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Mindener Tageblatt , 06.10.2017 :

Ruheplatz für völkisch-nationale Heiden

Mathilde und Erich Ludendorff trugen maßgeblich zur Entstehung der Ahnenstätte bei

Petershagen-Seelenfeld (sk). Die Geschichte der Ahnenstätte Seelenfeld ist Teil der Entwicklung jener völkisch-heidnischen Bewegung, deren Urheber das Ehepaar Mathilde und Erich Ludendorff ist - beide waren Antisemiten und Gegner der Weimarer Republik. Ihrer Religionsgemeinschaft sollen heute noch ein paar 1.000 Menschen angehören. Verfassungsschutzbehörden stufen den eingetragenen Verein als rechtsextrem ein.

Erich Ludendorff, der bereits als General in den letzten Monaten des Kaiserreichs zur politischen Person aufstieg, versuchte nach dem Ersten Weltkrieg, seine Karriere als Politiker fortzusetzen. Er gilt als einer der Erfinder der Dolchstoßlegende und wurde zum Weggefährten Adolf Hitlers, mit dem er 1923 den erfolglosen Hitler-Ludendorff-Putsch unternahm. Später war Ludendorff an der Gründung der deutsch-völkischen Organisationen "Tannenbergbund" und "Deutschvolk" beteiligt.

Im Jahr 1933 wurde der Tannenbergbund verboten, da es zum Streit mit Hitler kam. Letzterer hatte aus taktischen Gründen an seiner Nähe zu den Kirchen festgehalten, was die heidnischen Ludendorffer verärgerte. Die ideologische Schnittmenge zwischen Nazis und Ludendorffern blieb aber weiterhin groß. Juden, Freimaurer, Kommunisten waren die Gegner. Als es 1937 zur Aussöhnung zwischen Ludendorff und Hitler kam, durfte der vorübergehend in Ungnade gefallene Mitmarschierer aus Putschisten-Tagen seinen "Bund für Deutsche Gotterkenntnis" ins Vereinsregister eintragen - das Nachfolgemodell zum Tannenbergbund war damit aus der Taufe gehoben.

Mathilde Ludendorff, eine ehemalige Nervenärztin, trat in der Weimarer Republik als Verfasserin völkisch-esoterischer Publikationen auf. Nachdem Deutschland erneut einen Weltkrieg verloren hatte, versuchte sie, ihre Sekte in die Bundesrepublik hinüber zu retten. 1951 gelang ihr die Wiederauflage unter der Bezeichnung "Bund für Gotterkenntnis". Ein darauf folgendes Verbot konnte die Organisation später durch juristische Interventionen abwenden. Ludendorffer haben auch heute Kontakt zu Ahnenstätten und nutzen sie als Friedhöfe. In Tutzing befindet sich das Zentrum des Vereins, wo sich die Villa der Eheleute und damit das Mekka der Ludendorffer befindet. Auch der Weltkriegsgeneral ruht in Tutzing unter seiner Bronze-Büste.

Aber nicht dort, sondern angeblich in Petershagen-Seelenfeld wollte der im Jahr 1937 Verstorbene begraben sein. Belegt ist, dass das Ehepaar Ludendorff 1930 die Ahnenstätte aufgesucht hatte. Zuvor brachte ein junger Ludendorff-Anhänger die völkisch-nationalen Gedanken noch unter der Ägide des Tannenbergbundes in das idyllische Seelenfeld mit, als er dort eine Stelle als Dorfschullehrer antrat. Daraus erwuchs ein Konflikt mit dem für den Ort zuständigen Pfarrer. Schließlich spaltete sich die mehr als 300 Seelen zählende Gemeinde in Christen auf der einen Seite und Tannenberger auf der anderen ab, die damals massenweise aus der Kirche austraten. Die Neuheiden sicherten sich 1929 eine Begräbnisstätte und betrieben sie in privatrechtlicher Trägerschaft. Bei dem Gelände handelte es sich ein archäologisch bedeutsames Hügelgräberfeld aus der Bronzezeit, das 1915 entdeckt worden war. Auch heute noch gibt es den Verein.

Bildunterschrift: Mathilde Ludendorff setzte das "Erbe" fort.

Bildunterschrift: Erich Ludendorff wollte angeblich in Seelenfeld begraben werden.


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Mindener Tageblatt, 06.10.2017:

Ahnungslos zur Ahnenstätte

Auf Medienberichte über rechtsradikalen Zuspruch für den Seelenfelder Friedhof folgte eine Vortragsveranstaltung im Alten Amtsgericht Petershagen / Anwohner gaben sich überrascht, Kritiker forderten mehr Information

Von Stefan Koch

Petershagen-Seelenfeld (mt). Wie ein Unterstand aus dem Ersten Weltkrieg wirkt die Totenkammer. Über der Tür ist der Deutschvolk-Adler der Ludendorffer in Stein gemeißelt - so wie auf einer Handvoll jener Brocken, die die mehr als 100 Begräbnisstellen zieren. Nicht von Familien, sondern von "Sippen" ist auf den Inschriften die Rede. Und nur ein Teil der Toten scheint aus Seelenfeld zu stammen, wie die Angaben verraten, die auch zum akademischen Grad der Verblichenen nicht schweigen.

