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Schaumburger Zeitung , 21.07.1998 :

Kurdenfamilie bangt weiter, Schüler fordern Bleiberecht

Bückeburg (ro). Anläßlich des Schulfestes starteten einige Schülerinnen des Gymnasiums Adolfinum auch eine Solidaritäts-Aktion für die Familie einer kurdischen Schülerin. Bereits im Februar hat unsere Zeitung über das Schicksal der Familie Oral berichtet. Damals drohte ihr die Abschiebung. Wenig später wurde die Duldung der Familie um sechs Monate verlängert. Nun ist die gleiche Situation erneut eingetreten: die Duldung läuft aus.

Mehmet und Gülüsten Oral sehen sich schon mit ihren sechs Kindern, die zwischen drei und 16 Jahre alt sind, in die Türkei abgeschoben. Dort gibt es keine überlebenden Verwandten mehr. Die Tatsache, dass Mehmet Oral an einem Hungerstreik in Dortmund für die Rechte der Kurden teilgenommen hatte, hatte den türkischen Behörden als Grund ausgereicht, im Heiomatdorf der Orals sogar den Bürgermeister zu verhaften. Zwei der Brüder Gülüstan Orals sind ermordet worden. Was die achtköpfige Familie schon bei der Abfertigung am Flughafen in der Türkei erwarten könnte, versetzt sie in Angst und Schrecken.

Das zuständige Gericht hat den Asyl-Folge-Antrag derweil abgelehnt. Dennoch bemüht sich der Niedersächsische Flüchtlingsrat zur Zeit stark um die Klage auf Abschiebe-Hindernisse, ein weiterer Eilantrag wurde gestellt. Das größte Problem dabei stellt die Beweisregelung dar: Die Beweise dürfen nämlich nicht älter als drei Monate sein. Was das für langwierige Gerichtsverfahren bedeutet, dürfte klar sein ...

Für die Familie bleibt die ständige Angst vor einer kurzfristigen Abschiebung durch den Landkreis Schaumburg. Im besten Fall wäre lediglich das Überleben der Familie gesichert; an eine Schulausbildung für die Kinder oder einen Arbeitsplatz für die Eltern in der Türkei wäre im Traum nicht zu denken. Kaum auszudenken ist jedoch, was der Familie im ungünstigen Fall droht. Die Lebensumstände und Ängste, die auf die Flüchtlingsfamilie einwirken, können wir Deutsche uns wohl nur schwer vorstellen. Zumal: Die Kinder sind allesamt in Deutschland aufgewachsen und beherrschen die deutsche Sprache besser als ihre kurdische Muttersprache. Die jedoch darf in der Türkei nicht gesprochen werden. Türkisch sprechen die Kinder jedoch nicht. In seiner ablehnenden Haltung hat das Gericht auch das Argument der so genannten Inlands-Flucht-Alternative verwendet. Das hat den Schülerinnen am Adolfinum fast die Sprache verschlagen. Sie meinen: "Das wäre in etwa so, als hätte man den Berliner Juden im Dritten Reich erzählt, sie könnten ja nach Bayern fliehen!"

Am Gymnasium Adolfinum wurde erneut eine Unterschriften-Aktion gestartet. Darin wird dem Landkreis nahegelegt, der Familie ein Bleiberecht auszusprechen, allein schon, um ihr die ständige Angst zu nehmen. Die Gymnasiasten hoffen mit der Familie Oral, daß endlich das ersehnte Bleiberecht ausgesprochen wird, oder wenigstens die Duldung in Deutschland verlängert wird.

"In Anbetracht unserer eigenen deutschen Geschichte ist es ein Rätsel, warum es hier so schwierig ist, für Flüchtlinge in einer solchen Situation eine Lösung zu finden, die ihnen sicheres Überleben und eine Zukunft für ihre Kinder garantiert", argumentieren die Schüler.


sz@schaumburger-zeitung.de

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