechtsextremist am 1. Mai 2009 gemeinsam "mit einem weiteren bekannten Mindener Alt-Neonazi" an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund beteiligt.

Der 34-Jährige soll in den Jahren 2013 und 2014 besonders aktiv gewesen sein. In dieser Zeit soll er Ordnerfunktionen bei Neonazi-Aufmärschen übernommen haben. In dem ehemaligen Netzwerk "Westfalen Nord", das sich dem Mindener Tageblatt zufolge "um einen stadtbekannten Mindener Neonazi gebildet hatte", soll er außerdem aktiv gewesen sein. Inzwischen soll er zudem der Reichsbürger-Szene nahegestanden haben.

Die mutmaßlich terroristische "Gruppe S.", die nun im Zentrum der Ermittlungen steht, soll sich der Deutschen Presseagentur zufolge im September 2019 gegründet haben. Einer der Beschuldigten, Anführer Werner S. - daher die Bezeichnung "Gruppe S." -, soll mehrere Treffen der Gruppe anberaumt und koordiniert haben.

Die acht mutmaßlichen Unterstützer, darunter der 34-jährige Ex-Hamelner, sollen zugesagt haben, die Gruppe finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Männer mit ihren Anschlägen bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen wollten - mit dem Ziel, "die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden".

Bildunterschrift: Einen Tag nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle sind die ersten Festgenommenen in Karlsruhe zu Haftrichtern des Bundesgerichtshofs (BGH) gebracht worden.

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die tageszeitung Online, 18.02.2020:

Rechtsextreme Terrorzelle / Der Informant und die Germanen

Die Festnahme von zwölf Terrorverdächtigen verdanken die Behörden auch einem Spitzel. Seine Rolle in der Gruppe bleibt noch unklar.

Konrad Litschko

Berlin (taz). Das Treffen der Rechtsextremen lag erst wenige Tage zurück, da saß Bernd M. (Name geändert) bei der Polizei. Und er erzählte: Mit welch illustrer Runde er sich da zuletzt auf einem Grillplatz im schwäbischen Alfdorf getroffen hatte, Angereiste aus mehreren Bundesländern.

Der Termin von Bernd M. bei der Polizei, der nach taz-Informationen am 1. Oktober 2019 stattfand, ist brisant. Denn damals erfuhr die Polizei aus erster Hand, wie die Gruppe Rechtsextremer eingestellt war, die sie nun vor wenigen Tagen als Terrorverdächtige verhaftete: die "Gruppe S." um den Bayer Werner S. Anschläge auf Politikerinnen, Politiker, Geflüchtete und Muslime sollen die Rechtsextremen geplant haben, einige Waffen hatten sie schon in Besitz.

Die Frage ist nun: Wie real waren die Terrorpläne, wie weit gediehen?

Es ist eine Frage, für deren Beantwortung Bernd M. eine wichtige Rolle spielt. Denn nach taz-Informationen hatte dieser die Polizei schon sehr früh über die "Gruppe S." informiert, die in einem Chat als "Der harte Kern" firmierte. Tatsächlich konnte die Polizei bereits die erste Gruppenzusammenkunft überwachen, die ihnen als Gründungstreff gilt: der Termin Ende September 2019 auf dem abgelegenen Grillplatz "Hummelgautsche" bei Alfdorf nahe Schwäbisch-Gmünd.

Aussagen über das "Personenpotential"

Bei der Polizei soll Bernd M. nach taz-Informationen kurz darauf über das "Personenpotential" des Treffens ausgesagt haben. Kurze Zeit später wurde M. unabhängig davon von der Bundespolizei auf dem Heidelberger Hauptbahnhof kontrolliert, laut ARD fanden die Beamten bei dem zufälligen Zusammentreffen eine illegale Gasdruckwaffe bei ihm.

In der Gruppe aber verhielt sich Bernd M. offenbar weiter angepasst. Und die Behörden, nun verstärkt vom Verfassungsschutz, setzten ihre Überwachung fort, hörten Telefone ab, lasen Nachrichten mit. Auch stufte die Polizei Anführer Werner S. laut Spiegel als Gefährder ein.

Am vorvergangenen Wochenende dann erfolgte das letzte Treffen der Gruppe - in Minden, wo einer der Hauptbeschuldigten lebt. Dort wurden nochmals Anschlagspläne und die Beschaffung weiterer Waffen diskutiert. Ein Plan laut Spiegel: der parallele Angriff auf Moscheen in zehn Bundesländern.

Eilig vorgezogene Durchsuchungen

Nach dem Treffen aber soll Bernd M. abgetaucht sein. Und in der Gruppe soll es nun misstrauische Töne gegeben haben. Die Bundesanwaltschaft zog ihre Durchsuchungen darauf vor - auf den vergangenen Freitag. Auffällig schon da: Durchsucht wurde bei 13 Personen, fünf Hauptverdächtige und acht Unterstützer. Festgenommen wurden indes nur zwölf Männer. Einer der fünf Hauptverdächtigen blieb auf freiem Fuß. Nach taz-Informationen ist dies: Bernd M.

Die Bundesanwaltschaft äußert sich zu der Personalie bisher nicht. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bekundete aber, man habe die Gruppe "schon länger im Blick" gehabt. In den Sicherheitsbehörden wird das gute Zusammenspiel aller Beteiligten gelobt. Die "Gruppe S." sei eine "sehr ernst zu nehmende Gefahr" gewesen. Und Bernd M. könnte nun derjenige sein, der schwerste Straftaten verhinderte.

Dennoch bleiben Fragen über seine Rolle. Wie positionierte er sich in der Gruppe zu den Anschlagsplänen? Befeuerte er diese? Die Linken-Innenexpertin Martina Renner sieht noch Klärungsbedarf: "Wie immer stellt sich auch in diesem Fall einer V-Person die Frage, welchen Anteil sie - und damit die führende Behörde - an der kriminellen Dynamik der Gruppe hatte."

Für Daniel Sprafke, Verteidiger eines Festgenommenen, ist wiederum auf Grund der Überwachung die ganze "vom Generalbundesanwalt suggerierte Gefährlichkeit zweifelhaft".

Bildunterschrift: Gründungsort der rechtsterroristischen Gruppe: der Grillplatz bei Alfberg.

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Mindener Tageblatt Online, 18.02.2020:

Minden will am Samstag Zeichen gegen Rechts setzen

20.02.2020 - 17.15 Uhr

Minden (mt/mre). Zu einer Mahnwache unter dem Motto "Minden setzt ein Zeichen gegen den Rechtsruck" lädt das Bündnis "Minden gegen Rechts" am Samstag um 12 Uhr auf den Kleinen Domhof ein.

Die Festnahme zwei mutmaßlicher Mitglieder einer rechten Terrorgruppe in Minden und Porta Westfalica sowie die Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen seine Anlässe für die Mahnwache, heißt es in einer Mitteilung der Veranstalter. Die zunehmende Gewaltbereitschaft der extremen Rechten sei auch ein Resultat daraus, dass menschliche Einstellungen auf immer mehr Akzeptanz in der Mitte der Gesellschaft stoßen.

"In Minden wollen wir dagegen ein Zeichen setzen. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es jeden Tag Meldungen von rechter Gewalt gibt", heißt es in der Mitteilung.

Das Bündnis "Minden gegen Rechts" könne noch keine genauen Angaben über die Rednerinnen und Redner machen. Es sollen wenige Personen sprechen, die aber eine breite Gruppen der Stadt repräsentieren. Bürgermeister Michael Jäcke (SPD) hat einen Redebeitrag fest zugesagt.

Vereine, Gewerkschaften, Gemeinden, Parteien, Unternehmen und sonstige Organisationen in Minden können sich an der Veranstaltung beteiligen. Um eine Mail an presse.mindengegenrechts@gmail.com wird gebeten. Bislang haben sich folgende Gruppe angekündigt: Am Beat e.V., Jusos Minden-Lübbecke, SPD Minden-Lübbecke, Freizeit Mitarbeiter Club, Fridays for Future Minden, Grüne Jugend Minden-Lübbecke, Bündnis 90 / Grünen Minden-Lübbecke, Linksjugend solid Minden-Lübbecke, Linke Minden-Lübbecke und die türkisch-islamische Gemeinde Minden.

Bildunterschrift: Das Bündnis "Minden gegen Rechts" organisiert die Veranstaltung.

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Radio Westfalica, 18.02.2020:

Mutmaßliche Rechtsterroristen in der Reichsbürger- und Neonazi-Szene aktiv

Die Festnahme von zwölf mutmaßlichen Rechtsterroristen schlägt weiter hohe Wellen. Bundesinnenminister Seehofer will Mitarbeiter bei der Polizei und im öffentlichen Dienst schärfer überprüfen, weil der Verdächtige aus Hamm in der Polizeiverwaltung gearbeitet hat. Die Linken im Bundestag wollen wissen, ob ein V-Mann des Verfassungsschutzes in der Gruppe aktiv war. Was die Verdächtigen aus Minden und Porta angeht, führen die Spuren in die Reichsbürger-Szene und ins Neonazi-Milieu.

Thomas N. aus Minden war als bekennender Reichsbürger bekannt. Bei ihm hingen Reichsfahnen im Fenster. Auch sein Handwerker-Bulli fiel in Minden immer wieder auf, weil er auf die Kennzeichen das Europa-Wappen mit der Reichsflagge überklebt hatte. Ihn zählt die Bundesanwaltschaft zum harten Kern der mutmaßlichen Terrorzelle, die konkret Anschläge auf Moscheen geplant haben soll. Markus K., ebenfalls aus Minden, machte nach unseren Recherchen auch keinen Hehl aus seiner rechten Gesinnung. Auf Fotos im Internet ist er unter anderem bei Neonazi-Aufmärschen zu sehen. Einzig Ulf R. aus Porta-Kleinenbremen ist bisher anscheinend nicht offen als Rechtsextremer in Erscheinung getreten. Bei ihm sollen am Freitag aber die selbstgebauten Granaten gefunden worden sein.

Neben den drei Männern aus Minden und Porta Westfalica sitzen neun weitere Tatverdächtige in Karlsruhe in Untersuchungshaft. Dem mutmaßlichen Kopf der Bande, Werner S. aus Augsburg werden in Zeitungsberichten Kontakte zur AfD nachgesagt.

Bildunterschrift: In diesem Haus in der Mindener Nordstadt wohnte Thomas N., einer der Köpfe des "harten Kerns", wie sich die mutmaßliche Terrorgruppe selbst nennt. Nachbarn berichten von Reichsflaggen, die ab und zu in Fenstern zu sehen waren. Auch auf den Handwerker-Bullis von Thomas N. waren entsprechende Symbole zu sehen, die die rechte Szene benutzt.

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RedaktionsNetzwerk Deutschland, 18.02.2020:

Mutmaßliche rechte Terrorzelle: Linke fordert Bericht über Verhaftete

18.02.2020 - 07.38 Uhr

Die Mitglieder der mutmaßlichen rechten Terrorzelle um Werner S. sollen Angriffe auf sechs Moscheen geplant haben.

Gegen zwölf Männer war Haftbefehl erlassen worden.

Nun fordert die Linke zur nächsten Sitzung des Innenausschusses einen Bericht über die Verdächtigen.

Berlin / Düsseldorf. Nach der Verhaftung mehrerer mutmaßlicher Mitglieder einer rechten Terrorzelle haben die Linken im Bundestag zur nächsten Sitzung des Innenausschusses einen Bericht über die Verdächtigen verlangt.

"Insbesondere frage ich mich, ob V-Leute des Verfassungsschutzes darin involviert waren", sagte die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Oft genug hätten "die Geheimdienste selbst zum Aufbau rechter Strukturen beigetragen oder ihre schützende Hand über diese gehalten, um ihre Quellen nicht zu gefährden, wie im Fall des NSU", sagte Jelpke der Zeitung.

Die Bundestagsabgeordnete verwies darauf, dass auch ein Polizeiangehöriger zu den gefassten mutmaßlichen Extremisten gehörte. Am Freitag wurde bekannt, dass ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei suspendiert worden war. Der Mann ist dem Vernehmen nach einer der Verhafteten.

Festnahmen nach Razzien in mehreren Bundesländern

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte die Notwendigkeit eines härteren Vorgehens gegen Hass im Netz. "Der Fall zeigt erneut, wie Extremisten sich zusammenschließen, um Menschen in unserem Land und unsere Demokratie zu attackieren", sagte Lambrecht ebenfalls der "Rheinischen Post".

Die Mitglieder der mutmaßlichen rechten Terrorzelle um Werner S. sollen Angriffe auf sechs Moscheen in kleineren Städten geplant haben. In Sicherheitskreisen gelten ihre Planungen als "besonders ernstzunehmender Fall".

Nach den Razzien in sechs Bundesländern am Freitag hatte der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen.

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Mindener Tageblatt, 18.02.2020:

Gefahr gleich nebenan

Der Coup der Bundesanwaltschaft gegen drei mutmaßliche Rechtsterroristen aus der Mindener Region wirkt überraschend / Doch es gibt bei einem Beschuldigten eine lange Vorgeschichte

Stefan Koch

Minden. Unauffällig und politisch aktiv: So lassen sich die Beschuldigten aus der Mindener Region charakterisieren, denen die Bundesanwaltschaft die Beteiligung an einem rechtsextremen Terrornetzwerk zur Last legt. Zur Zeit befinden sich die drei unter den insgesamt zwölf in Untersuchungshaft Einsitzenden, denen Ermittler die Planung von Anschlägen auf Moscheen, Flüchtlingsunterkünfte und Politiker zur Last legen.

So hat ein 34-Jähriger, der bislang mit seiner Familie in der Innenstadt wohnte, eine polizeibekannte Vorgeschichte. Nach MT-Informationen zog der Rechtsradikale vor neun Jahren von Rinteln nach Minden. Im Jahr 2008 soll er bereits als junger Nationaldemokrat in Hameln aufgefallen sein und dem Organisationsteam Bad Nenndorf angehört haben - jener Gruppierung, die jährlich am 6. August einen Trauermarsch für angebliche Opfer der britischen Besatzung inszenierte, was mittlerweile auf Grund von Bürger-Protesten gescheitert ist. Der Rechtsradikale galt in der Szene des Landkreises Hameln-Pyrmont viele Jahre als gut vernetzt. Am 1. Mai 2009 war er an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund zusammen mit einem weiteren bekannten Mindener Altneonazi beteiligt. 17 Personen allein aus Ostwestfalen-Lippe hatte die Polizei damals erfasst. Insgesamt 400 Rechtsradikale wurden aktenkundig.

Vor allem in den Jahren 2013 und 2014 soll der 34-Jährige sehr aktiv gewesen sein. Beobachter der Szene registrierten ihn bei Kameradschaften. Er übernahm Ordner-Funktionen bei Neonazi-Aufmärschen in mehreren deutschen Städten. Und er war in dem ehemaligen Netzwerk "Westfalen Nord", das sich um einen stadtbekannten Mindener Neonazi gebildet hatte, aktiv. Das Klingelschild des schmucklosen Hauses an einer stark befahrenen Mindener Straße weist den Beschuldigten auf Grund entsprechender Formulierungen als der Reichsbürger-Szene Nahestehenden aus.

Der 35-Jährige aus dem Mindener Norden, der zum harten Kern des Terror-Netzwerkes gehören soll, hat dagegen eine kürzere Vorgeschichte und trat erst vor drei Jahren als Reichsbürger in Erscheinung. Bislang ließen sich bei dem Handwerker, der mit entsprechenden Aufklebern an seinem Firmenfahrzeug aus seiner Einstellung keinen Hehl machte, keine klassischen Verbindungen zu einschlägig agierenden Neonazis nachweisen. Auf seiner mehr als 4.600 Freunde zählenden Facebook-Seite ist auch der verhaftete 47-Jährige aus Porta zu finden, ein bislang unbeschriebenes Blatt. Ihn nahm die Polizei an seiner Arbeitsstelle fest.

Die Internetpräsenz des 35-jährigen Terrordrahtziehers strotzt vor kruden Darstellungen und endet mit dem Bekenntnis zur altgermanischen Mythologie. Etliche Fans des 35-Jährigen äußern sich in ähnlicher Weise - einige stammen aus der Mitte der Mindener Gesellschaft.

Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882165 und Stefan.Koch@MT.de.

Mehr Gefährder

Im Zusammenhang mit den Festnahmen von rechtsextremistischen Terrorverdächtigen ist jetzt bekannt geworden, dass die Zahl der rechtsextremistischen Gefährder erneut angestiegen ist: Der Verfassungsschutz zählt jetzt bundesweit 53 Personen, die zu rechtsextremistischen Anschlägen bereit sind. 2016 waren dies noch 22, im vergangenen Jahr 33 Personen. Die Zahl der Gefährder in NRW ist von 14 auf 17 heraufgesetzt worden.

Insgesamt werden der rechtsextremistischen Szene bundesweit 24.100 Personen zugerechnet, 12.700 sollen davon gewaltbereit sein.

Am Freitag waren nach Razzien in sechs Bundesländern zwölf Terrorverdächtige festgenommen worden, darunter vier aus NRW. Von diesen vier stammen drei aus dem Kreis Minden-Lübbecke, darunter mit dem 35-Jährigen einer der Gründer der Terrorzelle. Der vierte NRW-Verdächtige ist sogar ein Polizei-Mitarbeiter aus Hamm. Die SPD-Opposition im Landtag hat inzwischen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) aufgefordert, seine Strategie im Umgang mit dem Rechtsterrorismus darzulegen. (los)

Bildunterschrift: Auch in Porta Westfalica war die Polizei im Einsatz, um die Wohnung eines Beschuldigten auf Waffen und Sprengstoff zu untersuchen.

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Mindener Tageblatt, 18.02.2020:

Minden / Der zweite Mann hat eine Vorgeschichte

Der zweite in Minden inhaftierte Rechtsterrorist hat eine lange Vorgeschichte. So soll er schon in Hameln als Nationaldemokrat aufgefallen sein und war an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung beteiligt.

Seite 5

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Westfalen-Blatt, 18.02.2020:

Polizei kennt Verdächtige als Reichsbürger und Neonazi

Mutmaßliche Terrorgruppe soll Moscheen im Blick gehabt haben

Von Christian Althoff

Minden (WB). Die mutmaßliche Rechtsterroristen ahnten nicht, dass sie seit langem observiert wurden. Stunden, bevor Spezialkräfte am frühen Freitagmorgen in das Haus von Thomas N. (55) in Minden eindrangen und ihn festnahmen, teilte er um 22.37 Uhr auf seiner Facebook-Seite noch einen letzten Post: "Widerstand ist der einzige Weg! Wir bleiben unbeugsam!"

Thomas N. wird vom Generalbundesanwalt zu einer fünfköpfigen Gruppe gezählt, die Anschläge auf Politiker, Flüchtlinge und Muslime geplant haben soll. Unter anderem sollen sechs Moscheen in kleineren Städten mögliche Ziele gewesen sein. Acht Unterstützer soll die Gruppe gehabt haben, darunter den Bauhandwerker Markus K. (35) aus Minden und den Lageristen Ulf R. (46) aus Porta Westfalica. Damit ist der Kreis Minden-Lübbecke geographischer Brennpunkt dieses mutmaßlichen Terror-Netzwerkes.

Insgesamt sitzen seit Samstag bundesweit zwölf Verdächtige in Untersuchungshaft.

Der Kern der Gruppe soll sich in Internet-Chats radikalisiert und sich im September zum ersten Mal persönlich in der Nähe von Stuttgart getroffen haben. Da sollen die Sicherheitsbehörden aber bereits Bescheid gewusst haben, weil einer der Männer als Informant für den Verfassungsschutz gearbeitet haben soll. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es am Montag nicht.

Thomas N. aus Minden soll eigenen Facebook-Angaben zufolge aus Güterglück in Sachsen-Anhalt stammen. Der selbständige Fliesenleger ist den Sicherheitsbehörden seit längerem bekannt. Er gilt als Reichsbürger - als jemand, der die Bundesrepublik für illegal hält. "Alle Wahlen in der BRD sind ungültig!", veröffentlichte er kürzlich auf Facebook. Er teilte Post, in denen von der "Vernichtung der weißen Rasse" durch Juden die Rede ist, und in denen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als "verbrecherische Kreatur" bezeichnet wird. Auf seinem Firmenwagen steht: "Ich bin Bürger des Deutschen Reiches und nicht Mitarbeiter der Firma BRD." Nachbarn erzählen, es habe schon früher Polizeieinsätze an seinem Haus gegeben.

Bei der Razzia am Freitag, an der auch Beamte des Bielefelder Staatsschutzes beteiligt waren, sollen im Haus von Thomas N. in Minden-Kutenhausen unter anderem ein Schwert und Schusswaffen gefunden worden sein, deren Funktionsfähigkeit aber noch überprüft werden sollte.

Der Beschuldigte Markus K. aus Minden nahm an Neonazi-Demonstrationen teil

Was aus der Mindener Wohnung des mutmaßlichen Unterstützers Markus K. mitgenommen wurde, wurde bislang nicht öffentlich bekannt. Auch K. steht seit langem in den Akten des Bielefelder Staatsschutzes. Der Mindener tauchte unter anderem wiederholt als Ordner bei Neonazi-Demos in Magdeburg auf, wo Rechtsextremisten regelmäßig im Januar an die Bombardierung der Stadt durch Alliierte erinnern. Und er soll an Neonazi-Aufmärschen in Hamm teilgenommen haben, die von Sascha Krolzig ("Die Rechte") organisiert wurden.

Den angeblich brisantesten Fund machten Kriminalbeamte in Porta Westfalica, nicht weit vom verfallenen Bergwerk Kleinenbremen entfernt. Hier soll der Lagerist Ulf R., verheiratet und zweifacher Vater, selbstgebaute Granaten gehortet haben - angeblich im Haus seiner Eltern, wo er mit seiner Familie im Dachgeschoss wohnte. Am Freitagnachmittag führte er Polizisten dann zu einem Wald in Sichtweite seines Hauses. Ob dort etwas gefunden wurde - dazu wollte ein Sprecher der Generalbundesanwaltschaft am Montag nichts sagen. Die Polizei ahnte offenbar, was sie in Porta Westfalica erwartete, denn sie hatte am Freitag ein Entschärfungskommando zur Razzia mitgebracht.

Bildunterschrift: Ein Polizist hat das Auto von Thomas N. in Minden durchsucht und ein Messer sichergestellt.

Bildunterschrift: Ein Bombenentschärfer der Bundespolizei mit seinem Werkstattwagen vor dem Haus von Ulf R. in Porta Westfalica.

Bildunterschrift: Ulf R. hat zum Identitätsschutz ein weißes Handtuch über dem Kopf, als Kriminalbeamte ihn in ihren Wagen setzen.

Bildunterschrift: Kriminalbeamte verlassen am Freitagmittag vorübergehend das Haus von Thomas N., der als einer der Hauptbeschuldigten gilt.

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Westfalen-Blatt, 18.02.2020:

Informant in Terrorzelle?

Karlsruhe / Minden (dpa). Laut Medienberichten hatten die Behörden einen Informanten innerhalb der mutmaßlichen rechtsextremen Terrorzelle. Er habe bereits Anfang Oktober umfangreiche Angaben ge­genüber der Polizei gemacht, berichteten SWR und ARD-Hauptstadtstudio am Montag. Der Mann war am Freitag als einziger der Verdächtigen nicht festgenommen worden. Dem Bericht zufolge soll der Kontakt zur Polizei in der vergangenen Woche abgerissen sein. Das federführende Landeskriminalamt Baden-Württemberg habe deshalb einerseits um seine Sicherheit gefürchtet, andererseits Sorge vor spontanen Taten gehabt. Zwölf Verdächtige befinden sich in Untersuchungshaft, davon drei aus dem Kreis Minden-Lübbecke.

Seite 2

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Neue Westfälische, 18.02.2020:

Kommentar / Schlag gegen verdächtige Gruppe

Entschieden gegen Rechtsterror

Jörg Köpke, Berlin

Es ist unverzeihlich, wenn 75 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur gewaltbereite Rechtsextremisten politische Gegner, Ausländer und Andersgläubige töten wollen. Wirklich überraschend ist das alles aber nicht.

Die "Gruppe S.", deren Mitglieder nun in Untersuchungshaft sitzen, weil sie mutmaßlich in zehn Bundesländern Massaker in Moscheen verüben wollten, markiert nur die Spitze des Eisberges. Schon lange bilden sich in der rechten Szene militante, vernetzte Zellen heraus, die den "führerlosen Umsturz" planen - der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) und die Gruppe "Revolution Chemnitz" sind nur zwei der vielen Beispiele.

Das Ziel der rechten Terrorzellen ist immer das gleiche: Deutschland soll "ausländer-, juden- und muslimfrei" werden.

In Mecklenburg-Vorpommern sammelte die Gruppe "Nordkreuz" vor den Razzien der Bundesanwaltschaft Munition und Waffen, bestellte Löschkalk und Leichensäcke. Ehemalige Elite-Soldaten der Bundeswehr und SEK-Polizisten besorgten sich Passierscheine der Bundeswehr. Freie Fahrt sollte es nur für den geben, der nicht auf einer so genannten Todesliste stand. Alle anderen sollten sterben.

Dass es sich dabei nicht um Hirngespinste durchgeknallter Irrer handelt, belegt die jüngste Vergangenheit. In Kassel erschoss ein Neonazi Regierungspräsident Walter Lübcke. In Halle scheiterte ein Rechtsterrorist bei dem Versuch, viele Besucher einer Synagoge zu ermorden.

Das Bundesinnenministerium gibt die Zahl rechtsextremer Gefährder aktuell mit 53 an. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Noch zu Zeiten von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wäre es den Experten der Behörde vermutlich schwerer gefallen, mit Warnungen vor rechten, gewaltbereiten Netzwerken durchzudringen. Immer wieder war von Einzelfällen die Rede. Mit der Demission Maaßens 2018 wurde ein Paradigmenwechsel an der Spitze des Verfassungsschutzes eingeleitet. Der Inlandsgeheimdienst hat die neu formierte "Gruppe S." seit ihrer Gründung im September 2019 verfolgt und einen V-Mann platziert. Bevor die Rechtsterroristen zuschlagen konnten, landeten sie hinter Schloss und Riegel.

In einer Gesellschaft, die insgesamt deutlich nach rechts rückt und in der Parteien wie die AfD das politische Klima systematisch vergiften, stimmt der jüngste Fahndungserfolg verhalten optimistisch. Nur wenn sich die Demokratie wehrhaft zeigt, hat sie eine reelle Überlebenschance. Aufklären und Aufräumen haben gerade erst begonnen.

joerg.koepke@ihr-kommentar.de

Titelseite, Seite 2

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Neue Westfälische, 18.02.2020:

Spur des Terrors führt zur AfD

Sie bildeten ein Netzwerk aus kruden Verschwörungstheorien und völkischen Mord-Fantasien: Verbindungen der "Gruppe S." führen tief hinein ins Neonazi-Milieu

Jörg Köpke

Berlin. Sie träumen von Odin, Walhall und dem Großdeutschen Reich: Der entscheidende Hinweis zur Auflösung der mutmaßlich rechtsterroristischen "Gruppe S." stammte von einem Hinweisgeber des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg. Das erfuhr diese Redaktion aus Ermittlerkreisen. Demnach hat ein Mitglied des fünfköpfigen "harten Kerns" der Gruppe wichtige Details an die Polizei weiter. Diese führten letztlich zur Zerschlagung der bewaffneten rechten Zelle.

Nach bundesweiten Razzien gegen die mutmaßliche Terrorgruppe hatten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) am Wochenende Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer, darunter ein Verwaltungsbeamter der Polizei Nordrhein-Westfalen, befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.

Der Generalbundesanwalt war am Freitag mit Razzien in sechs Bundesländern unter Federführung von Baden-Württemberg gegen die Gruppe vorgegangen. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen. Das Vorhaben sei aber noch nicht näher konkretisiert worden.

Unterdessen werden immer mehr Einzelheiten zu Mitgliedern der Gruppe bekannt. Unter den Festgenommenen befinden sich regionale Anführer der "Soldiers of Odin"-Abspaltung "Vikings Security Germania", einer deutschlandweit agierenden Neonazi-"Bürgerwehr", die sich in Divisionen aufteilt.

Steffen B. stammte aus Schönebeck in Sachsen-Anhalt. Bei ihm fanden Ermittler eine selbst gebaute "Slam-Gun", eine großkalibrige, selbst gebaute Waffe, wie sie auch der Halle-Attentäter Stephan B. verwendet hatte. Steffen B. teilte auf Facebook Artikel wie "Neonazis rüsten sich mit Kampfsport für den Tag X".

Steffen B. nahm zusammen mit dem Gruppenmitglied Stefan K. aus Coswig (Sachsen-Anhalt) an einem neonazistischen Fackelmarsch der so genannten "Bürgerinitiative Magdeburg" teil. Beide posierten auf Facebook auf mittlerweile gelöschten Fotos in Kutten der "Vikings Security" bei einem Rundgang durch Schönebeck am 28. April 2019. Die Facebook-Präsenz der "Vikings Security Germania Division Sachen Anhalt" wurde inzwischen gelöscht. Steffen B. schrieb auf Facebook, es gehe um "Schutz, Ordnung und Sicherheit für Frauen, Kinder und Alte!". K. kündigte dafür seine Unterstützung an.