Über zwei unverschlossene Tore ist die Ahnenstätte Seelenfeld zu betreten, denn sie soll allen Besuchern offen stehen. Sie ist Teil des touristischen Angebotes der Stadt Petershagen und wird in Broschüren beworben. "Ihre Anlage löste in Deutschland eine Bewegung aus, die vom NS-Staat am 23.09.1933 abrupt durch Verbotsverfügung beendet wurde", behauptet die Hinweistafel des Betreibervereins am Eingang - und geht dann zur Heimatkunde über.

Dass sich Anhänger des braunen Spektrums von der Seelenfelder Ahnenstätte angezogen fühlen, berichtet dagegen der Journalist Julian Feldmann aus Kiel. Schon vor sieben Jahren beobachtete er, wie sich bei einer Feier des Freundeskreises Ahnenstätte Seelenfeld unter den 120 Besuchern Rechtsextremisten aus dem Ruhrgebiet und aus Süddeutschland tummelten. Zuletzt war im Juni Wolfgang Schiedewitz, der im thüringischen Guthmannshausen den Verein Gedächtnisstätte betreibt, dabei, als sich rund 80 Personen vor Ort einfanden. Nachdem der Journalist in mehreren Medien über das Seelenfelder Treiben berichtet hatte, strahlte auch der WDR einen Beitrag aus Petershagen aus. Seitdem läuft die öffentliche Diskussion (das MT berichtete).

"Die Ahnenstätte Petershagen-Seelenfeld und der rechtsextreme Bund für Gotterkenntnis" lautete in der vergangenen Woche der Titel eines Vortrags mit Feldmann im Alten Amtsgericht Petershagen. Auf Grund des hohen Publikumsinteresses waren die Stühle ausgegangen. Einladende waren der Mindener Geschichtsverein in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen, dem LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim und dem Verein "Minden - Für Demokratie und Vielfalt".

Feldmann, dessen thematischer Schwerpunkt auf dem völkisch-antisemitischen Teil der Gesellschaft liegt und der auch über die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel berichtet hatte, sieht in der Seelenfelder Ahnenstätte eine Anlage im Verbund von vier weiteren. Zwischen den Standorten gebe es enge personelle Beziehungen. Dem Trägerverein der Seelenfelder Ahnenstätte gehörten drei Personen an, so der Journalist, die bereits in der rechtsextremen Szene aufgefallen seien - zwei davon lebten im Petershäger Raum.

Feldmann machte deutlich, dass die mit 120 bis 150 Personen in Seelenfeld auftretenden "völkischen Sippen" keine gewaltbereiten Krawall-Nazis seien, sondern eher die stillen Vertreter der Szene darstellten. "Natürlich sind auch nicht alle Mitglieder des Ahnenstättenvereins in der rechten Szene engagiert - viele sind familiär in das Umfeld hineingeboren worden", erklärte Feldmann.

Wenig begeistert über seine Berichterstattung erwiesen sich bei der Vortragsveranstaltung anwesende Seelenfelder. Ortsheimatpfleger Friedrich Dralle monierte, dass im WDR-Beitrag zum Ahnenstätten-Treffen im Juni von Schäferhunden die Rede gewesen sei, die am Eingang angeleint waren. Als Zeuge habe er weder die Tiere noch Neonazis gesehen. Und von "dem Schiedewitz" habe er erst aus Medienberichten erfahren.

Ein Anderer bemerkte, dass seine Vorfahren auf dem Friedhof ruhten. Diese seien weder Antisemiten noch Nationalsozialisten gewesen. "Viele hatten damals bloß Zweifel am christlichen Glauben."

Und noch ein weiterer Seelenfelder erklärte, dass es Kontakte zwischen der Kulturgemeinschaft und den Betreibern der Ahnenstätten gegeben habe. "Da hat niemand etwas Rechtsradikales gesagt."

Kritische Stimmen rügten bei der Vortragsveranstaltung dagegen, dass die Stadt Petershagen schon vor drei Jahren über das völkisch-nationale Umfeld der Ahnenstädte informiert worden sei. Nichts sei geschehen. Und auch die jüngsten Reaktionen der Stadt auf die Medienberichte wurden als dürftig bewertet.

Das allerdings könnte sich ändern, denn Petershagen denkt darüber nach, die Informationen der Öffentlichkeit in Bezug auf die Ahnenstätte zu überarbeiten. Und Julian Feldmann will noch in diesem Jahr ein Buch über seine Recherchen zum völkischen Friedhofswesen in Seelenfeld veröffentlichen.

Bildunterschrift: Die Totenkammer liegt gleich am nordwestlichen Eingang der Ahnenstätte in Seelenfeld.

Bildunterschrift: Der Journalist Julian Feldmann beobachtet die Ahnenstätte. Hier bekam sie am 6. Juni 2010 Besuch aus völkischen Kreisen, darunter Dennis Giemsch von den Autonomen Nationalisten in Dortmund.

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Mindener Tageblatt, 29.09.2017:

Ahnenstätte in der Kritik

170 Besucher kamen zum Vortrag von Julian Feldmann

Von Stefan Koch

Petershagen (mt). Die Ahnenstätte in Petershagen-Seelenfeld sei nicht nur ein Ort außerchristlicher Religiosität, sondern vor allem von politischer Bedeutung. Diese Feststellung traf der Journalist Julian Feldmann aus Kiel bei seinem Vortrag im Alten Amtsgericht Petershagen am Mittwochabend.

