Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock e.V. ,
07.09.2002 :
Blumen für Stukenbrock - Antikriegstag 2002 / Eröffnungsrede von Werner Höner
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, verehrte Frau Landrätin, Herr Bürgermeister, sehr geehrte Vertreter der Botschaften und Konsulate Russlands, Belorusslands, Italiens, Polens und Kasachstans.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Mahn- und Gedenkveranstaltung.
Als vor 35 Jahren Persönlichkeiten aus den Kirchen, der Politik, den Gewerkschaften und Jugendorganisationen anlässlich des Antikriegstages 1967 zu einer Mahn- und Gedenkveranstaltung an den Gräbern von Stukenbrock aufriefen, wollten sie Zeichen setzen:
Ein Zeichen gegen das Verschweigen und das Vergessen der Verbrechen, die im Namen Deutschlands an anderen Völkern und auch am eigenen Volk in der Zeit zwischen 1933 und 1945 begangen wurden.
Dazu gehörten auch die Verbrechen im Stalag 326 in Stukenbrock an wehrlosen Kriegsgefangenen. Rund 65.000 Menschen, vorwiegend sowjetischen, aber auch Gefangene aus Polen, Frankreich, Italien und Jugoslawien Überlebten hier das Terrorregime der Nazis nicht.
Auch heute sind wir hierher gekommen, um ihres Leidens und Sterbens zu gedenken. In dieses Gedenken schließen wir alle anderen Opfer des Faschismus, der Kriege, der Gewalt und des Terrors ein.
(Gedenkminute)
Ein weiteres Zeichen setzten sie 1967 gegen den damals das politische Leben beherrschenden Kalten Krieg. Alternativen waren gefragt, von offizieller Seite nicht immer gewünscht.
Das Setzen dieser Zeichen war nicht vergeblich! Viele haben sie verstanden. Diese Menschen waren auch bereit, mit uns die schweren Wege der Auseinandersetzungen gegen alle möglichen Anfeindungen zu gehen. Dafür danken wir allen, die uns durch ihre Solidarität diese Gedenkstättenarbeit ermöglicht haben.
Es gab auch viele Rückschläge. Dazu gehört auch die sogenannte "Normalisierung" , zu der auch wieder das Führen von Kriegen gehört. Sie hat in Europa einen Stand erreicht, der Günter Gaus veranlasst zu fragen: "Sind die Blumen für Stukenbrock vergeblich gebrochen worden?" Er gibt darauf keine Antwort, sagt aber: "Es ist richtig, gegen den Strom zu schwimmen, solange Mut und Atem reichen".
Dank der Unterstützung aus weiten Schichten der Bevölkerung in den vergangenen 35 Jahren brachten wir diesen Mut und Atem auf.
Diese Unterstützung hat mit dazu beigetragen, dass die Mahnung von Stukenbrock nicht verstummt ist, das viele Menschen nicht nur diesen Friedhof und die Dokumentationsstätte kennen, dass auch die hier ermordeten Kriegsgefangenen und die Überlebenden des Lagers 326 nicht vergessen wurden.
Dieser Mut und dieser Atem trugen dazu bei, dass trotz massivem Antikommunismus, in den vergangenen 35 Jahren der Beweis erbracht wurde, dass immer wieder Menschen verschiedenster politischer und weltanschaulicher Richtungen zu gemeinsamen Handeln für Frieden, Verständigung, Solidarität, gegen Krieg und Neonazismus zusammenfinden können. Blumen für Stukenbrock hat in diesem Sinne auch Brücken gebaut!
An dieser Stelle sei es mir erlaubt, den Namen eines Freundes zu nennen, der leider heute nicht mehr unter uns ist und dem wir viel zu verdanken haben. Ich denke hier an Pastor Heinrich Diestelmeier, der wenige Tage nach unserer Veranstaltung im vergangenen Jahr gestorben ist. Heinrich Diestelmeier war von Anfang an dabei. Er war einer der Gründer des Arbeitskreises. Seinen Mut, seine Konsequenz und seine Liebe zu den Mitmenschen prägten die Tätigkeit unseres Arbeitskreises. Dafür danken wir ihm. "Blumen für Stukenbrock" war auch sein Werk! Immer wieder forderte er uns auf, wachsam zu sein und neuen Gefahren für den Frieden gemeinsam zu begegnen.