Die Mitglieder und Unterstützer der "Gruppe S." rekrutierten sich aus dem Umfeld rechter Zusammenschlüsse wie dem "Freikorps Heimatschutz" und dem "Freikorps Deutschland".

Werner S., Namensgeber der Gruppe, schrieb auf Facebook unter dem Alias-Namen "Werner Schmidt". Ihm wird die Gründung der rechtsterroristischen Vereinigung vorgeworfen. Unter den 180 Facebook-Freunden des 53-Jährigen aus einer kleinen Gemeinde bei Augsburg findet sich neben zahlreichen Neonazis auch der Name des Vorsitzenden des AfD-Kreisverbandes Börde. Die Facebook-Löschung bei einem seiner Freunde kommentierte Werner S. mit den Worten: "hab’s mitbekommen, ein Witz, aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum".

Weitere Festgenommene sind Tony E. aus Niedersachsen. Er tritt auf Facebook unter dem Alias-Namen "Unbeugsam Tony Cheguearya" auf. Zusammen mit Thomas N. aus Minden und Michael B. bildeten sie den "harten Kern". Tony E. lebte in Brockhöfe bei Lüneburg in Niedersachsen. Nach seiner Hochzeit 2014 nahm er den Nachnamen seiner Frau an. Zuvor hieß er Tony R. und bewegte sich ebenfalls in der rassistischen Bewegung "Freikorps Heimatschutz".

In der Selbstbeschreibung des "Freikorps Heimatschutz" heißt es: "Die Mitglieder dieser Gruppe bereiten sich auf den Tag vor, an dem es zu einem Krieg kommt und es um die Verteidigung unserer Familien und dem Vaterland geht. Die BRD Verwaltung sieht sich dafür ja nicht mehr zuständig." Auch in der Facebook-Freundesliste von Tony E. finden sich mehrere AfD-Mitglieder.

Sechs Moscheen im Visier

Die Mitglieder der mutmaßlichen rechten Terrorzelle um Werner S. und den Mindener Thomas N. sollen Angriffe auf sechs Moscheen in kleineren Städten geplant haben. In Sicherheitskreisen gelten ihre Planungen als "besonders ernstzunehmender Fall". Und zwar auch deshalb, weil die Männer, die sich nach dpa-Informationen in einer Telegram-Chat-Gruppe kennengelernt und nur zwei Mal getroffen hatten, schnell handlungsbereit waren.

An der Aufklärung der Aktivitäten der Gruppe, die von den Ermittlern "Gruppe S." genannt wird und intensiv observiert wurde, war neben der Polizei auch der Verfassungsschutz beteiligt.

Bildunterschrift: Nach Razzien in sechs Bundesländern, darunter in NRW, sitzen zwölf Mitglieder einer mutmaßlichen Terrorgruppe in U-Haft.

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Neue Westfälische, 18.02.2020:

Zahl der rechten Gefährder steigt

Terrorgruppe "S.": Nach den Festnahmen fordert die SPD-Opposition einen Bericht von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Lothar Schmalen

Düsseldorf. Im Zusammenhang mit den Festnahmen von rechtsextremistischen Terrorverdächtigen ist bekannt geworden, dass die Zahl der rechtsextremistischen Gefährder erneut angestiegen ist: Der Verfassungsschutz zählt jetzt bundesweit 53 Personen, die zu rechtsextremistischen Anschlägen bereit sind. 2016 waren dies noch 22, im vergangenen Jahr 33 Personen.

Die Zahl der Gefährder in NRW ist von 14 auf 17 heraufgesetzt worden. Zu ihnen zählt auch Werner S., der mutmaßliche Anführer der Gruppe, die behördenintern nach ihm "Gruppe S." genannt wird. Insgesamt werden der rechtsextremistischen Szene bundesweit 24.100 Personen zugerechnet, 12.700 sollen davon gewaltbereit sein.

Rechte Gewalt bleibt die größte Gefahr

Am Freitag waren nach Razzien in sechs Bundesländern zwölf Terrorverdächtige festgenommen worden, darunter vier aus NRW. Von diesen vier stammen drei aus dem Kreis Minden-Lübbecke, darunter mit Thomas N. einer der Gründer der Terrorzelle. Der vierte NRW-Verdächtige ist ein Polizei-Mitarbeiter aus Hamm.

Die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag hat inzwischen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) aufgefordert, in der nächsten Sitzung des Innenausschusses seine Strategie im Umgang mit dem Rechtsterrorismus und seine Schlussfolgerungen aus der Tatsache darzulegen, dass einer der Verhafteten ein Polizei-Mitarbeiter ist. Sven Wolf, SPD-Fraktions-Vize: "Die rechte Gewalt ist und bleibt die größte Gefahr für die öffentliche Sicherheit in unserem Land."

Seite 2

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Neue Westfälische Online, 17.02.2020:

Rechte Terrorzelle: 34-jähriger Mindener war in lokaler Neonazi-Szene aktiv

20.02.2020 - 21.13 Uhr

Die Beschuldigten aus der Mindener Region befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Sie waren politisch aktiv, polizeibekannt und hatten eine längere Vorgeschichte.

Stefan Koch

Minden. Unauffällig und politisch aktiv: So lassen sich die Beschuldigten aus der Mindener Region charakterisieren, denen die Bundesanwaltschaft die Beteiligung an einem rechtsextremen Terrornetzwerk zur Last legt. Zur Zeit befinden sich die drei unter den insgesamt zwölf in Untersuchungshaft Einsitzenden, denen Ermittler die Planung von Anschlägen auf Moscheen, Flüchtlingsunterkünften und Politiker zur Last legen.

So hat ein 34-Jähriger, der bislang mit seiner Familie in der Innenstadt wohnte, eine polizeibekannte Vorgeschichte. Nach MT-Informationen zog der Rechtsradikale vor neun Jahren von Rinteln nach Minden. Im Jahr 2008 soll er bereits als junger Nationaldemokrat in Hameln aufgefallen sein und dem Organisationsteam Bad Nenndorf angehört haben - jener Gruppierung, die jährlich am 6. August einen Trauermarsch für angebliche Opfer der britischen Besatzung inszenierte, was mittlerweile auf Grund von Bürger-Protesten gescheitert ist. Der Rechtsradikale galt in der Szene des Landkreises Hameln-Pyrmont viele Jahre als gut vernetzt. Am 1. Mai 2009 war er an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund zusammen mit einem weiteren bekannten Mindener Alt-Neonazi beteiligt. 17 Personen allein aus Ostwestfalen-Lippe hatte die Polizei damals erfasst. Insgesamt 400 Rechtsradikale wurden aktenkundig.

Vor allem in den Jahren 2013 und 2014 soll der 34-Jährige sehr aktiv gewesen sein. Beobachter der Szene registrierten ihn bei Kameradschaften. Er übernahm Ordner-Funktionen bei Neonazi-Aufmärschen in mehreren deutschen Städten. Und er war in dem ehemaligen Netzwerk "Westfalen Nord", das sich um einen stadtbekannten Mindener Neonazi gebildet hatte, aktiv. Das Klingelschild des schmucklosen Hauses an einer stark befahrenen Mindener Straße weist den Beschuldigten auf Grund entsprechender Formulierungen als der Reichsbürger-Szene Nahestehenden aus.

35-Jähriger hat kürzere Vorgeschichte

Der 35-jährige aus dem Minden Norden, der zum harten Kern des Terror-Netzwerkes gehören soll, hat dagegen eine kürzere Vorgeschichte und trat erst vor drei Jahren als Reichsbürger in Erscheinung. Bislang ließen sich bei dem Handwerker, der mit entsprechenden Aufklebern an seinem Firmenfahrzeug aus seiner Einstellung keinen Hehl machte, keine klassischen Verbindung zu einschlägig agierenden Neonazis nachweisen. Auf seiner mehr als 4.600 Freunde zählenden Facebook-Seite ist auch der verhaftete 47-Jährige aus Porta zu finden, der ein bislang unbeschriebenes Blatt war. Ihn nahm die Polizei an seiner Arbeitsstelle fest.

Die Internetpräsenz des 35-jährigen Terror-Drahtziehers strotzt vor kruden Darstellungen und endet mit dem Bekenntnis zur altgermanischen Mythologie. Etliche Fans des 35-Jährigen äußern sich in ähnlicher Weise - einige stammen aus der Mitte der Mindener Gesellschaft.

Information

Mehr Gefährder

Im Zusammenhang mit den Festnahmen von rechtsextremistischen Terrorverdächtigen ist jetzt bekannt geworden, dass die Zahl der rechtsextremistischen Gefährder erneut angestiegen ist: Der Verfassungsschutz zählt jetzt bundesweit 53 Personen, die zu rechtsextremistischen Anschlägen bereit sind. 2016 waren dies noch 22, im vergangenen Jahr 33 Personen. Die Zahl der Gefährder in NRW ist von 14 auf 17 heraufgesetzt worden.

Insgesamt werden der rechtsextremistischen Szene bundesweit 24.100 Personen zugerechnet, 12.700 sollen davon gewaltbereit sein.

Am Freitag waren nach Razzien in sechs Bundesländern zwölf Terrorverdächtige festgenommen worden, darunter vier aus NRW. Von diesen vier stammen drei aus dem Kreis Minden-Lübbecke, darunter mit dem 35-Jährigen einer der Gründer der Terrorzelle. Der vierte NRW-Verdächtigen ist sogar ein Polizei-Mitarbeiter aus Hamm. Die SPD-Opposition im Landtag hat inzwischen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) aufgefordert seine Strategie im Umgang mit dem Rechtsterrorismus darzulegen. (los)

Bildunterschrift: Der Festgenommene aus dem Mindener Norden machte keinen Hehl aus seiner Einstellung und plakatierte sein Fahrzeug entsprechend.

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Neue Westfälische Online, 17.02.2020:

Rechter Terror / "Gruppe S.": Mutmaßliche Rechtsterroristen pflegten Kontakte zur AfD

20.02.2020 - 20.48 Uhr

Sie bildeten ein Netzwerk aus kruden Verschwörungstheorien und völkischen Mord-Fantasien: Verbindungen der mutmaßlich rechtsterroristischen "Gruppe S." führen tief hinein ins Milieu deutscher Neonazis.

Jörg Köpke

Berlin. Sie träumen von Odin, Walhall und dem Großdeutschen Reich: Der entscheidende Hinweis zur Auflösung der mutmaßlich rechtsterroristischen "Gruppe S." stammte laut Ermittlerkreisen von einem Hinweisgeber des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg.

12 Verhaftungen nach Razzia

Ein Mitglied des fünfköpfigen "harten Kerns" der Gruppe habe wichtige Details an die Polizei weitergegeben. Diese führten letztlich zur Zerschlagung der bewaffneten, rechten Zelle. Nach bundesweiten Razzien gegen die mutmaßliche Terrorgruppe hatten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) am Wochenende Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer, darunter ein Verwaltungsbeamter der Polizei Nordrhein-Westfalen, befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.

Der Generalbundesanwalt war am Freitag mit Razzien in sechs Bundesländern unter Federführung von Baden-Württemberg gegen die Gruppe vorgegangen. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen. Das Vorhaben sei aber noch nicht näher konkretisiert worden.

Die Planungen der Gruppe galten in Sicherheitskreisen als besonders ernstzunehmender Fall. Auch deshalb, weil die Männer sich nur zweimal getroffen hätten und schnell handlungsbereit gewesen wären. Die Mitglieder sollen Angriffe auf sechs Moscheen in kleineren Städten geplant haben.

Selbst gebaute Waffen, Kampfsport und Fackelmärsche

Immer mehr Einzelheiten zu Mitgliedern der Gruppe werden mittlerweile bekannt. Unter den Festgenommenen befinden sich regionale Anführer der "Soldiers of Odin"-Abspaltung "Vikings Security Germania", einer deutschlandweit agierenden Neonazi-"Bürgerwehr", die sich in Divisionen aufteilt.

Steffen B. stammte aus Schönebeck in Sachsen-Anhalt. Bei ihm fanden Ermittler eine selbst gebaute "Slam-Gun", eine großkalibrige, selbst gebaute Waffe, wie sie auch der Halle-Attentäter Stephan B. verwendet hatte. Steffen B. teilte auf Facebook Artikel wie "Neonazis rüsten sich mit Kampfsport für den Tag X".

Steffen B. nahm zusammen mit dem Gruppenmitglied Stefan K. aus Coswig (Sachsen-Anhalt) an einem neonazistischen Fackelmarsch der so genannten "Bürgerinitiative Magdeburg" teil. Beide posierten auf Facebook auf mittlerweile gelöschten Fotos in Kutten der "Vikings Security" bei einem Rundgang durch Schönebeck am 28. April 2019.

Gruppen und Personen sind über Facebook vernetzt

Die Facebook-Präsenz der "Vikings Security Germania Division Sachen Anhalt" wurde inzwischen gelöscht. Steffen B. schrieb auf Facebook, es gehe um "Schutz, Ordnung und Sicherheit für Frauen, Kinder und Alte!". K. kündigte dafür seine Unterstützung an.

Die Mitglieder und Unterstützer der "Gruppe S." rekrutierten sich aus dem Umfeld rechter Zusammenschlüsse wie dem "Freikorps Heimatschutz" und dem "Freikorps Deutschland". Werner S., Namensgeber der Gruppe, schrieb auf Facebook unter dem Alias-Namen "Werner Schmidt". Ihm wird die Gründung der rechtsterroristischen Vereinigung vorgeworfen.

Unter den 180 Facebook-Freunden des 53-Jährigen aus einer kleinen Gemeinde bei Augsburg findet sich neben zahlreichen Neonazis auch der Name des Vorsitzenden des AfD-Kreisverbandes Börde. Die Facebook-Löschung bei einem seiner Freunde kommentierte Werner S. mit den Worten: "hab`s mitbekommen, ein Witz, aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum".

Personen des "harten Kerns" sind mit AfD-Mitgliedern befreundet

Weitere Festgenommene sind Tony E. aus Niedersachsen. Er tritt auf Facebook unter dem Alias-Namen "Unbeugsam Tony Cheguearya" auf. Zusammen mit Thomas N. aus Minden und Michael B. bildeten sie den "harten Kern". Tony E. lebte in Brockhöfe bei Lüneburg in Niedersachsen. Nach seiner Hochzeit 2014 nahm er den Nachnamen seiner Frau an. Zuvor hieß er Tony R. und bewegte sich ebenfalls in der rassistischen Bewegung "Freikorps Heimatschutz".

In der Selbstbeschreibung des "Freikorps Heimatschutz" heißt es: "Die Mitglieder dieser Gruppe bereiten sich auf den Tag vor, an dem es zu einem Krieg kommt und es um die Verteidigung unserer Familien und dem Vaterland geht. Die BRD Verwaltung sieht sich dafür ja nicht mehr zuständig." Auch in der Facebook-Freundesliste von Tony E. finden sich mehrere AfD-Mitglieder.

Bildunterschrift: Die mutmaßlich rechtsextreme "Gruppe S." wurde während einer Razzia zerschlagen (Symbolbild).

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Autonome Antifa Freiburg, 17.02.2020:

Razzien gegen Nazi-Terroristen

Am 14. Februar fanden im Auftrag der Bundesanwaltschaft unter Federführung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Razzien wegen Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung statt. Die Nazis sollen laut Bundesanwaltschaft geplant haben, durch "Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Am 15. Februar wurden Haftbefehle gegen die zwölf vorläufig festgenommenen Nazis erwirkt, der dreizehnte Beschuldigte soll die Nazi-Terroristen bereits im Oktober 2019 an die Polizei verraten haben. Zuvor war im September 2019 ein Treffen in Alfdorf im Rems-Murr-Kreis observiert worden, ein weiteres Treffen dann im Februar 2020 in Minden. Die Nazi-Gruppe wird von den Behörden nach dem Anführer der Gruppierung, Werner Somogyi, "Gruppe S." genannt. Der Name einer der internen Nazi-Chat-Gruppen soll "Der harte Kern" gewesen sein.

Der Hauptbeschuldigte Werner Somogyi ist 53 Jahre alt und lebte bis zu seiner Verhaftung in Mickhausen im Landkreis Augsburg. Neben Somogyi werden auch der 39-jährige Tony Ebel (geb. Richter) aus dem Ortsteil Brockhöfe in Wriedel im Landkreis Uelzen, Michael B. aus dem Landkreis Esslingen und Thomas Niemann aus Minden als Mitglieder der Nazi-Terrorgruppe geführt.

Zu den als "Unterstützern" der Terrorgruppe in Untersuchungshaft sitzenden Nazis gehört Thorsten Wollschläger aus Hamm, ein inzwischen suspendierter Verwaltungsbeamter der Polizei NRW. Weitere Unterstützer sind Ulf Rösener aus dem Stadtteil Kleinenbremen in Porta Westfalica, Markus Krüper aus Minden, Wolfgang W. aus dem Raum Koblenz, Marcel W. aus dem Landkreis Pfaffenhofen, Frank Holl aus München-Laim sowie Steffen Balder und Stefan Krause aus Schönebeck und Coswig in Sachsen-Anhalt. Die Nazi-Terroristen hatten teilweise Verbindungen zum "Freikorps Heimatschutz" beziehungsweise "Freikorps Deutschland" und der "Bruderschaft Deutschland" sowie zu den aus der rassistischen Bürgerwehr "Soldiers of Odin" hervorgegangen "Wodans Erben Germanien" und "Vikings Security Germania".

Bei den Durchsuchungen sollen Waffen wie etwa selbstgebaute Handgranaten gefunden worden sein. Bei Steffen Balder fand sich auch eine selbstgebaute "Slam-Gun" samt Munition, bei Thomas Niemann wurden diverse Messer, Äxte, Morgensterne und eine Armbrust beschlagnahmt und bei Werner Somogyi eine scharfe 9-Millimeter-Pistole mit Munition.

Über Somogyi schreibt der Spiegel: "Nach Spiegel-Informationen tauchte der Name von Werner S. vor Jahren auf einer internen Interessentenliste der NPD München auf." Nach unseren Informationen steht der als "Gefährder" geführte Nazi Werner Somogyi mit der Mail-Adresse "da.caruggi@gmx.ch" auch auf einer Interessentenliste der AfD.

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Norddeutscher Rundfunk, 17.02.2020:

Rechte Terrorzelle: Sprengstoffe bei Tony E.?

17.02.2020 - 20.27 Uhr

Von Angelika Henkel und Stefan Schölermann

Bis Freitag war Tony E. aus Wriedel bei den Behörden im Landkreis Uelzen und der Region ein unbeschriebenes Blatt: Weder lokale Polizei noch Verfassungsschutz in Niedersachsen hatten den 39-Jährigen als Extremisten oder möglichen Gewalttäter auf dem Schirm, wie der NDR aus Sicherheitskreisen erfuhr. Seit der Hausdurchsuchung am Freitagmorgen in der Wriedeler Bahnhofstraße aber wissen die Behörden, dass der Mann nicht nur rechtsextrem denkt, sondern wohl auch gefährliche Pläne hatte. Denn gefunden wurden nach NDR-Informationen nicht nur diverse Handys - offenbar zur Vorbereitung konspirativer Treffen und Aktionen - sondern auch eine nicht unerhebliche Menge von Wasserstoffhydroxid. Ein Stoff, der zur Herstellung von Sprengstoffen verwendet werden kann.

Bereit, für "die Sache" zu sterben

Tony E. - so hat es die ARD erfahren - soll zu den vier Kernmitgliedern einer 13 Köpfe zählenden rechtsextremistischen Gruppierung gezählt haben. Zwölf von ihnen sitzen seit dem Wochenende in Untersuchungshaft, einer ist auf freiem Fuß. Tony E. soll Treffen organisiert und sich den anderen Gesinnungsgenossen als "rechte Hand" des Drahtziehers der Gruppierung ausgegeben haben. Bei der Auswahl ihrer Mitstreiter sei die Gruppierung ausgesprochen wählerisch gewesen, erfuhr der NDR aus Sicherheitskreisen. Dickleibige oder unsportliche Männer hätten keine Chance auf Mitgliedschaft gehabt. Schließlich, so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft, sei es der Truppe um die Vorbereitung so genannter "bewaffneter Kommandounternehmen" gegangen. Elitäre Kleingruppen hätten Anschläge auf Moscheen oder missliebige Politiker verüben sollen. Tony E. soll gesagt haben, er sei bereit, für "die Sache" zu sterben.

Radikale Gesinnung blieb nicht verborgen

Vor Ort in Wriedel war die Überraschung groß, als am Freitagmorgen um 6 Uhr die Polizei mit einem Großaufgebot in der Bahnhofstraße anrückte. Niemandem seien rechtsextreme Aktivitäten aufgefallen, berichtet das Lüneburger Bündnis gegen Rechts, das die Szene in der Region beobachtet und das von der Hausdurchsuchung erfahren hatte. Nachbarn hätten allerdings berichtet, dass Tony E. gelegentlich auf dem Grundstück seines Einfamilienhauses mit T-Shirts herumgelaufen sei, die manchen nachdenklich gestimmte hätten. So habe er unter anderem ein Hemd mit dem Schriftzug "Heimatschutz Niedersachsen" getragen - offenbar eine Analogie zum "Heimatschutz Thüringen", der rechtsextremen Keimzelle des NSU. Was Tony E. all den Vorwürfen entgegnet, ist bisher nicht bekannt.

Bildunterschrift: Im Einfamilienhaus des Terrorverdächtigen Tony E. in Wriedel (Landkreis Uelzen) haben Ermittler offenbar Material zur Herstellung von Sprengstoffen gefunden.

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Neue Westfälische Online, 17.02.2020:

Schlag gegen verdächtige Gruppe / Kommentar: Entschieden gegen Rechtsterror

20.02.2020 - 19.41 Uhr

Im Kampf gegen Rechts verfolgten Sicherheitsbehörden lange Zeit die Theorie vom Einzeltäter. Das hat sich geändert. Die jüngsten Schläge gegen militante Gruppen markieren einen Paradigmenwechsel, meint unser Kommentator.

Jörg Köpke

Es ist unverzeihlich, wenn 75 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur gewaltbereite Rechtsextremisten in Deutschland politische Gegner, Ausländer und Andersgläubige töten wollen. Wenn Menschen auf Grund von Hautfarbe, Religion oder Herkunft um ihr Leben fürchten müssen. Wenn in rechten Zirkeln Putsch-Fantasien kreisen. Wirklich überraschend ist das alles aber nicht.

Die "Gruppe S.", deren Mitglieder seit einigen Tagen in Untersuchungshaft sitzen, weil sie mutmaßlich in zehn Bundesländern Massaker in Moscheen verüben wollten, markiert nur die Spitze des Eisberges.

Der NSU konnte zu lange unbemerkt morden

Schon lange bilden sich in der rechten Szene militante, vernetzte Zellen heraus, die den "führerlosen Umsturz" planen. Mit brutaler Entschlossenheit und Ausdauer hatte der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) über Jahre - viel zu lange ignoriert und verharmlost - Bomben und Sprengsätze platziert, Banken ausgeraubt und neun ausländische Bürger hingerichtet.

Vor gut einem Jahr plante die Gruppe "Revolution Chemnitz" am Tag der Deutschen Einheit in Berlin den Umsturz. Ausländer, Politiker und Journalisten sollten ermordet werden.

Das Ziel dieser rechten Terrorzellen ist immer das gleiche: Deutschland soll "ausländer-, juden- und muslimfrei" werden. Im Sinne der NS-Ideologie fantasieren ihre Mitglieder von Odin und Walhall, verdammen die Demokratie und träumen von der Wiederauferstehung Großdeutschlands. Einige nennen sich in Anlehnung an rechte Schlägertrupps der Weimarer Republik "Freikorps Deutschland". Allen ist die Furcht gemeinsam, ein großer "Austausch" könne Deutschland den "Volkstod" bescheren.

Der "Tag X" soll den Auftakt zum Umsturz markieren

Um die kruden Ziele zu erreichen, arbeiten die Rechtsterroristen auf einen "Tag X" hin, auf einen Moment größter Verunsicherung, den sie selbst auslösen wollen und der es ihnen ermöglichen soll, das bestehende System aus den Angeln zu heben.

In Mecklenburg-Vorpommern sammelte die Gruppe "Nordkreuz" vor den Razzien der Bundesanwaltschaft Munition und Waffen, bestellte Löschkalk und Leichensäcke. Ehemalige Elite-Soldaten der Bundeswehr und SEK-Polizisten besorgten sich Passierscheine der Bundeswehr. Freie Fahrt sollte es nur für den geben, der nicht auf einer so genannten Todesliste stand. Alle anderen sollten sterben.

Die Pläne sind keine Hirngespinste

Dass es sich dabei nicht um Hirngespinste durchgeknallter Irrer handelt, belegt die jüngste Vergangenheit. In Kassel erschoss ein Neonazi im vergangenen Juni Regierungspräsident Walter Lübcke. In Halle scheiterte ein Rechtsterrorist bei dem Versuch, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur möglichst viele Besucher einer Synagoge zu ermorden. Aus Frust erschoss er später eine Passantin und den Gast eines Imbisses.

Das Bundesinnenministerium gibt die Zahl rechtsextremer Gefährder aktuell mit 53 an. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.

Sicherheitsbehörden sprachen lange von Einzelfällen

Noch zu Zeiten von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wäre es den Experten der Behörde vermutlich schwerer gefallen, mit Warnungen vor rechten, gewaltbereiten Netzwerken durchzudringen. Immer wieder war nur von Einzelfällen die Rede. Der NSU wurde jedenfalls in der offiziellen Darstellung der Behörden auf ein Kerntrio von drei Mitgliedern geschrumpft. Dabei konnte jeder wissen, dass das Umfeld aus Hunderten von Personen bestanden hat.

Mit der Demission Maaßens im Herbst 2018 wurde ein Paradigmenwechsel an der Spitze des Verfassungsschutzes eingeleitet. Der Inlandsgeheimdienst hat die neu formierte "Gruppe S." seit ihrer Gründung im September 2019 hautnah verfolgt und einen V-Mann im Umfeld platziert. Bevor die Rechtsterroristen zuschlagen konnten, landeten sie hinter Schloss und Riegel.

Die Demokratie muss sich wehrhaft zeigen

In einer Gesellschaft, die insgesamt deutlich nach rechts rückt und in der Parteien wie die AfD das politische Klima systematisch vergiften, stimmt der jüngste Fahndungserfolg verhalten optimistisch. Nur wenn sich die Demokratie wehrhaft zeigt, hat sie eine reelle Überlebenschance.

Das heißt aber noch lange nicht, dass mit dem Schlag gegen die "Gruppe S." die Arbeit schon am Ende wäre. Im Gegenteil: Aufklären und Aufräumen haben gerade erst begonnen.

Bildunterschrift: Einer der Verdächtigen wird von Polizisten in den Bundesgerichtshof gebracht. Nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle sind die Festgenommenen in Untersuchungshaft genommen worden.

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Mindener Tageblatt Online, 17.02.2020:

Rechte Terrorzelle: 34-jähriger Mindener war in lokaler Neonazi-Szene aktiv

17.02.2020 - 19.25 Uhr

Stefan Koch

Minden. Unauffällig und politisch aktiv: So lassen sich die Beschuldigten aus der Mindener Region charakterisieren, denen die Bundesanwaltschaft die Beteiligung an einem rechtsextremen Terrornetzwerk zur Last legt. Zur Zeit befinden sich die drei unter den insgesamt zwölf in Untersuchungshaft Einsitzenden, denen Ermittler die Planung von Anschlägen auf Moscheen, Flüchtlingsunterkünften und Politiker zur Last legen.

So hat ein 34-Jähriger, der bislang mit seiner Familie in der Innenstadt wohnte, eine polizeibekannte Vorgeschichte. Nach MT-Informationen zog der Rechtsradikale vor neun Jahren von Rinteln nach Minden. Im Jahr 2008 soll er bereits als junger Nationaldemokrat in Hameln aufgefallen sein und dem Organisationsteam Bad Nenndorf angehört haben - jener Gruppierung, die jährlich am 6. August einen Trauermarsch für angebliche Opfer der britischen Besatzung inszenierte, was mittlerweile auf Grund von Bürger-Protesten gescheitert ist. Der Rechtsradikale galt in der Szene des Landkreises Hameln-Pyrmont viele Jahre als gut vernetzt. Am 1. Mai 2009 war er an einem Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund zusammen mit einem weiteren bekannten Mindener Alt-Neonazi beteiligt. 17 Personen allein aus Ostwestfalen-Lippe hatte die Polizei damals erfasst. Insgesamt 400 Rechtsradikale wurden aktenkundig.