Seit mehreren Jahren verfolgt der Beobachter der rechten Szene das Geschehen in dem beschaulichen Ort. Dabei stellte der Soziologe fest, dass die Ahnenstätte Teil eines heute noch aktiven Verbundes rechts-esoterischer Kreise ist. Unter anderem hatte er den vom Verfassungsschutz beobachteten Rechtsextremisten Wolfram Schiedewitz in Seelenfeld angetroffen.

Rund 170 Zuhörer waren gekommen, um den Vortrag mit dem Titel "Die Ahnenstätte Petershagen-Seelenfeld und der rechtsextreme Bund für Gotterkenntnis" zu hören. Eingeladen hatte der Mindener Geschichtsverein in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen, dem LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim und dem Verein "Minden - Für Demokratie und Vielfalt".

In seinem Vortag widmete sich Feldmann der Entstehungsgeschichte der Ahnenstätte, die bis in die Zeit der Weimarer Republik zurückgeht sowie der Entwicklung der so genannten Ludendorff-Bewegung mit ihren Nachfolgeorganisationen bis in die heutige Zeit.

In der Diskussion kamen auch Einwohner von Seelenfeld zu Wort, die durch verwandtschaftliche Beziehungen mit dem Friedhof in Privatträgerschaft verbunden sind. Dabei machten die Betroffenen deutlich, dass ihnen rechtsextremes Gedankengut weder in der Vergangenheit aufgefallen sei, noch dass sie derartigen Tendenzen nahestünden. Offen blieb, wie die Stadt Petershagen weiter mit der Ahnenstätte umgehen soll, die bislang als Teil des touristischen Angebotes beworben wurde. Einige Redner machten deutlich, dass der unkritische Umgang mit der aus einer bronzezeitlichen Begräbnisstätte hervorgegangen Anlage ein Ende habe müsse.

Ausführlicher Bericht folgt.

Bildunterschrift: Der Journalist Julian Feldmann.


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- Mittwoch, 27. September 2017 um 19.00 Uhr -


Vortrag von Julian Feldmann, Kiel: Die "Ahnenstätte" Petershagen-Seelenfeld und der rechtsextreme "Bund für Gotterkenntnis"

- Ein politischer Ort unserer Region seit 1929 und seine heutige Bedeutung


Veranstaltungsort:

Altes Amtsgericht
Mindener Straße 16
32469 Petershagen


Die Gründung der "Ahnenstätte" Petershagen-Seelenfeld reicht in die Weimarer Republik zurück. Ihre Wurzeln hat sie bis heute in der Bewegung der so genannten "Ludendorffer".

Angesichts dieses völkischen Hintergrunds und aktueller Berichterstattung in den Medien bedarf es einer erneuten historischen wie politischen Einordnung. Die Veranstalter wollen deshalb einen Anstoß zur historischen Aufklärung leisten und laden dazu die interessierte Öffentlichkeit zu einem Vortrag mit anschließendem Gespräch mit dem Journalisten Julian Feldmann ein. Feldmann berichtete bereits vielfach über dieses Thema in verschiedenen Medien und bereitet zur Zeit eine eigene Publikation dazu vor. Er wird aus seiner journalistischen und publizistischen Recherche und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema berichten.

Vor knapp 90 Jahren wurde die "Ahnenstätte" Seelenfeld gegründet, die sich an vorgeblich germanischen Begräbnisstätten orientierte. Sie wurde zur Gründungszeit durch den explizit völkisch-antisemitischen Geist ihrer Gründer getragen. Heute wird sie durch einen Verein betrieben; das Gräberfeld ist vergrößert worden. Wie die "Ahnenstätte" in Seelenfeld entstand und was sich heute dahinter verbirgt, soll in der Veranstaltung geklärt werden.


Der Journalist Julian Feldmann arbeitet für öffentlich-rechtliche Fernsehsender vor allem zum Themenbereich Rechtsextremismus. Er ist Autor der Jüdischen Allgemeinen und für "bnr", den "Blick nach Rechts". Mit den Ludendorffern - auch in Ostwestfalen-Lippe - befasst er sich seit sieben Jahren.


Veranstalterinnen: Mindener Geschichtsverein in Kooperation mit der AG Alte Synagoge Petershagen, dem LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim und dem Verein "Minden - Für Demokratie und Vielfalt e.V.".

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Mindener Tageblatt , 27.09.2017 :

Historische Einordnung

Vortrag über die Ahnenstätte in Seelenfeld

Petershagen-Seelenfeld (mt/hy). Der Mindener Geschichtsverein lädt in Kooperation mit der AG Alte Synagoge Petershagen, dem LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim und dem Verein "Minden - Für Demokratie und Vielfalt" heute, 27. September, zu einem Vortrag mit anschließendem Gespräch ein.

Der Journalist Julian Feldmann aus Kiel referiert über das Thema "Die "Ahnenstätte" Petershagen-Seelenfeld und der rechtsextreme "Bund für Gotterkenntnis". Ein politischer Ort unserer Region seit 1929 und seine heutige Bedeutung." Beginn ist um 19 Uhr im Alten Amtsgericht Petershagen. Der Eintritt ist frei.

