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Lippische Landes-Zeitung , 23.12.1980 :

Regierungspräsident prüft zur Zeit die Möglichkeit einer vorgezogenen Randbebauung an nördlicher Hornscher Straße

Dank an den Rat der Stadt Detmold - Erneuter Appell an die Einsicht der Hausbesetzer - Polizeieinsatz soll möglichst vermieden werden

Detmold. Nachdem der Rat der Stadt Detmold in seiner Donnerstags-Sitzung mehrheitlich keine Bedenken gegen den Abbruch der Gebäude an der Hornschen Straße 40 / 42 erhoben habe, sei ihm nunmehr die Möglichkeit gegeben, die Landesentwicklungsgesellschaft zu beauftragen, den Abbruch durchzuführen. "Dafür stehen - nach Vertrag - drei Monate zur Verfügung, so dass mit der Abwicklung der Maßnahme bis zum Frühjahr 1981 zu rechnen ist. Diesen Zeitraum möchte ich nutzen, den Bürgern der Stadt Detmold deutlich zu machen, warum der Abbruch der Gebäude aus Sicht des Landes notwendig ist", äußerte Regierungspräsident Walter Stich gestern in einem Pressegespräch.

Er sei, fügte der Regierungspräsident hinzu, dem Rat der Stadt auch dankbar dafür, dass er davon abgesehen habe, für eine übergangsweise Nutzung etwa als Kommunikations- oder Jugendzentrum oder als Übergangswohnheim für Aussiedler einzutreten. "Auch dafür sind diese Gebäude völlig ungeeignet."

Instandsetzung hätte 5 Millionen Mark gekostet

Im Haus Nr. 40 bestehen, wie Stich erläuterte, tragende Bauteile aus brennbaren Stoffen. Der Treppenraum ist weder abgeschlossen noch feuerbeständig. Die Tragfähigkeit der Decken erscheint äußerst zweifelhaft, der rückwärtige Anbau müsste abgebrochen werden. Stellplätze sind auf dem Grundstück nicht vorhanden. Sanitäre Räume fehlen, Elektro-, Heizungs- und Sanitärinstallation sind äußerst mangelhaft. "Die Kosten für Maßnahmen, die die Mindesterfordernisse der Bauordnung erfüllen, betragen nach groben Schätzungen mindestens 800.000 bis 900.000 Mark. Dabei ist der ebenfalls erforderliche Ausbau des Daches nicht einmal berücksichtigt."

Um das ehemalige Fabrikgebäude Hornsche Straße 42 als Kommunikationszentrum, also als Versammlungsstätte auszubauen, müssten u.a. zwei völlig neue, feuerbeständige Treppenhäuser eingebaut werden, Sanitärräume fehlen hier völlig. Eine grobe Schätzung der Kosten des unbedingt notwendigen Durchbaues dieses Gebäudes liege zwischen 3,8 und 4,6 Millionen Mark.

Regierungspräsident Walter Stich: "Es müssten also rund 5 Millionen Mark aufgewandt werden, um die Häuser Nr. 40 und Nr. 42 für eine übergangsweise Nutzung - ungeachtet ihrer Dauer - den baulichen Vorschriften gemäß instand zu setzen. Mit solchen Zahlen wird von den Folgekosten der Nutzung selbst völlig abstrahiert. Dabei ist die Dauer der Nutzung solcher Investition völlig offen. Niemand hat bisher bezweifelt, dass das Gelände an der Hornschen Straße in erster Linie für notwendige Baumaßnahmen des Eigentümers, also des Landes NRW, zur Verfügung stehen muss."

Das alles müsse man sehen vor dem Hintergrund einer finanziellen Situation, bei der Bund, Land und Stadt Investitionen nur nach strenger Prüfung beginnen könnten. Auch in der Bürgerschaft habe sich erfreulicherweise die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Befriedigung von Gruppeninteressen nur aus Steuergeldern der arbeitenden Bevölkerung möglich sei.

Vorgezogene Randbebauung wird zur Zeit geprüft

Da eine Nutzung der Gebäude für staatliche Zwecke völlig unökonomisch und unzweckmäßig sei, bleibe nur der Abbruch, der erst den Beginn der Arbeiten am ersten Bauabschnitt der Erweiterungsmaßnahme ermögliche. Wenn die Stadt jedoch den Wunsch äußere, baldmöglichst die zurückgezogene Randbebauung an der Hornschen Straße zu bekommen, wolle er prüfen, ob nicht bereits vorhandener Bedarf anderer staatlicher, nachgeordneter Behörden an der Hornschen Straße befriedigt werden könne. Eine solche Randbebauung würde - entsprechend der von ihm vorgestellten Planung - in städtebaulich optimaler Weise eine Verschiebung der Hornschen Straße nach Norden ermöglichen und die Arkadierung der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite erübrigen. Den Bedürfnissen der Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer könne Rechnung getragen werden, die Hornsche Straße durch entsprechende Bepflanzung Alleecharakter erhalten, was der Eigenart der "alten Residenz" Rechnung trage.

"Insgesamt zeigt sich also, dass sich staatliche und städtische Interessen in hohen Maße in Übereinstimmung bringen lassen", äußerte der Regierungspräsident.

Räumung ungern unter Einsatz der Polizei

Sein Wunsch, den Abbruch der Gebäude unter den kritischen Augen der Bevölkerung im angemessenen Zeitraum bei Fortsetzung des Dialoges mit den Bürgern durchzuführen, bedeute nicht, dass die Hausbesetzung bis dahin hingenommen werden könne. Angesichts der aufgezeigten Gefährdung - nach eigenen Angaben der Besetzer hielten sich zeitweise bis zu 300 Personen in den Gebäuden auf - aber auch angesichts der strafbaren Handlung, in die junge Menschen hineingezogen würden, sei sogar schnelles Handeln erforderlich.

"Jeder, der die Häuser betritt, muss wissen, dass er Leben und Gesundheit gefährdet, aber auch, dass er sich strafbar macht. Strafantrag ist von mir bei der Staatsanwaltschaft gestellt worden", sagte Stich.

Der Regierungspräsident appellierte erneut an die Hausbesetzer, den sinn- und zwecklosen Bruch des Rechtsfriedens aufzugeben und auch den Weihnachtsfrieden zum Nachdenken und zur Besinnung zu nutzen. Er möchte es, wenn eben möglich vermeiden, die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die von der Hausbesetzung ausgehe, durch den Einsatz von Polizei zu beenden. "Den Detmoldern sollten solche Szenen erspart bleiben."

Gleichzeitiger dringender Appell an alle jungen Menschen: "Lassen Sie sich nicht von denen verführen, denen es gar nicht um die Detmolder Jugend, sondern um ganz andere Dinge geht."


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