Vor allem in den Jahren 2013 und 2014 soll der 34-Jährige sehr aktiv gewesen sein. Beobachter der Szene registrierten ihn bei Kameradschaften. Er übernahm Ordner-Funktionen bei Neonazi-Aufmärschen in mehreren deutschen Städten. Und er war in dem ehemaligen Netzwerk "Westfalen Nord", das sich um einen stadtbekannten Mindener Neonazi gebildet hatte, aktiv. Das Klingelschild des schmucklosen Hauses an einer stark befahrenen Mindener Straße weist den Beschuldigten auf Grund entsprechender Formulierungen als der Reichsbürger-Szene Nahestehenden aus.

Der 35-jährige aus dem Minden Norden, der zum harten Kern des Terror-Netzwerkes gehören soll, hat dagegen eine kürzere Vorgeschichte und trat erst vor drei Jahren als Reichsbürger in Erscheinung. Bislang ließen sich bei dem Handwerker, der mit entsprechenden Aufklebern an seinem Firmenfahrzeug aus seiner Einstellung keinen Hehl machte, keine klassischen Verbindung zu einschlägig agierenden Neonazis nachweisen. Auf seiner mehr als 4.600 Freunde zählenden Facebook-Seite ist auch der verhaftete 47-Jährige aus Porta zu finden, der bislang ein unbeschriebenes Blatt war. Ihn nahm die Polizei an seiner Arbeitsstelle fest.

Die Internetpräsenz des 35-jährigen Terror-Drahtziehers strotzt vor kruden Darstellungen und endet mit dem Bekenntnis zur altgermanischen Mythologie. Etliche Fans des 35-Jährigen äußern sich in ähnlicher Weise - einige stammen aus der Mitte der Mindener Gesellschaft.

Bildunterschrift: Auch in Porta Westfalica war die Polizei im Einsatz um die Wohnung eines Beschuldigten auf Waffen und Sprengstoff zu untersuchen.

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Der Tagesspiegel Online, 17.02.2020:

Rechte Terrorgruppe um Werner S. / Eine Spur der Rechtsextremen führt zu Waffenhändlern nach Tschechien

17.02.2020 - 18.54 Uhr

Die am Freitag ausgehobene Terrorgruppe wollte in Tschechien Pistolen und Gewehre kaufen. Dort kommen deutsche Neonazis leicht an Waffen.

Von Frank Jansen

Sie haben selbst gebastelte Waffen, der Anführer verfügt auch über eine Profi-Pistole größeren Kalibers. Doch das reicht der militant rechtsextremen Gruppe nicht. Am 8. Februar, einem Sonnabend, beschließt der Trupp bei einem Treffen im westfälischen Minden, für Anschläge auf Moscheen, Flüchtlinge und Politiker weitere Waffen zu beschaffen. In Tschechien, über Kontakte zu einheimischen Rechtsextremen.

Verfassungsschutz und Polizei, die das Treffen im Blick haben, sind alarmiert. Ausgerechnet Tschechien. Dort kommen deutsche Neonazis leicht an Waffen heran. Und das verspricht nun auch ein Teilnehmer des Treffens. Er könne Pistolen und Gewehre besorgen, sagt der Mann.
So schildern Sicherheitskreise die Lage, die zum Großeinsatz am vergangenen Freitag führte. Die Behörden wollten bei den Fanatikern, die seit September 2019 beobachtet wurden, kein Risiko eingehen. Am Freitag nahmen Spezialeinsatzkommandos die Rechtsextremen fest, außerdem wurden Wohnungen durchsucht. Die Razzia erstreckte sich auf Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. Die Bundesanwaltschaft erwirkte Haftbefehle gegen zwölf Männer. Das Terrorrisiko war gestoppt. Zunächst einmal. Sicherheitskreise vermuten, die Gruppe sei doppelt so groß.

Schießtraining von Neonazis in Tschechien

Der Fall ist ein weiterer Beleg für die anhaltend hohe Gefahr rechter Anschläge. Und für fortschreitende Professionalisierung und Internationalisierung der militanten Nazi-Szene. Beim Thema Tschechien nennen Sicherheitskreise sofort eine Geschichte vom September 2017. Die Spezialeinheit GSG9 kontrollierte in Bayern ein Dutzend Mitglieder der Neonazi-Gruppierung "Combat 18 Deutschland", die gerade aus Tschechien gekommen waren.

Die Polizisten entdeckten diverse Munition. Die Neonazis hatten in Tschechien ein Schießtraining absolviert und Material mitgenommen. Der Vorfall steht in der Verbotsverfügung, mit der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Januar "Combat 18 Deutschland" auflöste.

Die am Freitag festgenommenen Rechtsextremisten waren offenbar noch gefährlicher als "Combat 18". Die Bundesanwaltschaft sagt, die Beschuldigten hätten mit Anschlägen "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeiführen wollen. Bei dem Treffen in Minden soll der mutmaßliche Rädelsführer Werner S. mit den Gefolgsleuten über blutige Attacken gesprochen haben, vergleichbar dem Massaker des Australiers Brenton Tarrant in zwei Moscheen in Neuseeland.

Der Trupp, von den Behörden nach dem Anführer "Gruppe S." genannt, wollte offenbar mit Schusswaffen sechs Moscheen während Gottesdiensten angreifen. Warum sechs, ist unklar.

Zum Einsatz hätte mutmaßlich auch eine Slam-Gun kommen sollen, die Polizeibeamte bei einem Gruppenmitglied in Sachsen-Anhalt fanden. Das röhrenartige, selbst gebastelte Gewehr ähnelt der Waffe, mit der im Oktober 2019 der Rechtsextremist Stephan Balliet die vollbesetzte Synagoge in Halle angriff.

Sicherheitskreise berichten, die Gruppe S. habe sich nicht so dilettantisch anstellen wollen wie Balliet. Er schaffte es nicht, die Tür zur Synagoge aufzuschießen. In seiner Wut tötete Balliet zwei Passanten.

Der 13. Mann informierte die Sicherheitsbehörden

Die Bundesanwaltschaft zählt zur "Gruppe S." 13 Personen. Fünf werden dem harten Kern zugerechnet, der eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet haben soll. Weitere acht Männer beschuldigt die Bundesanwaltschaft, die Terrorgruppe unterstützt zu haben. Die Polizei nahm allerdings nur zwölf Rechtsextremisten fest. Der 13. Mann, der dem harten Kern angehören soll, hat offenbar die Sicherheitsbehörden mit Informationen versorgt und vermutlich Menschenleben gerettet.

Sicherheitskreise betonen, es handele sich nicht um einen verdeckten Ermittler. Der Hinweisgeber ist Rechtsextremist, soll aber kein klassischer, vom Staat bezahlter V-Mann sein.

Die Festgenommenen im Alter von 31 bis 60 Jahren waren nur zum Teil als Rechtsextremisten bekannt. Einer gilt zudem als Reichsbürger. Der mutmaßliche Anführer Werner S., 53 Jahre alt, stammt aus einem Dorf bei Augsburg. Bei dem Treffen in Minden war auch ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Hamm (Nordrhein-Westfalen) dabei. Der Mann sei zuvor nicht als Extremist aufgefallen, sagen Sicherheitskreise.

Die Gruppe kommunizierte in Chats. Das Treffen in Minden sei "das erste größere in der Realwelt" gewesen, sagen Sicherheitsexperten. Schaut man sich die 13 Beschuldigten genauer an, wird ein Gewebe von Gruppierungen mit rechtem Lifestyle sichtbar: "Vikings Security Germany", "Soldiers of Odin", "Wodans Erben Germania", "Deutsch-Germanischer Kulturverein", "Freikorps Heimatschutz", "Freikorps Deutschland" und weitere Zusammenschlüsse mit einschlägigen Namen.

Die Mentalität zeigt schon ein Facebook-Chat von Werner S. mit einem Kumpan namens "Matze Wodan". Den ärgert, dass Facebook seinen Account gelöscht hatte. Werner S. antwortet, "warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände rum". Als Symbol folgen zwei gekreuzte Messer.

Bildunterschrift: Auch die inzwischen verbotene Neonazi-Gruppe "Combat 18" hatte sich in der Vergangenheit Waffen in Tschechien besorgt.

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Süddeutsche Zeitung Online, 17.02.2020:

Mutmaßliche Terrorzelle: Auf den Spuren von "Gruppe S."

17.02.2020 - 18.54 Uhr

Rechtsextremisten sollen Anschläge auf Moscheen geplant haben, die Polizei fand Waffen und Chemikalien. Noch ist aber unklar, wie weit die Pläne schon gediehen waren.

Von Jan Bielicki, Robin Hetzel und Wolfgang Janisch, Karlsruhe / München

Die Vaihinghöfer Sägmühle, örtlich "Hummelgautsche" genannt, geht bis auf das 14. Jahrhundert zurück und ist ein beliebtes Wanderziel nahe dem württembergischen Alfdorf. Die Männer, die sich im September am Grillplatz nebenan trafen, sollen sich jedoch weniger für die Lokalgeschichte interessiert haben. Die Polizisten, die das Treffen nach Informationen des Senders SWR diskret beobachteten, hatten einen anderen Verdacht: Hier sollte eine Terrorgruppe gegründet werden.

Mit zeitweise bis zu 35 Ermittlern hatte das Landeskriminalamt in Stuttgart die Männer ins Visier genommen, die sich sonst vornehmlich auf Chat-Gruppen verschiedener Messenger-Dienste, aber auch telefonisch ausgetauscht hatten. Nach einem weiteren Treffen der Gruppe im westfälischen Minden durchsuchten Polizisten dann am vergangenen Freitag Häuser und Wohnungen in sechs Bundesländern. Was sie fanden, bestätigte ihren Verdacht: In Mickhausen bei Augsburg stießen sie auf eine Pistole des Kalibers 9 mm samt Munition, andernorts fanden sie selbstgebaute "Eierhandgranaten", in Schönebeck in Sachsen-Anhalt beschlagnahmten sie eine so genannte Slam-Bang-Shot-Gun. Ein solches aus Wasserrohren zusammengebasteltes Schießgerät hatte auch der Attentäter von Halle verwendet, als er im Oktober 2019 vergeblich versuchte, in die Synagoge einzudringen, und danach zwei Menschen erschoss. Auch Chemikalien, die sich zur Herstellung eines Sprengsatzes eignen könnten, holten die Beamten aus einem der durchsuchten Häuser.

Ziel der Männer sei es gewesen, "bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen"

Zwölf Männer sitzen seither in Untersuchungshaft. Vier von ihnen wird vorgeworfen, eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet zu haben, die acht anderen sollen sich bereit erklärt haben, diese zu unterstützen. Darunter ist ein Mitarbeiter der Polizeiverwaltung aus Hamm, wie Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul mitteilte. Ein weiterer Verdächtiger, den die Ermittler als fünften Mann zum Kern der Zelle zählen, befindet sich dagegen auf freiem Fuß. Wie SWR und ARD-Hauptstadtstudio am Montag berichteten, soll er bereits Anfang Oktober umfangreiche Informationen über die Gruppe an die Ermittler weitergegeben haben. Ziel der Gruppe, so die Bundesanwaltschaft, sei gewesen, "durch bislang noch nicht näher konkretisierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Für die Ermittler beginnt nun die Detailarbeit. Die Spurensicherung versucht zu klären, ob es sich bei den sichergestellten "Eierhandgranaten" wirklich um sprengfähige Granaten handelt, und wenn ja, ob sie nur mit Schwarzpulver oder mit einem wirkungsvolleren Sprengstoff gefüllt sind. Auch bei der selbstgebauten Slam-Bang-Shot-Gun müssen die Techniker prüfen, ob sie tatsächlich schussfähig war. In jedem Fall gilt aber: Der Umstand, dass Waffen sichergestellt wurden, zeigt die Ernsthaftigkeit der Gruppe. Darum hat der Ermittlungsrichter auch in zwölf Fällen Untersuchungshaft angeordnet, geht also von einem dringenden Tatverdacht aus. Der anfängliche Tatverdacht sei durch die Waffenfunde wesentlich erhärtet worden. Ausgewertet wird nun auch die Kommunikation der Verdächtigen.

Allerdings scheint auch klar zu sein, dass zur Begehung eines Anschlags weitere Schritte notwendig gewesen wären, also noch nicht gewiss war, ob die Männer Attentatspläne in die Tat hätten umsetzen können. Das gilt insbesondere für die Zusagen von finanzieller Unterstützung. Noch wissen die Ermittler nicht, ob die Leute wirklich gezahlt hätten oder überhaupt liquide waren. "Die Finanzierung stand noch nicht", heißt es aus Ermittlerkreisen. Schließlich hatten die Männer laut Recherchen des Magazins "Der Spiegel" vor, in kleineren Gemeinden Muslime beim Beten in Moscheen anzugreifen, und zwar in zehn Bundesländern. Dazu hätten sie sich wohl weitere Waffen beschaffen müssen.

Doch wer sind die Männer? Die Ermittler sprechen von der "Gruppe S.", denn der in Mickhausen festgenommene Werner S. gilt als deren Anführer. Laut Spiegel sollen ihn die Behörden bereits als "Gefährder" eingestuft haben. Der 53-Jährige nannte sich bei Facebook "Werner Schmidt", unter seinen 171 Facebook-Freunden finden sich viele, die Neonazi-Symbole zur Schau stellen. In einem Dialog mit einem Freund, in dem sich beide über Account-Sperren amüsieren, schrieb er: "Aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum", dazu postete er zwei gekreuzte Schwerter. S. soll die Treffen organisiert haben, dabei unterstützt von Tony E., 39, aus dem niedersächsischen Wriedel, der ausweislich seiner inzwischen gelöschten Facebook-Seite Kontakte zum rechtsextremen Freikorps Heimatschutz pflegte.

Thomas N. aus Minden, von den Ermittlern ebenfalls als Mitglied der Zelle geführt, postete noch am Abend, bevor die Polizei bei ihm klingelte, auf Facebook die Botschaft: "Widerstand ist der einzige Weg! Wir bleiben unbeugsam". Der Fliesenleger hängt seinen Facebook-Posts zufolge allerlei Verschwörungstheorien an, etwa der Überzeugung der Reichsbürger, dass es die Bundesrepublik rechtlich gar nicht gebe. Kanzlerin Angela Merkel nennt er "Totengräberin der deutschen Kultur" und "eine verbrecherische Kreatur", seine Autokennzeichen hat er mit den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot überklebt.

Auffällig sind die Verbindungen der Männer in die Szene rechtsextremer Bürgerwehren. So präsentierte Steffen B. - bei ihm wurde die selbstgebaute Slam-Gun gefunden - auf Facebook Fotos schwarz bejackter Männer, die unter dem Namen "Vikings Security Germania" in seinem Heimatort Schönebeck auf "Patrouille" gingen. Die "Vikings" sind ebenso aus den vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Soldiers of Odin" hervorgegangen wie "Wodans Erben Germanien", eine radikale Truppe, die durch martialische Auftritte vor allem in Bayern aufgefallen ist. Frank H., ein führendes Mitglied dieser Wodanserben aus München, sitzt nun ebenfalls als mutmaßlicher Terrorunterstützer in Untersuchungshaft.

Bildunterschrift: Polizisten bringen einen der Verdächtigen zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.

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Radio Westfalica, 17.02.2020:

Mutmaßliche rechte Terrorzelle soll sechs Anschläge auf Moscheen geplant haben

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Mitglieder der mutmaßlichen rechten Terrorzelle sind weitere Details bekannt geworden. Demnach sollen sie Anschläge auf sechs Moscheen in kleineren Städten geplant haben. In Sicherheitskreisen werden die Pläne als besonders ernstzunehmender Fall eingestuft. Die Gruppe sei sehr schnell handlungsbereit gewesen, heißt es.

Erst im September vergangenen Jahres soll sie sich über einen Chat gegründet haben. Danach soll es nur zwei Treffen gegeben haben - eines davon fand offenbar vor etwa anderthalb Wochen in Minden statt - hier lebte einer der Hauptverdächtigen. Der 35-Jährige wird der Reichsbürger-Szene zugeordnet. Auch zwei weitere Unterstützer der Gruppe kommen laut der Ermittler aus Minden und Porta Westfalica.

Die Gruppe wurde schon länger observiert. Ein V-Mann soll die Beamten schon im Oktober Infos über die Terrorzelle geliefert haben. Die insgesamt zwölf Verdächtigen waren am Freitag bei Razzien in sechs Bundesländern festgenommen worden, sie sitzen jetzt in U-Haft.

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ntv.de, 17.02.2020:

Die Pläne der "Gruppe S." / Sie wollten den Massenmord

Von Michael Ortmann

Die mutmaßliche Terrorzelle um Werner S. will mit ihren Anschlägen für ein Fanal sorgen. Angeblich zehn Anschläge zur gleichen Zeit sind geplant. Bevor die Pläne Realität werden, greift die Polizei ein. Sie hört seit Monaten mit.

In kleinen Kommandos wollten sie vermutlich mehrere Moscheen stürmen und Betende töten. Nicht in Berlin, Hamburg oder Köln, sondern in kleineren Städten oder Gemeinden sollte es geschehen - das soll der Anführer Werner S. vor wenigen Tagen bei einem Treffen der Gruppe in Minden bestimmt haben. Dort, wo schnelle und mobile Einsatzkommandos eine Zeit brauchen, ehe sie vor Ort und zur Gegenwehr bereit sind. Noch aber hatten sie keine konkreten Ziele ausgesucht. Als Vorbild diente der "Gruppe S." wahrscheinlich der Anschlag im neuseeländischen Christchurch. Im März 2019 hatte dort der Rechtsterrorist Brenton Tarrant 51 Menschen erschossen und weitere 50 zum Teil schwer verletzt bevor er verhaftet werden konnte.

Vermutlich auf ähnliche Weise wollte die Terrorzelle auch hier in Deutschland vorgehen. Dazu hatten sie sich selbstgebaute Handgranaten besorgt, eine Armbrust, eine Neun-Millimeter-Pistole, Dolche und Messer. Was sie aber nicht wussten: Schon seit Monaten hatten die Ermittlungsbehörden die Zelle im Visier. Das würde bedeuten, dass die Behörden schon kurz nach der Gründung im September 2019 Informationen und Hinweise erhalten haben. Und so hörten die Beamten auch an diesem Abend Anfang Februar in Minden mit.

Bei ihren Treffen gingen die zwölf mutmaßlichen Rechtsextremisten immer konspirativ vor. Handys waren bei ihren Treffen nicht erlaubt und über die Anschläge durfte nur in Privaträumen geredet werden. Gebracht hat es nichts, wie wir heute wissen.

Werner S. und Tony E. sollen die Köpfe der rechtsextremistischen Terrorzelle sein. Die anderen sind Michael B., Thomas N. Thorsten W., Ulf R., Wolfgang W., Markus K., Frank H., Marcel W., Stefan K. und Steffen B. Schaut man sich ihre Profile in den Sozialen Netzwerken an, dann wird schnell klar, welcher Gesinnung sie folgen. Steffen B. zum Beispiel empfindet es als Perversion, wenn ein Ehepaar für herausragende Leistungen in der Integration von Migranten geehrt wird, und Angela Merkel ist für ihn die Terror-Kanzlerin, die im "Blut der Deutschen badet".

Stefan K. schmückt sein Profil mit der "Schwarzen Sonne", einem Symbol, mit dem die SS den Boden im Nordturm in der Wewelsburg dekorierte und in dem drei versetzt übereinandergelegte Hakenkreuze zu sehen sind. Der Anführer Werner S. gibt an, bei den Carabinieri zu arbeiten und in Savona zu wohnen. Einer seiner Freunde präsentiert sich auf seinem Profil mit einer Waffe. Viele andere hegen die gleiche Gesinnung. Und Thorsten W. liebt, wie andere der Gruppe auch, alles germanisch Rustikale.

Hass gegen Ausländer, Liebe für Hunde

Was sie alle eint: Sie hassen Ausländer, Linke, Juden, Fridays-for-Future-Aktivisten, Asylbewerber, Polizisten. Und natürlich Politiker und die EU. Den aus ihrer Sicht elitären Kreis von Verschwörern, die von Multikulti träumen und am liebsten die weißen Deutschen gegen nicht weiße Ausländer und Juden austauschen wollen. (Eine Idee, die erstmalig um 1900 in Frankreich von den Schriftstellern Jean Raspail und Maurice Barrès publiziert wurde und nun von der "Neuen Rechten" wieder aufgegriffen wird). Aber sie haben auch ein Herz für Hunde. Nahezu auf jedem Profil in den Sozialen Netzwerken setzen sie sich für verwahrloste Vierbeiner ein, posieren mit ihnen, suchen neue Besitzer für Streuner oder unterstützen Tierschutz-Initiativen.

In Minden, so berichtet "Der Spiegel", skizziert Werner S. dann vor wenigen Tagen seine Pläne. Und man bespricht die Aufgabenverteilung. Einige Männer sollen sich um die potenziellen Ziele kümmern, andere um die Beschaffung der Waffen. Zusammen wollen sie etwa 50.000 Euro auftreiben. Zehn Männer, so ihre Idee, sollen in zehn Bundesländern zeitgleich zuschlagen. Ein Fanal soll es werden. Laut ihrer kruden Logik würde es nach dem Anschlag zu Gegenangriffen und letztlich zu einem Bürgerkrieg kommen.

Vier der zwölf Personen sehen die Ermittler als festen Bestandteil der "Gruppe S" an, die anderen eher als Unterstützer. Mit dabei ein Polizeibeamter aus NRW, der in der Verwaltung tätig war. Nach dem Treffen in Minden und einem weiteren abgehörten Telefonat gab die Bundesanwaltschaft grünes Licht für die vorläufige Festnahme der zwölf Mitglieder. Der Anführer Werner S. war ihnen durchaus bekannt, wurde er schon vor Monaten als Gefährder registriert. Danach begannen die Vorbereitungen in sechs Bundesländern für die bevorstehenden Razzien.

Gefahr von Rechts ist groß

Lange warten, um genügend gerichtsverwertbare Beweise zu sammeln - das wollten die Behörden nicht. Zu frisch sind noch die Erinnerungen an den islamistisch motivierten Anschlag auf der Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016, bei dem der Tunesier Anis Amri zwölf Menschen tötete und 55 Besucher verletzte. Nun schlagen die Bundes- und Landeskriminalämter sowie die jeweiligen Staatsanwaltschaften lieber früher als zu spät zu.

Und die Gefahr von Rechts ist groß. Auf dem Europäischen Polizei-Kongress vor wenigen Tagen in Berlin warnte der oberste Verfassungsschützer Thomas Haldenwang noch eindringlich vor der Gewalt. "Wir haben in Deutschland 24.100 Rechtsextremisten, davon schätzen wir mehr als die Hälfte, also 12.700, als gewaltbereit ein", sagte Haldenwang. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der rechtsextremistischen Gefährder, also Personen, denen man Anschläge zutraut. Waren es 2018 nur 26 so ist die Zahl auf inzwischen 53 angestiegen. "Und sie wird vermutlich noch weiter steigen", sagte BKA-Chef Holger Münch. "Wir haben auch einen Anstieg im Bereich Hass-Kriminalität auf über 8.000 Fälle in 2018. Rassistische Straftaten sind in 2018 zu 2017 um 30 Prozent angestiegen und antisemitischen Straftaten um knapp 20 Prozent", sagte Münch.

Das liegt nicht nur daran, dass die Szene gewaltbereiter geworden ist. Vor allem aber schaut man sich die rechtsextreme Klientel jetzt genauer an. Gerade nach den Angriffen auf Politiker, den Hass-Mails im Netz, den zahllosen Mord-Aufrufen, Anschlagsplanungen von Gruppen wie der "Revolution Chemnitz" und dem Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie dem Doppelmord in Halle durch Rechtsterroristen hat sich das Blatt gewendet. Mehr Personal, mehr Geld, neue Technik wurde bewilligt. Wie erfolgreich die Zusammenarbeit der Behörden ist, wurde am vergangenen Freitag deutlich.

Morgens griffen die Einsatzkräfte in sechs Bundesländern zeitgleich zu. Die Festgenommenen aus Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sind allesamt Deutsche im Alter von 30 bis 60 Jahren. Noch am Nachmittag wurden sie dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes vorgeführt. Sie alle kamen in Untersuchungshaft.

Angeblich soll es auch zahlreiche weitere Verbindungen der Zelle geben. Nach Nordeuropa etwa zu den "Soldiers of Odin", die sich 2015 gründeten, um gegen Migranten zu kämpfen.

Nun schlägt die Stunde der Bundesanwaltschaft und der jeweiligen Strafverteidiger. Es wird Monate dauern, ehe mit einer Anklageerhebung zu rechnen ist. Dann wird sich zeigen, ob die Beweise in allen zwölf Fällen reichen. Die Bundesanwaltschaft jedoch ist sich sicher: Die Männer hatten einen tödlichen Plan. Sie wollten den Massenmord.

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Süddeutsche Zeitung Online, 17.02.2020:

Mutmaßliche rechte Terrorzelle: Mit gekreuzten Äxten und radikaler Gesinnung

17.02.2020 - 17.21 Uhr

Am Freitag haben Einsatzkräfte der Polizei ein führendes Mitglied der rechtsextremistischen Bürgerwehr "Wodans Erben Germanien" in dessen Laimer Wohnung festgenommen.

Der Generalbundesanwalt wirft dem Münchner Frank H. die Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor.

Ziel der "Gruppe S.", wie die Terrorzelle von Ermittlern genannt wird, soll es gewesen sein, durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Flüchtlinge und Moscheen einen Bürgerkrieg auszulösen.

Von Martin Bernstein

Er nannte sich "Sergeant at Arms" - in Rocker-Clubs ist man mit diesem Titel zuständig für Disziplin in der Truppe. Doch seine "Rocker" fahren nicht auf Motorrädern, sie sind mit "Heil!"-Grüßen, "White Power"-Tattoo und "Landser"-Kapuzenshirt auf dem Weg zurück in die Vergangenheit. Am Freitag haben Einsatzkräfte der Polizei ein führendes Mitglied der rechtsextremistischen Bürgerwehr "Wodans Erben Germanien" in dessen Wohnung im Münchner Stadtteil Laim festgenommen. Der Generalbundesanwalt wirft dem Münchner Frank H. die Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor.

Der "harte Kern" der mutmaßlichen Terrorbande und mindestens acht Unterstützer hatten sich nach Angaben der Ermittler zunächst im Internet in Chat-Gruppen ausgetauscht, im September und im Februar dann im württembergischen Alfdorf und im westfälischen Minden getroffen. Ob der Münchner Frank H. bei diesen Treffen dabei war, blieb zunächst offen. Kopf der Gruppe ist nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft ein Mann aus Mickhausen bei Augsburg gewesen. Auch er soll in der Vergangenheit Kontakt in die rechte Münchner Szene gehabt haben. Nach Informationen des Spiegel tauchte sein Name vor Jahren auf einer internen Interessentenliste der NPD München auf. Ein weiterer mutmaßlicher Terror-Unterstützer wurde nördlich von München festgenommen.

Ziel der "Gruppe S.", wie die Terrorzelle von Ermittlern genannt wird, soll es gewesen sein, durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Flüchtlinge und Moscheen einen Bürgerkrieg auszulösen. Man könne bis zu 2.000 Bewaffnete mobilisieren, soll einer der Männer geprahlt haben. Waffen sollen bei der Festnahme in Laim nicht gefunden worden sein. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe erließ am Samstag Haftbefehl gegen zwölf Männer, darunter auch Frank H. "Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen ... zugesagt haben, die Vereinigung finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an zukünftigen Anschlägen mitzuwirken", beschreibt die Bundesanwaltschaft die Rolle der Unterstützer.

An Flüchtlingsunterkünften, vor der Münchner Synagoge und an Orten der NS-Gewaltherrschaft traten die von Frank H. angeführten Wodanserben vergangenes Jahr auf. Die Rechtsextremisten versetzten Flüchtlinge in Angst und Schrecken, als sie in geschlossener Formation in eine Moosacher Asylbewerberunterkunft eindrangen. Sie marschierten mit Fackeln zum ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und zu den historischen Nazi-Bauten in der Maxvorstadt: "Der Balkon wo Adolf Hitler stand, um seine Parade abzunehmen. An den Tag wo Er Reichkanzler wurde", schrieben sie darüber.

Nach einem Treffen an der Bogenhausener Odin-Statue im März holten Polizisten sechs Teilnehmer aus der Straßenbahn und erstatten Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Im Juli stoppte und kontrollierte die Münchner Polizei die Gruppe vor der Synagoge am Jakobsplatz, auf Facebook forderten Wodans Erben: "Boycott Israel!" Im Oktober gingen die Rechtsextremisten in einer Tram auf einen Fotografen los. Im November versuchten sie, während eines linken Kongresses vor dem DGB-Haus zu provozieren. Zuletzt wurden "Wodans Erben" in ihren uniformähnlichen Jacken mit dem Wikinger-Helm und den gekreuzten Äxten bei der "Fridays gegen Altersarmut"-Kundgebung im Januar auf dem Marienplatz gesehen. Fast immer dabei: Frank H., der zwischenzeitlich sogar als "Präsident" der Gruppierung in Bayern aufgetreten sein soll.