Die Gründung der "Ahnenstätte" reicht in die Weimarer Republik zurück. Ihre Wurzeln hat sie bis heute in der Bewegung der so genannten "Ludendorffer". Angesichts dieses völkischen Hintergrunds und aktueller Berichterstattung in den Medien bedarf es einer erneuten historischen wie politischen Einordnung.

Die Veranstalter wollen deshalb einen Anstoß zur historischen Aufklärung leisten. Julian Feldmann berichtete bereits vielfach über dieses Thema und bereitet zur Zeit eine eigene Publikation dazu vor. Er wird aus seiner journalistischen und publizistischen Recherche und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema berichten. Feldmann arbeitet für öffentlich-rechtliche Fernsehsender vor allem zu Rechtsextremismus.

Bildunterschrift: Die Ahnenstätte in Seelenfeld.


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Mindener Tageblatt, 07.09.2017:

"Ahnenstätte" neu einordnen

In einem Vortrag im Alten Amtsgericht wird der Kieler Journalist Julian Feldmann über "einen politischen Ort unserer Region" und dessen heutige Bedeutung referieren

Von Oliver Plöger

Petershagen-Seelenfeld (mt). Für eine historische und politische Einordnung der "Ahnenstätte Seelenfeld" plädiert der Mindener Geschichtsverein in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen, dem LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim und dem Verein "Minden - Für Demokratie und Vielfalt". Dazu Sven Panthöfer vom Mindener Geschichtsverein: "Vor knapp 90 Jahren wurde die "Ahnenstätte" Seelenfeld gegründet, die sich an vorgeblich germanischen Begräbnisstätten orientierte. Sie wurde zur Gründungszeit durch den explizit völkisch-antisemitischen Geist ihrer Gründer getragen. Heute wird sie durch einen Verein betrieben; das Gräberfeld ist vergrößert worden." Wie diese "Ahnenstätte" in Seelenfeld entstand und was sich heute dahinter verbirgt, soll in einer Veranstaltung geklärt werden, die am Mittwoch, 27. September, ab 19 Uhr im Alten Amtsgericht Petershagen stattfindet. Eingeladen wurde dazu der Journalist Julian Feldmann, der unter anderem für "Spiegel Online" über die Verfahren gegen die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel berichtet hat. Über den Petershäger Friedhof plant Feldmann aktuell eine eigene Publikation.

Zuletzt war das mediale Interesse an dem Gräberfeld in Seelenfeld wieder größer geworden, nachdem ein Treffen stattgefunden hatte, bei dem auch bekannte Rechtsextremisten anwesend gewesen sein sollen. Auch der Westdeutsche Rundfunk hatte über die Zusammenkunft berichtet. Die Stadt Petershagen hatte in der Folge dem Eindruck widersprochen, dass die Grabanlage eine Begräbnisstätte für Völkische sei und dass sich Petershagen zum Treffpunkt der rechten Szene entwickelt habe. Auch Friedrich Dralle, Ortsheimatpfleger in Seelenfeld, habe keine rechtsextreme Propaganda feststellen können, die Gäste hätten die Ahnenstätte seinen Beobachtungen zufolge instandgesetzt.

Anders der Kieler Journalist Julian Feldmann, der den Vortrag am 27. September halten wird. Sein Thema: "Die "Ahnenstätte" Petershagen-Seelenfeld und der rechtsextreme "Bund für Gotterkenntnis". Ein politischer Ort unserer Region seit 1929 und seine heutige Bedeutung."

An besagtem Wochenende hätten sich 80 Personen zu einer internen Veranstaltung der Ahnenstätte getroffen. Vorab habe es einen Vortrag über die Archäologie des Bestattungswesens von der Steinzeit bis zur Neuzeit gegeben. Nach Feldmanns Worten soll auch Wolfgang Schiedewitz aus Seevetal vor Ort gewesen sein, der im thüringischen Guthmannshausen den Verein "Gedächtnisstätte" betreibt.

Zu den Gründerinnen dieses Vereins gehörte die mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte Vlothoerin Ursula Haverbeck-Wetzel, die in ihrer Heimatstadt auch das 2008 verbotene rechtsextreme Schulungszentrum "Collegium Humanum" betrieben hatte. In Vlotho saß zunächst auch der Verein "Gedächtnisstätte", bevor er 2011 nach Thüringen umzog.

Ein Hügelgräberfeld von überregionaler Bedeutung

Auf diese Zusammenhänge weist vor Ort das Schild "Dorfspaziergang Seelenfeld" nicht hin. Aber darauf, dass die Anlage auf einem kulturhistorisch bedeutsamen Gelände errichtet wurde: "Als im Kriegsjahr 1915 zur ackerbaulichen Umnutzung die geometrischen Parzellierungen erfolgten, entdeckte man auf diesem west-östlichen Höhenzug das Bronzezeitliche Hügelgräberfeld von überregionaler Bedeutung." So hätten unsere Vorfahren schon von dreieinhalb Jahrtausenden am "Sole Velde", also in Seelenfeld gelebt. Der Begräbnisplatz sei 1929/30 vom Landschaftsgärtner Rudolf Bergfeld gestaltet worden, Schirmherr war Weltkriegsgeneral Erich Ludendorff.

Bildunterschrift: Die Anlage in Seelenfeld ist in den vergangenen Monaten verstärkt in den Blick der Medien geraten. Julian Feldmann will in Petershagen über die Hintergründe aufklären.

