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Neue Westfälische , 09.03.2004 :

Islamische Jugendgruppe im Visier des Verfassungsschutzes / Eine Tür führt zur Radikalität

Von Hubertus Gärtner

Vlotho. Der Jugendhof Vlotho ist eine Bildungsstätte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe mit einem tadellosen Ruf. Etwa 350 Tagungen, Kurse und Seminare werden dort pro Jahr angeboten. Sie richten sich an die haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Jugendhilfe. Die Themen sind sehr vielfältig. Sie reichen von der "Prävention gegen sexuellen Missbrauch in Kindertagesstätten" über "Percussion für Anfänger" bis hin zum "Stressmanagement" und "Interreligiösen Dialog".

"Unser Bildungsverständnis ist die Akzeptanz der Tatsache, dass wir in einer Vielkulturengesellschaft leben", heißt auf der Internet-Seite des Jugendhofes. Unter Anwendung dieses Mottos veranstaltet der Jugendhof auch verschiedene Seminare gemeinsam mit der "Muslimischen Jugend in Deutschland" (MJD). Das könnte zum Problem werden.

Denn Verfassungsschützer hegen den Verdacht, dass die "Muslimische Jugend Deutschland" mit islamistischen Gruppen verquickt ist. Die 1994 gegründete MJD, die nach eigenen Angaben in der Bundesrepublik etwa 250 Mitglieder hat, weist entsprechende Vorwürfe zurück. Nach Außen hin gibt sie sich streng religiös. Die Organisation will junge Menschen "dazu einladen, nach Allahs Rechtleitung zu leben" und bei der "islamischen Identitätsfindung helfen". Ihr höchstes Ziel ist es "Allahs Wohlgefallen zu erlangen".

Das klang sogar für das Bundesfamilienministerium überzeugend. Bisher. Es förderte die "Muslimische Jugend Deutschland" mit 64.000 Euro, um den interreligiösen Dialog anzukurbeln. Das Projekt sei im vergangenen Jahr "zu Ende gegangen", sagte Beate Moser, Sprecherin des Bundesfamilienministeriums auf Anfrage. Bei einer Überprüfung der Mittelverwendung sei "kein Missbrauch" festgestellt worden. Trotzdem werde es in Zukunft keine finanzielle Unterstützung mehr geben.

Die neue Distanz mag auch mit Meldungen aus Berliner Schulen zusammenhängen. Nach Zeitungsberichten setzt sich die "fundamentalistisch angehauchte Muslimische Jugend" dort immer stärker in Szene. Wie die Frankfurter Rundschau herausfand, lud MJD im November vergangenen Jahres zu einem Imam-Wochenende in eine Moschee ein, die als Hochburg der vom Verfassungsschutz beäugten Organisation Milli Görus gilt.

MJD und Milli Görus benutzten die "Strategie zweier Türen" heißt es in anderen Presseberichten. Eine Tür führe stets in Richtung deutsche Mehrheitsgesellschaft, die andere in Richtung Islamismus.

Die "Muslimische Jugend Deutschland" demonstriert vehement für das Tragen des Kopftuches bei Frauen. Die Lehrerin Fereshda Ludin, die das Tuch sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht trug, gehörte zwei Jahre lang dem MJD-Vorstand an. Das allein sagt noch nicht viel. Deshalb stärken sowohl die IG Metall als auch die Katholische Junge Gemeinde (KJG) der Muslimischen Jugend noch den Rücken. Man
habe die MJD bei der bisherigen Zusammenarbeit stets als "einen offenen und an Dialog interessierten Jugendverband erlebt", heißt es in einem Schreiben der KJG-Bundesleitung.

Auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der als Träger des Vlothoer Jugendhofes in der Verantwortung steht und die Presseauskünfte regelt, zeigt sich gelassen. "Wir haben bislang keinen Grund zur Beanstandung", sagt LWL-Sprecher Markus Fischer. Sein Kollege beim Berliner Verfassungsschutz, Claus Guggenberger, sieht die Muslimische Jugend Deutschland hingegen eng mit islamistischen Gruppen verknüpft. Guggenberger glaubt nicht an Zufälle.

In ihrer Satzung habe die MJD niedergeschrieben, dass im Falle einer Auflösung der Organisation das Vermögen an den Aachener Verein Al-Aqsa fließen solle, der wiederum die terroristische und radikal-islamistische Hamas-Bewegung unterstützt. Der Verein Al-Aqsa wurde inzwischen vom Bundesinnenminister verboten.


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