Die aus der rechtsextremen Bürgerwehr "Soldiers of Odin" hervorgegangene Gruppe zeigte ihre Auftritte zunächst gerne in YouTube-Filmchen. Zu erkennen waren so auch die personellen Verbindungen in die rechte Szene - Reichsbürger sowie Mitglieder der NPD und der ebenfalls rechtsextremistischen "Pegida München" liefen mit. Der bayerische Verfassungsschutz konnte bereits vor einem Jahr "eine grundsätzliche Affinität der Gruppierungen zu Gewalt erkennen". Damals zeigte die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite unter der Überschrift "Sicher ist sicher ... " eine Toilette mit griffbereit daneben platzierter Pistole. Und kurz darauf den Spruch: "Der Tag, an dem ich aufgebe, ist der Tag, an dem ich sterbe. Ich bin Deutscher!"

Bildunterschrift: Mitglieder der rechtsextremen Bürgerwehr "Wodans Erben" patrouillieren immer wieder durch die Stadt.

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die tageszeitung Online, 17.02.2020:

Geplante Angriffe auf Moscheen / "Worauf warten die Behörden?"

Nach der Festnahme einer mutmaßlich rechten Terrorzelle fordern Muslime mehr Schutz. Zwischen Beschuldigten und der AfD soll es Verbindungen geben.

Konrad Litschko

Berlin (taz). Nachdem bekannt wurde, dass eine mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppe vorhatte, mehrere Moscheen in Deutschland anzugreifen, fordern islamische Verbände mehr Schutz. Die Terrorpläne seien "sehr erschreckend", sagte der Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, gegenüber der taz. "Ohne staatlichen Schutz wird die Situation immer gefährlicher. Worauf warten die Sicherheitsbehörden?"

Auch Mohammad-Dawood Majoka, Sprecher der Ahmadiyya-Gemeinden, forderte eine "erhöhte Wachsamkeit der Polizei". Die Gefahr von Angriffen auf Muslime werde immer noch unterschätzt.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Freitag zwölf Rechtsextremisten festnehmen lassen, denen sie vorwirft, eine terroristische Gruppe gebildet zu haben. In einer Chat-Gruppe firmierten die Männer als "Der harte Kern", Ermittler sprechen von der "Gruppe S.", benannt nach dem Anführer Werner S.

Geplant gewesen seien Angriffe auf Politiker, Geflüchtete und Muslime. Der Spiegel berichtet von einem Vorhaben, in "Kommandos" in zehn Bundesländern gleichzeitig Moscheen anzugreifen - mit dem Ziel eines Massakers wie 2019 im neuseeländischen Christchurch. Damit hätten die Neonazis Gegenangriffe provoziert wollen, die eine Art Bürgerkrieg auslösen sollten.

Ditib: Bereits zehn Angriffe seit Jahresbeginn

Bei ihren Razzien fanden die Ermittler tatsächlich mehrere Waffen, darunter eine scharfe Pistole und ein selbstgebautes Gewehr. Auch Sprengstoffexperten wurden für die Durchsuchungen dazu gerufen. Laut Bundesanwaltschaft waren die Anschlagspläne aber "noch nicht näher konkretisiert". Die Behörden hatten die Gruppe seit Monaten im Blick.

Ahmadiyya-Sprecher Majoka zeigte sich sehr besorgt. "Eine solch großangelegte Aktion hätte in einer Katastrophe enden können." Der Vorgang zeige einmal mehr, dass die Gefahr von rechts immer stärker werde. "Die Sicherheitsbehörden müssen deshalb sehr wachsam bleiben und all ihre präventiven und repressiven Mittel ausschöpfen", so Majoka zur taz.

Zekeriya Altug, Sprecher von Ditib, lobte die Sicherheitsbehörden für das Aufdecken der Terrorgruppe. Aber auch für ihn zeigt der Vorfall "den Ernst der Lage". "Der Point of no return rückt immer näher." Allein in den ersten zehn Wochen diesen Jahres habe es zehn Angriffe auf Ditib-Moscheen gegeben. "Muslime fühlen sich nicht mehr sicher. Die Gefahr ist real." Es fehle aber bis heute ein gesellschaftlicher Aufschrei, so Altug.

Auch Zentralratschef Mazyek forderte, "die Gefahr von antimuslimischen Rassismus in diesem Land nicht mehr kleinzureden".

Innenministerium: "abstrakte" Gefährdung

Ähnlich äußerte sich die SPD-Politikerin Sawsan Chebli. "Unsere Sicherheitsbehörden müssen sich noch viel stärker mit antimuslimischen Rassismus auseinandersetzen, mit einem wachsenden Rechtsterrorismus, der sich ganz gezielt gegen Muslime richtet."

Es dürfe nicht sein, dass bei Angriffen auf Muslimen noch immer von Fremdenfeindlichkeit gesprochen werde, dass solche Taten medial unter dem Radar liefen "als seien sie das Normalste der Welt". Gesellschaftlich dürfe dazu nicht geschwiegen werde, so Chebli zur taz. "All das trägt dazu bei, dass antimuslimischer Rassismus weiter in unserem Land um sich greift."

Laut jüngsten Zahlen der Bundesregierung gab es im vergangenen Jahr 184 Angriffe auf muslimische Einrichtungen und Repräsentanten. Erst vor wenigen Tagen hatte es Bombendrohungen gegen vier Moscheen in NRW gegeben. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sprach von einer derzeit "abstrakten" Gefährdungslage für muslimische Einrichtungen. Für konkrete Sicherheitsmaßnahmen seien die Länder zuständig.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Wer hier in Deutschland seine Religion praktizieren will und das im Rahmen unser Rechtsordnung tut, der soll das ohne Gefährdung, ohne Bedrohung tun können."

Verbindungen zur AfD

Für Rechtsextremisten sind Muslime inzwischen ein erklärtes Feindbild, da diese angeblich einen "Bevölkerungsaustausch" anstreben würden. Der Halle-Attentäter suchte nach seinem gescheiterten Angriff auf die Synagoge gezielt einen Döner-Imbiss auf um nach migrantischen oder muslimischen Opfern zu suchen, einen Mann erschoss er dort.

Auch die 2017 wegen Rechtsterrorplänen verurteilte "Oldschool Society" hatte bereits Anschläge auf muslimische Einrichtungen diskutiert. Ihr Anführer bekundete damals: "Waffen besorgen, Moschee reinrennen, bambam, fertig."

Zu der nun festgesetzten "Gruppe S." werden derweil auch Bezüge zur AfD bekannt. Die Partei bestätigte der taz, dass ihr mutmaßlicher Anführer Werner S. "kurzfristig auf einer unserer E-Mail-Adressen-Listen auftauchte". Offenbar habe S. seine Mail-Adresse auf einer der Internetseiten der AfD eingetragen, so ein Sprecher. Er betonte aber: "Der Bundesverband der Alternative für Deutschland stand zu keinem Zeitpunkt und steht in keinerlei Verbindung mit Herrn S." Aussagen zu lokalen Verbindungen machte der Sprecher nicht.

Werner S. war auf seinem Facebook-Profil auch mit einem AfD-Funktionär aus Sachsen-Anhalt befreundet. Mehrere der anderen Beschuldigten teilten in Sozialen Medien auch AfD-Bildbotschaften. Die Männer bewegten sich vor ihren Festnahmen in Kreisen rechtsextremer Bürgerwehren und Kameradschaften.

Ihr Anführer Werner S., ein 53-jähriger Bayer, wurde laut Medienberichten seit einigen Monaten als Gefährder geführt, dem schwerste Straftaten zuzutrauen sind. Inzwischen wurden gegen alle Männer Haftbefehle verhängt.

Bildunterschrift: Karlsruhe am 15. Februar: Festgenommene werden den Haftrichtern des BGH vorgestellt.

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tagesschau.de, 17.02.2020:

Razzia gegen Rechtsextreme / Informant in mutmaßlicher Terrorzelle

17.02.2020 - 14.54 Uhr

Bei den Razzien gegen eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle wurde ein Verdächtiger nicht festgenommen. Nach Recherchen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio handelte es sich um einen Informanten der Polizei.

Zwei Tage nach den Razzien gegen eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle in sechs Bundesländern werden weitere Details zu den Ermittlungen bekannt. So gab es nach Recherchen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio einen hochrangigen Informanten der Polizei, der Mitglied der "Gruppe S." war. Dabei handelt es sich um eine dreizehnte Person, die am Freitag nicht festgenommen wurde, was Spekulationen über einen V-Mann oder einen Verdeckten Ermittler ausgelöst hatte.

Dieser Mann hatte bereits Anfang Oktober 2019 - also vier Monate vor dem Auffliegen der Gruppe - gegenüber der Polizei umfangreiche Angaben über die Terrorzelle gemacht, die anderen Mitglieder der Gruppe jedoch nicht gewarnt. Ebenfalls Anfang Oktober wurde dieser Mann auf dem Heidelberger Hauptbahnhof von der Bundespolizei kontrolliert. Die Beamten fanden damals eine Gasdruckwaffe bei ihm, die er nicht hätte besitzen dürfen.

Kurzfristig organisierte Razzien

Auch bei einem Treffen der Gruppe auf dem Grillplatz Hummelgautsche, 50 Kilometer östlich von Stuttgart war der dreizehnte Mann dabei. Nach Informationen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio aus Ermittlerkreisen präsentierte er sich vor dem Rest der Gruppe mit einem martialischen Messer.

In der vergangenen Woche riss der Kontakt der Polizei zu dem Mann jedoch ab. Das federführende LKA Baden-Württemberg fürchtete deswegen einerseits um die Sicherheit des Mannes. Andererseits hatte man Sorge vor spontanen Taten der Gruppe. Deswegen wurde die Durchsuchungsaktion vom vergangenen Freitag sehr kurzfristig organisiert, heißt es aus Ermittlungskreisen.

Zwölf Haftbefehle erlassen

Zwölf der Beschuldigten sitzen mittlerweile in Haft. Es handelt sich um vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und acht mutmaßliche Unterstützer. Ziel der "Gruppe S." war es laut Bundesanwaltschaft, die Staats- und Gesellschaftsordnung in Deutschland zu erschüttern und dadurch zu zerstören. Dafür sollten Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime verübt werden, um bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen.

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Westfalen-Blatt Online, 17.02.2020:

Waffen bei Terrorverdächtigem gefunden

Besitzer aus dem Kreis Minden-Lübbecke zählt offenbar zur "Reichsbürger"-Bewegung

Minden (WB/as). Bei der Razzia gegen mutmaßliche rechtsextreme Terroristen sollen am Freitag im Kreis Minden-Lübbecke bei einem Beschuldigten viele Waffen und selbst gebaute Handgranaten gefunden worden sein.

Die "Tagesschau" berichtet, dass die Konstruktion der Sprengsätze so sensibel gewesen sei, dass der Kampfmittel-Räumdienst sie zunächst nicht einmal berühren wollte. In einer anderen Wohnung soll sich eine beachtliche Sammlung von Messern und Dolchen nebst einer Armbrust befunden haben.

Der Besitzer zählt offenbar zur "Reichsbürger"-Bewegung und hatte seine Ersparnisse in Goldbarren angelegt. Wieder ein anderer Beschuldigter hatte eine scharfe Pistole Kaliber neun Millimeter bereit liegen, heißt es in Ermittlungskreisen.

Nach bundesweiten Razzien gegen eine mutmaßlich rechte Terrorzelle hatten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen.

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 17.02.2020:

Rechte Terrorzelle: Verdächtige auch aus NRW

17.02.2020 - 11.40 Uhr

Vier Rechtsterror-Verdächtige stammen aus NRW

Terrorzelle traf sich offenbar in Minden

Zahl der Gefährder in NRW gestiegen

Nach bundesweiten Razzien am Freitag (14.02.2020) gegen eine mutmaßlich rechte Terrorzelle haben Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer befinden sich in Untersuchungshaft. Vier von ihnen stammen aus NRW. Zum Kern der Gruppe rechnet die Bundesanwaltschaft einen 35-Jährigen aus dem Kreis Minden-Lübbecke, dort soll sich die Gruppe auch getroffen haben.

Zahl der rechten Gefährder in NRW steigt

Im Zuge der Ermittlungen wurde zudem bekannt, dass die Zahl der rechten Gefährder, denen schwere staatsgefährdende Gewalttaten und Anschläge zugetraut werden, in NRW seit Oktober von 15 auf 17 gestiegen ist. Das bestätigte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums der Westdeutschen Zeitung. "Die Gesamtzahl liegt sogar bei 31", führte der Sprecher weiter aus. Darin würden 14 so genannte "relevante Personen" mit berücksichtigt, deren Gefährlichkeit von den Sicherheitsbehörden geringer eingeschätzt werde als die der Gefährder.

Beschuldigter ist mutmaßlich ein Reichsbürger

Nach Recherchen des WDR soll der Mann aus Minden zum Kern der Gruppe gehört haben. Er soll einen Tag vor der Razzia zum letzten Mal etwas auf Facebook gepostet haben: Ein Foto eines nordischen Kriegers mit einer blutverschmierten Axt. Dazu der Spruch "Widerstand ist der einzige Weg. Wir bleiben unbeugsam." Sein Profil weist ihn als Reichsbürger aus. Er teilte zum Beispiel mehrfach Inhalte anderer Nutzer, wie rassistische oder antisemitische Bilder, Texte und Videos, in denen der Staat abgelehnt und als GmbH bezeichnet wird.

Der Mindener Thomas N. ist ein Facebook-Freund von Ulf R., einem weiteren Verdächtigen aus Porta Westfalica. Nach Recherchen des SWR und des ARD-Hauptstadtstudios wurden bei den Razzien scharfe Waffen gefunden: bei Ulf R. unter anderem mehrere selbstgebaute Eier-Handgranaten. Die waren so instabil, dass Spezialkräfte kommen mussten, um sie zu sichern. Der Mann aus Porta Westfalica soll der Polizei bei seiner Festnahme laut Westfalen-Blatt außerdem Waffen-Depots im Wald gezeigt haben.

Auch bei Thomas N. wurden Waffen gefunden: ein Revolver, ein Gewehr mit Zielfernrohr, 50 Stichwaffen, eine Armbrust, Äxte und Morgensterne sowie Münzen und Barren aus Gold und Silber. Laut SWR und ARD hatte die Gruppe auch konkrete Pläne, wie etwa Moscheen in kleineren Städten anzugreifen.

Offenbar traf sich die Terrorzelle in Minden

Von den vier Terrorverdächtigen, die seit dem Wochenende in Untersuchungshaft sitzen, kommen allein drei aus dem Kreis Minden-Lübbecke. Woher der vierte stammt, ist derzeit noch unklar. Mehr als zehn Personen sollen am Samstag der Vorwoche in Minden bei Thomas N. zusammengekommen sein. Dieses Treffen sei von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert worden.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Freitag zu den Durchsuchungen bekanntgegeben, dass ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei suspendiert worden sei. Dieser Mann ist dem Vernehmen nach einer der mutmaßlichen Unterstützer.

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Radio Westfalica, 17.02.2020:

Polizei im Kreis Minden-Lübbecke stellt große Mengen Waffen sicher

Bei der Razzia gegen Rechtsextreme haben die Ermittler im Kreis Minden-Lübbecke ein großes Waffenarsenal sichergestellt. Bei zwei der Tatverdächtigen wurden mehrere Messer und eine Armbrust, aber auch Schusswaffen und selbstgebaute Handgranaten gefunden. Zwölf Mitglieder der mutmaßlichen Terrorzelle sitzen in U-Haft.

Dass die Ermittler bei den Durchsuchungen auf Waffen stoßen würden, war vorher klar. Allerdings nicht in diesem Umfang. Die selbstgebastelten Sprengsätze waren so gefährlich, dass selbst der Kampfmittelräumdienst zunächst die Finger davon ließ. Die einzelnen Mitglieder der mutmaßlichen rechten Terrorzelle wollten insgesamt 50.000 Euro zusammenbekommen, damit zwei von ihnen Waffen auftreiben konnten. Parallel dazu wurden Anschlagsziele ausgekundschaftet. Es sollten, ähnlich wie im neuseeländischen Christchurch, bei mehreren Angriffen auf Moscheen Muslime beim Beten getötet werden.

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MiGAZIN, 17.02.2020:

Bundesweite Festnahmen / Rechtsextremisten wollten Blutbad in Moscheen

Nach Razzien sind zwölf Männer wegen Bildung und Unterstützung einer rechten Terrorzelle festgenommen worden, einer der Beschuldigten ist Polizei-Mitarbeiter. Es wurde eine Waffe gefunden, wie sie auch der Halle-Attentäter besaß. Die Beschuldigten wollten Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime verüben.

Von Leonie Mielke

Wegen des Verdachts der Bildung und Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung hat die Bundesanwaltschaft am Freitag zwölf Männer festnehmen lassen. Am Vormittag hatte es deswegen in mehreren Bundesländern Durchsuchungen gegeben. Dabei wurde laut Medienberichten auch eine ähnliche Schusswaffe gefunden, wie sie der antisemitische Attentäter von Halle besaß. Die Beschuldigten wurden dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt. Gegen sie wurden Haftbefehle erlassen. Seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft.

Durchsuchungen gab es in 13 Wohnungen in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Ziel des Netzwerkes sei es gewesen, die Staats- und Gesellschaftsordnung in Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden, teilte der Generalbundesanwalt mit. Dafür sollten den Angaben zufolge Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime verübt werden, um bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen. Die Anschläge seien noch nicht näher konkretisiert worden.

Fünf Personen werfen die Ermittler vor, die Terrorzelle gegründet zu haben. Sie sollen sich im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben. Vier von ihnen wurden festgenommen. Medienberichten zufolge agierten die vier mutmaßlichen Mitglieder und acht Unterstützer unter dem Gruppennamen "Der harte Kern". Zudem durchsuchten die Ermittler die Wohnungen von acht Unterstützern, die ebenfalls festgenommen wurden. Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen zugesagt haben, die Vereinigung finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an den Anschlägen mitzuwirken.

Konkrete Pläne für Angriffe auf Moscheen

Nach Informationen des Magazins "Spiegel" wurde der mutmaßliche Anführer der Gruppe von den Sicherheitsbehörden als rechtsextremer Gefährder geführt. Nach Medienberichten wurden bei den Razzien scharfe Waffen gefunden, neben einer schussbereiten 9-Millimeter-Pistole auch selbst gebaute Handgranaten.

Festgenommener ist Mitarbeiter der Polizei

Die zwischen 20 und 50 Jahre alten Männer hätten sich über den Messenger-Dienst WhatsApp kennengelernt und vernetzt, hieß es unter Berufung auf Ermittlerkreise. Später habe es etliche Treffen der Mitglieder gegeben. Die Ermittler hätten mehrere Bezüge der Männer zur rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin" (SOO) festgestellt. Die SOO ist eine 2015 in Finnland gegründete rechtsextremistische Bürgerwehr, die sich dann auch in Deutschland bildete.

Bei einem der Festgenommenen soll es sich um einen Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Nordrhein-Westfalen handeln, wie der "Der Spiegel" unter Berufung auf NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) mitteilte. Unter den gefundenen Waffen soll sich auch eine selbstgebaute "Slam"-Gun befinden. Eine ähnliche Schusswaffe besaß den Angaben zufolge auch der Attentäter von Halle, der im vergangenen Oktober eine Synagoge attackierte. (epd/mig)

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Mindener Tageblatt, 17.02.2020:

Teil des "harten Kerns"?

Der am Freitag in Minden verhaftete mutmaßliche Mitbegründer eines rechten Terror-Netzwerkes war im Internet sehr aktiv

Jan Henning Rogge

Minden. Schneeglöckchen blühen im Vorgarten des schlichten und in die Jahre gekommenen Einfamilienhauses im Mindener Norden. Die immergrüne Hecke ist sorgsam gestutzt, kein Zweig ragt auf den Gehweg. In der Nachbarschaft werden die Gärten gepflegt, der unerwartet sonnige Tag lockt die Menschen vor die Tür. Nichts weist darauf hin, dass hier am Tag zuvor der mutmaßliche Mitbegründer einer rechtsextremen Terrorzelle festgenommen wurde, die sich nach Informationen der "Welt am Sonntag" selbst "Der harte Kern" genannt haben soll. Nachbarn hatten die Aufforderung der Beamten gehört, nicht das Haus zu verlasen, sich aber bald nach dem Zugriff ihren Alltagsgeschäften gewidmet. Schließlich hatte es in dem Haus bereits vor einigen Jahren einen Polizeieinsatz gegeben, ohne dass die Gründe bekannt waren. "Ich dachte, es wäre einfach mal wieder so weit", sagt ein Nachbar.

Nach außen sichtbare Zeichen der politischen Einstellung des aus Ostdeutschland stammenden Handwerkers sind offenbar lediglich die Aufkleber auf dem Transporter, der vor der Tür des Hauses geparkt ist. Sie weisen auf seine Nähe zu den so genannten "Reichsbürgern" hin, die die Bundesrepublik als Nachfolgestaat des Deutschen Reichs nicht anerkennen. Menschen, die den selbstständigen Handwerker durch seine Arbeit kannten, beschreiben ihn als eigensinnig und nicht besonders zugänglich. Seine politische Haltung habe er nur gemäßigt preisgegeben.

Drastisch deutlicher wird seine Haltung jedoch auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Profil, auf dem er seit 2014 aktiv ist. Seinen mehr als 4.600 Kontakten zeigte er hier mitunter mehrfach täglich politisch motivierte Posts. Oft sind das mit nordisch-germanischer Mythologie durchsetzte beschriftete Bilder von archaischen Kriegern, die zu Widerstand, Opferbereitschaft und Kampf aufrufen. "Wotan wird uns zum Sieg führen", steht in seinem Steckbrief auf der Seite, eigentlich eine Personenbeschreibung.

Wogegen gekämpft werden soll, erschließt sich dann in anderen Posts: Immer wieder wird besonders Angela Merkel, aber auch anderen Politikern unredliches Handeln vorgeworfen, die Bundesrepublik als Unrechtsstaat oder von den Alliierten bis heute besetztes Land dargestellt - eine von Reichsbürgern häufig behauptete These. Dazwischen gibt es Videos und Artikel mit Verschwörungstheorien. So warnt der Mann seine Facebook-Bekanntschaften mehrfach vor der angeblich drohenden "Umvolkung", vor Impfschäden und vor so genannten "Chemtrails", von Flugzeugen ausgebrachte Giftstoffe, mit denen zum Beispiel die Bevölkerung reduziert werden soll. Quellen dieser Videos und Texte sind häufig der politischen Rechten nahestehende Online-Magazine.

Ebenso teilte er Beiträge der vom staatlichen russischen Medienunternehmen Rossija Sewodnja finanzierten Portale "Russia Today" und "Sputniknews". Mehrfach postete er Links, die in das ebenfalls aus Russland stammende VK-Netzwerk verweisen. Das Netzwerk ist heftig umstritten, weil es rechtsradikalen Gruppen offen steht, nicht aber russischen Regierungs-Kritikern.

Am Samstagabend wurde der Mindener wie auch die anderen festgenommenen Männer in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der gegen alle Beschuldigten einen Haftbefehl erließ. Damit bleiben die vier Hauptverdächtigen und acht mutmaßliche Unterstützer, darunter auch ein Mann aus Kleinenbremen, vorerst in Untersuchungshaft. In Kleinenbremen und Minden sollen auch größere Mengen an Waffen und Sprengsätzen gefunden worden sein (Seite 1).

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, mehr als zehn Mitglieder und Unterstützer der Gruppe hätten sich am vorvergangenen Samstag in Minden getroffen. Das Treffen sei von den Sicherheitsbehörden "mit großem Aufwand observiert" worden. Bereits seit September hätten Fahnder des Stuttgarter Landeskriminalamts das nach dem Anführer Werner S. intern als "Gruppe S." bezeichnete Netzwerk im Blick gehabt. Am Freitag erfolgte dann der Zugriff.

Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882224 oder JanHenning.Rogge@MT.de.

Bildunterschrift: Am Tag nach der Verhaftung gibt es am Wohnort des mutmaßlichen Mitbegründers des Terror-Netzwerkes "Der harte Kern" keinen Hinweis auf die Polizeiaktion.

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Mindener Tageblatt, 17.02.2020:

Waffenlager in Minden entdeckt

Nach den Razzien gegen die mutmaßlich rechte Terrorzelle haben Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen / Offenbar Treffen in Minden

Minden / Karlsruhe (mt/dpa). Bei der Razzia in Minden und Porta Westfalica am vergangenen Freitag sollen die Einsatzkräfte viele Waffen und selbstgebaute Handgranaten gefunden haben. Das berichtete die "Tagesschau". Demnach soll die Konstruktion der Sprengsätze so sensibel gewesen sein, dass der Kampfmittel-Räumdienst sie zunächst nicht einmal berühren wollte. Auch an anderen Durchsuchungsorten wurden Waffen gefunden: Messer, Dolche, eine Armbrust und eine Pistole. Mit dieser Dimension hatte man beim Generalbundesanwalt offenbar nicht gerechnet.

Die Razzien gegen die mutmaßlich rechte Terrorzelle wurden in sechs Bundesländern durchgeführt. Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) haben am Samstag Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer befinden sich in Untersuchungshaft. Das erklärte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Für die Anhörungen waren alle zwölf Männer an den BGH nach Karlsruhe gebracht worden.

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen. Das Vorhaben sei aber noch nicht näher konkretisiert worden.

Wie es unter Berufung auf Ermittlerkreise heißt, agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern". Die Festgenommenen, alles Deutsche, sind dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt.

Laut Bundesanwaltschaft hatte sich die Gruppe in Chats und telefonisch ausgetauscht und auch schon mehrfach getroffen. Diese Treffen soll der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg koordiniert haben, zum Teil unterstützt von Tony E. (39) aus Niedersachsen. Wie "Der Spiegel" berichtete, sollen mehr als zehn Leute am Samstag der Vorwoche in Minden zusammengekommen sein. Dieses Treffen sei von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert worden. Von dort soll der 35-jährige Thomas N. stammen, der ebenfalls zum Kern der Gruppe gehören soll.

Berichten zufolge hatten Stuttgarter Staatsschützer die Gruppe seit fünf Monaten im Visier. Ein V-Mann soll den Ermittlungsbehörden Informationen übermittelt haben. Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf Nachfrage nicht zu dieser Frage sowie zu weiteren Details der Razzien und möglichen Anschlagszielen äußern.

Offenbar Angriffe auf Moscheen geplant

Die enttarnte und am Freitag ausgehobene rechtsextreme Gruppe hatte offenbar konkrete Pläne, Moscheen in kleineren deutschen Städten anzugreifen. In einem von den Sicherheitsbehörden überwachten Gespräch soll die Rede von "Kommandos" gewesen sein, die angeblich in "zehn Bundesländern" zuschlagen sollten.

Seite 2

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Neue Westfälische, 17.02.2020:

Terrorverdacht gegen Thomas N.

In dem Haus des festgenommenen Mindeners hatte es bereits vor einigen Jahren einen Polizeieinsatz gegeben / Seine Online-Aktivitäten weisen auf seine Gesinnung hin

Jan Henning Rogge

Minden. Schneeglöckchen blühen im Vorgarten des schlichten und in die Jahre gekommenen Einfamilienhauses von Thomas N. im Mindener Norden. In der Nachbarschaft werden am Samstag die Gärten gepflegt. Nichts weist darauf hin, dass hier am Tag zuvor der mutmaßliche Mitbegründer einer rechtsextremen Terrorzelle festgenommen wurde.

Nachbarn hatten die Aufforderung der Beamten gehört, nicht das Haus zu verlassen, sich aber bald nach dem Zugriff ihren Alltagsgeschäften gewidmet. Schließlich hatte es in dem Haus bereits vor einigen Jahren einen Polizeieinsatz gegeben, ohne dass die Gründe bekannt waren. "Ich dachte, es wäre mal wieder so weit", sagt ein Nachbar.

Nach außen sichtbare Zeichen der politischen Einstellung des Handwerkers sind offenbar lediglich die Aufkleber auf dem Transporter, der vor der Tür des Hauses geparkt ist. Sie weisen auf seine Nähe zu den so genannten "Reichsbürgern" hin, die die Bundesrepublik als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches nicht anerkennen.

Drastisch deutlicher wird seine politische Einstellung aber auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Profil. Seinen mehr als 4.600 Kontakten zeigte er hier politisch motivierte Posts. Oft sind das mit nordisch-germanischer Mythologie durchsetzte beschriftete Bilder von archaischen Kriegern, die zu Widerstand, Opfer-Bereitschaft und Kampf aufrufen. Wogegen gekämpft werden soll, erschließt sich dann in anderen Posts: Immer wieder wird besonders Angela Merkel aber auch anderen Politikern unredliches Handeln vorgeworfen, die Bundesrepublik als Unrechtsstaat oder von den Alliierten bis heute besetztes Land dargestellt, eine von Reichsbürgern häufig behauptete These.