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Mindener Tageblatt, 08./09.07.2017:

Friedhofsruhe gestört

Eine Veranstaltung auf der Ahnenstätte Seelenfeld mit Besuch aus der rechten Szene wirft Fragen auf / Nun will die Stadt Petershagen für mehr Transparenz und Information sorgen

Von Stefan Koch

Petershagen-Seelenfeld (mt). Um die Ruhestätte für Anhänger völkisch-esoterischen Gedankenguts in Seelenfeld ist es vor einigen Tagen lauter geworden. Als sich vor drei Wochen dort ein größerer Kreis zusammenfand, wurden auch bekannte Rechtsextremisten gesichtet. Nachdem der Hamburger Journalist Julian Feldmann über das Treffen auf der Internetplattform "Blick nach Rechts" berichtete, kam der WDR zu einem Drehtermin bei der Stadt Petershagen vorbei. Denn die Stadt hat die Ahnenstätte Seelenfeld in ihr touristisches Angebot eingebaut und informiert darüber in einer Broschüre. Die muss nun überarbeitet werden.

1929 wurde die Ahnenstätte unter Schirmherrschaft des Weltkriegsgenerals Erich Ludendorff von Anhängern des Tannenbergbundes in Seelenfeld begründet. Ludendorff und vor allem dessen Frau Mathilde gelten als Stifter der völkischen Religion, die auch heute noch als "Bund für Gotterkenntnis" firmiert.

Wie Feldmann berichtete, waren am 12. Juni mehr als 80 Personen nach Seelenfeld gekommen. Nicht nur aus Ostwestfalen-Lippe, dem angrenzenden Niedersachsen, sondern auch aus Düsseldorf, Münster, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Northeim, der Lüneburger Heide und Schleswig-Holstein seien die Besucher angereist - darunter auch Wolfram Schiedewitz aus dem Kreis Harburg. Er werde vom Verfassungsschutz als einer der Funktionäre der rechten Szene beobachtet. "Nicht alle Teilnehmer und Angehörige der Ahnenstätte Seelenfeld stammen aus dem völkischen Milieu, doch viele kommen aus Familien, die tief verstrickt sind in die rechte Szene", so der Journalist.

Friedrich Dralle, Ortsheimatpfleger in Seelenfeld, sieht den jüngsten Friedhofsbesuch gelassen. Nach seinen Beobachtungen hätten die Gäste die Ahnenstätte instandgesetzt. Von rechtsextremer Propaganda sei nichts festzustellen gewesen. "Bis heute besteht ein harmonisches Verhältnis zwischen der Dorfgemeinschaft und dem Friedhofsverein", meint Dralle, der selbst in seiner Eigenschaft als Fremdenführer Touristen mit vorbereitetem Text zur Ahnenstätte begleitet. "Es handelt sich schließlich um eine einzigartige Begräbnisanlage."

Findlinge statt Grabkreuz, Runen und Deutschvolk-Adler der Ludendorffer im Ambiente der Heidelandschaft machen den Charakter der Ahnenstätte aus. Um sie kümmert sich Udo David mit einem Betreiberverein. Der ehemalige Realschullehrer ist nicht nur im gesellschaftlichen Leben Petershagens vernetzt, sondern soll laut der Recherchen Feldmanns auch an Veranstaltungen des Bundes für Gotterkenntnis teilgenommen haben und dem Verein Ludendorff-Gedenkstätte angehören, der den ehemaligen Sitz des Ludendorff-Ehepaares als religiöses Zentrum betreibt. David selbst war auf MT-Anfrage nicht zu erreichen.

Die Stadt Petershagen sieht keine Verbindung zur rechten Szene

"Auf Grund der jüngsten Beiträge im Internet sowie der erfolgten Berichterstattung im WDR und NDR ist das mediale Interesse an der Anlage gestiegen", teilt Evelyn Hotze, Leiterin der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Tourismus bei der Stadt Petershagen mit. Die Stadt widerspreche dabei ausdrücklich dem Eindruck, dass die Grabanlage eine Begräbnisstätte für Völkische sei und dass sich Petershagen zum Treffpunkt der rechten Szene entwickelt habe. "Ganz im Gegenteil: Seitens der Stadt Petershagen werden beispielsweise seit Jahren gemeinsam mit Schulklassen Gedenkfeierlichkeiten für das Arbeitserziehungslager Lahde abgehalten, um die Erinnerung wachzuhalten. Gleiches gilt für die Arbeiten des Vereins der Alten Synagoge Petershagen. In diesem Zusammenhang seien auch die Stolpersteine in Petershagen erwähnt, die ebenfalls gegen das Vergessen wirken sollen", teilt Hotze in einer Pressemitteilung mit.

Laut Hotze wurde allerdings nach einem Gespräch der Stadt mit dem Ahnenstättenverein und der Ortschaft Seelenfeld deutlich, dass der Verein Ahnenstätte Seelenfeld seine Öffentlichkeitsarbeit intensivieren müsse, um Transparenz zu schaffen und sich vom Rechtsextremismus zu distanzieren. In diesem Zuge werde auch die städtische Publikation überarbeitet und mit weitergehenden Informationen versehen, die eine umfassendere geschichtliche Einordnung ermöglichten. Zudem sei eine neue Publikation speziell für die Ahnenstätte Seelenfeld angedacht, was wegen der Komplexität der Thematik nicht kurzfristig geschehen könne. "Im Ergebnis soll eine informative, reflektierte Schrift vorliegen."