Ein wesentlicher Bestandteil unserer Gedenkstättenarbeit war immer das Eingreifen in aktuelles politisches Geschehen. Wir prüften das Verhalten der Verantwortlichen in der Politik stets an dem Anspruch der Mahnung von Stukenbrock, alles für den Frieden zwischen den Menschen und den Völkern zu tun.
So verurteilten wir, dass Deutschland sich am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien beteiligte. So war für uns der Krieg gegen Afghanistan eine unzulässige Reaktion auf das schreckliche Verbrechen vom 11. September 2001 und so gibt es für uns keinerlei Rechtfertigung für eine "uneingeschränkte Solidarität" mit der Busch Administration in den USA, für die die ganze Welt zu einem Schlachtfeld gegen den Terrorismus geworden ist.
Wir begrüßen, dass nun auch Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer im Namen der Bundesregierung die USA vor einem Krieg gegen den Irak warnen und ihre Unterstützung verweigern wollen. Den Worten sollten nun aber Taten folgen!
Eine solche Tat müsste die unverz?gliche Zurückziehung der deutschen ABC-Spürpanzer aus Kuwait sein, damit auch deutlich wird, dass deutsche Soldaten und deutsche Waffen für einen neuen Krieg nicht zur Verfügung stehen. Eine solche Tat müsste die Weigerung sein, die Nutzung deutscher Militärbasen für diesen Krieg zur Verfügung zu stellen.
Wir erinnern: Nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik ist jede beabsichtigte Handlung, die geeignet ist einen Angriffskrieg vorzubereiten, unter Strafe gestellt. Gegen den Irak wird offenkundig ein Angriffskrieg vorbereitet, dem jegliche deutsche Unterstützung durch das Grundgesetz verboten ist!
Wir sagen in unserem Aufruf zum Antikriegstag und auch heute erneut ein eindeutiges Nein zu einem Angriffskrieg gegen den Irak!
Unser Volk hat in den letzten Wochen angesichts der furchtbaren Hochwasserkatastrophe bewiesen, das es zusammenstehen kann und will, wenn Leben bedroht ist. Ein solches Zusammenstehen zur Verhinderung eines neuen Krieges ist nicht weniger notwendig! Dafür setzen wir und ein.
Für uns wird auch weiterhin das konkrete Verhalten zur Mahnung von Stukenbrock die Latte sein, an denen die Glaubwürdigkeit der Politikerinnen und Politiker zu messen ist.
Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen bedanken, die uns in den vergangenen Jahren unterstützt haben und Mut machten.
Ein herzlicher Dank geht an die vielen Spenderinnen und Spender, die durch ihre Geldspenden unsere Arbeit ermöglicht haben und dazu beitrugen, dass mit einer jährlichen Geldüberweisung an die Überlebenden von Stukenbrock deren materielle Not etwas gelindert werden konnte. Diese Solidaritätsspenden an die Überlebenden können nicht die ihnen bisher vorenthaltene Entschädigung für ihre Zwangsarbeit ersetzen. Sie sollen aber daran erinnern, dass hier ein von Deutschen begangenes Unrecht immer noch Wiedergutmachung schuldet. Auch in diesem Jahr möchten wir den Überlebenden eine Geldspende Übergeben, für die wir auch heute hier sammeln.
Leider ist es uns nicht möglich, heute hier einen der Überlebenden begrüßen zu können. Unser Freund, Georgiy Kholniy aus Moskau, der seine Teilnahme angekündigt hatte, musste aus gesundheitlichen Gründen leider absagen.
Wir freuen aus aber, heute hier junge Menschen zu Gast zu haben, die eine Woche lang auf Einladung der Deutsch-Russischen Gesellschaft und der Bertha von Suttner- Gesamtschule in Dormagen unser Land besuchen. Diese Schüler einer Moskauer Schule befassen sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte des Lagers Stukenbrock. Die Überlebenden des Lagers Stukenbrock sind Paten dieser Schule. An dieser Schule wurde ein Geschichtskabinett mit dem Schwerpunkt Stukenbrock eingerichtet. Dazu gehört auch ein Museum zum Stalag 326. Ich würde es begrüßen, wenn sich auch hier eine Schule in ähnlicher Weise dem Thema des Stalags 326 widmen würde.
Ich möchte Ihnen allen, die Sie hierher gekommen sind, Dank sagen für Ihr Kommen und gleichzeitig dafür werben, dass Sie uns auch weiterhin solidarisch zur Seite stehen.
w.hoener@blumen-für-stukenbrock.de
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