Dazwischen gibt es geteilte Videos und Artikel mit gängigen Verschwörungstheorien. Ebenso teilte er Beiträge der vom staatlichen russischen Medienunternehmen Rossija Sewodnja finanzierten Portale "Russia Today" und "Sputniknews". Mehrfach postete er Links, die in das ebenfalls aus Russland stammende VK-Netzwerk verweisen. Das Netzwerk ist heftig umstritten, weil es rechtsradikalen Gruppen offen steht, nicht aber russischen Regierungs-Kritikern.

Am Samstag wurde der Mindener wie auch die anderen festgenommenen Männer in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes vorgeführt, der gegen alle Beschuldigten einen Haftbefehl erließ. Damit bleiben die vier Hauptverdächtigen und acht mutmaßlichen Unterstützer, darunter auch ein Mann aus Kleinenbremen, vorerst in Untersuchungshaft.

Verbindungen nach Finnland

Die festgenommenen Männer sollen unter anderem Bezüge zu der rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin" (SOO) gehabt haben. Deren Mitglieder tauchten zuerst im Zuge der Flüchtlingskrise auf.

In der nordfinnischen Kleinstadt Kemi an der Grenze zu Schweden organisierten sie 2015 im Stile einer Bürgerwehr Straßenpatrouillen.

Die Gruppe lehnt Migration und den Islam ab, weist aber Vorwürfe zurück, rassistisch oder kriminell zu sein.

Bildunterschrift: Die zwölf am Freitag festgenommenen Männer wurden am Wochenende dem Ermittlungsrichter vorgeführt.

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Neue Westfälische, 17.02.2020:

Riesiger Waffenfund bei Mindener Terrorverdächtigem

Nach den Razzien haben Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen / Inzwischen wurden neue Details zu der Gruppierung bekannt

Minden / Karlsruhe (dpa).Bei der Razzia im Kreis Minden-Lübbecke sollen die Einsatzkräfte viele Waffen und selbstgebaute Handgranaten gefunden haben. Das berichtete die Tagesschau. Demnach soll die Konstruktion der Sprengsätze so sensibel gewesen sein, dass der Kampfmittel-Räumdienst sie zunächst nicht einmal berühren wollte. Auch an anderen Durchsuchungsorten wurden Waffen gefunden: Messer, Dolche, eine Armbrust und eine Pistole. Mit dieser Dimension hatte man beim Generalbundesanwalt offenbar nicht gerechnet.

Die Razzien gegen die mutmaßlich rechte Terrorzelle wurden in sechs Bundesländern durchgeführt. Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) haben am Samstag Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer befinden sich in Untersuchungshaft. Das erklärte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Für die Anhörungen waren alle zwölf Männer an den BGH nach Karlsruhe gebracht worden.

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen. Das Vorhaben sei aber noch nicht näher konkretisiert worden.

Wie es unter Berufung auf Ermittlerkreise heißt, agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern". Die Festgenommenen, alles Deutsche, sind dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt. Laut Bundesanwaltschaft hatte sich die Gruppe in Chats und telefonisch ausgetauscht und auch schon mehrfach getroffen. Diese Treffen soll der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg koordiniert haben, zum Teil unterstützt von Tony E. (39) aus Niedersachsen. Wie "Der Spiegel" berichtete, sollen mehr als zehn Leute am Samstag der Vorwoche in Minden zusammengekommen sein. Dieses Treffen sei von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert worden. Von dort soll der 35-jährige Thomas N. stammen, der ebenfalls zum Kern der Gruppe gehören soll.

Berichten zufolge hatten Stuttgarter Staatsschützer die Gruppe seit fünf Monaten im Visier. Ein V-Mann soll den Ermittlungsbehörden Informationen übermittelt haben. Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf Nachfrage nicht zu dieser Frage sowie zu weiteren Details der Razzien und möglichen Anschlagszielen äußern.

Angriffe auf Moscheen geplant

Die jetzt enttarnte rechtsextreme Gruppe hatte offenbar konkrete Pläne, Moscheen in kleineren deutschen Städten anzugreifen.

In einem von den Sicherheitsbehörden überwachten Gespräch soll die Rede von "Kommandos" gewesen sein, die angeblich in "zehn Bundesländern" zuschlagen sollten.

Zwischen Weser und Rhein

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Westfalen-Blatt, 17.02.2020:

Razzia in rechter Szene: Verdächtige in Haft

Treffen in Minden observiert - Gruppe nennt sich "Der harte Kern"

Karlsruhe / Minden (dpa). Nach den Razzien, auch in Minden und Porta Westfalica, ge­gen eine mutmaßlich rechtsex­treme Terrorzelle haben Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) Haftbefehle ge­gen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer befinden sich in Untersuchungshaft. Das erklärte die Bundesanwaltschaft.

Der Generalbundesanwalt war am Freitag mit Razzien in sechs Bundesländern gegen die Gruppe vorgegangen. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen.

Die Festgenommenen sind zwischen 31 und 60 Jahre alt. Vier von ihnen sollen sich zu der eigentlichen Terrorzelle zusammengeschlossen haben. Die acht anderen halten die Ermittler für Unterstützer. Sie sollen sich bereit erklärt haben, Geld zu geben, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken. Zum Kern der Gruppe rechnet die Bundesanwaltschaft noch einen fünften Mann. Er wurde aber als Einziger nicht festgenommen.

Laut Bundesanwaltschaft hat­te sich die Gruppe in Chats und telefonisch ausgetauscht und auch schon mehrfach getroffen. Diese Treffen soll der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg koordiniert haben, zum Teil unterstützt von Tony E. (39) aus Niedersachsen (Landkreis Uelzen).

Dem "Der Spiegel" zufolge sollen mehr als zehn Leute am Samstag der Vorwoche in Minden zusammengekommen sein. Dieses Treffen sei von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert worden. Zum Kern der Gruppe sollen zudem Thomas N. (35) aus dem Kreis Minden-Lübbecke und Michael B. (47) aus Baden-Württemberg (Raum Esslingen) gehört haben.

Nach "Spiegel"-Informationen wurde der mutmaßliche Anführer der Gruppe von den Sicherheitsbehörden als rechtsextremer Gefährder geführt. Wie das Magazin berichtet, hatten Staatsschützer den 53-jährigen Werner S. aus dem Raum Augsburg bereits vor mehreren Monaten entsprechend eingestuft. Bundesweit zählte die Polizei demnach zuletzt 53 rechtsextreme Gefährder, denen sie schwere Gewalttaten bis hin zu Anschlägen zutraut.

Laut "Welt am Sonntag" agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern". Die Männer hätten Bezüge zu der rechtsextremen finnischen Gruppierung "Soldiers of Odin" gehabt. Deren Mitglieder tauchten zuerst im Zuge der Flüchtlingskrise auf. Ziel war es nach ihrer Darstellung, die Polizei zu unterstützen, weil diese nicht in der Lage sei, insbesondere Frauen vor Übergriffen von Asylbewerbern zu schützen. Die Gruppe lehnt Migration und den Islam ab, weist aber Vorwürfe zurück, rassistisch oder kriminell zu sein.

Bildunterschrift: Ein Verdächtiger wird zum BGH gebracht.

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die tageszeitung Online, 16.02.2020:

Rechtsextreme Terrorgefahr / Kein Ende der Eskalation in Sicht

Die vom Bundesgerichtshof verfügten Haftbefehle zeigen: Es gibt keine Entwarnung bei der rechtsextremen Bedrohung.

Kommentar von Konrad Litschko

Es ist ernst. Zwölf Männer hat die Bundesanwaltschaft festnehmen lassen, zwölf Rechtsextremisten. Männer, die sich über Monate in Chats hochschaukelten, in ihren Hass auf liberale Politiker, auf Geflüchtete, auf Muslime. Die sich teils in Bürgerwehren organisierten und schließlich mehr wollten: Waffen, Gewalt, einen Bürgerkrieg. Terror.

So sieht es die Bundesanwaltschaft. Und wie es bisher ausschaut, hat sie dafür gute Gründe. Die Festgenommenen waren zwar keine langjährigen Szene-Kader wie die Neonazis der zuletzt verbotenen "Combat 18"-Gruppe. Aber auch diese Männer waren offenbar fest zur Gewalt entschlossen. Sie suchten aktiv nach Waffen, hatten einige schon in Besitz, schmiedeten Pläne bei persönlichen Treffen. Immer wieder bestärkten sie sich gegenseitig, in den Kampf gegen das System treten zu wollen, dafür bis nach "Walhalla" zu gehen. Und das waren nur Äußerungen in der offenen Kommunikation.

Das zeigt, welche Gefahr diesem Land weiterhin von rechtsaußen droht. Es ist daher ein gutes Zeichen, dass die zwölf Terrorverdächtigen nun festgenommen sind. Denn lange Zeit schauten die Sicherheitsbehörden vor allem auf islamistische Bedrohungen, Entschlossenheit gegen die rechtsextreme Szene fehlte - wie etwa das jahrelange Treiben von Combat 18 zeigt. Zuletzt aber schwenkte der Blick auch nach rechts. Zuständiges Personal in den Behörden wird ausgebaut, die rechtsextreme Szene systematischer durchkämmt, die Zahl der rechtsextremen Gefährder hochgestuft. Auch einer der jetzt Festgenommenen soll als solcher geführt worden sein. In diesem Fall lief offenbar alles glatt: Die Gefahr wurde früh erkannt und rechtzeitig ausgeschaltet.

Der Fall zeigt aber auch: Es gibt keine Entwarnung bei der rechtsextremen Bedrohung. Denn das Problem ist: Es gibt viele solcher Personen wie die Festgenommenen, da draußen in Deutschland. Hochgeputschte der seit 2015 geführten Debatte über die Geflüchteten. Menschen, die sich in Online-Parallelwelten versammeln, die Verschwörungen wittern und in einen Hass steigern, in dem am Ende überall "Volksverräter" lauern.

Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke liegt erst ein gutes halbes Jahr zurück, der versuchte Anschlag auf die Synagoge in Halle mit zwei erschossenen Passanten noch kürzer. Und in Sachsen erwarten acht Männer bald ihr Urteil, die als "Revolution Chemnitz" ebenfalls Anschläge geplant haben sollen. Trotzdem gibt es in der rechtsextremen Szene kein Innehalten. Das beweisen nicht zuletzt die jetzigen Festnahmen. Es wird sich immer weiter aufgestachelt. Das Ende der Eskalation ist offenbar noch nicht erreicht. Die Behörden und diese Gesellschaft dürfen in ihrer Wachsamkeit und Gegenwehr deshalb nicht nachlassen. Es ist ernst.

Bildunterschrift: Einer der Festgenommenen wird von Polizisten mit zum Bundesgerichtshof gebracht.

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die tageszeitung Online, 16.02.2020:

Rechtsextremistische Terrorzelle / Großgermanen in U-Haft

16.02.2020 - 17.39 Uhr

Sie fantasieren von Odin und Walhall: Jetzt sitzen zwölf Mitglieder der "Gruppe S." in Haft. Der Vorwurf: die Planung von Anschlägen.

Ein Artikel von Konrad Litschko, Christina Schmidt, Sebastian Erb

Es ist spät am Donnerstagabend, als Thomas N. auf seinem Facebook-Profil eine Botschaft teilt. "Widerstand ist der einzige Weg! Wir bleiben unbeugsam", schreibt er. Der 35-Jährige verbreitet dort viel, berichtet von gefährlichen Chemtrails, die die Luft vergiften, kritisiert den so genannten Schuldkult der Deutschen und ihrer Vergangenheit und teilt die Auffassung der Reichsbürger, die Bundesregierung sei illegal im Amt.

Über die Antifa schreibt Thomas N.: "Es wird Zeit diesen Dreck zu beseitigen." Der Spruch vom Widerstand stammt von einer Fan-Seite für die rechtsextreme Vereinigung "Wodans Erben Germanien". Thomas N. teilt sie, es ist sein vorerst letzter Post. Am nächsten Morgen gegen sechs Uhr nimmt die Polizei ihn fest.

Thomas N., ein Handwerker aus Minden in Westfalen, ist einer von 13 Rechtsextremisten, deren Wohnungen die Bundesanwaltschaft am vergangenen Freitag durchsuchen lässt und die sie anschließend festnehmen lässt. Die eingesetzten Beamten suchen nach Waffen und konkreten Hinweisen auf Anschlagspläne. Sie vermuten, auch Sprengstoff finden zu können. Der Vorwurf: Die Männer im Alter zwischen 31 bis 60 Jahren sollen sich als rechtsterroristische Gruppe zusammengeschlossen und Anschläge auf Politikerinnen, Politiker, Muslime und Geflüchtete geplant haben. Zwölf sitzen nun in Untersuchungshaft.

Seit September 2019 habe das Kernquintett sich als Terrorgruppe zusammengefunden, teilt die Bundesanwaltschaft mit. Über Chat-Gruppen - eine davon trug den Namen "Der harte Kern" - sei man miteinander vernetzt gewesen, habe dort über die geplanten Anschläge diskutiert, etwa auf Moscheen oder Politikerinnen, Politiker. Die Männer hätten Fotos von selbst gebauten Waffen ausgetauscht und entsprechende Baupläne diskutiert. Die acht anderen Männer sehen die Ermittlerinnen, Ermittler als Unterstützer: Sie sollen bereit gewesen sein, die Attentate zu finanzieren, Waffen zu beschaffen. Oder an künftigen Attentaten mitzuwirken.

Ihr gemeinsames Ziel: die Herbeiführung "bürgerkriegsähnlicher Zustände".

Bei der Recherche über diese Männer stößt man auf Reichsbürger und Bürgerwehren, Kameradschaften, Odin und Walhalla, Holocaust-Leugner, AfD-Funktionäre, Hetzer und Männer mit Mord-Fantasien. Die "Gruppe S." ist ein Albtraum jeder Sicherheitsbehörde. Die Suche nach ihr beginnt bei dem mutmaßlichen Kopf der Gruppe, nach dem die Ermittler sie auch benannt haben: Werner S.

Werner S. ist vor ein paar Jahren in Bayern aufs Land gezogen, er hat sich ein altes, grau gestrichenes Bauernhaus gekauft, das etwas zurückgesetzt an der Hauptstraße in Mickhausen liegt, einem 1.000-Seelen-Dorf im Landkreis Augsburg. Zu seinen Nachbarn hat er offenbar nicht viel Kontakt. Der Bürgermeister, der selbst nicht weit entfernt wohnt, weiß am Telefon nicht viel über den Mann zu berichten. Er sei unbekannt im Dorf, nicht in den Vereinen aktiv, nicht am Stammtisch. "Keiner hat mitbekommen, was er gemacht hat", sagt er.

Vor mehreren Monaten wurde S. als so genannter Gefährder eingestuft, berichtet der Spiegel. Der Bayer, ein gelernter Restaurator, ist einer der jüngsten Zugänge: Die Polizei erhöhte die Zahl der rechtsextremen Gefährder, denen Anschläge zuzutrauen sind, im vergangenen Jahr von bundesweit 33 auf 53.

Im Internet kann man nachvollziehen, was den 53-jährigen Werner S. umtreibt. Bei Facebook nennt er sich "Werner Schmidt", er hat knapp 200 Freunde, darunter viele Männer mit Neonazi-Symbolik, auch einen AfD-Funktionär, ein Vorstandsmitglied des Kreisverbandes Börde in Sachsen-Anhalt.

Ein Facebook-Freund von ihm schreibt Mitte Dezember: "Die Zeit ist nahe an der die Geister der Ahnen sich erheben und mit und für Germaniens Freiheit zu streiten." Werner S. antwortet: "Bereit Kamerad!!"

"Werner Schmidt" ist nicht Werner S.’ erster Face­book-Account, mindestens einer wurde Ende 2019 gelöscht. S. und seine Freunde machen sich darüber lustig, dass sie aus dem Sozialen Netzwerk verbannt werden. S. schreibt: "Ein Witz, aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum." Am Ende postet er ein Emoji mit gekreuzten Schwertern. An anderer Stelle schreibt er: "Keine Freiheit ohne Kampf."

Zwischenzeitlich ist Werner S. in das russische Netzwerk VK ausgewichen, in dem sich gerne deutsche Neonazis tummeln, weil dort weniger streng geschaut wird, was man so veröffentlicht. Er hat sich dort mit seinem zweiten Vornamen angemeldet: Auf dem Profilbild hält er lässig eine Zigarette im Mund. Im Mai 2017 schreibt er in einer "Waffenlobby"-Gruppe: "Bisher wusste ich nichts von VK. Ich hoffe hier auf unzensierte Nachrichten und Kommentare."

Werner S. drückt hier bei islamfeindlichen Posts auf den Like-Button, einem lokalen AfD-Funktionär, der sich selbst als "Germane vom Stamme der Franken bezeichnet", gefällt wiederum, was er hier postet. Unter seinen VK-Freunden sind einige Personen, die behaupten, einer "Panzertruppe" anzugehören. Und Werner S. hat sich auch mit einem Berliner Anwalt verbunden, der Sportschütze und Jäger ist und sich für ein liberales Waffenrecht einsetzt. Dieser sagt auf taz-Anfrage, er kenne den Mann nicht und habe wohl blauäuig eine Freundschaftsanfrage angenommen.

Werner S. beschäftigt sich hier bevorzugt mit Waffen, in einer russischsprachigen Gruppe likt er Fotos von Messern, Pistolen und Sturmgewehren. Von seinen wenigen sichtbaren Posts ist einer das Logo eines "Deutsch-Germanischen Kulturvereins e.V.". Es gibt in Nordrhein-Westfalen einen Verein mit demselben Logo und einem ähnlichem Namen. Ist Werner S. in diesem Verein, der sich mit germanischen Bräuchen und Runen beschäftigt, Mitglied? Der Vereinsvorstand ist für die taz nicht zu erreichen.

Halle, Kassel, Chemnitz: Die Radikalisierten

Die Sicherheitsbehörden konnten zuletzt zwei rechtsextrem motivierte Attentate nicht verhindern: in Halle im Oktober, bei dem versuchten Angriff auf die Synagoge, bei dem zwei Passanten erschossen wurden, und im Juni der Mordanschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. In anderen Fällen griffen die Ermittler frühzeitig ein.

"Revolution Chemnitz" ist so ein Beispiel. Die Männer aus Sachsen waren ebenfalls über eine Chat-Gruppe verbunden, sollen ebenfalls Anschläge geplant haben, hatten aber noch keine Waffen. Sie stehen derzeit vor Gericht. Franco A., der Bundeswehrsoldat, der sich als syrischer Geflüchteter getarnt haben soll, um Attentate zu planen, ist ein anderes Beispiel. Die beiden mutmaßlichen Terroristen der Prepper-Gruppe Nordkreuz ein weiteres. Was diese Männer vereinte: Alle waren vor ihrem Auffliegen nicht öffentlich bekannt.

Bei der "Gruppe S." ist das anders. Es gibt deutlich mehr Beschuldigte. Und manche von ihnen sind so selbstverständlich in der Neonazi-Szene verwurzelt, dass ihr Treiben die Archive antifaschistischer Recherche-Gruppen füllt.

Da sind beispielsweise Steffen B. und Stefan K. aus Sachsen-Anhalt. Sie gelten als Unterstützer der Gruppe S., und auch sie sitzen nun in Untersuchungshaft. Sie gehören zu den regionalen Anführern einer rechtsextremen Bürgerwehr, "Vikings Security Germania". Die Gruppe ist eine Abspaltung der "Soldiers of Odin", sie agiert rocker-ähnlich, hat auch Ableger in Bayern, einen in Augsburg. Der bayerische Verfassungsschutz schreibt über die Gruppe: "Das teils martialische Auftreten sowie der kämpferisch-aggressive Duktus der Beiträge in den Sozialen Medien (lassen) eine grundsätzliche Affinität der Gruppierungen zu Gewalt erkennen.“

Ermittlerinnen, Ermittler haben bei Steffen B. nun eine selbst gebaute Schusswaffe gefunden, eine so genannte Slam-Shot-Gun. Auch der Attentäter in Halle hatte sich so eine Schrotflinte aus einem Metallrohr zusammengebastelt.

Zum Beispiel Tony H.: bereit zur Verteidigung Deutschlands

Am anderen Ende Deutschlands lebt Tony E., im niedersächsischen Ort Wriedel, erst vor wenigen Monaten ist er aus Lüneburg hierhergezogen. Als die Ermittler hier am Freitag zusammenpacken und abziehen, reist Unterstützung aus Hamburg, Harburg und Lüneburg an, bekannte Neonazis, das berichtet das antifaschistische Infoportal aus Lüneburg, und auch: Sie hätten Anwohnerinnen, Anwohner und Journalistinnen, Journalisten bedroht.

Tony E., der bis zu seiner Heirat Tony R. hieß, versammelt auf seinem Facebook-Profil das Who-is-who der deutschen Rechtsextremisten-Szene. Ihm gefallen Hans-Georg Maaßen, die Brigade 8, die German Defence League. Sogar dem Verein Uniter folgt er, in dem ehemalige Sicherheitskräfte organisiert sind und von dem bekannt wurde, das er paramilitärische Trainings abgehalten hat. Die Bundesanwaltschaft gibt keine Auskunft darüber, ob Tony E. auch tatsächlich Teil dieser Gruppierungen ist. Uniter e. V. verneint auf Anfrage, ihn überhaupt zu kennen.

Offiziell arbeitet E. auch mal in Dubai auf Baustellen. Privat sorgt er für die Verteidigung Deutschlands vor und fantasiert dabei auch schon mal von Angriffen auf Moscheen. Er gilt als einer der treibenden Kräfte in der "Gruppe S.".

Schon länger gehört er zum "Freikorps Heimatschutz", einer Gruppierung, die mit anderen Freikorps-Gruppen in Deutschland in Verbindung steht. In einer Selbstbeschreibung heißt es: "Die Mitglieder dieser Gruppe bereiten sich auf den Tag vor, an dem es zu einem Krieg kommt und es um die Verteidigung unserer Familien und dem Vaterland geht. Die BRD Verwaltung sieht sich dafür ja nicht mehr zuständig."

Es ist ein Gedankengut, das auch Thomas N., der Mann aus Minden, teilt. Tagsüber arbeitet er als Fliesenleger oder frönt seiner Leidenschaft für sportliche Autos. Daneben aber wähnt er sich im Widerstand, ätzt in Online-Postings über die "verbrecherische Kreatur" Angela Merkel oder teilt Verschwörungstheorien. Sogar seinen Firmenwagen hat er mit einer schwarz-weiß-roten Reichsfahne beklebt. "Wir werden kämpfen müssen", schreibt er nicht nur einmal. "Wir werden dann uns in Walhall treffen."

Kennen sich die Männer aus ihren Kameradschaften? Sind sie alte Freunde, oder haben sie sich für ihre Terrorpläne rekrutiert? Es ist nicht klar, ob der Führungszirkel der Gruppe S. wusste, dass Markus K. 2009 bei einem Neonazi-Aufmarsch in Dortmund mitlief, wie der Spiegel berichtet. Damals griffen mehrere Hundert Rechtsextreme eine Gewerkschafts-Demo an. Unter den Festgesetzten war auch Stephan Ernst, der Rechtsextreme, der beschuldigt wird, im vergangen Jahr Walter Lübcke in Kassel erschossen zu haben.

Es ist bislang auch nicht bekannt, ob sie den Polizeiverwaltungsmitarbeiter Thorsten W. aus Hamm gezielt anwarben, der sich in seiner Freizeit gerne germanisch verkleidet und im Internet beklagt, dass Deutschland unterdrückt und "ausgebeutet" werde. Er soll den Ermittlern zuvor nicht als extremistisch aufgefallen sein. Inzwischen ist er vom Dienst suspendiert. Man werde "alle dienst- und arbeitsrechtlichen Möglichkeiten" nutzen, um sich von ihm zu trennen, versichert Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen.

Vergangenen Herbst trifft sich die Gruppe zum ersten Mal. Sie grillen gemeinsam an einer alten Mühle im Rems-Murr-Kreis in der Nähe von Stuttgart, berichtet die ARD, und planen den Umsturz. Es kommt zu weiteren Treffen in unterschiedlicher Besetzung, mal organisiert sie Werner S., der Mann aus Bayern, mal unterstützt ihn Tony E. aus Norddeutschland.

Sie versprechen einander Geld für das gemeinsame Projekt, viel Geld, bis zu 5.000 Euro sollen sie bereit gewesen sein zu zahlen. Ein Mann soll behauptet haben, dass er mehr als 2.000 weitere Männer alarmieren könne, teilweise bewaffnet. Was sie nicht wissen: Sie wurden bereits observiert. Schon im Oktober soll nach Informationen der ARD ein Mitglied bei der Polizei über die Aktivitäten der Gruppe ausgesagt haben.

Gemeinsam grillen und den Umsturz planen

Die letzte Zusammenkunft findet am vergangenen Wochenende statt: in Minden, dem Wohnort von Thomas N., dem Handwerker, und einem weiteren Beschuldigten. Auch dort soll wieder über Waffen-Beschaffungen diskutiert worden sein. Inzwischen scheinbar so konkret, dass die Ermittlerinnen, Ermittler nun beschließen einzugreifen.

Und sie finden eine Menge Waffen, die Liste ist lang: Handgranaten, Messer, Dolche, eine Armbrust, eine scharfe 9-Millimeter-Pistole, die selbst gebastelte Flinte. Eine der Waffen findet sich bei Anführer Werner S. Bei einem anderen Beschuldigten müssen Sprengstoffexperten anrücken, um die Wohnung zu durchsuchen. Das reicht aus, um die Männer festnehmen und den Ermittlungsrichtern in Karlsruhe vorführen zu können.

12 von 13 Beschuldigten sitzen seit Samstag in Untersuchungshaft. Der Tatverdacht gegen einen weiteren Durchsuchten, den die Bundesanwaltschaft bisher auch dem Kernquintett zurechnete, soll sich nicht erhärtet haben, heißt es. Oder war er der Tippgeber bei der Polizei?

Die Ermittler werten nun Datenträger aus, die sie gefunden haben, befragen die Beschuldigten und vernehmen Zeugen. Sie nehmen Einblick in eine Welt, in der Umstürze keine Fantasien sind, sondern reale Möglichkeiten. In der nicht Einzelne sich bewaffnen, still und heimlich. Sondern viele sich zusammenfinden, die schon immer laut von Gewalt träumen.

In Sicherheitskreisen heißt es, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Kreis der Beschuldigten noch größer werde.

Bildunterschrift: Vermummte Polizisten verlassen ein durchsuchtes Haus bei Minden in Westfalen.

Bildunterschrift: Unauffälliger Mitbürger: Das Wohnhaus den Beschuldigten Werner S. bei Augsburg.

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Spiegel Online, 16.02.2020:

Ermittlungen gegen Rechtsextreme / "Teutonico" und seine Terrorzelle

16.02.2020 - 17.26 Uhr

Die jetzt verhafteten Rechtsextremen planten offenbar gezielte Anschläge auf Betende in Moscheen. In einem Gespräch war nach Spiegel-Informationen die Rede von "Kommandos", die in zehn Bundesländern zuschlagen sollten.

Von Maik Baumgärtner, Julia Jüttner, Roman Lehberger, Sven Röbel, Fidelius Schmid und Wolf Wiedmann-Schmidt

Das konspirative Treffen begann pünktlich um elf Uhr. Am Samstag vor einer Woche fand sich ein Dutzend Rechtsextreme in einem Haus im nordrhein-westfälischen Minden ein, manche der Männer waren von weit her angereist. Ihre Handys ließen sie im Auto.

Seit Monaten hatten Staatsschützer die Männer im Visier. Ihr Verdacht: Hier entsteht eine Terrorgruppe. Und so überwachten die Behörden auch das Geheimtreffen - und bekamen offenbar mit, was die Männer hinter verschlossenen Türen besprachen.

Nach Spiegel-Informationen soll der mutmaßliche Anführer der rechtsextremen Truppe, Werner S., 53, an dem Wochenende in Minden seine Pläne skizziert haben: Man solle in kleineren Gemeinden Muslime angreifen, beim Beten in Moscheen. Zwei der Männer wurden nach Erkenntnissen der Ermittler auserkoren, die Waffen zu beschaffen. Alle zusammen sollten das nötige Geld aufbringen: 50.000 Euro. Parallel dazu sollten mögliche Anschlagsziele ausgekundschaftet werden.

Das Ziel war ein Bürgerkrieg

Trifft der Verdacht der Bundesanwaltschaft zu, hätte es in Deutschland Moschee-Massaker geben sollen, ähnlich wie im Frühjahr 2019 im neuseeländischen Christchurch, wo ein Angreifer in zwei Gebetshäusern 51 Menschen erschoss. In einem Gespräch, das wenige Tage nach dem Treffen in Minden abgehört wurde, war die Rede von mehreren "Kommandos": "Zehn Männer" sollten in "zehn Bundesländern" zuschlagen. Durch die Anschläge, so erhofften es sich die Rechtsextremen offenbar, würden Gegenangriffe provoziert - die dann in einer Art Bürgerkrieg enden würden.