Bildunterschrift: Als eine einzigartige Begräbnisstätte bewerten der Ortsheimatpfleger und die Stadt Petershagen die Ahnenstätte Seelenfeld. Im touristischen Angebot hat die von einem privaten Verein betriebene Anlage einen festen Stellenwert.

Bildunterschrift: Der Deutschvolk-Adler der Ludendorffer ist auf dem Friedhof als Emblem verbreitet.


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WDR-Nachrichten aus Westfalen-Lippe, 05.07.2017:

Rechte Szene trifft sich regelmäßig in Petershagen

05.07.2017 - 10.44 Uhr

Privatfriedhof Treffpunkt der rechten Szene

Stadt äußert Überraschung

Geschichte des Friedhofs soll aufgearbeitet werden

Im Petershagener Ortsteil Seelenfeld gibt es seit der Zeit der Weimarer Republik einen Privatfriedhof, auf dem auch Anhänger einer antisemitisch-rassistischen Bewegung begraben werden. Die so genannte "Ahnenstätte Seelenfeld" wurde von Menschen geschaffen, die sich den völkischen Theorien des Ehepaares Mathilde und Erich Ludendorff verbunden fühlen.

Ein Verein kümmert sich heute um den runenübersäten Friedhof. Einige der Vereinsmitglieder haben nach WDR-Recherchen enge Verbindungen in die völkische Szene.

Stadt zeigt sich überrascht

Obwohl die rechten Hintergründe anderer "Ahnenstätten" bereits lange bekannt sind, zeigte sich die Stadt Petershagen überrascht über die Vorwürfe gegen den Verein. Der Bürgermeister sagte, er wolle jetzt die Geschichte der Ahnenstätte aufarbeiten lassen.

Sendehinweis: Lokalzeit OWL - Heute, 19.30 bis 20.00 Uhr.

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Blick nach Rechts, 16.06.2017:

Begräbnisstätte für Völkische

Von Julian Feldmann

Auf einer "Ahnenstätte" im ostwestfälischen Seelenfeld (Kreis Minden-Lübbecke) werden seit der Weimarer Zeit vor allem völkische Ludendorff-Anhänger beigesetzt - zu einem "Ahnenstätten"-Treffen kamen auch bekannte Rechtsextremisten.

Hier auf dem neuheidnischen Friedhof im Tannenberger Grund, in idyllischer Heidelandschaft außerhalb des Ortes, wollte einst schon Erich Ludendorff begraben werden. Das war dem Erste-Weltkriegs-General nicht vergönnt, nach seinem Tod 1937 bekam er ein von Adolf Hitler angeordnetes Staatsbegräbnis im oberbayerischen Tutzing. Bereits 1930 war die "Ahnenstätte Seelenfeld" von Anhängern des völkisch-antisemitischen Tannenbergbundes (Schirmherr: Ludendorff) auf einem germanischen Hügelgräberfeld ins Leben gerufen worden. Erich Ludendorff und seine Frau Mathilde hatten Seelenfeld während der Weimarer Republik auch selbst besucht. In dem Ort war ein großer Teil der Bevölkerung aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Eine Tannenbergbund-Publikation schwärmte 1932: "Dieses herrliche Fleckchen deutscher Erde hat die Deutschvolkgemeinde Seelenfeld als Begräbnisstätte für ihre Toten bestimmt."

Auf der "Ahnenstätte" selbst dominiert völkische Symbolik. Keine christlichen Zeichen, keine Kreuze. Der "Deutschvolk-Adler", bis heute Zeichen der "Ludendorffer", ist nicht nur auf Grabsteinen zu sehen, sondern auch in Sandstein gemeißelt über dem Eingang zum Geräteschuppen. Der Verein "Deutschvolk" war der Vorläufer des "Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff)", der bis heute die völkische Ideologie Mathilde Ludendorffs verbreitet. Auf vielen Grabsteinen sind die Geburts- und Sterbedaten mit Runen gekennzeichnet. Einige "Ludendorffer" haben bereits ihren Grabstein, obgleich sie noch unter den Lebenden weilen. Der Friedhof, auf dem zahlreiche große Findlinge liegen, wird seit 2008 erweitert - offenbar gibt es eine große Nachfrage.

Deutsche Schäferhunde vor dem Tor

Vor dem Eingangstor zur "Ahnenstätte" wachen am vergangenen Sonntag zwei Deutsche Schäferhunde. Mehr als 80 Personen besichtigen die Begräbnisstätte an diesem Tag, sie kamen zu einer internen Veranstaltung der "Ahnenstätte". Die Hunde gehören zu einem umtriebigen Rechtsextremisten aus Niedersachsen: Wolfram Schiedewitz aus Seevetal (Kreis Harburg) wird vom Verfassungsschutz als einer der Funktionäre der Szene beobachtet, denn er führt den rechtsextremen "Verein Gedächtnisstätte" an, der im thüringischen Guthmannshausen (Kreis Sömmerda) ein Zentrum für Geschichtsrevisionisten betreibt. "Schiedewitz sieht Deutschland im "Krieg", dessen Ziel die "Umzüchtung der Deutschen" und der Zerstörung des "deutschen Nationalismus" sei", schreibt der niedersächsische Verfassungsschutz. "Unter dem Deckmantel des Gedenkens an die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs" agitiere der Schiedewitz‘ Vereinigung "gegen den demokratischen Verfassungsstaat".

