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Redebeitrag auf der Demonstration in Ahaus , 20.09.1998 :

Prozess gegen Atomkraft-Gegner vor dem Amtsgericht Ahaus

Liebe Freundinnen und Freunde!

Zunächst und dies an erster Stelle: Vielen Dank an die Veranstalterin des heutigen Spazierganges für die Möglichkeit, unser Anliegen vorbringen zu dürfen.

Ich spreche hier für einige wenige Menschen aus dem ostwestfälischem Detmold, die seit letztem Jahr immer wieder einmal nach Ahaus gekommen sind, um an den Protesten gegen die Atomtransporte teilzunehmen.

Diese selbstverständliche Inanspruchnahme des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit ist uns mittlerweile teuer zu stehen gekommen. Deshalb sind wir heute auch hier, um uns an Sie und euch mit der Bitte um Solidarität zu wenden.

Prozessverlauf

Solidarität mit unserem Freund Walter, der in einem skandalösem Verfahren am 7. Juli vom Amtsgericht Ahaus zu einer Geldstrafe von DM 2.000,00 verurteilt wurde. Nach dem Willen des Gerichtes muss er zusätzlich die Kosten des dreitägigen Prozesses sowie seine eigenen Auslagen, dies betrifft vor allem die Anwältin, tragen. Den zu erwartenden Gesamtbetrag von weit über DM 5.000,00 können wir alleine nicht aufbringen, dafür sind unsere regionalen Strukturen einfach zu beschränkt. Natürlich ist das Rechtsmittel der Revision eingelegt worden, doch sind die juristischen Aussichten auf eine Aufhebung des Urteils gering. Dieser Widerspruch war aber bitter notwendig, da ansonsten eine Erhöhung der Kosten um exakt 29.452,87 DM unmittelbar drohte. Doch dazu ein wenig später.

Wir waren über die solidarische Begleitung des Verfahrens, vor allem durch viele Mitglieder der Bürgerinitiative, sehr erfreut und dankbar. So bestand auch für viele die Chance, sich selber einen unmittelbaren Eindruck vom Ablauf der Verhandlung zu machen. So hatte zum Beispiel die Journalistin vom WDR-Fernsehen eine gänzlich andere Wahrnehmung vom Belastungszeugen der Anklage, als jene, die der Richter in seiner Urteilsverkündung vortrug. Entsprechend kritisch war dann auch die Berichterstattung.

Wie alles anfing

"Der Angeklagte ist der Zerstörung von Bauwerken schuldig", heißt es lapidar im Urteil. Was soll also geschehen sein? Nach einer Demonstration vor dem Haupteingang des BZA am 1. Mai 1997 besetzten zahlreiche Atomkraftgegnerinnen und -gegner den Schienenstrang, der direkt in die Anlage führt und legten die Bahnschwellen auf einigen Metern symbolisch frei. Bei dieser Aktion will ein Polizeikommissar unseren Freund dabei beobachtet haben, dass er "wie besessen an der Schienenwestseite den Schotter mit den Händen wegschaufelte". Da aufgrund des personellen Übergewichtes der Demonstrantinnen und Demonstranten, so der Polizist, eine Personalienfeststellung nicht möglich gewesen sei, erfolgte diese unbestrittenermaßen zu einem wesentlich späterem Zeitpunkt und an einem völlig anderem Ort.

Die konkrete Einlassung unseres Freundes, an der Demonstration, nicht aber an der so genannten "Abräumaktion" teilgenommen zu haben, wertete das Gericht als "reine Schutzbehauptung". Glauben schenkte der Richter jedoch dem besagtem Polizisten. Und dies, obwohl für alle Anwesenden dessen widersprüchliche Aussagen offenkundig waren. Zugespitzt formuliert: Von einer eindeutigen und zweifelsfreien Identifizierung unseres Freundes konnte nicht die Rede sein. Diesen Eindruck mussten wohl auch die Zeuginnen und Zeugen des BZA haben, die auf Antrag der Verteidigung geladen waren.

Das BZA will unser Geld

Diese sollten nämlich den angeblich entstandenen Sachschaden von "ca. 40.000 DM" detailliert darlegen, den sie der Anklagevertretung zuvor schriftlich mitgeteilt hatten. Bei ihrer Vernehmung stellte sich heraus, dass das BZA die Kosten für die Beseitigung der Schäden längst beglichen hatte, als sie das Antwortschreiben an die Staatsanwaltschaft anfertigten. Statt "ca. 40.000 DM" waren es ganz genau 29.452,87 DM.

Nun dürfen wir leider nicht annehmen, dass es diese Damen und Herren immer so lässig mit der Begleichung von Rechnungen nehmen. Wohl sehr ernst müssen wir die Aussage gleich nach der Urteilsverkündung - "Jetzt kommen wir an unser Geld!" - nehmen. Denn, sobald das Urteil rechtskräftig ist, hat das BZA drei Jahre lang Zeit, das Geld einzutreiben. Dieses ungeheure Vorgehen wäre und ist ohne weiteres durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgedeckt. Letztinstanzlich hat dieses höchste deutscheGericht im Grundsatz entschieden, dass Demonstrationsteilnehmerinnen und -nehmer zur Kasse gebeten werden können. Übrigens nicht nur für vermeintliche oder tatsächliche Schäden, sondern unter Umständen auch für Polizeieinsätze. In unserem konkreten Beispiel wäre es beispielsweise nur noch möglich, in einem Zivilverfahren die Kostenhöhe anzufechten.

Sicherlich ist es für alle hier nachvollziehbar, dass wir nicht die geringste Lust verspüren, demnächst eventuell Spenden für das BZA zu sammeln. Für Ideen und Anregungen, wie wir gemeinsam diese 'räuberische Gelderpressung' durch politischen Druck verhindern können, sind wir sehr aufgeschlossen! Wir sind während des Spazierganges gerne zu Gesprächen bereit. Außerdem verteilen wir diese Ansprache noch, dort ist auch eine Kontaktadresse angegeben. Für Interessierte haben wir auch noch unser letztes Prozessflugblatt, in dem der Anklagevorwurf etwas ausführlicher abgehandelt ist. Wir bitten Sie und euch zum Schluss sehr herzlich um Spenden für unsere bisherigen Kosten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!


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