Die mutmaßlichen Terrorpläne wurden vereitelt: Seit diesem Wochenende sitzen zwölf Rechtsextreme in Untersuchungshaft. Vier von ihnen gelten der Bundesanwaltschaft als Mitglieder der Terrorzelle, acht als Unterstützer - darunter ausgerechnet ein Verwaltungsmitarbeiter der nordrhein-westfälischen Polizei.

Die Festnahmen verdeutlichen erneut, dass die Bedrohung durch Rechtsextremismus gestiegen ist. Die Polizei stuft inzwischen 53 Männer und Frauen als rechtsextreme "Gefährder" ein, Ende 2016 waren es noch 22. Ihnen trauen Staatsschützer schwere Gewalttaten zu, bis hin zu Anschlägen. Generalbundesanwalt Peter Frank hat mehrfach klargemacht, dass er eine kompromisslose Linie fährt und früh zugreift, sobald mögliche Terrorstrukturen erkennbar werden. So war es offenkundig auch in diesem Fall.

Nach den Erkenntnissen der Ermittler war die mutmaßliche Terrorzelle straff organisiert. In ihren Augen war Werner S. "unbestrittener Kopf" der Truppe, behördenintern wurde sie daher als "Gruppe S." bezeichnet. Seit mehreren Monaten wurde auch er als "Gefährder" geführt. Als seine rechte Hand soll der Neonazi Tony E. aus dem niedersächsischen Landkreis Uelzen fungiert haben.

Die Gruppe soll sich im vergangenen Herbst zusammengefunden haben. Ende September trafen sich neun der Männer an einer alten Sägemühle im baden-württembergischen Alfdorf. Bei dem Treffen sei es bereits um Waffen gegangen, so sagte es einer der Anwesenden inzwischen aus: Der Anführer der Truppe habe ihm im Auto eine scharfe Pistole gezeigt.

Die Männer vernetzten sich nach Erkenntnissen der Ermittler auch in mehreren Chat-Gruppen. Über die digitalen Kanäle soll Werner S. versucht haben, Männer zu rekrutieren, die "intelligent, hart, brutal, schnell" seien. Geplant war offenbar anfangs, eine Art Untergrundarmee aufzubauen, nach dem Vorbild der rechtsradikalen Freikorps in der Weimarer Republik.

In einer im Dezember eingerichteten Chat-Gruppe war die Rede von einem "Freiwilligenverband zur Kräftemobilisierung". Man werde sich um eine "Ausbildung im militärischen Sinne" kümmern, "Verrat" werde "strengstens geahndet!". Später soll Werner S. in dem Chat gefragt haben, wer sich "etwas mehr als die Teilnahme an Demonstrationen und dergleichen" zutraue. Er selbst trug in der rechtsextremen Szene den Spitznamen "Teutonico".

Wie viel von dem, was die Männer in den Chats austauschten, Großmäuligkeit war und wie viel real, werden die weiteren Ermittlungen ergeben.

Das Gewaltpotenzial der "Gruppe S." zeigte sich spätestens bei den bundesweiten Razzien am vergangenen Freitag. In Mickhausen bei Augsburg, beim mutmaßlichen Rädelsführer Werner S., stellten die Beamten eine schussbereite 9-Millimeter-Pistole inklusive Munition sicher.

Selbst gebaute Handgranaten

Auch bei einem angeblichen Terror-Komplizen in Nordrhein-Westfalen entdeckten Spezialkräfte in großem Umfang Waffen - darunter selbst konstruierte Eierhandgranaten.

Bei Thomas N. in Minden, einem mutmaßlichen Mitglied der Terrorgruppe, fanden die Polizisten unter anderem eine Armbrust sowie Äxte, Morgensterne und zahlreiche Messer. Laut Ermittlern hat der 55-Jährige eine Affinität zur Ideologie der so genannten Reichsbürger und zu germanischen Mythen. Er wolle "gern nach Walhall", schrieb er in einer abgefangenen Nachricht - die Ruhmeshalle für die in der Schlacht Gefallenen.

Auch der beschuldigte Verwaltungsmitarbeiter der nordrhein-westfälischen Polizei pflegte offenbar einen Hang zum nordischen Brauchtum. Im Internet postete er Fotos, die ihn als germanischen Krieger verkleidet zeigen, mit Schwert und einem mit Runen verzierten Schild. Die Bundesanwaltschaft rechnet auch ihn dem "rechtsextremen Spektrum" zu.

Offenbar wollte sich die Gruppe zudem mit so genannten "Slam-Guns" ausrüsten, wie sie auch der antisemitische Attentäter von Halle verwendet hatte. In von den Behörden abgefangenen Gesprächen sollen die Rechtsextremen die großkalibrigen Schrotflinten bisweilen mit dem Codewort "Elektroroller" bezeichnet haben, die dazugehörige Munition als "Akkus".

Eine dieser "Slam-Guns" wurde, nebst 100 Schuss Munition, bei dem mutmaßlichen Terrorhelfer Steffen B., 35, im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt entdeckt. Bei Tests stellten Kriminaltechniker die Schusskraft solcher selbst gebauten Waffen fest: Sie hätte die Schrotkugeln bis zu 13 Zentimeter tief in menschliche Körper geschossen.

"Wie immer im Staatsschutzbereich wiegen die Vorwürfe schwer", sagte Daniel Sprafke, Verteidiger eines der Festgenommenen. Man werde nun prüfen müssen, ob sie Gehalt haben. Es bestünden schon deshalb Zweifel an der "durch den Generalbundesanwalt suggerierten Gefährlichkeit", da die Polizei "bisweilen jeden Handstreich der Beschuldigten ständig überwacht hat".

Mitarbeit: Marie Groß

Bildunterschrift: Werner S., der auch "Teutonico" genannt wird (Facebook).

Bildunterschrift: Tony E., angeblich "die rechte Hand" von Werner S. (Facebook).

Bildunterschrift: "Hang zum nordischen Brauchtum": Thorsten W. (Facebook).

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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 16.02.2020:

Vier mutmaßliche Rechtsextremisten aus NRW in U-Haft

16.02.2020 - 15.31 Uhr

Nach Razzia: Haftbefehle erlassen

Vier Verdächtige stammen aus NRW

Rechte Terrorzelle traf sich offenbar in Minden

Nach bundesweiten Razzien am Freitag (14.02.2020) gegen eine mutmaßlich rechte Terrorzelle haben Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer befinden sich in Untersuchungshaft. Vier von ihnen stammen aus NRW. Zum Kern der Gruppe rechnet die Bundesanwaltschaft einen 35-Jährigen aus dem Kreis Minden-Lübbecke, dort soll sich die Gruppe auch getroffen haben.

Beschuldigter ist mutmaßlich ein Reichsbürger

Nach Recherchen des WDR hat der Mann aus Minden einen Tag vor der Razzia zum letzten Mal etwas auf Facebook gepostet: Ein Foto eines nordischen Kriegers mit einer blutverschmierten Axt. Dazu der Spruch "Widerstand ist der einzige Weg. Wir bleiben unbeugsam." Sein Profil weist ihn als Reichsbürger aus. Er teilte zum Beispiel mehrfach Inhalte anderer Nutzer, wie rassistische oder antisemitische Bilder, Texte und Videos, in denen der Staat abgelehnt wird und als GmbH bezeichnet wird.

Der Mindener Thomas N. ist ein Facebook-Freund von Ulf R., einem weiteren Verdächtigen aus Porta Westfalica. Nach Recherchen des SWR und des ARD-Hauptstadtstudios wurden bei den Razzien scharfe Waffen gefunden. Ulf R. aus Porta Westfalica soll der Polizei bei seiner Festnahme laut Westfalen-Blatt Depots im Wald gezeigt haben. Laut SWR und ARD hatte die Gruppe auch konkrete Pläne, wie etwa Moscheen in kleineren Städten anzugreifen.

Offenbar traf sich die Terrorzelle in Minden

Insgesamt sitzen drei Terrorverdächtige aus dem Kreis Minden-Lübbecke seit dem Wochenende in Untersuchungshaft. Mehr als zehn Leute sollen am Samstag der Vorwoche in Minden bei Thomas N. zusammengekommen sein. Dieses Treffen sei von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert worden.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Freitag zu den Durchsuchungen bekanntgegeben, dass ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei suspendiert worden sei. Dieser Mann ist dem Vernehmen nach einer der mutmaßlichen Unterstützer.

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Westfalen-Blatt Online, 16.02.2020:

Festgenommene in U-Haft / Mutmaßliche rechte Terrorzelle nannte sich "Der harte Kern"

Über die Anschlagspläne einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle ist noch wenig bekannt. Doch es kommen andere Erkenntnisse ans Licht. Einem Medienbericht zufolge agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern".

Karlsruhe (dpa). Nach bundesweiten Razzien gegen eine mutmaßlich rechte Terrorzelle haben Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) Haftbefehle gegen zwölf Männer erlassen.

Vier mutmaßliche Mitglieder und acht mutmaßliche Unterstützer befinden sich in Untersuchungshaft. Das erklärte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Samstag. Für die Anhörungen waren alle zwölf Männer an den BGH nach Karlsruhe gebracht worden. Unterdessen wurden auch neue Details zu der Gruppierung bekannt.

Der Generalbundesanwalt war am Freitag mit Razzien in sechs Bundesländern gegen die Gruppe vorgegangen. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen. Das Vorhaben sei aber noch nicht näher konkretisiert worden.

Die Festgenommenen, alles Deutsche, sind dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt. Vier von ihnen sollen sich zu der eigentlichen Terrorzelle zusammengeschlossen haben. Die acht Anderen halten die Ermittler für Unterstützer. Sie sollen sich bereiterklärt haben, Geld zu geben, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken. Zum Kern der Gruppe rechnet die Bundesanwaltschaft noch einen fünften Mann. Er wurde aber als Einziger nicht festgenommen.

Laut Bundesanwaltschaft hatte sich die Gruppe in Chats und telefonisch ausgetauscht und auch schon mehrfach getroffen. Diese Treffen soll der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg koordiniert haben, zum Teil unterstützt von Tony E. (39) aus Niedersachsen (Landkreis Uelzen). Wie "Der Spiegel" berichtete, sollen mehr als zehn Leute am Samstag der Vorwoche im westfälischen Minden zusammengekommen sein. Dieses Treffen sei von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert worden.

Zum Kern der Gruppe sollen außerdem der 35-jährige Thomas N. aus Nordrhein-Westfalen (Kreis Minden-Lübbecke) und der 47-jährige Michael B. aus Baden-Württemberg (Raum Esslingen) gehört haben.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Freitag zu den Durchsuchungen bekanntgegeben, dass ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei suspendiert worden sei. Dieser Mann ist dem Vernehmen nach einer der mutmaßlichen Unterstützer. Die anderen sieben mutmaßlichen Helfer waren ebenfalls in NRW, in Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen-Anhalt gefasst worden.

Nach Informationen des Magazins "Spiegel" wurde der mutmaßliche Anführer der Gruppe von den Sicherheitsbehörden als rechtsextremer Gefährder geführt. Wie das Magazin berichtet, hatten Staatsschützer den 53-jährigen Werner S. aus dem Raum Augsburg bereits vor mehreren Monaten entsprechend eingestuft. Bundesweit zählte die Polizei demnach zuletzt 53 rechtsextreme Gefährder, denen sie schwere Gewalttaten bis hin zu Anschlägen zutraut.

Nach Recherchen des SWR und des ARD-Hauptstadtstudios sowie der "Bild"-Zeitung und des "Spiegel" wurden bei den Razzien scharfe Waffen gefunden, neben einer schussbereiten 9-Millimeter-Pistole auch selbst gebaute Handgranaten. Laut SWR und ARD hatte die Gruppe auch konkrete Pläne, wie etwa Moscheen in kleineren Städten anzugreifen. Der "Spiegel" berichtete, in einem von den Behörden überwachten Gespräch sei die Rede von "Kommandos" gewesen, die angeblich in "zehn Bundesländern" zuschlagen sollten. Am 15. März 2019 hatte ein 28-jähriger australischer Rechtsextremist bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch 51 Menschen erschossen.

Den Berichten zufolge hatten Stuttgarter Staatsschützer die Gruppe seit fünf Monaten im Visier. Laut "Bild" soll ein V-Mann den Ermittlungsbehörden Informationen übermittelt haben. Die Bundesanwaltschaft wollte sich am Sonntag auf Nachfrage nicht zu dieser Frage sowie zu weiteren Details der Razzien und möglichen Anschlagszielen äußern.

Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet, agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern". Die Männer hätten unter anderem Bezüge zu der rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin" (SOO) gehabt. Deren Mitglieder tauchten zuerst im Zuge der Flüchtlingskrise auf. In der nordfinnischen Kleinstadt Kemi an der Grenze zu Schweden organisierten sie im Oktober 2015 im Stile einer Bürgerwehr Straßenpatrouillen. Ziel war es nach ihrer Darstellung, die Polizei zu unterstützen, weil diese nicht in der Lage sei, insbesondere Frauen vor Übergriffen von Asylbewerbern zu schützen. Die Gruppe weitete sich auf andere Städte aus und soll damals in Finnland mehrere Hundert Mitglieder gezählt haben. Zudem bildeten sich Ableger in anderen nordischen Ländern. Sie lehnt Migration und den Islam ab, weist aber Vorwürfe zurück, rassistisch oder kriminell zu sein.

Bildunterschrift: Eine Person wird von einem maskierten Polizisten in den Bundesgerichtshof in Karlsruhe gebracht.

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Südwestrundfunk, 16.02.2020:

Zwölf Verdächtige in U-Haft / Mutmaßliche rechte Terrorzelle machte Pläne am Grillfeuer

16.02.2020 Uhr - 13.52 Uhr

Zwölf Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft - darunter ein Mann aus dem Raum Esslingen. Ihre Terrorpläne schmiedeten sie offenbar beim Grillfeuer in Baden-Württemberg.

Nach Informationen der ARD-Terrorismusexperten Michael Götschenberg und Holger Schmidt haben sich im September 2019 einige Männer aus Deutschland im Alfdorf im Rems-Murr-Kreis, 50 Kilometer östlich von Stuttgart, getroffen. Der Grund ihres Treffens am Grillplatz "Hummelgautsche" war es offenbar, über den Kampf gegen die Demokratie zu sprechen.

Die meisten kannten sich nicht persönlich, sondern hatten sich per Email oder in Chat-Gruppen ausgetauscht. Beobachtet wurden sie aber von einem mobilen Einsatzkommando der Polizei Baden-Württemberg, die aus ihrer Sicht das Gründungstreffen einer rechten Terrorgruppe verfolgten.

Rechtsextremer Gefährder Werner S. als Anführer

Laut einem Bericht der "Welt am Sonntag" sollen die Mitglieder Beziehungen zu der rechtsextremistischen Bürgerwehr "Soldiers of Odin" aus Finnland gehabt haben. Der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg gilt als der Anführer der Gruppe. Er ist nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" von den Behörden als rechtsextremer Gefährder geführt worden - und das bereits vor einigen Monaten.

Er soll gemeinsam mit dem 39-jährigen Tony E. aus Niedersachsen, dem 35-jährigen Thomas N. aus dem Kreis Minden-Lübbecke in Nordrhein-Westfalen und dem 47-jährige Michael B. aus dem Raum Esslingen in Baden-Württemberg den "harten Kern" bilden. Zudem gibt es nach Angaben der Ermittler noch einen fünften Mann, der aber bislang noch nicht festgenommen wurde.

"Bürgerkriegsähnliche Zustände"

Insgesamt wurden zwölf Verdächtige im Alter zwischen 30 und 60 Jahren bei Razzien am Freitag in sechs Bundesländern, darunter auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, festgenommen. Acht der Männer halten die Ermittler für Unterstützer, die bereit gewesen seien, Geld zu geben oder Waffen zu beschaffen.

Ziel der Gruppierung soll es laut der Bundesanwaltschaft gewesen sein, "die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Dazu sollten durch Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime "bürgerkriegsähnliche Zustände herbeigeführt werden".

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tagesschau.de, 16.02.2020:

Mutmaßliche rechte Terrorzelle / Terrorpläne am Grillfeuer

16.02.2020 - 13.14 Uhr

Sie waren zu Gewalttaten entschlossen und teils schwer bewaffnet: Nach den Razzien gegen eine mutmaßlich rechte Terrorzelle stoßen die Ermittler auf immer neue Details der "Gruppe S."

Von Michael Götschenberg und Holger Schmidt, ARD-Terrorismus-Experten

Alfdorf im Rems-Murr-Kreis liegt rund 50 Kilometer östlich von Stuttgart. Es ist ein kleines idyllisches Dorf. Gleich nebenan liegt die Gemeinde Mutlangen, die in den 1980er-Jahren wegen der dort stationierten US-amerikanischen Nuklearraketen vom Typ "Pershing II" zum weltweiten Symbol der Friedensbewegung wurde. Die Raketen sind lange weg, nun scheint die Region tatsächlich überaus friedlich. Ehrenamtliche Helfer haben in Alfdorf in liebevoller Kleinarbeit eine alte Mühle restauriert und zu einem beliebten Wanderziel mit Grillplatz gemacht. Hummelgautsche heißt sie.

Im September 2019 trafen sich an der Hummelgautsche einige Männer aus ganz Deutschland zum Grillen und um über den Kampf gegen die Demokratie zu sprechen. Zuvor kannten sich die meisten dieser Männer nicht persönlich, sondern nur aus E-Mail-Kontakten und Chat-Gruppen, in denen sie über ihre politischen Ansichten gesprochen und sich düstere Szenarien überlegt hatten. An der Hummelgautsche wurde es dann noch konkreter - doch für die Männer unsichtbar begleitete ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei Baden-Württemberg den Grillabend und notierte die Besucher. Aus ihrer Sicht beobachteten sie das Gründungstreffen einer rechten Terrorgruppe.

"Reichsbürger" und Neonazis

Bei den Männern von der Hummelgautsche handelt es sich um eine Mischung aus bekannten Neonazis, "Reichsbürgern" und Personen, die den deutschen Sicherheitsbehörden bislang noch nicht aufgefallen waren. Nach Informationen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio ist darunter mindestens ein "Gefährder-rechts", also eine Person, die von der Polizei bereits als anschlagsbereit eingestuft wurde.

Die Kategorie des "Gefährders" stammt eigentlich aus der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Neuerdings wird überprüft, ob nicht mehr Personen auch als "Gefährder-rechts" eingestuft werden müssen. Zuletzt waren es deutschlandweit 48.

Als die Ermittler ausgerechnet am Valentinstag loszogen, um sich die "Gruppe S." näher anzusehen, hatten sie zunächst nur Durchsuchungsbeschlüsse in der Tasche. Sie waren sich nicht sicher, ob sie wirklich die Dinge finden würden, von denen in E-Mails und Chats die Rede war: Schusswaffen, selbst gebaute "Slam-Guns", also primitive, aber im Zweifelsfall tödliche Schießgeräte, Sprengstoff, Bomben. Doch nach Recherchen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio wurde die Polizei überaus fündig.

Armbrust, Goldbarren und Handgranaten

Bei einem Beschuldigten, der im Kreis Minden-Lübbecke lebt, fanden sie viele Waffen und selbst gebaute Handgranaten. Die Konstruktion der Sprengsätze war so sensibel, dass der Kampfmittel-Räumdienst sie zunächst nicht einmal berühren wollte. In einer anderen Wohnung fand sich eine beachtliche Sammlung von Messern und Dolchen nebst einer Armbrust. Der Besitzer zählt offenbar zur "Reichsbürger"-Bewegung und hatte seine Ersparnisse in Goldbarren angelegt. Wieder ein anderer Beschuldigter hatte eine scharfe Pistole Kaliber 9 Millimeter bereit liegen, heißt es in Ermittlungskreisen.

Mit dieser Dimension hatte man beim Generalbundesanwalt nicht unbedingt gerechnet. Noch während die Durchsuchungen liefen wurde aber deutlich, dass es nun nicht mehr nur um Durchsuchungen geht. Zwölf der 13 Beschuldigten wurden noch vor Ort festgenommen. In einem bislang für die Bundesanwaltschaft einmaligen Kraftakt stellten die Ermittler binnen Stunden zwölf Haftbefehlsanträge beim Bundesgerichtshof.

Die Zeit drängte: Bis Samstagabend um Mitternacht konnte man die Männer ohne Haftbefehl festhalten. Gleich drei Ermittlungsrichter - auch das ein Novum in Karlsruhe - ließen sich die Männer einzeln nacheinander vorführen. Alle Zwölf kamen in Untersuchungshaft.

Radikalisierung im Netz

Gefährlich macht die Gruppe aber nicht nur die schiere Menge der Waffen und Sprengsätze, heißt es in Ermittlungskreisen. Auch die Entschlossenheit der Männer sei beachtlich gewesen. In streng vertraulichen Chat-Gruppen sei darüber gesprochen worden, bis zum äußersten zu kämpfen und auch den eigenen Tod nicht zu fürchten. Er habe seiner Partnerin schon mitgeteilt, einmal nicht mehr wiederzukommen, notieren die Ermittler aus einem Chat. Ein Mann kündigte an, wenn es nötig sei, könne er mehr als 2.000 weitere Männer alarmieren, teilweise bewaffnet. Ein anderer gab an, er könne als Werkzeugtechniker nicht mehr funktionsfähige Waffen wieder gangbar machen.

Außerdem wurde Geld gesammelt. 5.000 Euro und mehr sollen pro Person versprochen worden sein. Einer in der Gruppe, selbst mittellos, kündigte an, er gebe, was er könne.

Zu Taten entschlossen

Ist das alles Großmäuligkeit gewaltbereiter Neonazis oder eine völlig neue Dimension? Die Ermittler wissen das selbst noch nicht so genau. Klar scheint, dass die "Gruppe S." zu Taten entschlossen war, Waffen und Sprengstoff besaß. Und sie hatte konkrete Pläne, wie etwa Moscheen in kleineren Städten anzugreifen. Mit 13 Personen - fünf in der Kerngruppe und acht Unterstützer - ist sie größer als viele Vorgängergruppen.

Doch ob sie wirklich mehrere Tausend weitere Personen hätte mobilisieren können, überzeugt die Ermittler derzeit nicht. Allerdings sehen sie ein Phänomen, dass sie schon bei der Gruppe "Revolution Chemnitz" beobachten konnten: Eine starke Vernetzung im Internet und schnelle Mobilisierung über E-Mails und Chats.

V-Mann in der Gruppe?

Von den 13 Beschuldigten sitzen nun zwölf in Haft. Ein weiterer nicht. Er hatte schon im Oktober gegenüber der Polizei ausgesagt, was in der Gruppe los war. Aber er blieb in Freiheit. Warum das so war, sorgt nun für Spekulationen. War er ein V-Mann oder ein Verdeckter Ermittler? Der erste Hinweis auf die Gruppe kam vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

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Mindener Tageblatt Online, 16.02.2020:

Rechte Terrorzelle: Mindener Verdächtiger im Internet sehr aktiv

16.02.2020 - 12.24 Uhr

Jan Henning Rogge

Minden. Schneeglöckchen blühen im Vorgarten des schlichten und in die Jahre gekommenen Einfamilienhauses im Mindener Norden. Die immergrüne Hecke ist sorgsam gestutzt, kein Zweig ragt auf den Gehweg. In der Nachbarschaft werden die Gärten gepflegt, der unerwartet sonnige Tag lockt die Menschen vor die Tür. Nichts weist darauf hin, dass hier am Tag zuvor der mutmaßliche Mitbegründer einer rechtsextremen Terrorzelle festgenommen wurde.

Nachbarn hatten die Aufforderung der Beamten gehört, nicht das Haus zu verlasen, sich aber bald nach dem Zugriff ihren Alltagsgeschäften gewidmet. Schließlich hatte es in dem Haus bereits vor einigen Jahren einen Polizeieinsatz gegeben, ohne das die Gründe bekannt waren. "Ich dachte, es wäre einfach mal wieder so weit", sagt ein Nachbar.

Nach außen sichtbare Zeichen der politischen Einstellung des Handwerkers sind offenbar lediglich die Aufkleber auf dem Transporter, der vor der Tür des Hauses geparkt ist. Sie weisen auf seine Nähe zu den so genannten "Reichsbürgern" hin, die die Bundesrepublik als Nachfolgestaat des Deutschen Reichs nicht anerkennen.

Drastisch deutlicher wird die politische Einstellung des Mannes hingegen auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Profil, auf dem er seit 2014 aktiv ist. Seinen mehr als 4.600 Kontakten zeigte er hier mitunter mehrfach täglich politisch motivierte Posts. Oft sind das mit nordisch-germanischer Mythologie durchsetzte beschriftete Bilder von archaischen Kriegern, die zu Widerstand, Opferbereitschaft und Kampf aufrufen. "Wotan wird uns zum Sieg führen", steht in seinem Steckbrief, eigentlich eine Personenbeschreibung. Wogegen gekämpft werden soll, erschließt sich dann in anderen Posts: Immer wieder wird besonders Angela Merkel aber auch anderen Politikern unredliches Handeln vorgeworfen, die Bundesrepublik als Unrechtsstaat oder von den Alliierten bis heute besetztes Land dargestellt, eine von Reichsbürgern häufig behauptete These.

Dazwischen gibt es geteilte Videos und Artikel mit gängigen Verschwörungstheorien. So warnt der Mann seine Facebook-Bekanntschaften mehrfach vor der angeblich drohenden "Umvolkung" Deutschlands, vor Impfschäden und vor sogenannten "Chemtrails", von Flugzeug ausgebrachte Giftstoffe, mit denen zum Beispiel die Bevölkerung reduziert werden soll. Quellen dieser Videos und Texte sind häufig der politischen Rechten nahestehende Internet-Magazine. Ebenso teilte er Beiträge der vom staatlichen russischen Medienunternehmen Rossija Sewodnja finanzierten Portale "Russia Today" und "Sputniknews". Mehrfach postete er Links, die in das ebenfalls aus Russland stammende VK-Netzwerk verweisen. Das Netzwerk ist heftig umstritten, weil es rechtsradikalen Gruppen offen steht, nicht aber russischen Regierungs-Kritikern.

Am Samstagabend wurde der Mindener wie auch die anderen festgenommenen Männer in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der gegen alle Beschuldigten einen Haftbefehl erließ. Damit bleiben die vier Hauptverdächtigen und acht mutmaßlichen Unterstützer, darunter auch ein Mann aus Kleinenbremen, vorerst in Untersuchungshaft.

Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, sollen sich am vergangenen Samstag (8. Februar) mehr als zehn Mitglieder und Unterstützer der Gruppe in Minden getroffen haben. Das Treffen sei von den Sicherheitsbehörden "mit großem Aufwand observiert" worden. Bereits seit September hätte Fahnder des Stuttgarter Landeskriminalamts das nach dem Anführer Werner S. intern als "Gruppe S." bezeichnete Netzwerk im Blick gehabt. Am Freitag erfolgte dann der Zugriff.

Bildunterschrift: Am Freitag griff die Polizei hier in den frühen Morgenstunden zu.

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Mindener Tageblatt Online, 16.02.2020:

Festgenommene in U-Haft / Mutmaßliche rechte Terrorzelle nannte sich "Der harte Kern"

16.02.2020 - 11.04 Uhr

Berlin. Nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle werden immer mehr Details bekannt. Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet, agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern".

Die Männer hätten unter anderem Bezüge zu der rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin" (SOO) gehabt, einer 2015 in Finnland gegründeten, rechtsextremistischen Bürgerwehr, die sich dann auch in Deutschland bildete. Die SOO-Mitglieder treten dem Bericht zufolge meist schwarz gekleidet auf, die Jacken ziert ein Wikinger-Schädel als Gruppenlogo.

Alle zwölf am Freitag festgenommenen Männer sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) erließen im Laufe des Samstags Haftbefehle gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und acht mutmaßliche Unterstützer. Die Männer, allesamt deutsche Staatsangehörige, sollen Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime ins Auge gefasst haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen.

Nach Informationen des "Spiegels" wurde der mutmaßliche Anführer der Gruppe von den Sicherheitsbehörden als rechtsextremer Gefährder geführt. Wie das Magazin berichtet, hatten Staatsschützer den 53-jährigen Werner S. aus dem Raum Augsburg bereits vor mehreren Monaten entsprechend eingestuft. Bundesweit zählte die Polizei demnach zuletzt 53 rechtsextreme Gefährder, denen sie schwere Gewalttaten bis hin zu Anschlägen zutraut.

Bildunterschrift: Eine Person wird von einem maskierten Polizisten in den Bundesgerichtshof in Karlsruhe gebracht.

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Der Tagesspiegel Online, 16.02.2020:

Anschläge auf Politiker und Muslime erwogen / Alle zwölf Terrorverdächtigen in Untersuchungshaft

16.02.2020 - 09.04 Uhr

Nach den Razzien gegen eine mutmaßliche rechte Terrorzelle wurde gegen zwölf Männer Haftbefehle erlassen. Zu den Anschlagsplänen ist noch wenig bekannt.