Im 300-Seelen-Dorf Seelenfeld bei Petershagen, im äußersten Nordosten Nordrhein-Westfalens, versammelten sich am vergangenen Wochenende Völkische aus ganz Nord- und Westdeutschland. Vor allem aus Ostwestfalen-Lippe und den angrenzenden niedersächsischen Landkreisen reisten die Teilnehmer an. Aber auch aus Düsseldorf, Münster, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Northeim, der Lüneburger Heide und Schleswig-Holstein kamen teilweise ganze Familien. Jung bis Alt trafen sich am Vormittag im Seelenfelder Gasthaus Strahs. Dort lauschten sie einem Vortrag über die Archäologie des Bestattungswesens von der Steinzeit bis zur Neuzeit. Dann ging es auf die "Ahnenstätte".

"Ahnenstätten"-Verein eng mit der völkischen Szene verbunden

Als Organisator vor Ort trat Udo David auf, ein ehemaliger Realschullehrer. David ist Mitglied im Verein "Ludendorff-Gedenkstätte", der sich um das ehemalige Landhaus des Ehepaars Ludendorff in Tutzing am Starnberger See in Oberbayern kümmert. Die "Villa Ludendorff" dient den Ludendorff-Anhängern bis heute als eine Art Schrein. Bilder zeigen David auch als Teilnehmer von Veranstaltungen des rechtsextremen "Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff)", er sitzt im Vorstand des Betreibervereins der "Ahnenstätte Seelenfeld". Der "Ahnenstätten"-Verein ist eng mit der völkischen Szene in Ostwestfalen-Lippe verbunden, mehrere ehemalige Vorstandsmitglieder waren auch in rechten Vereinigungen wie dem "Bund Deutsche Heimat" aktiv.

Nicht alle Teilnehmer und Angehörigen der "Ahnenstätte Seelenfeld" stammen aus dem völkischen Milieu, doch viele kommen aus Familien, die tief verstrickt sind in die rechte Szene. Auch Anhänger des "Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff)" sind dabei. Bei einer ähnlichen Versammlung 2008 trat als Referent Nordfried Preisinger aus Schleswig-Holstein auf. Der "Ludendorffer" setzt sich seit Jahren für die Jugenderziehung im Sinne Mathilde Ludendorffs ein.

Großen Andrang gibt es alle paar Jahre in Seelenfeld, so auch im Sommer 2010. Zu einem Vortrag mit dem Titel "Hermann der Cherusker und Erich Ludendorff - zwei deutsche Feldherren, die Weltgeschichte gestaltet haben" und einem gemeinsamen Mittagessen trafen sich damals mehr als 120 Personen im örtlichen Gasthaus.

"Autonome Nationalisten" in der "Ahnenstätte"

Zu der "geschlossenen Veranstaltung" hatte Helge Ohlsen eingeladen, der als Ansprechpartner der Deutschen Hochschulgilde "Gorch Fock zu Hamburg" fungierte und Leserbriefe in der rechten "Jungen Freiheit" schrieb. Ein Aufsatz von Ohlsen erschien 2009 in der rechtsextremen Zeitschrift "Mensch und Maß". Heute ist Ohlsen Vorsitzender des "Ahnenstätten"-Vereins.

Neben Familienverbänden aus ganz Deutschland fanden 2010 auch Neonazis aus dem Ruhrgebiet den Weg nach Seelenfeld. Eine Gruppe "Autonomer Nationalisten" um Dennis Giemsch, Michael Brück, Christoph Drewer und Alexander Deptolla. Die Aktivisten des als gewaltbereit geltenden "Nationalen Widerstands Dortmund", der inzwischen verboten ist, besuchten auch die "Ahnenstätte" und lauschten dort einem Vortrag von Udo David.

In der Region scheint die "Ahnenstätte Seelenfeld" allerdings kaum auf Kritik zu stoßen. Sowohl die Stadt Petershagen als auch der Landkreis Minden-Lübbecke empfehlen die neuheidnische Begräbnisstätte als Ausflugsziel. Darauf hingewiesen, dass der Friedhof von Angehörigen der völkischen Bewegung angelegt wurde und auch die heutigen Betreiber noch eng mit der rechten Szene verbandelt sind, fehlt. Auch auf den Hinweistafeln am Eingang fehlt eine historische Einordnung.

Bildunterschrift: Auf der "Ahnenstätte Seelenfeld" wollte schon Erich Ludendorff begraben werden.

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roter Winkel (VVN-BdA), Juli 1992:

Die Karriere des Germanenfriedhofs

"Ahnenstätte Seelenfeld"

Von Jens Breder

In Seelenfeld steckt Geschichte. 1228 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, sorgte das beschauliche 340-Einwohner-Dorf nordöstlich von Petershagen im Kreis Minden-Lübbecke zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Schlagzeilen: 1914 wurden dort in einem altgermanischen Hügelgräberfeld Urnen aus der Bronzezeit entdeckt. Allerdings entschwand das Interesse an Seelenfeld ebenso schnell, wie es gekommen war.

