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Lippische Rundschau , 04.11.1998 :

27-Jähriger zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt / Detmolder übergibt Sprengstoff an V-Mann

Detmold (hf). Wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ist gestern der 27 Jahre alte Gregor S. (alle Namen von der Redaktion geändert) vom Schöffengericht Detmold zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Ihm wurde die Ableistung von 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit zur Auflage gemacht. Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink hatte ebenfalls auf eine einjährige Haftstrafe plädiert, die Möglichkeit der Bewährung jedoch "im Interesse der Verteidigung der demokratischen Rechtsordnung" verneint.

Gregor S. bezeichnete sich selbst als "treudeutsch". Der Detmolder, Sohn eines ehemaligen Offiziers der Wehrmacht, bestritt nicht seine Liebe zu Uniformen und militärischen Ausrüstungsgegenständen sowie seine Freude an wehrsportlichen Übungen. Die Tatsache, dass er von seiner deutschnationalen Gesinnung nicht abzurücken gedenkt, unterstrich er mit der Aussage, dass er sich auch nach dem Verbot der Wiking-Jugend, der er aktiv angehörte, noch immer mit seinen Gesinnungsfreunden trifft. Wegen der Zugehörigkeit zu dieser Organisation war der junge Mann, der nach dem Abitur als Zeitsoldat in der Bundeswehr diente, von dieser vorzeitig entlassen worden. Mit Sprengstoff will er nie etwas zu tun gehabt haben. Er bestritt die ihm zur Last gelegte Tat.

Christoph G. (30), der den Angeklagten bei Treffen der Wiking-Jugend kennengelernt hatte, hatte das Strafverfahren ausgelöst. Er, der selbst zeitweise der rechtsradikalen NPD angehörte und ebenfalls als Zeitsoldat dient, hat die Fronten gewechselt und arbeitet inzwischen als Vertrauens-Mann für den Militärischen Abschirmdienst. Den MAD informierte er über die über einen Code vereinbarten Treffen mit Gregor S. Dazu gehörte auch eine Begegnung am 22. August 1994 in einem Biergarten unweit der Autobahnraststätte Gütersloh. Dort übergab ihm der vormalige Gesinnungsfreund einen 223 Gramm schweren TNT-Sprengkörper und einen elektrischen Sprengzünder zur Aufbewahrung. Die Übergabe war im Vorfeld angekündigt worden. Christoph G. wusste jedoch nicht, dass sie am fraglichen Tag erfolgen würde. Er informierte dennoch den MAD über das Treffen, meldete diesem unverzüglich die erfolgte Übergabe und händigte wenig später den Sprengstoff an den Abschirmdienst aus.

Vom Gericht danach befragt, räumte Christoph G. ein, er sei für den MAD auch tätig geworden, um seine Dienststellung bei der Bundeswehr nicht zu gefährden. Er sei aber keinerlei Druck ausgesetzt gewesen. Zu keiner Zeit sei es zu Zerwürfnissen zwischen ihm und Gregor S. gekommen, die ihn zu einer Falschanzeige hätten veranlasst haben können.

Während der Verteidiger des Angeklagten die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen in Frage stellte, bestätigte dessen Vorgesetzter beim MAD die Zuverlässigkeit des Informanten. Er sei auch nicht bezahlt worden, sondern habe lediglich "eine großzügige Entschädigung für seine Auslagen und seinen in der Freizeit erbrachten Arbeitsaufwand" erhalten.

Auch Vorsitzende Richterin Freya de Vries hielt den Zeugen für "absolut glaubwürdig". Die Bewährung habe das Gericht Gregor S. zugestanden, weil er bisher strafrechtlich unbescholten sei. Ein gegen ihn früher ergangenes Urteil wegen Verbreitung von Propagandamaterial verbotener Organisation ist bislang nicht rechtskräftig.



Anmerkung von www.hiergeblieben.de: Artikel über Gerd Ulrich


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