Von Frank Jansen

Am Samstagabend war dann klar: Nachdem die Sicherheitsbehörden am Freitag mit Razzien gegen eine mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung vorgegangen waren, haben nun die Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe Haftbefehl gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und alle acht mutmaßlichen Helfer erlassen.

Die Anhörungen der vielen Verdächtigen hatten sich über den ganzen Samstag hingezogen. Dazu waren alle zwölf Männer an den BGH nach Karlsruhe gebracht worden. Ob jemand - wie von der Bundesanwaltschaft beantragt - in U-Haft kommt oder mangels belastbarer Erkenntnisse wieder freigelassen werden muss, entscheidet ein Ermittlungsrichter.

Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtete, agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern". Die Mitglieder der Gruppe sollen demnach Bezüge zur rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin" gehabt haben.

Bei den "Soldiers of Odin" handelt es sich demnach um Mitglieder einer 2015 in Finnland gegründeten rechtsextremistischen Bürgerwehr, die sich später auch in Deutschland bildete. Die Mitglieder treten meist einheitlich schwarz gekleidet und in Jacken mit Wikinger-Schädel auf.

Die Polizei, darunter Spezialeinsatzkommandos, hatte am Freitag an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt die Wohnungen und weitere Räumlichkeiten von 13 Personen durchsucht.

Alle Festgenommenen sind Deutsche und Männer. Sie sind dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt. Vier von ihnen sollen sich zu der eigentlichen Terrorzelle zusammengeschlossen haben. Die acht Anderen halten die Ermittler für Unterstützer.

Waffen sollten offenbar in Osteuropa beschafft werden

Sie sollen sich bereiterklärt haben, Geld zu geben, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken. Zum Kern der Gruppe rechnet die Bundesanwaltschaft noch einen fünften Mann. Er wurde aber als Einziger nicht festgenommen.

Es gebe den Anfangsverdacht, dass die Gruppe durch Anschläge auf Politiker, Flüchtlinge und Muslime "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeiführen habe wollen, teilte die Behörde mit. Es sei das Ziel der Vereinigung gewesen, "die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden".

Treffen in Minden - Waffen bei Razzien gefunden

Bei den Durchsuchungen wurden mutmaßlich selbstgebastelte Schusswaffen und Handgranaten entdeckt. Die Polizei werde prüfen, ob die Fundstücke funktionsfähig sind, hieß es in Sicherheitskreisen. Bei einer Waffe handelt es sich um eine "Slam-Gun", ein röhrenartiges Gewehr - ähnlich der selbstgebauten Waffe, mit der im Oktober 2019 der Juden-Hasser Stephan Balliet die Synagoge in Halle angriff.

Nach Informationen des Tagesspiegel hatten sich Mitglieder der Gruppierung am vergangenen Wochenende in Minden in Nordrhein-Westfalen getroffen und trotz ihres Arsenals die Beschaffung von Waffen in einem osteuropäischen Land vereinbart. Gesprochen wurde offenbar auch über die Herstellung eigener Waffen. Polizei und Verfassungsschutz hatten die Rechtsextremisten im Blick. Gemeinsam mit der Bundesanwaltschaft wurde dann beschlossen, jetzt einzugreifen.

Ein Verdächtiger ist Polizei-Mitarbeiter in Hamm

Die Gruppe ist womöglich größer als die von der Bundesanwaltschaft genannten 13 Beschuldigten. Es könnten insgesamt doppelt so viele Mitglieder sein, sagten Sicherheitskreise. Bestätigt wurde zudem, dass einer der festgenommenen acht Unterstützer in Hamm (NRW) als Verwaltungsmitarbeiter bei der örtlichen Polizei tätig war. Der Mann wurde suspendiert. Er sei bislang nicht als Extremist bekannt gewesen und erstmals als Teilnehmer des Treffens der Terrorgruppe am vergangenen Sonnabend in Minden aufgefallen, hieß es.

Fünfköpfiger Kern der Terrorgruppe besteht seit Herbst 2019

Die Terrorgruppe hatte sich im September 2019 gebildet. Schwerpunkt war Baden-Württemberg, deshalb leitet das Landeskriminalamt in Stuttgart die polizeilichen Ermittlungen. Die Rechtsextremisten kommunizierten vor allem über Chats, außerdem gab es mehrere Treffen. Diese soll der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg koordiniert haben, zum Teil unterstützt von Tony E. (39) aus Niedersachsen.

Die Gruppe redete über Angriffe auf insgesamt sechs Moscheen, auf Asylbewerber und auf Politiker, wegen ihrer liberalen Haltung in der Migrationspolitik.

Der Fall erinnert an die ähnlich motivierte Terrorgruppe "Revolution Chemnitz". In der sächsischen Stadt hatten sich im September 2018 Rechtsextremisten zusammengetan, um am Jahrestag der Wiedervereinigung in Berlin Anschläge zu verüben. Die Gruppe wollte ebenfalls einen Bürgerkrieg entfachen.

Motiv war der Hass auf Migranten und Politiker, denen der angeblich drohende Untergang Deutschlands vorgeworfen wurde. 2015 hatten zudem Polizei, Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft Anschläge der Terrorgruppe "Oldschool Society" vereitelt, die mit ähnlichem Hass Anschläge auf Flüchtlingsheime und salafistische Moscheen vorbereitete. (mit dpa)

Bildunterschrift: Eine Person wird von Polizisten zum Bundesgerichtshof gebracht.

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tagesschau.de, 16.02.2020:

Mutmaßliche rechte Terrorzelle / Verdächtiger galt als Gefährder

16.02.2020 - 08.29 Uhr

Nach den Razzien und Haftbefehlen gegen mutmaßliche Rechtsterroristen werden immer neue Details bekannt. Einer der Männer wurde offenbar seit Monaten als Gefährder geführt. Mehrere Waffen wurden sichergestellt.

Zwei Tage nach den Razzien gegen mutmaßlich Rechtsextreme in mehreren Bundesländern lassen neue Details aus Ermittlerkreisen Rückschlüsse darauf zu, wie vernetzt die mutmaßliche Terrorzelle war. Die Gruppe agierte nach Informationen der "Welt am Sonntag" unter dem Namen "Der harte Kern". Sie soll Bezüge zur rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin" gehabt haben - eine ursprünglich 2015 in Finnland gegründete rechtsextreme "Bürgerwehr" mit Ablegern in Deutschland.

Einem Bericht des "Spiegel" zufolge wurde der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Werner S., von den Sicherheitsbehörden bereits seit Monaten als rechtsextremer Gefährder eingestuft. Bundesweit zählte die Polizei zuletzt 53 rechtsextreme Gefährder, denen sie schwere Gewalttaten bis hin zu Anschlägen zutraut.

Waffen sichergestellt

Bei der Razzia in mehreren Bundesländern am Freitag hätten die Ermittler zudem Waffen gefunden, darunter eine so genannte selbst gebaute Slam-Gun. Eine ähnliche Waffe besaß auch der antisemitische Attentäter von Halle, der im Oktober in eine Synagoge eindringen wollte und zwei Menschen getötet hatte. Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeigers" wurden zudem Handgranaten und verfassungswidrige NS-Symbole sichergestellt.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Freitag vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und acht mutmaßliche Unterstützer festnehmen lassen. Werner S., Tony E., Michael B. und Thomas N. sollen sich im September 2019 zusammengeschlossen haben. Gegen sie erging Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Sie wurden den Ermittlungen zufolge von acht Männern unterstützt, die ebenfalls am Freitag vorläufig festgenommen worden waren.

Anhörungen der Bundesanwaltschaft

Die Anhörungen der zwölf Festgenommenen erstreckten sich über den gesamten Samstag. Ziel der Gruppierung soll es nach Angaben der Bundesanwaltschaft gewesen sein, "die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik zu erschüttern und letztlich zu überwinden". Dazu sollten durch Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime "bürgerkriegsähnliche Zustände herbeigeführt werden".

Kontakt persönlich oder in Chats

Die Gruppe soll sich zur Umsetzung ihres Vorhaben mehrfach in unterschiedlichen Besetzungen persönlich getroffen haben. Anberaumt und koordiniert wurden diese Treffen laut Bundesanwaltschaft durch S., der in einigen Fällen durch E. unterstützt worden sein soll. Zudem standen die Beschuldigten demnach untereinander über Chat-Gruppen verschiedener Messenger-Dienste sowie telefonisch in Kontakt.

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Neue Westfälische am Sonntag, 16.02.2020:

Zwölf Terrorverdächtige in U-Haft

Die mutmaßliche rechte Terrorzelle soll Anschläge geplant haben

Karlsruhe (dpa). Nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle befinden sich alle zwölf am Freitag festgenommenen Männer in Untersuchungshaft. Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) erließen im Laufe des Samstags Haftbefehl gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und acht mutmaßliche Unterstützer. Das sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft nach der letzten Vorführung am Abend.

Die Anhörungen der vielen Verdächtigen hatten sich über den ganzen Tag hingezogen. Dazu waren alle zwölf Männer an den BGH nach Karlsruhe gebracht worden. Ob jemand - wie von der Bundesanwaltschaft beantragt - in U-Haft kommt oder mangels belastbarer Erkenntnisse wieder freigelassen werden muss, entscheidet ein Ermittlungsrichter.

Der Generalbundesanwalt war am Freitag mit Razzien in sechs Bundesländern gegen die Gruppe vorgegangen. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik ins Wanken zu bringen. Das Vorhaben sei aber noch nicht näher konkretisiert worden.

Die Festgenommenen, alles Deutsche, sind dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt. Vier von ihnen sollen sich zu der eigentlichen Terrorzelle zusammengeschlossen haben. Die acht Anderen halten die Ermittler für Unterstützer. Sie sollen sich bereiterklärt haben, Geld zu geben, Waffen zu beschaffen oder an künftigen Anschlägen mitzuwirken. Zum Kern der Gruppe rechnet die Bundesanwaltschaft noch einen fünften Mann. Er wurde aber als Einziger nicht festgenommen.

Laut Bundesanwaltschaft hatte sich die Gruppe in Chats und telefonisch ausgetauscht und auch schon mehrfach getroffen. Diese Treffen soll der 53-jährige Werner S. aus dem Raum Augsburg koordiniert haben, zum Teil unterstützt von Tony E. (39) aus Niedersachsen (Landkreis Uelzen). Wie der Spiegel berichtete, sollen mehr als zehn Leute am vergangenen Samstag in Minden zusammengekommen sein. Dieses Treffen sei von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert worden.

Zum Kern der Gruppe sollen außerdem der 35-jährige Thomas N. aus Nordrhein-Westfalen (Kreis Minden-Lübbecke) und der 47-jährige Michael B. aus Baden-Württemberg (Raum Esslingen) gehört haben.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte zu den Durchsuchungen bekanntgegeben, dass ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei suspendiert worden sei. Dieser Mann ist dem Vernehmen nach einer der mutmaßlichen Unterstützer.

Die anderen sieben mutmaßlichen Helfer waren ebenfalls in NRW, in Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen-Anhalt gefasst worden.

Bildunterschrift: Anhörung in Karlsruhe: Ein Verdächtiger wird von Polizisten in den Bundesgerichtshof gebracht.

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 15.02.2020:

Razzia: Zwölf rechte Terrorverdächtige in Untersuchungshaft

15.02.2020 - 20.05 Uhr

Nach Zerschlagung von mutmaßlicher Terrorzelle

Elf Festgenommene in U-Haft

Gruppe wollte bürgerkriegsähnliche Zustände

Nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle mit Razzien in NRW ist gegen alle zwölf Festgenommenen in Karlsruhe Haftbefehl erlassen worden.

Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) erließen am Samstag (15.02.2020) Haftbefehl gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppe und alle acht mutmaßlichen Helfer.

Vier Festgenommene stammen aus NRW

Die Gruppe soll Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen. Vier der festgenommenen Männer stammen aus NRW. Ein Mann aus dem Kreis Minden-Lübbecke soll demnach ein Gründungsmitglied sein, zwei weitere aus dem Kreis sowie ein Mann aus Hamm sollen Unterstützer der Gruppe sein. Einer der Verdächtigen ist laut Innenminister Herbert Reul (CDU) ein Verwaltungsbeamter bei der NRW-Polizei. Er sei suspendiert worden.

Grüne fordern Antworten von Reul

"Dass sich ein Verwaltungsbeamter der NRW-Polizei unter den Verdächtigten der heutigen Durchsuchungen befindet, ist erschreckend", erklärte Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. "Rechtsextreme und rassistische Einstellungen haben in unserer Polizei nichts zu suchen." Innenminister Reul müsse nun Fragen zu Beschäftigungsdauer und Arbeitsfeldern des verdächtigen Verwaltungsbeamten beantworten.

Austausch in einer Chat-Gruppe

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und des SWR handelt es sich bei den Beschuldigten um Männer zwischen 20 und 50 Jahren. Dem Bericht zufolge tauschten sie die Idee von den Anschlägen und Fotos selbstgebauter Waffen in einer Chat-Gruppe aus. Darauf sei das Bundesamt für Verfassungsschutz aufmerksam geworden.

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Radio Westfalica, 15.02.2020:

Weitere mutmaßliche Rechtsterroristen am BGH

Die Ermittlungen nach den Festnahmen im Zusammenhang mit einer rechten Terrorzelle dauern an. Im Laufe des Tages (15.02.2020) sollen weitere Verdächtigen dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.

Gestern waren auch im Mühlenkreis vier Männer festgenommen worden, sie sollen einer Gruppe angehören, die Anschläge auf Asylbewerber, Muslime und Politiker geplant haben sollen.

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Mindener Tageblatt, 15./16.02.2020:

Razzia bei Reichsbürgern

Polizei verhaftet mutmaßlichen Mitbegründer eines Terror-Netzwerkes im Mindener Norden / Auch andere Standorte waren im Fokus der Ermittler

Stefan Koch

Minden / Porta Westfalica. Freitagmorgen, 6 Uhr: Mit einem Großaufgebot an Spezialeinsatzkräften rückt die Polizei im Kreis Minden-Lübbecke an. "Polizeieinsatz - folgen Sie unseren Anweisungen", hallt es durch Wohnquartiere und weckt Anwohner vorzeitig aus dem Schlaf. Insgesamt zwei Personen aus Minden und eine aus Porta Westfalica stehen in Verdacht, an einer rechtsterroristischen Vereinigung beteiligt zu sein. Die Polizei nimmt sie vorläufig fest. Ermittler durchsuchen ihre Wohnungen nach Waffen. Dabei kommen auch Spürhunde zum Einsatz.

Unter insgesamt 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die am Freitag die Bundesanwaltschaft durchsuchen ließ, befindet sich ein Einfamilienhaus im Mindener Norden. Dort hielt sich bislang der Inhaber eines Handwerksbetriebes auf, dem die Ermittler die Gründung einer rechtsradikalen Terrorzelle zur Last legen. Ihrem engeren Kreis gehören fünf Beschuldigte an.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Mindener und seinen Komplizen aus den Landkreisen Augsburg, Esslingen sowie der Stadt Uelzen vor, sich im September 2019 zusammengeschlossen zu haben. Sie sollen zusammen mit acht weiteren Unterstützern Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland herbeizuführen.

Wie die Bundesanwaltschaft am Freitag mitteilte, habe sie beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes Antrag auf Erlass von Haftbefehlen gestellt. Nachbarn beschreiben den bislang im Mindener Norden wohnenden Handwerker als unauffällig. Von dem von ihm angemieteten Grundstück sollen keine Störungen durch rechtsradikale Aktionen ausgegangen sein. Allerdings hatte es schon einmal eine Razzia gegeben. Zudem ist sein Firmenfahrzeug mit Aufklebern versehen, die unter anderem ein Bekenntnis zur Reichsbürger-Szene enthalten.

Nachbarn beschreiben den Handwerker als unauffällig

Neben Minden war auch Porta Westfalica im Visier der Ermittler. Einsatzort war Kleinenbremen, wo noch am Nachmittag größere Polizeifahrzeuge vor einem Haus standen. Für alteingesessene Kleinenbremer wie den früheren stellvertretenden Portaner Bürgermeister Dieter Lichte (SPD) kam die Nachricht von der Razzia überraschend. Probleme mit Rechtsradikalen in Kleinenbremen seien ihm nicht bekannt, so Lichte zum MT. Es habe zwar früher mal einen oftmals alkoholisierten Menschen gegeben, der rechte Parolen krakeelte, aber das liege Jahre zurück und sei ein Einzelfall gewesen. Eine rechte Szene gebe es in Kleinenbremen nicht.

Nach einer Kleinen Anfrage der Mindener SPD-Abgeordneten Christina Weng im Landtag im vergangenen Jahr leben unter den rund 3.200 Anhängern der Reichsbürger-Szene in NRW 81 im Kreis Minden-Lübbecke. Aufgefallen waren sie unter anderem in der Pr. Oldendorfer Nachbarkommune Bad Essen, wo sie Flugblätter verteilten und dazu aufriefen, so genannte "Staatsbürgerausweise" zu beantragen. Im Februar 2016 hatte in Bad Essen ein Mitglied der Szene einen Gerichtsvollzieher mit einem Baseballschläger verletzt. Zudem ermittelte die Polizei gegen einen Waffensammler aus Stemwede. Ende April 2016 hatten die Beamten ein illegal besetztes Haus in Porta Westfalica-Hausberge ausgehoben, in dem sich rund 30 Personen aus dem Reichsbürger-Milieu aufhielten. Auch in Minden waren zwei Mitglieder der Szene negativ aufgefallen, wie ein Bericht eines Polizeibeamten im Sicherheitsausschuss der Stadt ergab.

Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882165 sowie Stefan.Koch@MT.de.

Bildunterschrift: Der Festgenommene macht keinen Hehl aus seiner Einstellung und plakatierte sein Fahrzeug entsprechend. Im Mindener Norden lebte er eher unauffällig.

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Mindener Tageblatt, 15./16.02.2020:

Terrorspur führt in den Kreis

Polizei hebt bundesweit agierende Vereinigung aus / Razzia auch in Minden und Porta Westfalica / Zwölf Beschuldigte wegen Anschlagsplanungen festgenommen

Lothar Schmalen

Minden. Polizei und Bundesanwaltschaft haben eine neue, bundesweit agierende rechtsterroristische Vereinigung ausgehoben. Dabei führen die Spuren auch in den Kreis Minden-Lübbecke und nach Hamm. Wie der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) im Landtag bekannt gab, wurden drei Wohnungen im Kreis Minden-Lübbecke durchsucht, zwei davon in Minden und eine in Porta Westfalica.

Bei dem Tatverdächtigen Thorsten W. aus Hamm handelt es sich nach Informationen dieser Zeitung um einen Verwaltungsbeamten der Polizei. Der Mann arbeitet seit Anfang der neunziger Jahre bei der NRW-Polizei. "Er ist sofort suspendiert worden und hat Hausverbot bekommen", sagte Reul.

Insgesamt ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen fünf Beschuldigte, die sich im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben sollen. Außerdem stehen acht weitere Beschuldigte im Fokus der Ermittler, denen vorgeworfen wird, die terroristische Vereinigung unterstützt zu haben.

Bei der Razzia erhärtete sich offenbar der Verdacht. Am Nachmittag gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass vier der fünf Hauptbeschuldigten festgenommen wurden, darunter auch Thomas N. aus Minden. Er war bislang der Reichsbürger-Szene zugeordnet worden. Festgenommen wurden auch alle mutmaßlichen Unterstützer, darunter Ulf R. aus Porta Westfalica sowie ein weiterer Beschuldigter aus Minden. Alle zwölf werden nun dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt.

Die rechte Terrorgruppe soll Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben. So hätten sie bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland herbeiführen wollen, erklärte der Generalbundesanwalt.

Die Personen hätte sich bereits mehrmals getroffen. Zudem hätten die Beschuldigten über Chat-Gruppen verschiedener Messenger-Dienste sowie telefonisch in Kontakt gestanden. Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen zugesagt haben, die Terrorgruppe mit Geld und Waffen zu unterstützen oder an Anschlägen mitzuwirken.

Innenminister Reul sprach von einer "großartigen Leistung der Sicherheitsbehörden". Die jetzt Festgenommenen seien schon länger unter Beobachtung gewesen.

"Wir wissen mehr über die gewaltbereiten Rechtsextremisten, als denen lieb sein kann", betonte Reul. Den Rechtsterrorismus bezeichnete der Innenminister als die zurzeit größte Bedrohung für unsere Sicherheit neben dem islamistischen Terror.

Seite 2

Razzien in sechs Bundesländern

Die Razzien der SEK-Kommandos fanden an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz sowie Sachsen-Anhalt statt. Außerdem wurde in Bayern die Wohnung einer nicht tatverdächtigen Person durchsucht.

Bildunterschrift: Der Festgenommene machte keinen Hehl aus seiner Einstellung. Im Mindener Norden lebte er eher unauffällig.

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Neue Westfälische, 15./16.02.2020:

Razzia bei Reichsbürgern

Polizei verhaftet mutmaßlichen Mitbegründer eines Terror-Netzwerkes im Mindener Norden / Auch andere Standorte waren im Fokus der Ermittler

Stefan Koch

Minden / Porta Westfalica. Freitagmorgen, 6 Uhr: Mit einem Großaufgebot an Spezialeinsatzkräften rückt die Polizei im Kreis Minden-Lübbecke an. "Polizeieinsatz - folgen Sie unseren Anweisungen", hallt es durch Wohnquartiere und weckt Anwohner vorzeitig aus dem Schlaf. Insgesamt zwei Personen aus Minden und eine aus Porta Westfalica stehen im Verdacht, an einer rechtsterroristischen Vereinigung beteiligt zu sein. Die Polizei nimmt sie vorläufig fest. Ermittler durchsuchten ihre Wohnungen nach Waffen. Dabei kamen auch mehrere Spürhunde zum Einsatz.

Unter insgesamt 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die am Freitag die Bundesanwaltschaft durchsuchen ließ, befindet sich ein Einfamilienhaus im Mindener Norden. Dort hielt sich bislang der Inhaber eines Handwerksbetriebes auf, dem die Ermittler die Gründung einer rechtsradikalen Terrorzelle zur Last legen. Ihrem engeren Kreis gehören fünf Beschuldigte an.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Mindener und seinen Komplizen aus den Landkreisen Augsburg, Esslingen sowie der Stadt Uelzen vor, sich im September 2019 zusammengeschlossen zu haben. Sie sollen gemeinsam mit acht weiteren Unterstützern Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, habe sie beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes Antrag auf Erlass von Haftbefehlen gestellt.

Nachbarn beschreiben den bislang im Mindener Norden wohnenden Handwerker als unauffällig. Von dem von ihm angemieteten Grundstück sollen keine Störungen durch rechtsradikale Aktionen ausgegangen sein. Allerdings hatte es schon einmal eine Razzia gegeben. Zudem ist sein Firmenfahrfahrzeug mit Aufklebern versehen, die unter anderem ein Bekenntnis zur Reichsbürgerszene enthalten.

Neben Minden war auch Porta Westfalica im Visier der Ermittler. Einsatzort war Kleinenbremen, wo noch am Nachmittag größere Polizeifahrzeuge vor einem Haus standen. Für alteingesessene Kleinenbremer wie den früheren stellvertretenden Portaner Bürgermeister Dieter Lichte (SPD) kam die Nachricht von der Razzia überraschend. Probleme mit Rechtsradikalen im Ort seien ihm nicht bekannt, so Lichte gegenüber dieser Zeitung. Es habe zwar früher mal einen oftmals alkoholisierten Menschen gegeben, der rechte Parolen krakeelte, aber das liege Jahre zurück und sei ein Einzelfall gewesen. Eine rechte Szene gebe es nicht.

Nach einer Kleinen Anfrage der Mindener SPD-Abgeordneten Christina Weng im Landtag im vergangenen Jahr leben unter den rund 3.200 Anhängern der Reichsbürgerszene in NRW 81 im Kreis Minden-Lübbecke. Aufgefallen waren sie unter anderem in der Pr. Oldendorfer Nachbarkommune Bad Essen (Niedersachsen), wo sie Flugblätter verteilten und dazu aufriefen, sogenannte "Staatsbürgerausweise" zu beantragen.

Im Februar 2016 hatte in Bad Essen ein Mitglied der Szene einen Gerichtsvollzieher mit einem Baseballschläger verletzt. Zudem ermittelte die Polizei gegen einen Waffensammler aus Stemwede. Ende April 2016 hatten die Beamten ein illegal besetztes Haus in Porta Westfalica-Hausberge ausgehoben, in dem sich rund 30 Personen aus dem Reichsbürger-Milieu aufhielten. Auch in Minden waren zwei Mitglieder der Szene negativ aufgefallen, wie ein Bericht eines Polizeibeamten im Sicherheitsausschuss der Stadt ergab.

Bildunterschrift: Der Festgenommene machte keinen Hehl aus seiner Einstellung. Im Mindener Norden lebte er eher unauffällig.

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Neue Westfälische, 15./16.02.2020:

Kommentar / Ermittlungserfolg gegen Rechtsterrorismus / Nicht wehrlos

Lothar Schmalen, Düsseldorf

Die Einsatzkommandos der Polizei haben offenbar ganze Arbeit geleistet. Razzien in den frühen Morgenstunden folgten Festnahmen nur wenige Stunden später. Zwölf vorläufig Verhaftete sind eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Dass unter den Beschuldigten auch ein Polizei-Mitarbeiter ist, ist besonders alarmierend. Offenbar haben die Ermittler eine gefährliche Terrorzelle ausgehoben, ihre Anschlagspläne zunichte gemacht und den demokratischen Rechtsstaat vor einer grauenvollen Erschütterung bewahrt.

Das gestrige Signal von Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt an die rechtsextremistischen Feinde unserer demokratischen, offenen Gesellschaft lautet deshalb: Dieser Staat ist für die Rechtsterroristen keine leichte Beute, die von ihnen verschmähte Demokratie ist nicht wehrlos, sondern wachsam. Oder wie NRW-Innenminister Herbert Reul im Landtag sagte: "Die Rechtsterroristen sollten wissen: Wir sind ihnen auf den Fersen." Jedenfalls ist der demokratische Staat stärker, als diese Verbrecher vielleicht glauben.

Wie schon bei den zuletzt aufgedeckten Fällen von Kindesmissbrauch spielen auch beim politisch motivierten Terrorismus inzwischen Internet und Mobiltelefonie eine große Rolle. Allerdings mit zweischneidigem Effekt. Einerseits ermöglicht die moderne Technik den gewaltbereiten Rechtsextremisten, ortsunabhängig miteinander in Kontakt zu treten, Treffen zu vereinbaren und konspirative Pläne zu schmieden. Andererseits gibt sie den Ermittlern neue Möglichkeiten, den Verbrechern auf die Spur zu kommen. Jede Aktivität im Internet hinterlässt eben Spuren, die der Polizei bei ihrer mühseligen Arbeit helfen können.

Aber noch etwas anderes macht der neueste Fall einer ausgehobenen Terrorgruppe klar: Rechtsterrorismus ist kein Phänomen mehr, das vor allem in Ostdeutschland angesiedelt ist. Die überwiegende Zahl der gestern Festgenommenen kommt aus Westdeutschland, leider spielt auch Ostwestfalen-Lippe dabei eine größere Rolle. Die potenziellen und aktiven Gewalttäter sitzen inzwischen über ganz Deutschland verteilt, im ländlichen Raum genauso wie in der Großstadt.

lothar.schmalen@ihr-kommentar.de

Titelseite, Zwischen Weser und Rhein

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Neue Westfälische, 15./16.02.2020:

Spuren rechter Terroristen führen nach OWL

Polizei hebt bundesweit agierende Vereinigung aus / Razzia auch in Minden und Porta Westfalica / Zwölf Beschuldigte wegen Anschlagsplanungen festgenommen

Lothar Schmalen

Minden. Polizei und Bundesanwaltschaft haben eine neue bundesweit agierende, rechtsterroristische Vereinigung ausgehoben. Dabei führen die Spuren auch in den Kreis Minden-Lübbecke und nach Hamm. Wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Landtag bekannt gab, wurden drei Wohnungen im Kreis Minden-Lübbecke durchsucht, zwei davon in Minden und eine in Porta Westfalica.

Bei dem Tatverdächtigen Thorsten W. aus Hamm handelt es sich nach Informationen dieser Zeitung um einen Verwaltungsbeamten der Polizei. Der Mann arbeitet seit Anfang der neunziger Jahre bei der NRW-Polizei. "Er ist sofort suspendiert worden und hat Hausverbot bekommen", sagte Reul. Insgesamt ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen fünf Beschuldigte, die sich im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben sollen. Außerdem stehen acht weitere Beschuldigte im Fokus der Ermittler, denen vorgeworfen wird, die terroristische Vereinigung unterstützt zu haben.