Die "Karriere" des Hügelgräberfeldes indes endete nicht. Sie begann. 1930 schufen sich dort die Seelenfelder Anhänger des völkisch-germanisch- und antisemitischen "Tannenbergbundes" des Generals Erich Ludendorff ihren "sichtbaren Sammelpunkt" (so die "Mindener Heimatblätter" 1934). Den Friedhof gibt es heute noch. Auch wenn die naturbelassenen Findlinge mit Moos bewachsen, die Runen und die Grabsteininschriften verwittert sind, ist längst noch kein Gras über den Friedhof gewachsen. Einige Grabstellen sind frisch, immer wieder werden hier Bestattungen zelebriert.

Vieles weist darauf hin, dass Ludendorff-Anhänger für die stetige Belegung des Friedhofes sorgen. Zwar wird die Ahnenstätte inzwischen von einem "Ahnenstättenverein Niedersachsen e.V." verwaltet, der sich "als unpolitische Gemeinschaft von Heiden" sieht - der zuständige Ahnenstätten-Wart jedoch mag "indirekte Verbindungen" zur Nachfolgeorganisation des Tannenbergbundes, dem "Bund für Gotterkenntnis" nicht abstreiten. Des Weiteren tragen die Grabsteine Ortsangaben wie Ostpreußen, Pommern, Braunschweig - ganze "Sippen" aus dem gesamten Bundesgebiet lassen sich hier beerdigen.

Erich Ludendorff persönlich hätte gerne daneben gelegen. Der Hitler-Kumpan beim Putsch in München und Schirmherr des 1925 gegründeten Tannenbergbundes erklärte seinen Seelenfeldern Anhängern, dass er sich auf dem Gelände der Ahnenstätte begraben lassen wollte. Das allerdings war nicht im Sinne Adolf Hitlers: Der gab 1937, nach dem Tod des Generals, Order zum nationalsozialistischen Staatsbegräbnis in dessen Heimatort Tutzing. Dort ist inzwischen die "Weltanschauungsgemeinschaft Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V." (Vorsitzender ist Dr. G. Duda) ansässig - eine rege Organisation (vgl. hierzu: "Ludendorffer tummeln sich in Ostwestfalen" in "roter Winkel" Nr. 17, sowie "Sonnenwendfeier der Ludendorff-Sekte" in dieser Ausgabe, d. Red.). In Seelenfeld selbst sind der Friedhof, die Ludendorff-Anhänger und ihre Geschichte allerdings kaum noch Gesprächspartner. Die Ahnenstätte wird brav geduldet, ist sonntägliches Ausflugsziel.

Das Friedhofsamt der Stadt Petershagen gibt sich tolerant: "Es hat noch nie jemand Anstoß daran genommen. Da geht es sehr unauffällig und in kleinem Rahmen vor sich." Auch dem zuständigen Pfarrer begegnet der betont heidnische Friedhof, dessen Wegzuführung sogar die Kreuzesform vermeidet, in seiner Arbeit "überhaupt nicht mehr". Das ging dem früheren Amtsinhaber Pastor Hof nicht so. Er führte Mitte der 20er Jahre ein "autoritäres Regiment", der Konflikt mit den Dorfbewohnern blieb nicht aus. Als der junge Ludendorff-Anhänger und Dorfschullehrer Peithmann kam, hatte er leichtes Spiel. Die Ideen des Tannenbergbundes (Kampf den überstaatlichen wie Christen-, Juden-, Freimaurertum und Marxismus) faszinierten die Seelenfelder, schon bald war die Einwohnerschaft in zwei Hälften gespalten: Tannenberger und Christen. Die Tannenberger gewannen an Einfluss, setzten die Errichtung der Ahnenstätte auf dem germanischen Hügelgräberfeld durch und konnten 1933 sogar einen Gemeindevorsteher ins Amt wählen. Der allerdings wurde vom damaligen NSDAP-Landrat nicht bestätigt. Kurz darauf wurde der Tannenbergbund verboten. Der Nationalsozialismus fraß einen seiner Wegbereiter.

Doch 1937 kam es zur bereinigenden Aussprache zwischen Mathilde Ludendorff und Adolf Hitler: Der Bund für Deutsche Gotterkenntnis wurde gegründet. Kein Wunder, schließlich waren die ideologischen Ansätze sehr eng verknüpft. So schrieb Mathilde Ludendorff 1937 in einem Aufsatz: "Mann und Frau als Schöpfer und Hüter der Sippe und die tüchtigsten Männer und Frauen als Hüter des Volkes, jeder den Segen seines Geschlechtes dem Volksganzen sichernd, so sieht die deutsche Gotterkenntnis die beiden Geschlechter im Volke und schafft hiermit erst wieder geweihte Sippe und ein deutsches, lebendiges und nicht mehr verjudetes Volk."

Bildunterschrift: Der Grabstein mit Sechskreuz auf dem Germanenfriedhof. Der Name Weecke ist im Lippischen gut bekannt. B. Weecke unterhält in Horn eine einschlägige Buchhandlung.

Bildunterschrift: Auch der Hoheitsadler des Tannenbergbundes findet sich auf dem Ahnenstätten-Friedhof Seelenfeld, eingeschnitzt über dem Zugang zum Geräteraum.


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