Bei der Razzia erhärtete sich offenbar der Verdacht. Am Nachmittag gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass vier der fünf Hauptbeschuldigten festgenommen wurden, darunter auch Thomas N. aus Minden. Er war bislang der Reichsbürger-Szene zugeordnet worden. Festgenommen wurden auch alle mutmaßlichen Unterstützer, darunter Ulf R. aus Porta Westfalica sowie ein weiterer Beschuldigter aus Minden. Alle zwölf werden nun dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt.

Die rechte Terrorgruppe soll Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben. So hätten sie bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland herbeiführen wollen, erklärte der Generalbundesanwalt. Die Personen hätte sich bereits mehrmals getroffen. Zudem hätten die Beschuldigten über Chat-Gruppen verschiedener Messenger-Dienste sowie telefonisch in Kontakt gestanden. Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen zugesagt haben, die Terrorgruppe mit Geld und Waffen zu unterstützen oder an Anschlägen mitzuwirken.

Innenminister Reul sprach von einer "großartigen Leistung der Sicherheitsbehörden". Die jetzt Festgenommenen seien schon länger unter Beobachtung gewesen. "Wir wissen mehr über die gewaltbereiten Rechtsextremisten, als denen lieb sein kann", betonte Reul. Den Rechtsterrorismus bezeichnete der Innenminister als die zur Zeit größte Bedrohung für unsere Sicherheit neben dem islamistischen Terror.

Razzien in sechs Bundesländern

Die Razzien der SEK-Kommandos fanden an 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz sowie Sachsen-Anhalt statt. Außerdem wurde in Bayern die Wohnung einer nicht tatverdächtigen Person durchsucht.

Kommentar, Zwischen Weser und Rhein

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Westfalen-Blatt, 15./16.02.2020:

Hinweis auf Depot im Wald

Kreis Minden-Lübbecke ist ein Schwerpunkt der bundesweiten Terror-Razzia

Von Christian Althoff

Minden (WB). Spezialeinsatzkommandos sind am Freitagmorgen gegen sechs Uhr in zwei Häuser in Minden und eines in Porta Westfalica eingedrungen und haben mehrere Beschuldigte festgenommen.

Der Kreis Minden-Lübbecke war ein Schwerpunkt der Terror-Razzia, die der Generalbundesanwalt am Freitag an 13 Orten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Bayern durchführen ließ. Die Beschuldigten aus dem Kreis Minden-Lübbecke waren dem Staatsschutz der Bielefelder Polizei zum Teil schon vorher bekannt.

Fünf Männer, unter ihnen der Handwerker N. aus Minden, sollen eine rechtsterroristische Vereinigung mit dem Ziel gegründet haben, durch Anschläge auf Politiker, Muslime und Flüchtlinge "die Gesellschaftsordnung zu erschüttern und bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen", wie es ein Sprecher des Generalbundesanwalts formulierte. Einer der Männer arbeitete als Angestellter bei der Polizei in Hamm. Er wurde suspendiert.

Acht weitere Beschuldigte, unter ihnen Lagerarbeiter R. aus Porta Westfalica, sollen zugesagt haben, die Gruppe mit Geld, Hilfe bei Anschlägen oder der Beschaffung von Waffen zu unterstützen. Insgesamt konnten während der Razzia zwölf von 13 beschuldigten Männern festgenommen werden. Sie sollen am Samstag in Karlsruhe einem Haftrichter vorgeführt werden. Nach Angaben des Generalbundesanwalts sind es ausnahmslos Deutsche, sie sollen zwischen 20 und 50 Jahre alt sein.

Der Fall hatte seinen Anfang in Baden-Württemberg genommen, wo das dortige Landeskriminalamt vor einiger Zeit Hinweise auf die Gruppe bekommen hatte. Nach monatelangen verdeckten, aufwendigen Ermittlungen griffen die Polizisten am Freitag zu. Dabei war das Zweifamilienhaus in Porta Westfalica, in dem R. mit seiner Frau und den Kindern wohnt, ein herausragendes Objekt. "Es gab Hinweise, dass wir hier möglicherweise auf Chemikalien oder andere gefährliche Dinge stoßen würden", sagte ein Ermittler. Deshalb forderte die Polizei ein Entschärferfahrzeug der Bundespolizei an, das sonst auf einem Flughafen stationiert ist und über ein Labor zur Untersuchung unbekannter Substanzen und Gegenstände sowie Entschärfer-Roboter verfügt. Polizisten trugen mehrmals Ge­genstände aus dem Haus von R. zu dem Lastwagen. Ergebnisse der Untersuchungen wurden nicht bekannt.

R. soll in seiner ersten Vernehmung ausgepackt und Hinweise auf Depots in einem nahegelegenen Wald gegeben haben. Gegen 14 Uhr führten Polizisten ihn in Handschellen und mit einem Handtuch über dem Kopf aus dem Haus zu einem Zivilwagen. Dann fuhren sie mit ihm zu dem Wald, wo der Beschuldigte ihnen die Depots zeigen sollte.

Zum Ergebnis dieser Aktion machte der Generalbundesanwalt am Freitag keine Angaben. Er teilte aber mit, dass sich bei den Durchsuchungen in den 13 Städten der Verdacht gegen die Gruppe und ihre mutmaßlichen Unterstützer erhärtet habe. Deshalb würden am Samstag auch Haftbefehle beantragt. Sie sollen in vier Fällen auf Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung lauten und in acht Fällen auf Unterstützung der Vereinigung.

Die Gruppe soll sich im September vergangenen Jahres gegründet haben. Nach Ermittlungen des Landeskriminalamts in Stuttgart haben sich die Hauptbeschuldigten S. (Bayern), B. (Baden-Württemberg), N. (NRW) und E. (Niedersachsen) sowie ein weiterer Mann, dessen Namen die Ermittler geheim halten, mehrmals in unterschiedlichen Zusammensetzungen getroffen. S. soll diese Zusammenkünfte organisiert haben. Außerhalb dieser Treffen hätten die fünf Beschuldigten über verschiedene Messenger-Dienste kommuniziert, aber auch telefoniert, sagte ein Sprecher des Generalbundesanwalts.

Alarmiert durch die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im Juni 2019 und den rechtsterroristischen Anschlag auf eine Synagoge in Halle mit zwei Toten vier Monate danach hatte die Bundesregierung mehr Anstrengungen auf dem Gebiet angekündigt. Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz wurden zusätzliche Stellen bewilligt.

www.westfalen-blatt.de:

Video: Polizisten bringen Ulf R. weg, damit er ihnen ein Depot im Wald zeigt.

Fotos der Razzia.

Bildunterschrift: Ermittler besprechen sich vor dem Haus von R. in Porta Westfalica.

Bildunterschrift: Die Einsatzhundertschaft Bielefeld half in Minden beim Durchsuchen.

Bildunterschrift: Die Bundespolizei war mit einem Entschärfer-Lkw da.

Bildunterschrift: Ein Asservat wird zur Untersuchung gebracht.

Bildunterschrift: Spuren des SEK-Einsatzes in Porta Westfalica.

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Westfalen-Blatt, 15./16.02.2020:

Terror-Razzia: Festnahmen in Ostwestfalen

Mit einem Handtuch zum Identitätsschutz über dem Kopf wird ein Verdächtiger am Freitagnachmittag in Porta Westfalica abgeführt: Bei einer Razzia gegen eine mutmaßliche rechte Terror-Gruppe haben Polizisten gestern in sechs Bundesländern 13 Beschuldigte festgenommen, drei von ihnen im Kreis Minden-Lübbecke. Einen Handwerker aus Minden zählt die Bundesanwaltschaft zu den fünf Hauptverdächtigen. Die Gruppe soll Anschläge auf Politiker und Muslime geplant haben.

Seite 3: Bericht

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Spiegel Online, 14.02.2020:

Razzia gegen Rechtsextreme / Die unauffälligen Herren der "Gruppe S."

14.02.2020 - 21.02 Uhr

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen eine mutmaßliche Terrorzelle, die Anschläge gegen Politiker und Muslime geplant haben soll. Die zwölf Festnahmen verdeutlichen die Bedrohung, die von Rechtsextremen ausgeht.
Von Maik Baumgärtner, Roman Lehberger, Sven Röbel, Fidelius Schmid und Wolf Wiedmann-Schmidt

Seit September hatten die Fahnder des Stuttgarter Landeskriminalamts die Rechtsextremisten im Visier. Bis zu 35 Ermittler kümmerten sich um die "Gruppe S.", wie die Behörden die mutmaßliche Terrorzelle intern getauft hatten. Benannt war sie nach dem angeblichen Anführer der Truppe, Werner S.

Der 53-Jährige wohnte in einer kleinen Gemeinde im Landkreis Augsburg, unauffällig, zurückgezogen, so berichten es Anwohner. Am Freitag durchsuchten Polizeikräfte das grauverputzte Haus des Mannes und nahmen ihn fest.

Auch im baden-württembergischen Landkreis Esslingen, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen griffen Polizisten zu und nahmen drei weitere mutmaßliche Mitglieder der "Gruppe S." fest. Acht angebliche Unterstützer der Zelle wurden ebenfalls in Gewahrsam genommen.

Die zwölf Festnahmen verdeutlichen erneut die Bedrohung, die von Rechtsextremisten ausgeht. "Dadurch konnten schwerste Anschläge verhindert werden", vermutete Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Wie im Fall des Mordes am CDU-Politiker Walter Lübcke und dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle führt Generalbundesanwalt Peter Frank die Ermittlungen. Erst kürzlich hatte er vor einer "großen Gefahr" für die Demokratie gewarnt, die von potentiellen Rechtsterroristen ausgehe.

Die am Freitag ausgehobene Zelle soll Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben. Ihr Ziel sei es gewesen, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik "zu erschüttern und letztlich zu überwinden", teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Treffen in Minden

Die Männer der "Gruppe S." hatten sich offenbar zunächst über elektronische Kommunikationskanäle ausgetauscht. In ihren Chats sollen die Beschuldigten auch Fotos selbst hergestellter Waffen geteilt haben.

Am vergangenen Samstag kam es nach Spiegel-Informationen dann zu einem Treffen in der realen Welt: Mehr als zehn Mitglieder und Unterstützer der Gruppe kamen im nordrhein-westfälischen Minden zusammen. Das Treffen wurde von den Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand observiert. Wenige Tage später erfolgte dann der Zugriff.

In Sachsen-Anhalt durchsuchten die Fahnder im Salzlandkreis die Wohnung des Rechtsextremisten Steffen B., 35. Dabei fanden sie nach Angaben aus Ermittlerkreisen eine so genannte "Slam"-Gun - ein im Eigenbau hergestelltes, großkalibriges Schussgerät. Eine ähnliche Waffe hatte auch der antisemitische Attentäter von Halle verwendet. Bezüge zwischen den Fällen konnten die Fahnder zunächst keine finden.

Steffen B. soll Verbindungen zu einer rechtsextremen Bürgerwehr haben. Und auch der mutmaßliche Anführer der "Gruppe S." könnte in der Vergangenheit Bezüge in die organisierte rechtsextreme Szene gehabt haben. Nach Spiegel-Informationen tauchte der Name von Werner S. vor Jahren auf einer internen Interessentenliste der NPD München auf.

Brisant ist auch ein weiteres Detail der Ermittlungen: Bei einem der Verdächtigen handelt es sich um einen Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Das teilte Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) mit. Der Mann sei suspendiert worden, so Reul. Nach Spiegel-Informationen zählen die Ermittler ihn zum Unterstützerkreis der mutmaßlichen Terrorzelle. Auch er wurde vorläufig in Gewahrsam genommen.

Die Festnahmen zeigten "einmal mehr, dass es eine sehr besorgniserregende rechtsterroristische Bedrohung gibt", teilte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) mit. Am Samstag entscheidet ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, ob die mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der Terrorzelle in Untersuchungshaft kommen.

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Radio Westfalica, 14.02.2020:

Razzia gegen mutmaßliche Rechtsterroristen in Minden und Porta Westfalica

Die Polizei hat heute eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle ausgehoben. Zeitgleich gab es Razzien in sechs Bundesländern. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt vier Männer, Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant zu haben. Einer der Hauptverdächtigen kommt aus dem Kreis Minden-Lübbecke.

Die Männer sollen sich vergangenen September über das Internet zusammengeschlossen und das Netzwerk gegründet zu haben. Bei ihren Plänen sollen sie laut Bundesanwaltschaft von acht weiteren Männern - darunter drei aus Minden und Porta Westfalica - unterstützt worden sein - beispielsweise mit Geld und Waffen. Sie alle wurden heute vorläufig festgenommen. Wie konkret ihre Anschlagspläne waren, ist noch unklar. Das werde sich erst abschließend bewerten lassen, wenn alle beschlagnahmten Computer und Datenträger ausgewertet seien, sagte NRW-Innenminister Reul. Sie sollen vor den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs kommen.

Wo genau die Einsätze im Mühlenkreis waren wollte uns die Bundesanwaltschaft nicht sagen. Nach unseren Informationen hat es aber Einsätze in der Mindener Nordstadt und in Porta Westfalica-Kleinenbremen gegeben.

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Neue Westfälische Online, 14.02.2020:

Razzien in sechs Bundesländern / Rechte Terrorgruppe: Spur führt nach Minden-Lübbecke

Polizei durchsucht Wohnungen in sechs Bundesländern, darunter auch in Minden und Porta Westfalica. Zwölf Beschuldigte werden festgenommen.

Lothar Schmalen

Minden. Polizei und Bundesanwaltschaft haben eine neue bundesweit agierende rechtsterroristische Vereinigung ausgehoben. Dabei führen die Spuren auch in den Kreis Minden-Lübbecke und nach Hamm. Wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Landtag bekannt gab, wurden auch drei Wohnungen im Kreis Minden-Lübbecke durchsucht, zwei davon in Minden und eine in Porta Westfalica.

Bei dem Tatverdächtigen Thorsten W. aus Hamm handelt es sich nach Informationen von nw.de um einen Verwaltungsbeamten der Polizei. Der Mann arbeite seit Anfang der neunziger Jahre bei der NRW-Polizei, hieß es im Innenministerium. "Er ist sofort aus dem Dienst suspendiert worden und hat Hausverbot bekommen", sagte Reul.

Insgesamt ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen fünf Beschuldigte, die sich im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben sollen. Außerdem stehen im Fokus der Ermittler acht weitere Beschuldigte, denen vorgeworfen wird, die terroristische Vereinigung unterstützt zu haben.

Bei der Razzia erhärtete sich offenbar der Verdacht. Am Nachmittag gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass vier der fünf Hauptbeschuldigten festgenommen wurden, darunter auch Thomas N. aus Minden. Er war bislang der Reichsbürger-Szene zugeordnet worden. Festgenommen wurden auch alle mutmaßlichen Unterstützer, darunter Ulf R. aus Porta Westfalica sowie ein weiterer Beschuldigter aus Minden. Alle zwölf werden nun dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt.

Die rechte Terrorgruppe soll Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens geplant haben. So hätte sie bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland herbeiführen, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik erschüttern und letztlich überwinden wollen, erklärte der Generalbundesanwalt.

Die Personen hätten sich bereits mehrmals in unterschiedlichen Besetzungen getroffen. Anberaumt und koordiniert worden seien die Treffen von Werner S. aus dem Landkreis Augsburg, der in einigen Fällen von Tony E. aus Uelzen unterstützt worden sei. Beide gehören zu den Festgenommenen. Zudem hätten die Beschuldigten untereinander über Chat-Gruppen verschiedener Messenger-Dienste sowie telefonisch in Kontakt gestanden.

Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen zugesagt haben, die Terrorgruppe finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an Anschlägen mitzuwirken.

Innenminister Reul sprach von einer "großartigen Leistung der Sicherheitsbehörden". Die jetzt Festgenommenen seien schon länger unter Beobachtung der Ermittlungsbehörden gewesen. "Wir wissen mehr über die gewaltbereiten Rechtsextremisten, als denen lieb sein kann. Sie sollten wissen: Die Behörden sind ihnen auf den Fersen", sagte Reul. Den Rechtsterrorismus bezeichnete der Innenminister als die zurzeit größte Bedrohung für unsere Sicherheit neben dem islamistischen Terror.

Bildunterschrift: In mehreren Bundesländern hat es Razzien gegen eine mutmaßliche rechtsterroristische Vereinigung gegeben.

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Spiegel Online, 14.02.2020:

Ermittlungen gegen Rechtsextremisten / Polizeimitarbeiter unter den Festgenommenen bei Großrazzia

14.02.2020 - 14.03 Uhr

Der Generalbundesanwalt geht gegen mutmaßliche Mitglieder und Helfer einer rechtsextremen Terrorgruppe vor, darunter ein Polizeimitarbeiter. Nach Spiegel-Informationen fanden Ermittler außerdem eine selbstgebaute Schusswaffe.

Von Sven Röbel, Fidelius Schmid und Wolf Wiedmann-Schmidt

Nach Razzien gegen mutmaßliche Mitglieder und Helfer einer rechtsextremen Terrorgruppe hat die Bundesanwaltschaft zwölf Verdächtige vorläufig festnehmen lassen. Nach Spiegel-Informationen gehen die Ermittler von einem dringenden Tatverdacht aus. Gegen die Männer sollen nun Haftbefehle beantragt werden.

Die Gruppe soll Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime geplant haben. Das Ziel der mutmaßlichen Rechtsterroristen sei es gewesen, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik "zu erschüttern und letztlich zu überwinden", teilte die Bundesanwaltschaft mit. Als Zwischenschritt schwebte der Gruppe offenbar vor, durch schwere Gewalttaten bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen.

Die mutmaßliche Terrorgruppe soll sich im September 2019 gegründet haben und umfasst nach Erkenntnissen der Ermittler fünf Mitglieder - von ihnen wurden vier festgenommen. Als mutmaßlicher Anführer soll der 53-jährige Werner S. aus dem Landkreis Augsburg fungiert haben.

Die Männer haben sich laut der Ermittlungen in Chat-Gruppen vernetzt, mehrmals hätten sie sich aber auch persönlich getroffen. Acht weitere Unterstützer sollen versprochen haben, die Gruppe mit Geld oder Waffen zu unterstützen. Sie wurden allesamt festgenommen.

Bei den Durchsuchungen sollen die Ermittler auf mehrere Waffen gestoßen sein, darunter eine selbst gebaute "Slam"-Gun. Eine ähnliche Schusswaffe besaß auch der antisemitische Attentäter von Halle.

Polizeimitarbeiter unter Verdacht

Bei einem der Verdächtigen soll es sich um einen Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Nordrhein-Westfalen handeln. Das teilte Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) mit. Der Mann sei suspendiert worden, so Reul. Nach Spiegel-Informationen zählen die Ermittler ihn zum Unterstützerkreis der mutmaßlichen Terrorzelle. Auch er wurde festgenommen.

Die Razzien fanden in insgesamt sechs Bundesländern statt: In Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen durchsuchten Polizisten am Freitagvormittag an 13 Orten Räume. An dem Einsatz beteiligten sich mehrere Spezialeinsatzkommandos, federführend war das Landeskriminalamt Baden-Württemberg.

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tagesschau.de, 14.02.2020:

Zwölf Festnahmen / Schlag gegen mutmaßliche rechte Terrorzelle

20.02.2020 - 14.02 Uhr

Mit Razzien in sechs Bundesländern ist die Polizei gegen eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle vorgegangen. Zwölf Männer wurden festgenommen. Unter den Verdächtigen ist ein Polizeibeamter.

Von Michael Götschenberg und Holger Schmidt, ARD-Terrorismus-Experten

In den frühen Morgenstunden hat die Polizei insgesamt 13 Objekte in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Bayern durchsucht. Die Maßnahmen richten sich gegen insgesamt 13 Personen. Im Laufe des Tages wurde jedoch ein Mann aus dem Kreis der Verdächtigen aussortiert.

Die Bundesanwaltschaft verdächtigt vier Männer aus dieser Gruppe, im September vergangenen Jahres eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben. Dabei handelt es sich nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und des SWR um Werner S. aus dem Landkreis Augsburg, der der Kopf der Gruppe sein soll, Michael B. (Landkreis Esslingen), Thomas N. (Landkreis Minden-Lübbecke) und Toni E. aus Uelzen.

Festnahmen im Laufe des Tages

Acht weitere Männer werden verdächtigt, ihre Unterstützung zugesichert zu haben - und zwar sowohl finanziell als auch bei der Beschaffung von Waffen: Torsten W. aus Hamm, Ulf R. (Landkreis-Minden-Lübbecke), Wolfgang W. aus Koblenz, Markus K. und Frank H. aus Minden, Marcel W. (Landkreis Pfaffenhofen), Steffen K. aus Wittenberg und Steffen B. (Salzlandkreis). Alle zwölf wurden im Laufe des Tages festgenommen und sollen noch heute Abend oder morgen früh dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe vorgeführt werden, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und des SWR sind einige von ihnen den Sicherheitsbehörden seit Längerem als Rechtsextremisten bekannt, andere bisher nicht. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul teilte mit, vier Mitglieder der Gruppe lebten in NRW. Bei einem handele es sich um einen Verwaltungsbeamten der nordrhein-westfälischen Polizei. Dieser sei vom Dienst suspendiert worden und habe Hausverbot für seine Behörde. Weitere Einzelheiten wollte Reul nicht mitteilen.

Selbstgebaute Waffe gefunden

Wie das ARD-Hauptstadtstudio und der SWR weiter erfuhren, wurde bei den Durchsuchungen in einem anderen Bundesland eine selbstgebaute Waffe sichergestellt. Es ist allerdings noch unklar, ob sie funktionstüchtig ist. Ein Bild der Waffe war in einer Chat-Gruppe verschickt worden, in der die Mitglieder miteinander kommuniziert hatten. Aus Sicherheitskreisen heißt es, im Laufe des Tages sei möglicherweise noch mit Festnahmen zu rechnen.

NRW-Innenminister Reul sagte, dass sich die Gruppe zunächst im Internet gefunden und dann auch in der Realwelt getroffen habe. Auf die Chat-Gruppe war zunächst das Bundesamt für Verfassungsschutz aufmerksam geworden. In dem Chat ging es unter anderem um Anschläge auf Politiker und Muslime. Wie konkret diese Pläne waren, wird sich erst abschließend bewerten lassen, wenn alle beschlagnahmten Computer und Datenträger ausgewertet sind.

Die Ermittlungen werden vom Generalbundesanwalt geleitet, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat die Federführung. Reul sagte, der Rechtsextremismus sei neben dem Islamismus die größte Bedrohung für unsere Gesellschaft: "Jeder, der sich in diesem Bereich bewegt muss wissen: die Sicherheitsbehörden sind ihm auf den Fersen."

Bekämpfung von Rechtsextremismus

Nach dem Auffliegen des NSU hatten die Sicherheitsbehörden mehrfach rechtsterroristische Gruppen frühzeitig ausfindig und unschädlich machen können, darunter Oldschool Society, die Gruppe Freital oder Revolution Chemnitz. Für Entsetzen hatte die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Sommer vergangenen Jahres gesorgt. Als mutmaßlicher Täter sitzt ein Rechtsextremist in Untersuchungshaft.

In Halle hatte ein den Behörden bis dahin nicht bekannter Täter im Oktober aus rechtsextremer Motivation versucht, einen Anschlag auf eine Synagoge zu verüben und dabei zwei Menschen getötet. Im Lichte dieser Fälle hatten die Sicherheitsbehörden den Kampf gegen den Rechtsextremismus zur Priorität erklärt.

Auf Bundesebene werden das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt personell deutlich verstärkt. Auch methodisch will man den Rechtsextremismus besser beobachten und bekämpfen als bisher: So soll es neben einem intensivierten Internet-Monitoring darum gehen, Schlüsselfiguren der rechtsextremen Szene genauer in den Fokus zu nehmen und auf ihre Gefährlichkeit zu überprüfen.

Im Vergleich zur Zahl der Personen, die als islamistische Gefährder geführt werden, hat die Polizei mit zuletzt 48 Personen vergleichsweise wenige gewaltbereite Rechtsextremisten als Gefährder eingestuft. So bezeichnet der Staatsschutz Personen, denen man zutraut, einen Anschlag zu verüben. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass in Deutschland insgesamt 12.700 Rechtsextremisten gewaltorientiert sind. Im Januar hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer die Neonazi-Vereinigung Combat 18 verboten.

Im Bundesamt für Verfassungsschutz wird außerdem eine Zentralstelle für rechtsextreme Vorfälle in Behörden eingerichtet. Neben der Bundeswehr hatten auch die Polizei und der Verfassungsschutz immer wieder durch Fälle von Rechtsextremismus in den eigenen Reihen von sich Reden gemacht.

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Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 14.02.2020:

Festnahme mutmaßlicher Mitglieder sowie Unterstützer einer rechtsterroristischen Vereinigung

Die Bundesanwaltschaft hat im Zuge der heutigen Durchsuchungsmaßnahmen (vgl. Pressemitteilung Nr. 4 vom 14. Februar 2020)

den deutschen Staatsangehörigen Werner S.
den deutschen Staatsangehörigen Michael B.
den deutschen Staatsangehörigen Thomas N. sowie
den deutschen Staatsangehörigen Tony E.

vorläufig festnehmen lassen. Ihnen wird vorgeworfen, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet und sich an ihr mitgliedschaftlich beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 StGB).

Wegen Verdachts der Unterstützung dieser terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 Satz 1 StGB) wurden zudem vorläufig festgenommen

der deutsche Staatsangehörige Thorsten W.
der deutsche Staatsangehörige Ulf R.
der deutsche Staatsangehörige Wolfgang W.
der deutsche Staatsangehörige Markus K.
der deutsche Staatsangehörige Frank H.
der deutsche Staatsangehörige Marcel W.
der deutsche Staatsangehörige Stefan K. sowie
der deutsche Staatsangehörige Steffen B.

Auf Grundlage der aktuellen Ermittlungsergebnisse haben sich die Verdachtsmomente gegen die Beschuldigten erhärtet. Vor diesem Hintergrund ist beabsichtigt, beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Antrag auf Erlass von Haftbefehlen gegen die vorgenannten Beschuldigten zu stellen.

Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten nach wie vor im Wesentlichen folgenden Sachverhalt vor:

Werner S., Michael B., Thomas N., Tony E. und ein weiterer Beschuldigter sollen sich im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben. Ziel der Vereinigung soll es gewesen sein, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden. Zu diesem Zweck sollten durch bislang noch nicht näher konkretisierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens bürgerkriegsähnliche Zustände herbeigeführt werden. Um ihr Vorhaben in die Tat umsetzen zu können, trafen sich die Beschuldigten in unterschiedlichen Besetzungen mehrfach persönlich. Anberaumt und koordiniert wurden die Treffen durch den Beschuldigten Werner S., der in einigen Fällen durch den Beschuldigten Tony E. unterstützt worden ist. Zudem standen die Beschuldigten untereinander über Chat-Gruppen verschiedener Messenger-Dienste sowie telefonisch in Kontakt.

Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen ihrerseits zugesagt haben, die Vereinigung finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an zukünftigen Anschlägen mitzuwirken.

Die zwölf Festgenommenen werden im Laufe des heutigen oder morgigen Tages dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der über den Erlass von Haftbefehlen und den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.

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Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 14.02.2020:

Durchsuchungen in mehreren deutschen Städten wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung u.a.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen fünf namentlich bekannte Beschuldigte, gegen die der Anfangsverdacht besteht, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet und sich an ihr mitgliedschaftlich beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 StGB). Des Weiteren richten sich die Ermittlungen gegen acht weitere Beschuldigte. Sie sind verdächtig, die vorgenannte Vereinigung unterstützt zu haben (§ 129a Abs. 5 Satz 1 StGB).

Die Bundesanwaltschaft lässt daher seit heute Morgen (14. Februar 2020) auf Grund von Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs an insgesamt 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie Sachsen-Anhalt die Wohnungen sowie sonstige Räumlichkeiten der Beschuldigten durchsuchen. Zudem wurde in Bayern die Wohnung einer nicht tatverdächtigen Person durchsucht.

Festnahmen sind bislang nicht erfolgt.

Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sollen sich fünf Personen im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben. Ziel der Vereinigung soll es gewesen sein, die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden. Zu diesem Zweck sollten durch bislang noch nicht näher konkretisierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens bürgerkriegsähnliche Zustände herbeigeführt werden. Die acht mutmaßlichen Unterstützer sollen ihrerseits zugesagt haben, die Vereinigung finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an zukünftigen Anschlägen mitzuwirken.

Die heutigen Durchsuchungen dienen dazu, die bestehenden Verdachtsmomente zu objektivieren. Insbesondere soll geklärt werden, ob die Beschuldigten bereits über Waffen oder sonstige Gegenstände zur Anschlagsbegehung verfügen.

Vor diesem Hintergrund haben mit dem Vollzug der Durchsuchungsanordnungen befasste Landeskriminalämter auch Spezialeinsatzkommandos (SEK) hinzugezogen. Mit den kriminalpolizeilichen Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft das Landeskriminalamt Baden-Württemberg beauftragt, unter dessen Federführung die heutigen Maßnahmen durchgeführt worden sind.

Weitergehende Auskünfte können derzeit nicht erteilt werden.

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